European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00011.21B.0223.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 939,24 EUR (darin enthalten 156,54 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Klägerin betreibt ein Sicherheitsunternehmen, die Beklagte bietet diverse Serviceleistungen für Gebäude und Liegenschaften an.
[2] Die Beklagte, die von einem Dritten mit einer Baustellen-Bewachung beauftragt worden war, führte mit der Klägerin Gespräche über die Erbringung dieser Leistungen als Subunternehmen. Dabei besprachen die Streitteile unter anderem die Aufgabe, die mögliche Anzahl an benötigten Personen sowie den voraussichtlichen Arbeitsbeginn im Oktober 2019. Der Klägerin wurde mitgeteilt, dass ein kurzfristiger Abruf von Personen nur nach Maßgabe der benötigten Kräfte erfolgen werde. Weiters sollte die Klägerin zunächst die „Preistafel“ in der vorbereiteten Subunternehmervereinbarung ausfüllen; in der Folge sollte die Preisverhandlung stattfinden. Da die Klägerin dieser Vorgangsweise nicht entsprach und die „Preistafel“ nicht ausfüllte, wurden die Vertragsverhandlungen abgebrochen. Es kann nicht festgestellt werden, welchen Aufwand die Klägerin zur Vorbereitung des Auftrags hatte. Eine Einigung auf die Höhe des Honorars oder eine Zusage, dass der Vertrag zustande kommen werde, erfolgte nicht. Die Beklagte forderte die Klägerin auch nicht auf, bis Anfang Oktober 2019 eine bestimmte Anzahl an geschulten Mitarbeitern bereitzustellen.
[3] Die Klägerin begehrte 11.880 EUR an Aufwandsersatz für Vorbereitungshandlungen von insgesamt 180 Stunden. Aufgrund der geführten Korrespondenz sei bei ihr die Überzeugung ausgelöst worden, dass der Vertrag zur Objektüberwachung mit Sicherheit zustande kommen werde.
[4] Die Beklagte entgegnete, dass nur Anbahnungsgespräche über eine mögliche Subunternehmervereinbarung geführt worden seien. Tatsächlich sei aber weder eine genaue Festlegung des Leistungsumfangs noch eine Einigung über den Preis der angebotenen Leistungen erfolgt. Die Klägerin habe nicht von einem Vertragsabschluss ausgehen können.
[5] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Eine Haftung wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten trete nur dann ein, wenn ein Vertragspartner dem anderen gegenüber eine jener Pflichten verletze, die auch schon vor Abschluss des Vertrags bestünden. Ein In-Sicherheit-Wiegen des anderen Teils mache dann ersatzpflichtig, wenn der Schutzpflichtige selbst noch gar nicht fest zum Vertragsabschluss entschlossen sei, aber erkennen könne, dass der Gesprächspartner im Vertrauen auf einen ernstlichen Abschlusswillen Aufwendungen mache. Im Anlassfall könne der Beklagten nicht vorgeworfen werden, die Klägerin über eine definitive Auftragserteilung in Sicherheit gewogen zu haben.
[6] Über Antrag der Klägerin nach § 508 ZPO sprach das Berufungsgericht nachträglich aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, weil das Berufungsgericht nicht selbst beurteilen könne, ob es die Beweisrüge hinreichend und fehlerfrei behandelt habe.
[7] Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.
[8] Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
[9] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig.
[10] 1. Trotz Zulässigerklärung der Revision durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber eine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Macht er hingegen – wie hier – nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen.
[11] 2. Die geltend gemachten Mängel des Berufungsverfahrens liegen nicht vor. Das Berufungsgericht hat sich sowohl mit der Mängelrüge als auch mit der Beweisrüge der Klägerin ausführlich auseinandergesetzt und diese ordnungsgemäß erledigt.
[12] Das Erstgericht hat festgestellt, dass der Klägerin im Zuge der Vertragsverhandlungen mitgeteilt wurde, dass ein kurzfristiger Abruf von Personen nur nach Maßgabe der jeweils benötigten Kräfte erfolgen könne. In seiner Beweiswürdigung verwies das Erstgericht dazu auf die glaubwürdige Aussage des Zeugen L*****, der darlegte, dass kein konkreter Personaleinsatz, sondern ein solcher auf Abruf besprochen worden sei. Wenn das Berufungsgericht in Behandlung der Beweisrüge auf die Aussage dieses Zeugen im Detail eingeht und ausführt, dass sich daraus ergebe, dass die Beklagte auch das Zurverfügungstellen einer größeren Anzahl von Personen als Voraussetzung für die Erteilung eines Auftrags betrachtete, so ist dies kein Abweichen von der vom Erstgericht festgestellten Tatsachengrundlage und auch keine – noch dazu unzulässige (vgl dazu RIS‑Justiz RS0040318) – überschießende Feststellung.
