OGH 4Ob101/19k

OGH4Ob101/19k13.6.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Priv.‑Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. O***** K*****, vertreten durch Piaty Müller‑Mezin Schoeller Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Graz, gegen die beklagte Partei A***** e.U., *****, vertreten durch Grasch + Krachler Rechtsanwälte OG in Kaindorf an der Sulm, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 31.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 10. April 2019, GZ 5 R 47/19z‑29, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00101.19K.0613.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Streitteile bieten Vorbereitungskurse zur Erlangung des kroatischen Küstenpatents an. Die Kurse der Beklagten finden in Österreich oder in Kroatien statt; sie betreut ihre Kunden auch bei den Prüfungen zur Erlangung des Küstenpatents in Kroatien. Zur Abhaltung der Kurse in Kroatien bedient sie sich eines kroatischen Partnerunternehmens als Erfüllungsgehilfe; mit Ausnahme von 200 bis 250 Kunden pro Jahr schließen auch die in Kroatien ausgebildeten Kursteilnehmer den Vertrag mit der Beklagten und sind deren Kunden. Kroatische Staatsbürger absolvieren in der Regel keine Vorbereitungskurse. Von den ausländischen Kursteilnehmern sind Österreicher die größte Gruppe.

Die Beklagte wirbt damit, Marktführerin für das kroatische Küstenpatent und die UKW‑Seesprechfunkberechtigung sowie für andere Bootsscheine zu sein. Sie ist zumindest seit dem Jahr 2014 auch tatsächlich der größte (Kurs‑)Anbieter für das kroatische Küstenpatent und der damit verbundenen UKW‑Seesprechfunkberechtigung. Alle anderen Marktteilnehmer zusammen erreichen nicht annähernd die Teilnehmerzahlen, die die Beklagte vorweisen kann.

Zur Sicherung seines inhaltsgleichen, auf § 2 UWG gestützten Unterlassungsbegehrens begehrte der Kläger, der Beklagten mittels einstweiliger Verfügung im geschäftlichen Verkehr die Behauptung zu verbieten, sie sei Marktführerin in Sachen Küstenpatent und/oder Küstenpatent B und/oder anderer Bootsscheine und/oder der UKW‑Seesprechfunkberechtigung in Österreich und/oder Kroatien. Die Beklagte werbe auf ihrer Website damit, Marktführerin in Sachen Küstenpatent und UKW‑Seesprechfunkberechtigung in Österreich und Kroatien zu sein. Diese Geschäftspraktik sei irreführend, weil die Beklagte weder in Österreich noch in Kroatien Marktführerin in einem der genannten Bereiche sei.

Die Beklagte entgegnete, dass der Markt für das Küstenpatent B und die UKW‑Seesprechfunkberechtigung im Wesentlichen auf Österreich beschränkt sei; das Küstenpatent A sei mangels Nachfrage nicht von Bedeutung. Auf dem relevanten Markt sei sie bei weitem Marktführerin. Ihre Mitbewerber erzielten zusammen nur etwa die Hälfte ihres Umsatzes.

Die Vorinstanzen gaben dem Sicherungsantrag nur teilweise (hinsichtlich der Behauptung, Marktführerin in Sachen „anderer Bootsscheine“ in Österreich und/oder Kroatien zu sein) statt. Im Übrigen (Marktführerin in Sachen Küstenpatent und/oder UKW‑Seesprechfunkberechtigung) wiesen sie den Sicherungsantrag ab. Die behauptete Marktführerstellung der Beklagten liege hinsichtlich des Küstenpatents sowie der UKW‑Seesprechfunkberechtigung zumindest seit dem Jahr 2014 tatsächlich vor. Da dem Küstenpatent A faktisch keine Bedeutung zukomme, beziehe sich die Spitzenstellungsbehauptung auf das kroatische Küstenpatent B und damit das kroatische Küstenpatent insgesamt; das Küstenpatent B beinhalte die UKW‑Seesprechfunkberechtigung.

In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs vertritt der Kläger die Auffassung, dass die Richtigkeit einer Spitzenstellungsbehauptung nur durch objektiv nachprüfbare Tatsachen im Sinn von objektiven Daten bewiesen werden könne und die von der Beklagten vorgelegte Studie (Beilage ./1) nicht ausreiche. Außerdem sei eine pauschale Feststellung, dass die Beklagte Marktführerin sei, nicht zulässig; es fehlten Feststellungen zu den Marktanteilen der Beklagten auf dem relevanten Markt. Schließlich müsse die behauptete Spitzenstellung auch auf den angegebenen Nischenmärkten (hier im Bereich des Küstenpatents A) gegeben sein.

