OGH 7Ob208/97g

OGH7Ob208/97g23.7.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 1.Mai 1996 verstorbenen Anton Z*****, zuletzt wohnhaft in ***** infolge Revisionsrekurses der Brigitte Z*****, vertreten durch Dr.Werner Walch, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 6.Mai 1997, GZ 17 R 34/97i-15, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Mödling vom 31. Jänner 1997, GZ 1 A 160/96p-11, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes in ihrem Punkt 1 wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Der am 1.5.1996 verstorbene Anton Z***** setzte in seinem Testament vom 21.11.1986 seine Ehegattin Brigitte und seine Töchter Sonja und Nicole zu je einem Drittel als Erben ein. Letzteren wurde als Legat zu gleichen Teilen die Eigentumswohnung in W*****, C*****gasse 37/2 bestimmt. Der Punkt 3 dieses Testaments, mit dem das Haus in M*****, den beiden Töchtern je zur Hälfte unter Einräumung eines Wohnungsrechtes an Brigitte Z***** vermacht wurde, ist gegenstandslos, weil diese Liegenschaft mit Schenkungsvertrag vom 19.12.1995 der erblasserischen Witwe Brigitte Z***** übertragen wurde. Der Punkt 4 des Testaments wurde durch ein Kodizill vom 30.5.1986 abgeändert. Danach sollen die Hauptmietrechte an drei Geschäftslokalen des Erblassers an Brigitte Z***** (W*****, Q*****straße 42), an Nicole Z***** (W*****, G*****straße 163) und an Sonja Z***** (P*****, H*****straße 14) übergehen. Am 24.7.1996 gaben diese drei Erben je zu einem Drittel des Nachlasses unbedingte Erbserklärungen ab und beantragten, ihnen gemeinschaftlich gemäß § 810 ABGB und § 145 AußStrG die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses zu überlassen. Die Erben einigten sich dahingehend, daß der erblasserischen Witwe Brigitte Z***** gegen spätere Verrechnung die freie Verfügungsberechtigung über die Bankguthaben des Verstorbenen eingeräumt wird. Überdies wurde von der erblasserischen Witwe eine Forderung des Nachlasses gegen sie in Höhe von ca. 1,2 Mill.S ausdrücklich anerkannt. Letztlich wurde "festgehalten", daß die in den Geschäftslokalen befindlichen Einrichtungsgegenstände nicht mehr Eigentum des Erblassers gewesen seien. Das Erstgericht nahm diese unbedingten Erbserklärungen mit Beschluß vom 2.9.1996 an und räumte den Erben gemeinschaftlich die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses ein (ON 7).

Am 7.1.1997 beantragte die erblasserische Tochter Nicole Z***** die Inventierung und Schätzung des Nachlasses, insbesondere auch der Liegenschaft J*****-Gasse 22, weil sie nach dem derzeitigen Stand des Verlassenschaftsverfahrens keinerlei Vermögenswerte erhalten werde. Da sohin nicht einmal ihr Pflichtteil durch die Verlassenschaft gedeckt sei, sei die Schenkung, die vor dem Ableben des Erblassers erfolgt sei, in den Pflichtteil anzurechnen (ON 9). Am 15.1.1997 stellte sie darüber hinaus einen Antrag nach § 812 ABGB und letztlich den Antrag, einen Kurator für die Verwaltung der Verlassenschaft zu bestellen. Es bestehe die Gefahr, daß die Antragstellerin ihren Pflichtteilsanspruch aus der Verlassenschaft nicht erhalte, weil der Nachlaß mit dem Vermögen der erblasserischen Witwe vermengt werde.

Das Erstgericht wies diese Anträge ab. Die Abgabe der unbedingten Erbserklärung stelle einen konkludenten Verzicht auf die Errichtung des Inventars dar. Habe der Noterbe auf die Errichtung des Inventars verzichtet, könne er die Verletzung des Pflichtteiles nur noch im ordentlichen Rechtsweg geltend machen. Im übrigen ziele der Antrag auf Inventarserrichtung auf die Schätzung der nicht mehr nachlaßgegenständlichen Liegenschaft J*****-Gasse 22 sowie der Unternehmen, deren Nachlaßzugehörigkeit strittig sei, ab. Eine Aufnahme der zum Todeszeitpunkt nicht im Eigentum des Erblassers stehenden Liegenschaft in ein Inventar sei unzulässig, der Wert angeblich fremder Sachen sei bei der Errechnung des Vermögens nicht in Anschlag zu bringen. Die Feststellung des Umfangs und Werts der Verlassenschaft bleibe dem streitigen Verfahren vorbehalten. Da hier nicht die Verwaltung des Nachlaßvermögens unter den Erben strittig sei, sondern nur, welcher Wert des Nachlaßvermögens der Pflichtteilsforderung zugrundezulegen sei, gehe auch der Antrag auf Bestellung eines Verlassenschaftskurators ins Leere. Im vorliegenden Fall sehe die Miterbin ihre Pflichtteilsansprüche durch die behauptete Inbesitznahme der Unternehmen lange vor dem Todeszeitpunkt gefährdet; sie befürchte nicht, daß das Vermögen nunmehr dem Zugriff entzogen werde, sondern releviere, daß zu Lebzeiten des Erblassers schmälernde Verfügungen über ihren Pflichtteilsanspruch getroffen worden seien. Die Voraussetzungen für die beantragten verlassenschaftsgerichtlichen Anordnungen lägen nicht vor.

