OGH 1Ob138/63

OGH1Ob138/6318.9.1963

SZ 36/116

Normen

ABGB §608
ABGB §652
ABGB §608
ABGB §652

 

Spruch:

Zur Frage der Passivlegitimation bei einer Klage gegen die aus einem fideikommissarischen Legat Anwartschaftsberechtigten.

Entscheidung vom 18. September 1963, 1 Ob 138/63.

I. Instanz: Bezirksgericht Bad Aussee; II. Instanz: Kreisgericht Leoben.

Text

Hermine F., die Klägerin, ist die Witwe des am 24. August 1944 verstorbenen Ing. Michael F., eines Sohnes des begüterten Hoteliers Michael F., welch letzterer auch Bürgermeister von A. gewesen war. Ing. Michael F. hinterließ ein Testament vom 5. Juli 1944, in dem es unter anderem hieß:

"Im Falle meines Todes ist meine Frau Hermine F., geb. L., meine Universalerbin, mit den Ausgedingen, daß

1. meine Eltern, im Falle sie im Seehotel nicht mehr wohnen können, in dem derzeit mir gehörigen Hause F.-dorf 107 eine Wohnung ... beanspruchen können,

2. der Haus- und Grundbesitz nach dem Tode meiner Frau an einen meiner Brüder oder dessen Kinder, der in A. Grund und Haus besitzt, ungeteilt fällt. Der eventuelle Besitzer der Liegenschaft F.-dorf 2 hat das Vorrecht."

Bei dem Haus- und Grundbesitz des Erblassers handelt es sich um die Liegenschaft EZ. 575 GB. A., zu der neben Wald- auch Bauparzellen, insbesonders auch jene mit dem Haus F.-dorf 107 gehören.

Die Klägerin gab im Zug der Verlassenschaftsabhandlung nach Ing. Michael F. die unbedingte Erbserklärung ab; die Einantwortung des Nachlasses an sie erfolgte am 10. Mai 1947. Die Verbücherung ihres Eigentumsrechtes erfolgte "mit der Beschränkung der im erbl. Testamente des Ing. Michael F. vom 5. Juli 1944 zu Gunsten der erbl. Brüder Dr. Ludwig und Franz F. oder deren Kinder angeordneten fideikommissarischen Substitution".

Mit der Rechtsstellung, die sich daraus für die Klägerin einerseits, für Dr. Ludwig und Franz F. - die Beklagten im vorliegenden Prozeß - bzw. deren Kinder andererseits ergibt, hatte sich der Oberste Gerichtshof bereits in seinen Entscheidungen 1 Ob 979/54, - ergangen

im Prozeß 8 Cg ... /54 des Kreisgerichtes Leoben - und 1 Ob 473/58,

- ergangen im Prozeß C ... /57 des Bezirksgerichtes A. - zu

befassen. Danach hat die Klägerin in Ansehung der Liegenschaft EZ. 575 Gb. A. praktisch nur die Stellung einer Fruchtnießerin, weil sich die Anordnungen des Ing. Michael F. im Punkt 2 seines Testamentes als rechtswirksames fideikommißarisches Vermächtnis im Sinn des § 652 ABGB. darstellen; der Anfall des Nachvermächtnisses ist an die Bedingung geknüpft, daß der Nachbedachte in A. Grund- und Hausbesitz hat, wobei es auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Eintrittes des Substitutionsfalles ankommen wird.

Der Vollständigkeit halber sei hier festgehalten, daß Michael F. sen., der Schwiegervater der Klägerin, die im Punkt 2 des Testamentes des Ing. Michael F. genannte Realität F.-dorf Nr. 2 mit Notariatsakt vom 22. Dezember 1953 an Franz F., den Erstbeklagten, übertrug; zur Zeit der Durchführung des Prozesses 8 Cg ... /54 des Kreisgerichtes Leoben bzw. des Ergehens der Entscheidung 1 Ob 979/54 war also der Erstbeklagte Eigentümer jener Liegenschaft, an deren Besitz der Erblasser das "Vorrecht" bezüglich des fideikommissarischen Vermächtnisses geknüpft hat. Aus dem Akt 8 Cg ... /54 des Kreisgerichtes Leoben und dem Akt A 222/46 = P 38/60 des Bezirksgerichtes A. ergibt sich weiters, daß Dr. Ludwig F., der Zweitbeklagte, mehrere (vor dem 24. August 1944 geborene) Kinder hat, während der Erstbeklagte kinderlos zu sein scheint.

