Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
B e g r ü n d u n g :
Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks 2041. Die Beklagte war Eigentümerin der benachbarten Grundstücke 2012/6 und 2012/8, die sie mit Übergabsvertrag vom 14. Mai 2008 je zur Hälfte an ihre Söhne übertrug; der Übergabsvertrag wurde am 4. August 2008 verbüchert.
Mit rechtskräftigem Urteil des Erstgerichts vom 20. Juli 2009, 3 C 452/08w-18, wurde die Beklagte - entsprechend dem Punkt a) des Klagebegehrens - schuldig erkannt, „die Ableitung des auf dem Weggrundstück 2012/6 … anfallenden Oberflächenwassers derart zu gestalten, dass dieses in den auf ihrem Grundstück 2012/8 … befindlichen Gully eingeleitet wird und nicht zum Grundstück 2041 … der klagenden Partei abfließt“.
Den Feststellungen in den Entscheidungsgründen des Urteils ist zu entnehmen, dass zwischen den Streitteilen bereits in der Vergangenheit Grundstreitigkeiten behingen und die Streitteile aus Anlass eines Gerichtsverfahrens am 6. Februar 2008 eine Vereinbarung schlossen, deren Punkt 4. lautete: „Das sich auf der Asphaltfahrbahn des Dienstbarkeitsweges auf Grundstück Nr. 2012/6 ansammelnde Oberflächenwasser wird so wie bisher in den Gully auf Grundstück Nr. 2012/8 abgeleitet werden und keinesfalls auf Grundstück Nr. 2041. ...“
Mit seiner am 28. Juli 2010 eingebrachten Klage begehrt der Kläger die Ergänzung des Titels vom 20. Juli 2009 durch Beifügung nachstehender Wortfolge:
„Der Asphaltbelag des Weges auf dem Gst 2012/6 … ist vom Vermessungspunkt … an bis zu dessen westlichen Ende auf der südlichen Seite derart verlaufend abzufräsen, dass dieser an der südlichen Weggrenze um 4 cm niedriger wird und an der nördlichen Grenze des Weges in gleicher Höhe verbleibt. Sodann ist der bestehende restliche Asphalt durch Abkehren zu reinigen. Das Kehrgut ist zu beseitigen. Die Asphaltfläche ist sodann mittels 0,20 kg/m Haftkleber vorzuspritzen. Danach ist Profilmischgut geeigneter Körnung zu liefern, einzubauen und zu verdichten sowie eine bituminöse Deckschicht der Körnung 0/11 mit Bitumen B70/100 (Sorte: AC11deck, 70/100, A1, G3) in 3 cm Stärke mittels Straßenfertiger einzubauen und mittels Vibrationswalze geeigneter Größe zu verdichten. Am oberen und unteren Ende der Wegstrecke ist zur Abdichtung der Fugen gegenüber dem Bestand ein TOK-Schmelzband 30/10 mm einzubauen. Weiters ist eine Auskehrlatte in Richtung des Gullys auf dem Gst 2012/8 einzubauen. Entlang des nördlichen Asphaltrandes ist ein sickerfähiges Schotterband von 0,5 Meter Breite mit Planiematerial 0/32 herzustellen und mit einer kleinen Walze abzuwalzen. Schließlich ist beim Einmündungstrichter des Zufahrtsweges zum Gst 2041 ein Asphaltwulst von 7-8 Metern Länge als Randbegrenzung zu errichten.“
Der Kläger brachte dazu vor, dass der ursprüngliche Titel für eine unmittelbare Exekutionsführung zu unbestimmt sei, weil die Maßnahmen, wie die geschuldete Oberflächenentwässerung herzustellen sei, nicht näher beschrieben würden; allerdings könne der Titel unter Heranziehung der zwischenzeitlich eingeholten Kostenvoranschläge zweier Fachfirmen bestimmt werden.
Die Beklagte wandte im Wesentlichen ein, dass der Titel exequierbar sei und keiner Ergänzung bedürfe. Die Beklagte sei allerdings nicht (mehr) Eigentümerin der betroffenen Liegenschaft, sodass eine Exekutionsführung gegen sie gar nicht möglich sei. Zudem fließe ohnedies kein Niederschlagswasser mehr auf das Grundstück des Klägers, weil eine natürliche Barriere geschaffen worden sei. Durch die nunmehr angestrebte Maßnahme werde der Gully überlastet, sodass es zu Überschwemmungen kommen würde.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Die Formulierung des Titels im Vorprozess sei nicht ausreichend bestimmt, weil nur ein von der Beklagten zu erreichender Erfolg umschrieben werde, nicht aber, welches Verhalten von der Beklagten zu setzen sei. Im Verfahren habe sich gezeigt, dass eine möglichst genaue Umschreibung der von der Beklagten geschuldeten Leistung möglich sei. Die titelmäßige Verpflichtung sei bislang nicht erfüllt worden, weil nach wie vor Wasser auf das Grundstück des Klägers fließe.
