OGH 3Ob83/05k

OGH3Ob83/05k20.10.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 17. Oktober 2000 verstorbenen Karl B*****, infolge Revisionsrekurses der erbserklärten Erbin Waltraude T*****, vertreten durch Dr. Erich Proksch, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. Jänner 2005, GZ 48 R 399/04p-55, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 21. September 2004, GZ 2 A 337/00p-49, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die testamentarisch berufene Alleinerbin, eine Nichte des Verstorbenen, gab am 20. Dezember 2000 die unbedingte Erbserklärung ohne die Rechtswohltat des Inventars ab. Diese Erbserklärung wurde am 15. Jänner 2001 zu Gericht angenommen und der Erbin gemäß § 810 ABGB die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen. Bis dato legte sie - ungeachtet mehrfacher entsprechender Aufforderungen durch das Verlassenschaftsgericht - noch kein eidesstättiges Vermögensbekenntnis und stellte noch keine Schlussanträge.

Der durch die erbserklärte Erbin vertretene ruhende Nachlass führte - mit Genehmigung durch das Verlassenschaftsgericht vom 18. Jänner 2002 - beim Landesgericht für Zivilrechtssachen (LGZ) Wien einen Zivilprozess gegen eine weitere Nichte des Verstorbenen auf Herausgabe von nach den Klagebehauptungen in den Nachlass gehörigen sechs Sparbüchern sowie einer Schmuck- und Münzensammlung. Das LGZ Wien wies mit Urteil vom 3. November 2003 das Klagebegehren ab, weil nach der Urteilsannahme der dort beklagten Partei diese Gegenstände aus näher genannten Erwägungen geschenkt worden seien. Das Berufungsgericht bestätigte am 26. Mai 2004 diese Entscheidung, eine außerordentliche Revision wurde nicht erhoben.

In der Folge stellte der ruhende Nachlass am 28. Juli 2004 den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über sein Vermögen; das Handelsgericht Wien wies mit seinem rechtskräftigen Beschluss vom 30. August 2004 diesen Antrag ab. Denn die Verlassenschaft verfüge über Aktiva von rund 4.000 EUR, denen Passiva von 102,91 EUR (Forderung der SVA der Gewerblichen Wirtschaft), 13.515,10 EUR (Prozesskosten erster Instanz im genannten Verfahren) und 2.574,60 EUR (Prozesskosten zweiter Instanz in diesem Verfahren) gegenüberstünden. Es sei von einem unbedeutenden Nachlass iSd § 73 AußStrG auszugehen; im Konkursantrag sei nicht einmal das Vorhandensein von Aktiva nachgewiesen worden.

Das Erstgericht wies den daraufhin von der erbserklärten Erbin für den ruhenden Nachlass gestellten Antrag auf kridamäßige Verteilung der Verlassenschaft nach § 73 AußStrG ab (Punkt 1) und beauftragte den „Erbenmachthaber", binnen vier Wochen das eidesstättige Vermögensbekenntnis vorzulegen und Schlussanträge zu stellen (Punkt 2); es führte dazu aus, eine Überlassung des Nachlasses an Zahlungsstatt sei nach Abgabe einer unbedingten Erbserklärung unzulässig.

Das Rekursgericht bestätigte den erstinstanzlichen Beschluss in seinem Punkt 1) und änderte den Auftrag zu Punkt 2) - unangefochten - dahin ab, dass dieser der unbedingt erbserklärten Erbin erteilt wurde. Zur hier allein relevanten Bestätigung der Antragsabweisung führte die zweite Instanz aus, der Erbe sei nach Abgabe einer unbedingten Erbserklärung für die Verbindlichkeiten des Nachlasses persönlich verantwortlich. Eine unbedingte Erbserklärung sei wegen Irrtums nicht anfechtbar. Eine Einantwortung nach Gläubigerrecht iSd § 73 AußStrG sei nach einer unbedingten Erbserklärung nicht mehr möglich, weil Rechte, die die Gläubiger des Nachlasses durch die unbedingte Erbserklärung erworben hätten, nicht mehr beseitigt werden könnten und gerade dieser Effekt durch die Überlassung des Nachlasses an Zahlungsstatt eintreten würde. Hinzuweisen sei auf § 154 Abs 1 AußStrG 2004, der zwar nach dessen § 205 zwar hier noch nicht anwendbar sei, aber offenbar Rechtsunsicherheit bei der hier zu lösenden Rechtsfrage klären wollte. Nach § 154 Abs 1 AußStrG 2004 habe das Gericht die Aktiven einer überschuldeten Verlassenschaft auf Antrag den Gläubigern zu überlassen, wenn nicht schon eine unbedingte Erbantrittserklärung vorliege.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR übersteige, und erklärte den Revisionsrekurs mit der Begründung für zulässig, dass die Frage, ob eine Überlassung des Nachlasses an Zahlungsstatt nach einer unbedingten Erbserklärung möglich sei, vom Obersten Gerichtshof noch nicht beantwortet sei.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 205 AußStrG BGBl I 2003/111 sind hier noch die Bestimmungen des AußStrG RGBl 1854/208 (im Folgenden nur AußStrG 1854) anzuwenden, weil das Verlassenschaftsverfahren noch vor dem 1. Jänner 2005 anhängig gemacht wurde. Nach § 73 AußStrG 1854 hat das Gericht das Nachlassvermögen den Gläubigern an Zahlungsstatt zu überlassen, wenn der Nachlass unbedeutend und nach den Umständen zu vermuten ist, dass nur die dringendsten Verlassenschaftsschulden berichtigt werden können. Fraglich ist nun, ob eine derartige „kridamäßige Verteilung" des Nachlasses durch das Verlassenschaftsgericht nach der Rechtslage des AußStrG 1854 auch nach Abgabe einer unbedingten Erbserklärung (in casu durch die Alleinerbin) zulässig ist. Dazu werden in der Literatur folgende Meinungen vertreten:

