OGH 3Ob80/97d

OGH3Ob80/97d21.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bank ***** AG, ***** vertreten durch Dr.Hans-Peter Ullmann und Dr.Stefan Geiler, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1.) L*****gesmbH, ***** 2.) Gerhard H*****, 3.) Ingrid H*****, diese vertreten durch Dr.Rainer Strickner, Rechtsanwalt in Innsbruck, und

4.) Helmut W*****, wegen S 8,500.000,- samt Anhang, infolge Revision der dritten beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 11.Dezember 1996, GZ 3 R 226/96a-54, womit infolge Berufung der dritten beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 17.Juli 1996, GZ 41 Cg 195/94h-49, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die dritte beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 38.250,- (darin S 6.375,- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt die Verurteilung der dritten Beklagten zur Zahlung von S 8,500.000,- samt Anhang aus der Übernahme von Haftungen als Bürgin und Zahlerin für Forderungen der Klägerin aus einem der ersten Beklagten gewährten Kredit.

Die dritte Beklagte beantragte Klagsabweisung und wandte, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, ein, daß sie die verpflichtung deshalb übernommen habe, damit die erste Beklagte weiterarbeiten könne. Dadurch wäre insbesondere ihr Arbeitsplatz und somit ihre Pensionsvorsorge gesichert gewesen. Mit Notariatsakt vom 28.1.1993 habe sie ihre Geschäftsanteile an der ersten Beklagten an ihren Sohn abgetreten. Zum Zeitpunkt der Unterfertigung der Pfandurkunden vom 12.3.1993 sei sie nicht mehr Gesellschafterin gewesen, sondern Angestellte der ersten Beklagten mit einem monatlichen Nettoeinkommen von S 8.000,-. Sie sei vom zweiten Beklagten, ihrem Ehemann ständig unter Druck gesetzt worden. Er habe ihr erklärt, die erste Beklagte müsse Konkurs anmelden, wenn sie nicht Bürgschaften übernehmen würde. Weiters sei ihr drastisch vor Augen geführt worden, daß sie ihre Stelle verlieren würde, wenn die erste Beklagte in Konkurs ginge. Daher seien die von ihr unterfertigten Urkunden unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Kautionsschutzgesetzes nichtig (AS 261 f).

Darüber hinaus brachte sie vor, daß die Bürgschaftsverpflichtungen in Höhe von S 5,000.000,-, die sie im März 1993 eingegangen sei, nicht zur Besicherung von Kreditbeträgen, die der ersten Beklagten laut der am 12.3.1993 abgeschlossenen Kreditvereinbarung erst zugezählt hätten werden müssen, gedient hätten, da diese Kreditbeträge zu diesen Zeitpunkt schon zur Gänze verbraucht worden seien und zu diesem Zeitpunkt bereits ein Saldo von zirka S 27,000.000,- ausgehaftet habe. Dieser Umstand sei ihr allerdings seitens der Bank nicht mitgeteilt worden. Ihr sei lediglich gesagt worden, daß die erste Beklagte, wenn sie unterschreiben sollte, noch eine weitere Kreditausnützung von S 2,000.000,- erhalten würde, welcher Betrag notwendig wäre, damit die Firma wieder arbeiten könne.

Zum Zeitpunkt 12.3.1993 sei die erste Beklagte bereits zahlungsunfähig gewesen, was der Klägerin selbstverständlich bekannt gewesen sei. Die erste Beklagte sei nämlich schon zirka ein Dreivierteljahr vor Unterfertigung der gegenständlichen verpflichtungen zur Gänze von der Klägerin abhängig gewesen, was die dritte Beklagte nicht gewußt habe.

Die Klägerin habe trotzdem noch der ersten Beklagten einen weiteren Kreditrahmen in Höhe von S 2,000.000,- gewährt, obwohl sie vornherein gewußt habe, daß die Schuldnerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Kreditrückzahlung nicht in der Lage sein werde und sie daher den Bürgen allein, abweichend von der banküblichen Funktion einer Bürgschaft, werde in Anspruch nehmen müssen. Die Klägerin sei ihrer gegenüber der dritten Beklagten bestehenden Warn- und Aufklärungspflicht nicht nachgekommen. Bei entsprechender Aufklärung hätte die dritte Beklagte keinesfalls mehr auch nur irgendeine verpflichtung unterfertigt. Demnach habe die Klägerin sie listig durch Schweigen in Irrtum geführt (AS 77 f).