Das Rekursgericht änderte mit der angefochtenen Entscheidung diesen Beschluß dahin ab, daß es die Inventarisierung und Schätzung des Nachlasses anordnete; im übrigen bestätigte es die Abweisung der Anträge auf Separation des Nachlasses gemäß § 812 ABGB und auf Bestellung eines Verlassenschaftskurators. Es erklärte die Erhebung des ordentlichen Revisionsrekurses für zulässig. Der Erbe, der die Ergänzung seines Erbteils bis zur Höhe seines Pflichtteils geltend machen wolle, habe einen Anspruch auf Inventarisierung wie der Pflichtteilsberechtigte, der nicht Erbe sei, weil eine vergleichbare Interessenlage vorliege. Dies gelte jedenfalls dann, wenn wie hier behauptet werde, daß der Pflichtteil nach den Ergebnissen des Verlassenschaftsverfahrens durch den aus dem Nachlaß zustehenden Erbteil und durch Vermächtnisse nicht gedeckt sei. Ob diese Behauptung tatsächlich zutreffe, sei aber für die Frage der Bewilligung der Inventarisierung nicht weiter zu prüfen. Wie beim Noterben nicht zu prüfen sei, ob und in welchem Ausmaß seine Forderung auf Auszahlung des Pflichtteils materiell zu Recht bestehe, sei auch der Erbe nicht gehalten, konkrete Berechnungen anzustellen, ob und inwieweit eine Schmälerung seines Pflichtteiles vorliege. Dies gelte zumindestens dann, wenn eine solche Schmälerung im Hinblick auf das Bestehen von Vermächtnissen nicht auszuschließen sei. Aus der Abgabe einer unbedingten Erbserklärung könne nicht auf einen Verzicht auf eine Inventarserrichtung geschlossen werden. Die unbedingte Erbserklärung bedeute nur die Annahme der Erbschaft ohne Haftungsvorbehalt. Zweck der Beteiligung des Pflichtteilsberechtigten am Verlassenschaftsverfahren und seines Rechtes, die Errichtung eines Inventares verlangen zu können, sei es dagegen, ihm im Verlassenschaftsverfahren einen möglichst umfassenden Überblick über den Umfang seines nur im streitigen Wege zu verfolgenden Pflichtteilsrechtes zu gewähren. Dadurch könne bereits im Verlassenschaftsverfahren eine Grundlage für die Berechnung des Pflichtteiles geschaffen werden, um Rechtsstreitigkeiten zwischen den Erben und den Noterben zu vermeiden. Im Gegensatz dazu bestehe der Zweck der Inventarserrichtung bei einer bedingten Erbserklärung in der Schaffung einer Grundlage für die Berechnung des Pflichtteilsanspruches. Es könne daher nicht angenommen werden, daß der pflichtteilsberechtigte Miterbe durch die Abgabe einer unbedingten Erbserklärung jedenfalls - also auch in seiner Stellung als Noterbe - auf die Errichtung eines Inventars verzichte. Soweit die Rekurswerberin auch die Einbeziehung der Liegenschaft M*****, J*****-Gasse 22, anstrebe, komme eine solche nur in Frage, wenn diese Liegenschaft im Todeszeitpunkt noch im Besitz des Erblassers gestanden sei. Die Rekursbehauptung, Verlassenschaftsgläubigerin zu sein, stelle eine unbeachtliche Neuerung dar. Solange ein Noterbe wie hier ein Erbrecht unbestritten in Anspruch nehme, stünden ihm nicht die Rechte nach § 812 ABGB, § 44 AußStrG zu. Im übrigen habe die Rekurswerberin keine Umstände behauptet, die bei vernünftiger Überlegung ihre Besorgnis, daß durch Vermengung der Verlassenschaft mit dem Vermögen anderer Erben ihre Forderung geschmälert werde, rechtfertigen könnten. Es lägen keine Voraussetzungen für die Bestellung eines Verlassenschaftskurators vor. Da zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein (Mit-)Erbe als Pflichtteilsberechtigter die Errichtung des Inventars beantragen könne, und ob die Abgabe einer unbedingten Erbserklärung einen Verzicht darauf darstelle, noch keine Judikatur des Obersten Gerichtshofes ergangen sei, sei der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Der von der erblasserischen Witwe Brigitte Z***** gegen den abändernden Teil dieses Beschlusses erhobene Revisionsrekurs ist berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat zur Frage, ob auch nach Abgabe von unbedingten Erbserklärungen den Erben noch eine Inventarisierung der Verlassenschaft zusteht, bisher in drei Entscheidungen Stellung genommen. In der Entscheidung GlU 8082 vertrat der Oberste Gerichtshof die Auffassung, daß die §§ 802, 804 und 812 ABGB sowie § 92 AußStrG die Aufnahme eines Verlassenschaftsinventars nach von allen Erben abgegebenen unbedingten Erbserklärungen nicht rechtfertigten und daß dieses überdies nicht die Differenzen der Erben über den Vermögensstand der Verlassenschaft ausgleichen könne. In GlU 12.121 widersprach der Oberste Gerichtshof zwar nicht der Ansicht des Rekursgerichtes, nach der mit der Abgabe einer unbedingten Erbserklärung ein Verzicht auf die Aufnahme des Inventars verbunden sei, beschränkte sich aber auf die Aussage, daß ein Erbe, der eine unbedingte Erbserklärung abgegeben habe, nicht zum im § 92 AußStrG genannten Personenkreis zähle. In SZ 7/87 wurde bei einer etwas anders gelagerten Sachlage ausgesprochen, daß an der Vorjudikatur festzuhalten sei, daß es aber dem Erben auch nach Abgabe der unbedingten Erbserklärung gemäß § 102 AußStrG zustehe, eine gerichtliche Schätzung der Verlassenschaft zu beantragen, wenn er sonst nicht in der Lage sei, sein eidesstättiges Vermögensbekenntnis abzugeben. Diese Entscheidung übergeht allerdings, daß § 102 AußStrG ausdrücklich nur von der Schätzung unbeweglicher Güter spricht. Der Rechtssatz dieser Entscheidung ist daher auf diesen Gesetzestext zu reduzieren.

