European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0030OB00062.23Y.0525.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Ein Rekurssenat des Landesgerichts Innsbruck wies mit Beschluss vom 30. November 2022 einen Rekurs des Verpflichteten als verspätet zurück und sprach aus, dass der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2 Z 1 ZPO iVm § 78 EO absolut unzulässig sei.
[2] Der Verpflichtete brachte in der Folge beim Oberlandesgericht Innsbruck eine Ablehnung gegen einen an dieser Rekursentscheidung beteiligten Richter wegen behaupteter Befangenheit ein, der in der Zwischenzeit zum Richter des Oberlandesgerichts Innsbruck ernannt worden war.
[3] Der Ablehnungssenat des Oberlandesgerichts Innsbruck wies diese Ablehnung zurück. In enger Auslegung des § 22 Abs 1 Satz 1 JN sei für die Frage der Zuständigkeit auf den Zeitpunkt der vom Ablehnungsantrag betroffenen Gerichtshandlung abzustellen, weshalb der Ablehnungsantrag wegen Unzuständigkeit des Oberlandesgerichts Innsbruck zurückzuweisen sei. Im Übrigen wäre er auch unter der Annahme der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ohne inhaltliche Prüfung zurückzuweisen, weil die der Ablehnung zugrunde liegende Rekursentscheidung bereits rechtskräftig sei und dadurch der (allfällige) Mangel der Befangenheit des daran mitwirkenden Richters geheilt sei.
[4] Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Verpflichteten, in dem er gleichzeitig die Ablehnung (auch) der Mitglieder des Ablehnungssenats erklärt.
Rechtliche Beurteilung
[5] Der Rekurs ist zulässig (§ 24 Abs 2 JN), aber nicht berechtigt.
[6] 1. Vorweg ist festzuhalten, dass über den Rekurs trotz der neuerlichen Ablehnung bereits jetzt entschieden werden kann: Die Geltendmachung der Befangenheit ist auch noch nach der Erlassung der erstgerichtlichen Entscheidung zulässig, und zwar auch noch im Rechtsmittelschriftsatz. In einem solchen Fall ist vor Entscheidung über das Rechtsmittel grundsätzlich der ersten Instanz die Entscheidung über den Ablehnungsantrag aufzutragen, weil im Falle ihrer Stattgebung diese Instanz ihre vorangegangene Entscheidung als nichtig aufzuheben hätte (vgl RS0042028 [T9, T16, T19]). Anderes gilt jedoch, wenn die Ablehnung – wie im vorliegenden Fall – offenkundig rechtsmissbräuchlich erfolgt (vgl RS0042028 [T7, T24]), etwa im Fall einer Ablehnungskaskade (vgl 3 Ob 172/19v = RS0042028 [T27]). Dass es sich hier um eine Ablehnungskaskade handelt, aufgrund derer eine bereits im Jahr 2017 erfolgte (erste) Ablehnung des nun erneut abgelehnten Richters durch den Verpflichteten nach wie vor nicht rechtskräftig entschieden ist, führt der Ablehnungswerber in seinem Rechtsmittel selbst aus.
[7] 2. Die vom Rekurswerber gerügte Unterlassung der Zustellung der Äußerung des abgelehnten Richters kann von vornherein keinen Verfahrensmangel begründen, weil die Einholung einer gesonderten Stellungnahme des Ablehnungswerbers zur Äußerung des abgelehnten Richters nicht zwingend vorgeschrieben ist (8 Ob 87/09s mwN). Abgesehen davon wurde, wie sich aus der angefochtenen Entscheidung ergibt, gar keine Stellungnahme des abgelehnten Richters eingeholt, die dem Rekurswerber zugestellt werden hätte können.