Die Klägerin erwiderte, daß es aus rechtlicher Sicht völlig irrelevant sei, ob allenfalls der zweite Beklagte ohne Wissen und Willen und ohne Zutun der Klägerin seine Gattin im Zusammenhang mit der Übernahme der haftungen "unter Druck" gesetzt habe. Die dritte Beklagte sei von allem Anfang an über die Außenstände auf den gegenständlichen Konten informiert gewesen, ebenso über das Unternehmenskonzept des Ing.J*****. Im übrigen sei sie aus Anlaß der Unterfertigung der Verträge im Frühjahr 1993 sogar anwaltlich vertreten gewesen. Der nunmehrige Beklagtenvertreter wäre ohne Zweifel eingeschritten, wäre auf die dritte Beklagte von seiten der Klägerin "Druck ausgeübt" worden. Im übrigen sei es undenkbar, daß jemand, der über die Zusammenhänge mit der Umschuldung informiert sei und selbst als Gesellschafter fungiere, letztlich Glauben machen wolle, die definitiv mit S 5,000.000,- unterfertigte vereinbarung sei eigentlich nur eine Haftungsübernahme über S 2,000.000,-. Die Frage der Abtretung von Geschäftsanteilen an der GmbH durch die dritte Beklagte sei nicht relevant, weil sie nicht aktenkundig sei. Zum Zeitpunkt der Unterfertigung der gegenständlichen Verträge sei die Klägerin jedenfalls davon ausgegangen, daß die dritte Beklagte Gesellschafterin der L***** GmbH sei.

Das Erstgericht gab mit dreigliedrigem Urteil der Klage gegen die dritte Beklagte zur Gänze statt. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:

Die Klägerin schloß mit der ersten Beklagten zu Kontonummer 107-230149 eine Kreditvereinbarung über einen zusätzlichen Kontokorrentkredit von S 1,500.000,- ab und befristete die Laufzeit mit 30.4.1991. Das entsprechende Schreiben war am 17.10.1990 an die erste Beklagte gerichtet und am 12.12.1990 vom zweiten Beklagten als Geschäftsführer unterfertigt worden. Gleichzeitig wurden der ersten Beklagten auch vereinbarungen unter anderem betreffend den zweiten Beklagten und die dritte Beklagte übermittelt. Diese wurden ebenfalls am 12.12.1990 von beiden unterfertigt, wobei zumindest die dritte Beklagte dies zu Hause getan hat. Diese erklärungen sind gleichlautend es ergibt sich daraus, daß die Bürgen der Bank gegenüber für ihre Ansprüche, die ihr aus dem vorangeführten Kreditverhältnis gegen die Firma L***** zustünden oder in der Folge erwachsen sollten, die Haftung als Bürge und Zahler bis zum Höchstbetrag von S 1,500.000,- Kapital zuzüglich Zinsen, Provisionen und sonstige Nebengebühren übernehmen. Am gleichen Tag wurde zwischen der Klägerin und der Firma L***** eine weitere Kreditvereinbarung über den Betrag von S 3,000.000,- zu Kontonummer 107-020173 mit einer Laufzeit bis 30.4.1991 abgeschlossen, wobei auch hier die dritte Beklagte und der zweite Beklagte die Bürgen- und Zahlerhaftungen in Höhe von je S 3,000.000,- übernahmen. Auch in diesem Fall unterschrieben sie vereinbarungen, deren Inhalt den oben festgestellen Vereinbarungen entsprach. Welche Informationen der zweite Beklagte seiner Ehefrau, der dritten Beklagten, gegeben hat, kann nicht festgestellt werden, durchgelesen hat sie die Vereinbarungen, bevor sie sie unterschrieben hat, nicht. Sie, die ebenso wie der zweite Beklagte Gesellschafterin der Firma L***** war, hat diese Vereinbarung unterschrieben, als sie die Geschäftsanteile übernommen hat.