Über Berufung der Beklagten änderte das Berufungsgericht das Ersturteil im klagsabweisenden Sinn ab. Unabhängig von seiner Formulierung, die auch eine aktive Handlungsweise nenne, sei der Titel nicht nach § 353 EO, sondern als Immissionsunterlassung nach § 355 EO zu exekutieren. Entsprechend der ständigen Rechtsprechung bleibe es der Beklagten überlassen, auf welche Weise sie letztlich das geschuldete Erfolgsverbot - nämlich die Immission von Oberflächenwasser auf das Grundstück des Klägers - unterbinde. Angesichts des Umstands, dass der Exekutionstitel nach § 355 EO exekutierbar sei, bedürfe der Spruch des Urteils vom 20. Juli 2009 keiner Ergänzung.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und ließ die Revision nachträglich mit der Begründung zu, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob in einem Fall wie dem vorliegenden die urteilsmäßige Verpflichtung nach § 355 EO durchzusetzen sei, wenn auch eine bestimmte Handlung bewirkt werden solle.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Klägers ist mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
1. Die Frage, deretwegen die zweite Instanz die Revision zugelassen hat und die auch vom Kläger in seinem Rechtsmittel als erheblich bezeichnet wird, hängt insofern von der Auslegung des Exekutionstitels ab, als das von der Beklagten nach dem Titel geschuldete Verhalten festzustellen ist; nach diesem ersten Schritt kann beurteilt werden, ob (und nach welcher Norm) der Titel exequierbar ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bildet die Auslegung eines Exekutionstitels im Einzelfall - von hier nicht vorliegenden, im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilungen abgesehen - keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, gleiches gilt für die Frage, ob ein Exekutionstitel bestimmt genug ist (3 Ob 302/04i mwN).
2. Der Wortlaut der titelmäßigen Verpflichtung kann in zwei (inhaltlich aber zusammengehörige) Teile zerlegt werden: Die Beklagte ist schuldig,
- die Oberflächenwasserableitung so zu gestalten, dass dieses in einen Gully eingeleitet wird und
- dadurch Oberflächenwasser nicht auf das Grundstück des Klägers abfließt.
2.1. Die ständige Rechtsprechung unterstellt titelmäßige Verpflichtungen, die letztlich auf ein „Erfolgsverbot“ gerichtet sind, selbst dann, wenn vom Titelschuldner aktive Abhilfemaßnahmen gefordert werden, nicht der Exekution nach § 353 oder § 354 EO, sondern in weiter Auslegung des § 355 EO der Exekution zur Erwirkung von Duldungen und Unterlassungen (eingehend dazu, jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Rechtspechung, Klicka in Angst 2 § 355 EO Rz 4 - 4c und Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner § 355 EO Rz 2 - 4; kritisch Jelinek, Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Unterlassungen [1974] 40 ff). So hat der Oberste Gerichtshof in den (in Erkenntnisverfahren ergangenen) Entscheidungen 3 Ob 2413/96s (= RdU 1997/42, 90 [E. Wagner]) und 6 Ob 109/98t (RdU 1998/138, 200 [Kerschner]) Begehren als Unterlassungsbegehren qualifiziert, auch wenn der Beklagte jeweils verpflichtet werden sollte, „dafür Sorge zu tragen“, dass ein bestimmter Erfolg - nämlich die Vermeidung von Immissionen - erreicht werde.
Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 8 Ob 635/92 (= SZ 65/145 = JAP 1993/94, 30 [Kerschner]) ausführte, hat der Beklagte nur im Ergebnis die beeinträchtigenden Immissionen zu unterlassen; er hat aktive Verhinderungshandlungen gegen die Immission zu setzen, um den verpönten Erfolg zu verhindern; ein diese Verpflichtung enthaltender Exekutionstitel ist aber nach § 355 EO zu vollstrecken (1 Ob 17/78 = SZ 52/55; RIS-Justiz RS0004649 [T4]).
2.2. Nichts anderes gilt für den vorliegenden Fall, in dem das Erfolgsverbot (wonach das Oberflächenwasser nicht auf das Grundstück des Klägers abfließen soll) durch die Handlungsverpflichtung ergänzt wird, die Oberflächenwasserableitung so zu gestalten, dass dieses in einen Gully eingeleitet wird. Durch die letztgenannte (Teil-)Verpflichtung, die in das Erfolgsverbot mündet, wird die Verpflichtung - im Sinne der Rechtsprechung - nicht zu einer solchen, die nach § 353 EO zu vollstrecken ist, sondern bleibt als ganzes eine nach § 355 EO zu vollstreckende Unterlassungsverpflichtung.
2.3. Sieht man die titelmäßige Verpflichtung aber als Unterlassungsverpflichtung an, entspricht die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass sie ausreichend bestimmt ist (siehe etwa RIS-Justiz RS0000845) und dass die Wahl der konkreten Abhilfemaßnahme dem Schuldner überlassen bleiben muss (RIS-Justiz RS0004649 [T6]), der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Der Titel bedarf daher zu seiner Exequierbarkeit keiner Ergänzung.
2.4. Mit der angestrebten Stattgebung der Ergänzungsklage nach § 10 EO würde der in ständiger Rechtsprechung vertretene, zitierte Grundsatz, den es beim nachbarrechtlichen Untersagungsausspruch dem Verpflichteten überlassen bleibt, wie die Immissionen vermieden werden (RIS-Justiz RS0004649), ins Gegenteil verkehrt.
3. Der Oberste Gerichtshof übersieht nicht, dass in Einzelfällen eine Exekutionsführung nach § 355 EO mühsamer und weniger erfolgversprechend sein kann als eine Exekution nach § 353 EO, insbesondere im Auslandskontext. Dies bietet aber keinen Anlass für ein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung, dass nachbarrechtliche Verpflichtungen zur Vermeidung von Immissionen auch dann nach § 355 EO zu vollstrecken sind, wenn das Erfolgsverbot durch eine bestimmte Handlungspflicht determiniert wird.
4. Mangels erheblicher Rechtsfrage ist die Revision des Klägers zurückzuweisen.
5. Die beklagte Partei hat zwar in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, aber nicht wegen des Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage, sondern im Hinblick auf einen unrichtigen Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts. Gegen diesen bestehen allerdings keine Bedenken. Für die Rechtsmittelbeantwortung stehen ihr daher mangels zweckentsprechender Rechtsverteidigung keine Kosten zu (Fucik in Rechberger 3 § 41 ZPO Rz 5).
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