[8] 3. Das Oberlandesgericht Innsbruck hat seine Zuständigkeit zur Entscheidung über die Ablehnung zu Recht verneint:
[9] 3.1. Gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 JN ist die Ablehnung bei jenem Gericht zu erklären, dem der abzulehnende Richter angehört. Unklarheiten darüber, bei welchem Gericht der Ablehnungsantrag einzubringen ist, können nur im hier vorliegenden Sonderfall entstehen, wenn die (angebliche) Befangenheit erst nach Erlassung der (hier zweitinstanzlichen) Entscheidung geltend gemacht wird (zur grundsätzlichen Zulässigkeit dieser Vorgangsweise vgl RS0041933 [T14]) und der abgelehnte Richter mittlerweile nicht mehr jenem Gericht angehört, das die zur Ablehnung führende Entscheidung gefällt hat.
[10] 3.2. Dass das Oberlandesgericht Innsbruck auf den Zeitpunkt der Fällung der Rekursentscheidung abstellte, zu dem der abgelehnte Richter naturgemäß noch nicht dem Oberlandesgericht Innsbruck angehörte, ist sachgerecht. Dies ergibt sich schon aus dem Umstand, dass die Zuständigkeit für die Behandlung der erst nach Zustellung der Gerichtsentscheidung erfolgten Ablehnung eines Richters, der diesem Gericht inzwischen nicht mehr angehört, nicht von diesem rein zufälligen Umstand abhängen soll. Sollte der betreffende Richter in der Zwischenzeit keinem Gericht mehr angehören, etwa weil er in den Ruhestand getreten ist oder sein Dienstverhältnis zur Republik Österreich gemäß § 100 RStDG aufgelöst hat, dann würde es – bei gegenteiligem Verständnis – überhaupt an einer anwendbaren Zuständigkeitsregelung fehlen. Es kann daher nur jenes Gericht zuständig sein kann, dem der Richter, dessen Verhalten oder Entscheidung die Ablehnung ausgelöst hat, zu diesem Zeitpunkt angehörte.
[11] 4. Soweit die §§ 19 bis 25 JN keine Sonderregelungen für das Rechtsmittelverfahren in Ablehnungssachen enthalten, richtet sich dieses nach den Vorschriften jenes (Haupt‑)Verfahrens, in dem die Ablehnung erfolgt (vgl RS0006000). Nichts anderes kann für die Frage gelten, ob ein beim unzuständigen Gericht eingebrachter Ablehnungsantrag zurückzuweisen oder aber gemäß § 44 JN an das zuständige Gericht zu überweisen ist. Da die Ablehnung hier im Rahmen eines Exekutionsverfahrens erfolgte, hätte das zu Unrecht angerufene Oberlandesgericht den Ablehnungsantrag nicht zurückweisen dürfen, sondern hätte ihn an das zuständige Landesgericht überweisen müssen.
[12] 5. Allerdings kann sich der Rekurswerber durch diesen Umstand im Ergebnis nicht beschwert erachten:
[13] 5.1. Wie das Oberlandesgericht Innsbruck in seiner hilfsweisen Begründung zutreffend ausgeführt hat, ist nach ständiger Rechtsprechung eine Ablehnung nach Rechtskraft der Sachentscheidung ausgeschlossen (RS0046032 [T2]); jede andere Auffassung würde nämlich zu dem systemwidrigen Ergebnis führen, dass eine rechtskräftige Entscheidung im Rahmen eines nachfolgenden Ablehnungsverfahrens beseitigt werden könnte, obwohl eine derartige Durchbrechung der Rechtskraft grundsätzlich der Nichtigkeitsklage nach § 529 ZPO vorbehalten ist und selbst eine solche auf einen Ablehnungsgrund nicht gestützt werden kann (vgl RS0046032 [T3]).
[14] 5.2. Die Rekursentscheidung, aus der die angebliche Befangenheit abgeleitet wird, war gemäß § 528 Abs 2 Z 1 EO unanfechtbar und damit bereits mit ihrer Zustellung rechtskräftig.
[15] 5.3. Im Sinne des oben Gesagten wäre die Ablehnung daher zwingend auch dann ohne inhaltliche Prüfung der behaupteten Befangenheit zurückzuweisen gewesen, wenn das Landesgericht Innsbruck (nach Überweisung des Antrags gemäß § 44 JN) darüber entschieden hätte.
[16] 6. Der Rekurs muss daher erfolglos bleiben.
[17] Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO iVm § 78 EO.
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