Ende 1991/Anfang 1992 begann Ing.J***** für die erste Beklagte eine Sanierungstätigkeit zu entfalten, wobei er den Auftrag vom Geschäftsführer, dem zweiten Beklagten erhalten hat.

Zum damaligen Zeitpunkt hat die erste Beklagte auch "Außenstände" bei der Firma A*****bank und es wurden diesbezüglich Umschuldungsgespräche geführt, wobei die Umschuldung ebenfalls ein Teil des von Ing.J***** vorgestellten Konzeptes war. Im Zuge derselben verzichtete die A*****bank auf einen erheblichen Teil ihrer Ansprüche, worauf es die Klägerin für sinnvoll hielt, die Umschuldung basierend auf den Konzept des Ing.J***** vorzunehmen. Im Zuge der Umschuldungsmaßnahmen wurden am 7.10.1992 an die A*****bank S 4,900.000,- überwiesen, was zu einer Erhöhung des Außenstandes auf dem Konto Nummer 107-230194 auf über S 13,000.000,- führte.

Zwischen der Klägerin und der L***** wurden aus diesem Grunde Vereinbarungen getroffen, die von der Klägerin mit Schreiben vom 21.1.1993 wie folgt schriftlich festgehalten wurden: ....

"Zur Besicherung des vorher erwähnte Kontokorrentkredites in Höhe von S 2,000.000,- übernehmen Herr Gerhard und Frau Ingrid H***** die Bürgen- und Zahlerhaftung in Höhe von S 2,000.000,-. Vereinbarungsgemäß entbinden sie uns gegenüber den Bürgen vom Bankgeheimnis gemäß § 22 KWG und erteilen die ausdrückliche Einwilligung, den Vorgenannten im Falle einer Anfrage jede gewünschte Auskunft im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Kreditverhältnis zu erteilen.

Weiters lassen wir uns die im Zusammenhang mit der Einräumung des Abzahlungskredites in Höhe von S 5,400.000,- (siehe gesonderte Kreditvereinbarung) zu unseren Gunsten zu hinterlegende, jederzeit eintragungsfähige Pfandbestellungsurkunde in Höhe von S 7,020.000,-

ob den Liegenschaften EZ 755 und 1287 je KG A*****, Grundbuch Innsbruck (je 1/1-Anteil Ingrid H*****) sowie die Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Verpfändung in derselben Höhe und ob derselben Liegenschaften und die vereinbarte Warenlagerverpfändung auch zur Besicherung der eingangs erwähnten Kontokorrentkredite dienen. Die bereits zu unseren Gunsten intabulierte Hypothek bis zum Höchstbetrag von S 2,600.000,- ob der Liegenschaft EZ 755 Grundbuch A***** lassen wir uns auch zur Besicherung des zusätzlichen

Kontokorrentkredites in Höhe von S 1,500.000,- und des Kontokorrentkredites in Höhe von S 3,000.000,- dienen.

In diesem Zusammenhang wird Frau Ingrid H***** als jeweilige Liegenschaftseigentümerin diese Vereinbarung zum Zeichen der zustimmenden Kenntnisnahme mitunterfertigen.

Es ist uns bekannt, daß die Liegenschaft in EZ 685 Grundbuch A***** in absehbarer Zeit parifiziert wird und Teile davon in das Eigentum von Herrn Gerhard H***** oder Frau Ingrid H***** übergehen. Durch Mitunterfertigung dieser Vereinbarung verpflichtet sich Herr H*****, uns diese Liegenschaftsanteile zum gegebenen Zeitpunkt pfandrechtlich zu unterstellen..."

In einer Bestätigung an die Klägerin mit Datum 11.3.1993 ist angeführt:

"Mit vorstehenden Ausführungen erklären wir uns vollinhaltlich einverstanden."

Unterschrieben wurde diese Bestätigung vom zweiten Beklagten als Geschäftsführer der ersten Beklagten persönlich sowie von der dritten Beklagten.