Rechtliche Beurteilung

Damit zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf:

1.1  Den im außerordentlichen Revisionsrekurs zitierten Entscheidungen 4 Ob 120/06k und 4 Ob 11/06f liegt der Rechtssatz zu RIS‑Justiz RS0077980 zugrunde, wonach „eine vergleichende Werbung primär nach § 2 UWG zu beurteilen und danach wettbewerbsrechtlich nur dann zu beanstanden ist, wenn die ernstlich und objektiv nachprüfbar behaupteten Umstände nicht den Tatsachen entsprechen oder die Ankündigung sonst zur Irreführung geeignet ist“. Mit der Bezugnahme auf „objektiv nachprüfbare Tatsachen“ wird zum Ausdruck gebracht, dass die behauptete Spitzenstellung auf Tatsachen basieren muss, die objektiv überprüfbar sind; die Behauptung darf also nicht auf einem reinen Werturteil beruhen. Die in Rede stehende Wendung bedeutet aber nicht, dass nur bestimmte (qualifizierte) Beweismittel zulässig sind oder eine sonstige Beweisregel besteht. In diesem Sinn wurde in der Entscheidung 4 Ob 33/13a festgehalten, dass es im Bereich allgemeiner Spitzenstellungswerbung (auch) keine Beweisregel des Inhalts gibt, dass wissenschaftlichen Studien eine höhere Glaubwürdigkeit zukommt als anderen Beweismitteln.

1.2  Im Anlassfall bezieht sich die beanstandete Spitzenstellungsbehauptung auf die Marktführerschaft bei Vorbereitungskursen in Österreich und Kroatien für das kroatische Küstenpatent. Ob jemand Marktführer ist, kann anhand von Tatsachen überprüft werden und ist daher eine objektiv überprüfbare Eigenschaft. Für die Feststellung der Richtigkeit der der Spitzenstellungsbehauptung zugrunde liegenden Umstände kommen alle zivilprozessualen (im Sicherungsverfahren paraten) Beweismittel in Betracht, auch die von der Beklagten vorgelegte Analyse der Umsatzzahlen. Die Frage, ob der Beklagten die Bescheinigung der behaupteten Tatsachen gelungen ist, betrifft die in dritter Instanz nicht überprüfbare Beweiswürdigung (RS0040286).

2.  Entgegen der Ansicht des Klägers stellt sich die Frage nach der Spitzenstellung der Beklagten auf verschiedenen Teilmärkten nicht. Ausgehend vom bescheinigten Sachverhalt bezieht sich die behauptete Spitzenstellung auf das kroatische Küstenpatent B und damit das kroatische Küstenpatent insgesamt, weil dem Küstenpatent A zahlenmäßig keine Bedeutung zukommt; zudem beinhaltet das Küstenpatent B die UKW‑Seesprechfunkberechtigung. Daraus folgt, dass sich der sachlich relevante Markt auf das kroatische Küstenpatent insgesamt samt UKW‑Seesprechfunkberechtigung bezieht.

Der Kläger führt im gegebenen Zusammenhang selbst aus, dass die Kunden zwischen den Küstenpatenten B und A gar nicht unterscheiden. Auch darin zeigt sich, dass die vom Kläger verlangte Aufgliederung in Teilmärkte zu unterbleiben hat (vgl 4 Ob 150/18i). Schließlich hat die Beklagte eine Spitzenstellung im Nischenmarkt „Küstenpatent A“ gar nicht behauptet.

3.  Entgegen den Ausführungen des Klägers hat das Erstgericht die Marktführerschaft der Beklagten nicht lediglich pauschal festgestellt. Vielmehr hat es ausdrücklich festgehalten, dass alle anderen Marktteilnehmer zusammen nicht annähernd die Teilnehmerzahlen der Beklagten erreichen. Außerdem liegt der Feststellung zur Marktführerschaft der Beklagten die bereits erwähnte Studie in Beilage ./1 zugrunde, die sich auf einen Vergleich der Umsatzzahlen gründet und die das Erstgericht als plausibel und stichhaltig beurteilte. Dazu ergibt sich aus der Entscheidung des Erstgerichts, dass deutlich mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes aus Vorbereitungskursen für das kroatische Küstenpatent von der Beklagten erwirtschaftet wird.

4.1  Die Inanspruchnahme einer Spitzenstellung setzt voraus, dass das so beworbene Produkt tatsächlich über einen stetigen und erheblichen Vorsprung vor allen Mitbewerbern verfügt (RS0078557 [T5]). Entspricht die beanstandete Behauptung zur Spitzenstellung nicht den Tatsachen oder sind die Angaben unvollständig, so liegt eine irreführende Geschäftspraktik vor (4 Ob 38/19w).

4.2  Eine Marktführerschaft richtet sich im Allgemeinen nach dem Marktanteil, der den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens abbildet. Welchem Faktor das angesprochene Publikum in dieser Hinsicht die größte Bedeutung beimisst und ob aus dem bescheinigten Sachverhalt das Vorliegen der Spitzenstellung abgeleitet werden kann, hängt typisch von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage (4 Ob 33/13a; 4 Ob 38/19w).

Wie sich auch aus den Ausführungen des Klägers selbst ergibt, lässt sich der wirtschaftliche Erfolg im Anlassfall nach den Kundenzahlen und den von der Anzahl der Kursteilnehmer abhängigen Umsatzzahlen bestimmen. Die Vorinstanzen haben ihre Beurteilung gerade auf diese Faktoren gestützt und sind damit von den Rechtsprechungsgrundsätzen nicht abgewichen. Auch der im gegebenen Zusammenhang vom Kläger geltend gemachte sekundäre Feststellungsmangel liegt nicht vor.

5.  Insgesamt gelingt es dem Kläger mit seinen Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

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