Im vorliegenden, seit 7. Dezember 1961 anhängigen Prozeß stellte die Klägerin nach mehrfachen Änderungen schließlich das Begehren, 1. es werde festgestellt, daß ihr als Witwe nach Ing. Michael F. zur Bestreitung ihres standesgemäßen Unterhalts seit 1. Jänner 1959 ein Betrag von 4000 S mangle;

2. die Beklagten seien schuldig, einzuwilligen bzw. zu dulden, daß sie zur Befriedigung ihres zu 1. genannten Unterhaltsanspruchs über die Liegenschaft EZ. 575 Gb. A. samt Zubehör ungeachtet des ob dieser Liegenschaft zu Gunsten der Beklagten lastenden Substitutionsbandes uneingeschränkt, nämlich durch Veräußerungen bzw. Belastungen von Teilen des Substitutionsvermögens im Rahmen der Höhe der fällig gewordenen Unterhaltsbeiträge verfügen könne;

3. den Beklagten stehe es frei, sich von der zu Punkt 2 begehrten Einwilligung bzw. Duldung dadurch zu befreien, daß sie allmonatlich jeweils am Monatsersten im vorhinein den Betrag von 4000 S an die Klägerin bezahlen, und zwar beginnend mit dem Zeitpunkt der festgestellten Unterhaltsverpflichtung.

Zur Begründung ihrer Klage, die sie selbst als eine solche wegen Unterhaltsleistung nach. § 796 ABGB. bezeichnete, brachte die Klägerin vor, daß die Liegenschaft EZ. 575 Gb. A. die Hauptpost des Nachlasses gebildet habe und daß sie hinsichtlich ihres Unterhaltes nun im wesentlichen auf die Erträgnisse derselben angewiesen sei, welche aber bei weitem nicht für ihren anständigen Unterhalt ausreichten; seit über einem Jahrzehnt sei sie erwerbsbeschränkt, vor allem durch Pflege und Erziehung ihres Sohnes Christoph L., aber auch aus gesundheitlichen Gründen; das Bauunternehmen ihres verstorbenen Mannes habe nicht fortbetrieben werden können, weil sie dafür nicht die nötige Erfahrung gehabt habe und auch sonst kein Nachfolger vorhanden gewesen sei; es sei ihr, da sie nur eine Rente von 340 S 60 g monatlich und die Kinderbeihilfe für den mj. Christoph L. erhalte, keine andere Möglichkeit geblieben, als durch Führung eines Fremdenbeherbergungsbetriebs in der Sommersaison Einnahmen für sich und für die Erhaltung des Anwesens zu erzielen; dabei habe sie aber nur den Ertrag aus der Vermietung von zehn Betten zur Verfügung; während sie in früheren Jahren die jeweils notwendigen Reparaturen doch noch habe durchführen lassen können, sei dies in den letzten Jahren nicht mehr der Fall gewesen; denn mit zunehmendem Verfall der nur in ihrem Nutzungseigentum stehenden Gebäude erreichten ihre Einnahmen nicht mehr jene Höhe, die nötig wäre, um ihre persönlichen Bedürfnisse und die Kosten der notwendigen Instandhaltungsarbeiten zu decken; der Fremdenbeherbergungsbetrieb sei passiv geworden; sie habe auch Schulden eingehen müssen, welche sie nicht abdecken könne; da ihr verstorbener Gatte als Bauunternehmer ein reines Monatseinkommen von 10.000 S bis 15.000 S erzielt hätte, sie aber auch verpflichtet sei, die ihr als Nutzungseigentümerin anvertrauten Gebäude zu erhalten, stehe ihr als anständiger Unterhalt ein Betrag von mindestens 4000 S monatlich zu, den sie ungeachtet des Substitutionsbandes von den Beklagten gemäß § 796 ABGB. zu fordern berechtigt sei; er mangle ihr im Hinblick auf die trotz großem Fleiß entstandenen Schulden sowie auf ein Erfordernis von mindestens 100.000 S bis 150.000 S für Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten mindestens seit 1. Jänner 1959; um die Verzinsung und Amortisierung der schon entstandenen und in naher Zukunft unvermeidlich werdenden Schulden zu gewährleisten, sei ein gewisser Aufbau des Fremdenbeherbergungsbetriebes und die Herstellung der früheren Kapazität (20 Betten) nötig.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Ungeachtet der Hinweise der Klägerin darauf, daß ihre Einnahmen nicht dazu ausreichen, die in ihrem Nutzungseigentum stehenden Baulichkeiten sachgemäß zu erhalten, ist ausschließlicher Klagsgrund für die im vorliegenden Prozeß gestellten Begehren der Anspruch auf anständigen Unterhalt im Sinn des § 796 ABGB. Es handelt sich dabei um einen Anspruch auf gesetzlichen Unterhalt, weshalb die Revisionsausschlußnorm des § 502 (2) ZPO. und die vom Obersten Gerichtshof im Jud. 60 neu = SZ. XXVII 177 dazu aufgestellten Rechtssätze auch hier zu beachten sind (SZ. XXVIII 257).

Zu prüfen ist, soweit die Revision nach dem Rechtssatz I des Jud. 60 neu zulässig erscheint, zunächst jedenfalls, ob die Beklagten für das von der Klägerin gestellte Begehren überhaupt passiv legitimiert sind. Das Berufungsgericht hat nun die Klagsabweisung unter anderem auch deshalb bestätigt, weil es diese vom Erstrichter nicht berührte Frage verneinte. Es vertrat den Standpunkt, die Klage hätte gegen die Substitutionsmasse zu Handen eines Kurators gerichtet werden müssen, wie er bereits seinerzeit im Verlassenschaftsverfahren A 222/46 des Bezirksgerichtes A. (in der Person des Rechtsanwaltes Dr. E., des jetzigen Vertreters der Beklagten) bereits bestellt gewesen sei; es stehe ja derzeit noch gar nicht fest, wer bei Eintritt des Substitutionsfalles letzten Endes der Nachbedachte sein werde.