Nach Abfassung des Schreibens der Klägerin vom 21.1.1993, jedoch vor Unterfertigung des Schreiben durch die Beklagte hat sie mit dem zweiten Beklagten und ihrem Sohn einen Abtretungsvertrag abgeschlossen, aus dem hervorgeht, daß sie über einen Geschäftsanteil entsprechend einer voll eingezahlten Stammeinlage von S 240.000,-

verfüge und sie ihren gesamten Geschäftsanteil an den Sohn abtrete. Über diesen Abtretungsvertrag wurde am 22.1.1993 ein Notariatsakt errichtet. Die dritte Beklagte wurde vom 25.1.1993 an als Dienstnehmerin bei der Firma L***** beschäftigt. In weiterer Folge schaltete sich der nunmehrige Beklagtenvertreter ein und gab den Mitarbeitern der Klägerin bekannt, daß er von der dritten Beklagten gebeten worden sei, vor Unterzeichnung der Verträge deren Inhalt von der rechtlichen Seite her zu prüfen. Er übergab den Mitarbeitern der Klägerin auf ihn lautende Vollmachten des zweiten Beklagten und der dritten Beklagten. Er gab bekannt, daß er der Unterzeichnung der Kreditvereinbarungen sowie der Sicherheitenbestellung durch die dritte Beklagte grundsätzlich positiv gegenüberstehe, wobei aber gewisse Abänderungen vorzunehmen seien.

Schließlich kamen der zweite Beklagte und die dritte Beklagte am 11.3.1993 in die Räumlichkeiten der Klägerin und unterfertigten die abgeänderten Kredit- und vereinbarungen, weil die dritte Beklagte von Mag.M***** (Angestellter der Klägerin) darauf hingewiesen wurde, daß sie eine Bürgen- und Zahlerhaftung unterschreibt und daß dies deshalb notwendig ist, weil sie Liegenschaftseigentümerin ist, der Beklagten wurde die Höhe der ausstehenden Beträge genannt. Im übrigen war Mag.M***** bekannt, daß die Beklagte durch den nunmehrigen Beklagtenvertreter anwaltlich vertreten und von diesem ausreichend informiert worden war. Sie unterschrieb darüber hinaus eine Pfandvereinbarung und verpflichtete sich, die ihr gehörigen Liegenschaften in EZ 755 und EZ 1287 im Grundbuch A***** bis zum Höchstbetrag von S 7,020.000,- zum Pfand zu unterstellen; unter Punkt 19 wurden die Kreditverbindlichkeiten von zusammen S 6,500.000,- an Kontokorrentkrediten aus dem Jahr 1990, von S 9,500.000,- an Kontokorrentkrediten aus dem Jahr 1993, dem Abzahlungskredit von S 5,400.000,- vom März 1993 und der Haftungskredit von S 405.000,- vom März 1993 einzeln angeführt.

Nicht festgestellt werden kann, daß der Klägerin der Inhalt des Notariatsaktes vom 22.1.1993 bekannt gewesen wäre. Die dritte Beklagte arbeitete im Betrieb der Firma L***** und verrichtete dort Büroarbeiten. Welche Erklärungen der zweite Beklagte ihr gab, bevor es zur Unterfertigung der Verträge im März 1993 kam, kann nicht festgestellt werden, jedenfalls wurde aber erwähnt, daß die Firma L***** weitere S 2,000.000,- benötige, um weiterarbeiten zu können, wobei aber nicht festgestellt werden konnte, daß von seiten der Klägerin im Zuge des Abschlusses der Verträge zugesagt worden wäre, daß der Firma L***** in weiterer Folge S 2,000.000,- frei zur Verfügung stehen sollten.

Zu der Vereinbarung im März 1993 kam es auf Grund der optimistischen Zukunftsprognosen des Ing.J*****.

Rechtlich beurteile das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, es habe sich aus dem gesamten Beweisverfahren kein Hinweis für eine Irreführung ergeben. Die dritte Beklagte habe die Haftungen als Gesellschafterin übernommen, sodaß das Kautionsschutzgesetz nicht anzuwenden sei.

