Spruch:
Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Der am 24. August 1944 ohne eheliche Nachkommen verstorbene Onkel sämtlicher Kläger hatte am 5. Juli 1944 ein eigenhändiges Testament mit folgendem Wortlaut verfasst:
„... Im Falle meines Todes ist meine Frau ... meine Universalerbin mit den Ausgedingen, dass:
- 1. ...
- 2. Der Haus- und Grundbesitz nach dem Tod meiner Frau an einen meiner Brüder oder dessen Kinder, der in A***** Grund- und Boden besitzt, ungeteilt fällt. Der ev. Besitzer der Liegenschaft F***** 2 hat das Vorrecht.
Dieses Testament gilt nicht, wenn aus meiner Ehe noch Kinder hervorgehen, sondern sind dann diese meine natürlichen Erben. ..."
I. Der Oberste Gerichtshof hat in den Entscheidungen 1 Ob 979/54 und 1 Ob 473/58 (s auch 1 Ob 138/63) ausgesprochen, dass es sich bei dieser in Frage stehenden letztwilligen Anordnung des Onkels der Kläger um ein fideikommissarisches Vermächtnis (Nachvermächtnis) handelt. Diese Rechtsauffassung, deren Richtigkeit die Revisionswerber nicht in Zweifel ziehen, ist mit der Maßgabe zugrunde zu legen, dass ein echtes Nachvermächtnis iSd § 652 ABGB zwar nicht vorliegt, weil dafür das Vorliegen eines Haupt- oder Vorvermächtnisses Voraussetzung wäre. Hier hingegen verfügte der Erblasser, dass die Liegenschaft nach dem Tod der Erbin an die im Testament genannte begünstigte Person auszufolgen ist. Es handelt sich damit um ein sogenanntes uneigentliches Nachlegat (RIS-Justiz RS0107196; 6 Ob 2136/96b = SZ 70/41; Welser in Rummel, ABGB³ § 652 Rz 4), für das § 652 ABGB sinngemäß gilt (RIS-Justiz RS0107196; Welser aaO § 652 Rz 4).
II. § 652 ABGB verweist für fideikommissarische Vermächtnisse auf die im vorigen Hauptstück geregelten Vorschriften, somit auf die §§ 604 bis 617 ABGB. Bereits das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass diese Bestimmungen auch zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung in Kraft waren (Weiß in Klang III², Vorbemerkungen 2 f). Die Aufhebung der §§ 618 bis 645 ABGB im Zusammenhang mit dem Gesetz DRGBl 1938 I 825 über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen (vgl dazu Weiß aaO Vorbemerkungen 3) ist hier nicht von Interesse.
III. Die Revisionswerber stehen auf dem Standpunkt, dass entgegen der Auffassung der Vorinstanzen, die der Klage des Erstklägers auf Herausgabe der Liegenschaft stattgaben, hingegen jene der übrigen Kläger abwiesen, die letztwillige Verfügung dahin auszulegen sei, dass der Erblasser mit der Formulierung „dessen Kinder" ausschließlich die zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bereits geborenen Kinder eines der Brüder des Erblassers (also den Zweitkläger und die Dritt- und die Viertklägerin sowie eine weitere, am Verfahren nicht beteiligte Nichte) gemeint habe, nicht aber den Erstkläger, der zwar ebenfalls das Kind eines der Brüder des Erblassers ist, zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung aber noch nicht geboren war.
Rechtliche Beurteilung
Damit zeigen allerdings die Revisionswerber keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:
1. Vorauszuschicken ist, dass ein formgültiges Testament vorliegt. Der Vorwurf der Dritt- und Viertklägerin, das Berufungsgericht hätte sich nicht auf die zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht geltende Bestimmung des § 601 ABGB stützen dürfen, entbehrt damit der Grundlage.
2. Auch für die Auslegung eines Testaments gilt der allgemeine Grundsatz, dass die Auslegung einer dem Wortlaut nach feststehenden Urkunde immer dann eine Frage der rechtlichen Beurteilung darstellt, wenn sie - wie hier - allein aufgrund des Urkundeninhalts geschieht (10 Ob 2335/96x = SZ 69/247; RIS-Justiz RS0043463 [T11, T12]).