[13] Ob der „Vorbehalt des Zurverfügungstellens einer größeren Anzahl von Personen“, also ein Personaleinsatz auf Abruf, in der Überwachungsbranche als üblich anzusehen ist oder nicht, bleibt – worauf schon das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat – unerheblich, weil es im Anlassfall ausdrücklich auf die Erklärungen der Parteien im Rahmen der Vertragsverhandlungen und den dadurch beim Gegenüber vermittelten Eindruck ankommt.
[14] 3. In der Rechtsrüge führt die Klägerin zunächst aus, dass sie Einstellungsgespräche hätte führen und Schulungen hätte organisieren müssen, weshalb sie – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – „nicht den Aufwand zur Vorbereitung und den Abschluss eines Vertrags mit der Beklagten, sondern einen Aufwand zur Erfüllung daraus resultierender Verpflichtungen“ geltend mache.
[15] Diese Überlegungen der Klägerin sind nicht verständlich. Leistungen zur Erfüllung der Vertragspflichten setzen einen abgeschlossenen Vertrag voraus. Im Anlassfall ist ein Vertrag zwischen den Streitteilen aber unstrittig nicht zustande gekommen. Der Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Klägerin mit der vorliegenden Klage einen eigenen Arbeitsaufwand in Vorbereitung eines Vertragsabschlusses wegen angeblicher Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten geltend mache, vermag die Klägerin nichts Stichhaltiges entgegenzusetzen.
[16] 4.1 Zur Ersatzpflicht des potentiellen Vertragspartners bei Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten im Fall der Abstandnahme vom Vertragsabschluss sind die Vorinstanzen von den zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Nach dem Prinzip der Vertragsfreiheit kann jeder Vertragspartner auch ohne Grund die Vertragsverhandlungen abbrechen und den Vertrag scheitern lassen, außer es wurde ein intensiver Vertrauenstatbestand geschaffen und der Vertragsabschluss als sicher hingestellt. Ein solches In-Sicherheit-Wiegen kann nur angenommen werden, wenn sich der Schutzpflichtige selbst schon so verhält, als ob der Vertrag bereits abgeschlossen wäre, oder seinen Verhandlungspartner auffordert, mit dem Erbringen der im künftigen Vertrag vorgesehenen Leistungen zu beginnen, oder diesen zu Dispositionen veranlasst (vgl 10 Ob 10/05a; 2 Ob 160/06b). Zudem bestehen nach der Judikatur Warn- und Aufklärungspflichten, wenn erkennbar ist, dass der Verhandlungspartner im Vertrauen auf den Vertragsabschluss selbst Verbindlichkeiten eingeht (vgl RS0014680). Bei der Beurteilung im Einzelfall ist nach den jeweils konkreten Umständen restriktiv vorzugehen.
[17] 4.2 Ausgehend von diesen Grundsätzen haben die Vorinstanzen eine Haftung der Beklagten ohne Fehlbeurteilung verneint. Für die Klägerin musste klar sein, dass die Beklagte vor Klärung der Preisfrage keine Bindung eingehen will. Von der Schaffung eines intensiven Vertrauenstatbestands in Bezug auf den Abschluss des Vertrags kann nicht ausgegangen werden. Soweit die Klägerin neuerlich argumentiert, dass sie von der Beklagten im Glauben gelassen worden sei, dass der Vertragsabschluss nur noch eine „Formsache“ wäre, geht sie nicht von den getroffenen Feststellungen, sondern von ihrem Wunschsachverhalt aus.
[18] 4.3 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass bei einer Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten – bei Vorliegen der Voraussetzungen – der Vertrauensschaden zusteht. Daraus kann der Geschädigte verlangen, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn er ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre (RS0016374; RS0108267). Im Anlassfall konnte aber nicht festgestellt werden, welchen Aufwand die Klägerin zur Vorbereitung des in Rede stehenden Sub-Auftrags hatte.
[19] 5. Insgesamt gelingt es der Klägerin mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Revision war daher zurückzuweisen.
[20] Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO; die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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