Der gegen dieses Urteil gerichteten Berufung der dritten Beklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. In der Frage einer mangelhaften Aufklärung über Inhalt und Folge einer Bürgschaftsverpflichtungserklärung gehe die Berufung nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, wonach der Beklagtenvertreter für seine Gattin mit der Klägerin verhandelt und die von ihr unterfertigten Vertragsurkunden noch vor der Unterfertigung geprüft habe. Dies gelte auch für die Verletzung von Warn- und Aufklärungspflichten, in diesen Punkten sei die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt worden. Eine bereits zur Zeit der Übernahme der Haftungen der Beklagten bestehende Kenntnis der Klägerin über eine allenfalls bereits eingetretene Insolvenz der Erstbeklagten stehe nicht fest. Auf § 4 KautSchG könne sich die Beklagte schon deshalb nicht berufen, weil nicht feststehe, daß der Klägerin schon zur Zeit der mit der Beklagten 1993 geschlossenen Vereinbarungen bekannt- gewesen sei, daß sie nicht mehr Gesellschafterin, sondern Dienstnehmerin der ersten Beklagten gewesen sei.

Nichtigkeit könne einem Kreditgeber nur eingewendet werden, wenn dieser von den für die Nichtigkeit maßgebenden Umständen Kenntnis habe.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob ein bürgender Dienstnehmer dem Gläubiger Nichtigkeit nach § 4 KautSchG auch dann einwenden könne, wenn der Gläubiger von den für die Nichtigkeit maßgebenden Umständen keine Kenntnis habe, fehle. Dies sei weder in der zu EvBl 1989/83 noch in der zu ÖBA 1989, 1213 veröffentlichten Entscheidung abschließend beurteilt worden und auch im Schrifttum nicht selbständig geklärt worden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitige Revision der dritten Beklagten, mit der sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung die Abänderung der Urteile der Vorinstanzen dahin begehrt, daß die Klage abgewiesen werde. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin begehrt in ihrer Revisionsbeantwortung in erster Linie die Zurückweisung der Revision, in eventu aber die Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht zulässig.

Nach § 502 Abs 1 ZPO ist gegen Urteile der Berufungsgerichte die Revision nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt. Erforderlich ist daher neben der Erheblichkeit der Rechtsfrage auch deren Präjudizialität für die Entscheidung (JBl 1985, 303; RdW 1985, 145; 1 Ob 39/94; zuletzt 1 Ob 42/95). Gerade diese mangelt aber der vom Berufungs- gericht ins Treffen geführten Rechtsfrage, mag auch tatsächlich in der höchstgerichtlichen Judikatur die Frage, ob für die Nichtigkeit eines Umgehungsgeschäftes nach § 4 KautSchG die Kenntnis des dritten Gläubigers von den Umständen im Sinn des § 3 KautSchG abhängt oder nicht, noch nicht abschließend beantwortet sein.

Nach § 3 KautSchG darf der Abschluß oder die Aufrechterhaltung des Dienstvertrages vom Dienstgeber nicht davon abhängig gemacht werden, daß der Dienstnehmer oder ein Dritter dem Dienstgeber (künftig) ein Darlehen gewährt. Die dritte Beklagte hat ein in diese Richtung gehendes Vorbringen in ihrem Schriftsatz ON 39 (AS 62 f) erstattet und insbesondere vorgebracht, daß der zweite Beklagte ihr erklärt habe, die erste Beklagte müsse Konkurs anmelden, wenn sie nicht Bürgschaften übernehmen würde. Das Erstgericht, welches weder die dritte Beklagte noch ihren Ehemann für glaubwürdig erachtete, hat dazu nicht feststellen können, welche Erklärungen der zweite Beklagte seiner Frau, der dritten Beklagten gegeben hatte, bevor es zur Unterfertigung der Verträge im März 1993 kam. Diese negative Feststellung hat die dritte Beklagte in ihrer Berufung nicht bekämpft. Damit zeigt sich aber, daß ihr der Beweis für die Voraussetzungen des § 3 KautSchG nicht gelungen ist und in diesem Umfang jedenfalls von einem sekundären Feststellungsmangel, wie nunmehr in der Revision behauptet wird, keine Rede sein kann. Steht aber nun nicht einmal fest, daß der Dienstgeber die Aufrechterhaltung bzw den Abschluß des Dienstvertrages mit der dritten Beklagten davon abhängig gemacht hätte, daß der Dienstnehmer ein Darlehen gewähre bzw eine Bürgschaft übernehme, was zur Vermeidung von Umgehungen einer Darlehensgewährung gleichzuhalten ist (vgl Gamerith in Rummel2 zu § 1350 Rz 5 mwN), dann kann es darauf, ob die klagende Bank von diesen Umständen Kenntnis hatte bzw Kenntnis habe hätten müssen, nicht ankommen.