3. Die Auslegung des Urkundeninhalts einer letztwilligen Verfügung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Ihr kommt daher - von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen - keine erhebliche Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0043463 [T12]).
4. Die Auslegung der letztwilligen Verfügung durch die Vorinstanzen steht im Einklang mit ihrem Wortlaut und mit der aus dem Wortlaut hervorleuchtenden Absicht (RIS-Justiz RS0012238 [T1, T2]) des Onkels der Kläger: Danach sollte jener aus dem Kreis der Genannten den Vorzug erhalten, der zum maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts des Substitutionsfalls (Tod der zur Erbin eingesetzten Witwe - 1 Ob 979/54) Besitzer der im Testament genannten Liegenschaft ist. Dass der Erstkläger diese Voraussetzung erfüllt, ist nicht strittig. Die Nennung „eines meiner Brüder oder dessen Kinder" indiziert entgegen der Ansicht der Revisionswerber gerade unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Falls nicht, dass der Erblasser unter „dessen Kinder" nur bereits geborene Kinder meinte. Bereits das Berufungsgericht hob hervor, dass der Erblasser eine Beschränkung auf die bereits zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung geborenen Neffen und Nichten durch einfache Namensnennung (anstelle der Bezeichnung „dessen Kinder") hätte bewirken können. Zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung, der in den zweiten Weltkrieg fällt, waren die damals noch lebenden drei Brüder des Erblassers im Alter zwischen 36 und knapp 25 Jahren. Es bestand damit eine Wahrscheinlichkeit dafür, dass diese Brüder - außer dem damals im Kleinkindalter stehenden Zweitkläger und der Viertklägerin sowie der gerade neugeborenen Drittklägerin - weitere Kinder zeugen würden. Unter diesen Umständen lässt sich aber aus der allgemeinen Formulierung „dessen Kinder" nicht der von den Revisionswerbern gewünschte Schluss ziehen, der Erblasser habe nur bereits geborene Neffen oder Nichten bedenken wollen.
5. Für die Revisionswerber ist auch aus dem Verweis auf § 681 ABGB, dessen Auslegungsregel auch in Subsitutionsfällen gilt (RIS-Justiz RS0012550), nichts zu gewinnen: Die Bestimmung regelt einerseits die Frage, welche Personen gemeint sind, wenn der Erblasser das Wort „Kinder" verwendet hat. Dass bei einer Verfügung zugunsten der Kinder eines anderen - mangels eines nachweislich anderen Erblasserwillens (Welser aaO § 681 Rz 1) - nur dessen Söhne und Töchter zu verstehen sind, ist ohne Relevanz, weil diese Voraussetzung ohnedies auf sämtliche Kläger zutrifft. Auch der letzte Halbsatz in § 681 ABGB („welche bei dem Ableben des Erblassers schon erzeugt waren") stellt nur eine Zweifelsregel dar (Welser aaO § 681 Rz 6; ihm folgend Eccher in Schwimann, ABGB³ III § 681 Rz 2), die sich überdies nur auf die eigenen Kinder des Erblassers bezieht. Durch die Wortfolge des zweiten Halbsatzes in § 681 ABGB („wenn er aber seine eigenen Kinder bedenkt ..., welche bei dem Ableben des Erblassers schon erzeugt waren) ist klargestellt, dass es sich um eine abschließende und nicht analogiefähige Regelung handelt, die ausschließlich die eigenen Nachkommen des Erblassers betrifft. Hier ist - wie zu I. dargelegt - von einem „uneigentlichen" Nachlegat auszugehen, das in den Grenzen des § 612 ABGB auch zugunsten Ungeborener zulässig ist und von den Vorinstanzen zumindest vertretbar dahin ausgelegt wurde, dass nach dem erkennbaren Willen des Testators der den Gegenstand des Vermächtnisses bildende Grundbesitz ungeteilt jenem Bruder oder einem (auch zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch nicht geborenen) Kind eines Bruders zukommen sollte, der oder das auch Eigentümer der genannten Liegenschaft ist.
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