Nach Weiß (in Klang III², 981) kann das Abhandlungsgericht den Nachlass nicht mehr einem Nachlassgläubiger an Zahlungsstatt überlassen, wenn es die unbedingte Erbserklärung einmal zu Gericht angenommen hat; denn die Rechte, die die Nachlassgläubiger durch die unbedingte Erbserklärung erlangt hätten, könnten nicht mehr beseitigt werden. Dagegen wendet sich Kralik (in Erbrecht 350 FN 14) mit dem Hinweis, dass der unbedingt erbserklärte Erbe ja auch überschuldet oder vermögenslos sein könne. Nach Kostner (in NZ 1951, 53) widerspricht die Zulassung einer Überlassung an Zahlungsstatt nach einer unbedingten Erbserklärung dem Wesen dieser Erbserklärung. Pfeifer (in NZ 1957, 100) vertritt die Auffassung, dass die Abgabe einer unbedingten Erbserklärung auch nur eines Miterben die Überlassung an Zahlungsstatt hindere. Nach Ansicht Meyers (in NZ 1979, 93) sei die Abgabe einer unbedingten Erbserklärung mit einer kridamäßigen Verteilung des Nachlasses infolge der unbeschränkten Haftung des Erben unvereinbar. Auch Feil (Verfahren außer Streitsachen², § 73 Rz 2) hält die Überlassung an Zahlungsstatt bei Abgabe einer unbedingten Erbserklärung für unzulässig.

Der erkennende Senat hat dazu erwogen: Die „unbedingte", also ohne Inanspruchnahme der mit der Inventur des Nachlasses verbundenen Haftungsbeschränkung abgegebene Erbserklärung bewirkt die persönliche unbeschränkte Haftung des Erben mit seinem gesamten Vermögen für alle Nachlassverbindlichkeiten (Sailer in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, § 801 ABGB Rz 1 mwN aus der Rsp; Welser in Rummel³, §§ 799-801 ABGB Rz 1). Zu diesen Nachlassverbindlichkeiten zählen auch (als sogenannte „Erbgangsschulden"; 2 Ob 103/98f = SZ 71/73; RIS-Justiz RS0110199) die Kosten eines vom Vertreter des Nachlasses, hier der unbedingt erbserklärten Alleinerbin selbst, für den Nachlass geführten (verlorenen) Prozesses. Der Erbe, dem gemäß § 810 ABGB die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses übertragen wurde, vertritt den Nachlass nämlich bei allen Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten und verpflichtet den Nachlass durch seine Rechtshandlungen unmittelbar (2 Ob 103/98f = SZ 71/73; vgl. auch Welser, Prozeßkosten und Erbenhaftung, in JBl 1993, 573). Die unbedingt abgegebene Erbserklärung war auch zur alten Rechtslage unwiderruflich (9 Ob 244/02a, 1 Ob 280/04i u.a.) und kann nicht nachträglich in eine bedingte umgewandelt werden (5 Ob 533/93 = NZ 1994,184; Welser aaO §§ 799-801 ABGB Rz 18). Auch allfällige Willensmängel der Erbserklärung sind unbeachtlich (RIS-Justiz RS0113461). Gerade zu einer Umwandlung der unbeschränkten Haftung des unbedingt erbserklärten Erben in eine beschränkte käme es aber, erklärte man eine kridamäßige Verteilung des Nachlassvermögens nach § 73 AußStrG 1854 trotz der Abgabe einer unbedingten Erbserklärung für zulässig, weil in diesem Fall nur der Nachlass selbst, nicht jedoch auch das Vermögen des unbedingt erbserklärten Erben den Gläubigern zur Befriedigung ihrer Forderungen zur Verfügung stünde.

Zwar ist der Revisionsrekurswerberin beizupflichten, dass die Haftung des Erben für die Verbindlichkeiten des Nachlasses erst mit der Einantwortung entsteht und sich die Forderungen der Gläubiger davor gegen den ruhenden Nachlass richten (2 Ob 281/00p = SZ 73/167; RIS-Justiz RS0012315; Welser aaO § 548 ABGB Rz 1). So haftet auch der unbedingt erbserklärte Erbe nicht unbeschränkt, wenn - anders als hier - während der Abhandlung ein Inventar errichtet worden ist (etwa bei einer Separation des Nachlasses; vgl. Eccher in Schwimann², § 812 ABGB Rz 18). Das Recht, selbst die Inventarisierung der Verlassenschaft zu verlangen und so der unbeschränkten persönlichen Haftung zu entgehen, steht dem unbedingt erbserklärten Erben jedoch nicht zu (7 Ob 208/97g = NZ 1998, 179). Zusammengefasst ergibt sich demnach: Der unbedingt erbserklärte Erbe kann sich zur Rechtslage des AußStrG 1854 seiner unbeschränkten Haftung durch einen, wenn auch im Namen des Nachlasses gestellten, Antrag auf Überlassung an Zahlungsstatt nach § 73 AußStrG 1854 nicht entziehen. Eine etwaige Überschuldung oder Vermögenslosigkeit des Erben selbst kann dabei keine Rolle spielen, weil diese Umstände lediglich faktische Auswirkungen auf die Einbringlichkeit der Forderungen der Nachlassgläubiger, nicht aber darauf haben können, ob und gegen wen diese tatsächlich bestehen.

Dem Revisionsrekurs kann kein Erfolg beschieden sein.

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