Dessenungeachtet sind jedoch auch noch jene Rechtsfragen zu prüfen, die die Revisionswerberin darüber hinaus geltend macht (6 Ob 561/84; RdW 1987, 260 = SZ 60/35 uva; zuletzt 6 Ob 2341/96z).

Zur Frage der Warn- und Aufklärungspflichten von Gläubigern

(insbesondere Banken) gegenüber Bürgen gibt es eine umfangreiche

Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (EvBl 1984/160 = SZ 57/70;

ÖBA 1993, 61 = RdW 1992, 399 uva; zuletzt 4 Ob 1687/95 und (eine

Garantie betreffend) SZ 68/64 = ARD 4681/19 = ecolex 1995, 638 = EvBl

1995/156 = JBl 1995, 651 (Mader) = Jus Z 1888 = ÖBA 1995, 804 (Graf)

= ZIK 1995, 124). Mag auch das Berufungsgericht im einzelnen zu

diesen Fragen nicht Stellung genommen haben, so ist es dennoch von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung nicht abgewichen. Eine derartige Abweichung vermag auch die Revisionswerberin nicht aufzuzeigen. Wie der Oberste Gerichtshof in ÖBA 1993, 61 = RdW 1992, 399 klargestellt hat, besteht eine Warn- und Auskunftspflicht unter anderem dann, wenn der Gläubiger - abgesehen von der Voraussetzung der Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem unmittelbar bevorstehenden, wirtschaftlichen Zusammenbruch des Schuldners - damit rechnen muß, daß dem als Bürgen fungierenden nahen Angehörigen diese Umstände nicht ebenfalls bewußt sind.

Nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Unterinstanzen wurde die Revisionswerberin anläßlich der Unterfertigung der Kredit- und Bürgschaftsvereinbarungen am 11.3.1993 vom Angestellten der klagenden Bank auf die Höhe der ausstehenden Beträge hingewiesen. Dieser Angestellte wußte auch darüber Bescheid, daß die Beklagte durch den nunmehrigen Beklagtenvertreter anwaltlich vertreten und von diesem ausreichend informiert worden war.

Darüber hinaus wurde vom Erstgericht festgestellt, daß Grundlage der Vereinbarungen im März 1993 die optimistischen Zukunftsprognosen des von der Hauptschuldnerin beigezogenen Beraters Ing.J***** waren. Abgesehen davon, daß die Beklagte nach dem Kenntnisstand der Klägerin Gesellschafterin der Hauptschuldnernis war, so daß diese damit rechnen konnte, sie wisse über die wirtschaftliche Situation der Hauptschuldnerin Bescheid, hat die die dritte Beklagte (wenn auch in anderem Zusammenhang [ON 39 AS 62]), wie bereits dargelegt, selbst eingeräumt, daß sie der zweite Beklagte als Geschäftsführer der Hauptschuldnerin darüber in Kenntnis gesetzt habe, diese müsse Konkurs anmelden, wenn sie nicht Bürgschaften übernehmen würde. Angesichts dieser Umstände kann von der Verletzung einer Warnpflicht durch die Klägerin keine Rede sein, so daß das Berufungsgericht von der Judikatur des Obersten Gerichtshofes nicht abgewichen ist.

Die Revision war daher ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (RdW 1987, 260 = SZ 60/35 uva; zuletzt 6 Ob 2043/96z) Zulassungsausspruches des Berufungsgerichtes zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung zutreffend auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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