Die Klägerin macht demgegenüber geltend, ihr Begehren ziele ohnehin darauf ab, daß die Leistung nicht von den beiden Beklagten, sondern von der Substitutionsmasse erbracht werden müßte; da aber das Substitutionsband nicht zugunsten der Substitutionsmasse, sondern zugunsten der beiden Beklagten im Grundbuch eingetragen sei, müsse deren Einwilligung in eine Befriedigung der Ansprüche der Klägerin aus der Substitutionsmasse erwirkt werden, da ein auf den diesbezüglichen Exekutionstitel gestütztes Grundbuchgesuch sonst abgewiesen werden würde; im übrigen hätten die Beklagten das Fehlen

ihrer Passivlegitimation im Prozeß gar nicht eingewendet.

Dabei läßt die Klägerin aber außer acht, daß das Substitutionsband - wie dies ja auch Punkt 2 des Testamentes vom 5. Juli 1944 entsprach - nicht nur zugunsten der beiden Beklagten, sondern auch zugunsten ihrer Kinder eingetragen ist. Wer letzten Endes der Nachbedachte sein wird, läßt sich noch keinesfalls sagen, selbst wenn die derzeitigen Besitzverhältnisse bezüglich der Liegenschaft F.-dorf Nr. 2 dem Erstbeklagten einstweilen das Vorrecht gäben.

Dem Standpunkt des Berufungsgerichtes, die Klage wäre gegen die "Substitutionsmasse zu Handen eines Kurators" zu richten gewesen, liegt offensichtlich die unausgesprochene Auffassung zugrunde, die Klägerin müsse ihren Anspruch auf eine Weise geltend machen, die ihn im Fall seiner Berechtigung allen Anwartschaftsberechtigten gegenüber durchsetzbar mache.

Dem ist grundsätzlich beizupflichten, wobei aber noch zu bedenken ist, daß nicht nur die Erwirkung eines Urteils im gleichen Sinn gegen "die Kinder der Beklagten" für eine Durchsetzung des Anspruches der Klägerin unerläßlich ist, sondern begrifflich auch nur uno actu mit jener des Urteils gegen die Beklagten selbst erfolgen kann. Dazu kommt weiter, daß der Zweitbeklagte im Zeitpunkt des Anfalls des fideikommissarischen Legats noch andere Kinder als die jetzt lebenden haben könnte und daß schließlich auch dem Erstbeklagten - er hat bei der Tagsatzung vom 14. Mai 1962 angegeben, verheiratet und damals erst 45 Jahre alt gewesen zu sein - bis dahin Kinder geboren worden sein könnten.

Der Klägerin kann nun wohl aus den vor ihr ins Treffen geführten Gründen nicht verwehrt werden, die schon jetzt namentlich bekannten Personen aus dem Kreis der Anwartschaftsberechtigten persönlich zu belangen, insbesondere also die beiden Beklagten, die als solche auch namentlich im Grundbuch aufscheinen, unerläßlich ist aber, daß dabei der Substitutionskurator mitbelangt wird (vgl. dazu auch GlUNF. 932). Nur durch die Verteidigung des Substitutionsbandes als solches werden einerseits die Rechte sämtlicher Anwartschaftsberechtigten, auch der jetzt noch nicht bekannten, geschützt, anderseits wird durch die Mitbelangung des Substitutionskurators jene Rechtsverfolgungshandlung gesetzt, welche der Erkenntnis, über den Anspruch der Klägerin könne nur in einem gegen den gesamten Kreis aller Anwartschaftsberechtigten erwirkten Urteil uno actu abgesprochen werden, Rechnung trägt.

Es soll in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, daß die Klägerin seinerzeit den Prozeß 8 Cg ... /1954 des Kreisgerichtes Leoben, mit dem sie die Löschung des Substitutionsbandes im Grundbuch mit der Begründung erreichen wollte, Punkt 2 des Testamentes vom 5. Juli 1944 sei gar nicht wirksam, nur gegen die beiden Beklagten führte. Allerdings hatte sie die Klage ursprünglich auch gegen die Substitutionsmasse eingebracht, sie diesbezüglich aber vorbehaltlich der Wiedereinbringung zurückgezogen. Die Klage wurde damals aus anderen Gründen abgewiesen; insbesondere hat der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 1 Ob 979/1954 keine Veranlassung gefunden, die Frage der Passivlegitimation der Beklagten, nach dem sie letztlich allein belangt worden waren, zu prüfen. Das ist aber für die hier zu treffende Entscheidung nicht präjudiziell.

Aus diesen Erwägungen ist der Revision ein Erfolg zu versagen, ohne daß im einzelnen geprüft werden müßte, ob und inwieweit sie sonst noch im Sinn des Judikats 60 neu, zulässige Rügen enthält.

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