Geht man vom Wortlaut der Bestimmungen der §§ 802, 804 und 812 ABGB, im besonderen aber von § 92 Abs 1 AußStrG aus, so wird dort das Recht, eine Inventarisierung zu beantragen, neben dem Erben, der eine bedingte Erbserklärung abgegeben hat, (nur) dem Pflichtteilsberechtigten oder einer separationsberechtigten Person eingeräumt. Eine analoge Heranziehung der Bestimmung des § 92 Abs 1 AußStrG auch auf den Erben, dem die Stellung eines Noterben zukommt, nach Abgabe der unbedingten Erbserklärung eine Inventarisierung zu beantragen, scheidet aus, weil für diesen Fall das Gesetz im § 114 AußStrG ausdrücklich (arg: im Fall einer unbedingten Erbserklärung) die Abgabe des eidesstättigen Vermögensbekenntnisses vorsieht. Die Abgabe der unbedingten Erbserklärung benimmt diesem Erben im Verhältnis zu seinen Miterben nicht seinen Pflichtteilsanspruch, sie hat aber für den Erben neben ihrer gegenüber Verlassenschaftsgläubigern verpflichtenden auch eine verfahrensrechtliche Bedeutung: Sie macht aus dem Noterben eine voll berechtigte Partei des Verlassenschaftsverfahrens, die legitimiert ist - dies allerdings unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen - die Verlassenschaft nach ihren eigenen Vorstellungen zu bewerten und zu umschreiben, wobei dem Gericht - soweit die gesetzlichen Vorschriften eingehalten wurden - keine Überprüfungsbefugnis zusteht (vgl MGA AußStrG2 § 114/6). Auch für den Fall, daß über Antrag eines Noterben ein Inventar errichtet werden muß, ist dennoch nur das vom unbedingt erbserklärten Erben abgegebene eidesstättische Vermögensbekenntnis der Abhandlung zugrunde zu legen (vgl aaO, E 10). Demgegenüber ist für die Schätzung und Inventarisierung die Beiziehung des Gerichtskommissärs, die letzterer nach eigenen Vorstellungen vornimmt, erforderlich. Dementsprechend belasten dessen Kosten die Verlassenschaft. Um zu verhindern, daß die mit der Abgabe einer unbedingten Erbserklärung ausgelöste Verfahrensart durch einen späteren Antrag eines Miterben auf Inventarisierung zu unnotwendigen Erschwernissen führt, schließt daher die Abgabe einer unbedingten Erbserklärung einen Verzicht auf eine spätere Inventarisierung der Verlassenschaft in sich ein. Daraus ergibt sich, daß der erblasserischen Tochter Brigitte Z***** nach Abgabe einer unbedingten Erbserklärung nicht mehr das Recht zusteht, die Verlassenschaft schätzen und inventarisieren zu lassen.

Dem Rekurs der erblasserischen Witwe war daher Folge zu geben.

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