Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts in der Hauptsache und in der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.289,76 EUR (darin enthalten 714,96 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Während aufrechter Ehe des Klägers mit der ursprünglich Erstbeklagten (in der Folge immer: Mutter) wurde am 21. September 1990 die minderjährige Sarah geboren. Der Beklagte sowie die Mutter unterhielten eine sexuelle Beziehung, wobei sie, ohne die Absicht, dabei ein Kind zu zeugen, unverhütet Beischlaf übten. Weder während der Schwangerschaft der Mutter noch zum Zeitpunkt der Geburt verlor der Kläger Gedanken darüber, dass er nicht der leibliche Vater sein könne.
Die Ehe des Klägers wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 19. März 1998 gemäß § 55a EheG geschieden.
Im Jahr 2001 kamen dem Kläger infolge Äußerungen seiner nunmehrigen Ehefrau Zweifel über seine Vaterschaft. Er ließ einen Vaterschaftstest durchführen, nach dessen im August 2002 vorliegendem Ergebnis Sarah nicht seine leibliche Tochter sein konnte.
Das Bezirksgericht Innsbruck stellte im Ehelichkeitsbestreitungsverfahren mit Urteil vom 20. März 2003 fest, dass die minderjährige Sarah kein eheliches Kind des Klägers ist. Anlässlich der dort durchgeführten gerichtsmedizinischen Untersuchung erfuhr der Kläger von der Mutter erstmals den Namen des Beklagten als leiblichen Vater.
Der Beklagte anerkannte mit Wirksamkeit vom 18. November 2003 die Vaterschaft vor dem Stadtjugendamt Salzburg. Das Anerkenntnis wurde am 10. Dezember 2003 in das Geburtenbuch eingetragen.
Im Zuge eigener Recherchen beim Standesamt erhielt der Kläger am 30. März 2004 eine Abschrift aus dem Geburtenbuch, aus welcher die Vaterschaft des Beklagten hervorgeht.
Mit der am 16. Jänner 2007 eingebrachten Klage begehrt der Kläger in der Folge näher aufgeschlüsselte 28.678,10 EUR samt gestaffelten Zinsen für an Sarah bis August 2002 erbrachte Unterhaltsleistungen (ausgedehntes Zinsenbegehren S 2 ff in ON 15). In der Klage bezog er sich darauf, dass die Mutter ihn während aufrechter Ehe im Glauben gelassen habe, die Minderjährige sei seine Tochter. Erst aufgrund des Urteils im Ehelichkeitsbestreitungsverfahren stehe fest, dass er nicht der Vater sei. Am 30. März 2004 habe er erfahren, dass der Beklagte der leibliche Vater sei. Die Mutter habe den Kläger darüber nicht aufgeklärt. Daher habe er Unterhaltsleistungen erbracht, die in Wahrheit die Mutter und der Beklagte als leiblicher Vater zu leisten gehabt hätten. Von der Minderjährigen seien keine Zahlungen zu erwarten, weil sie die Unterhaltsleistungen des Klägers verbraucht habe.
In der Folge erklärte der Kläger sein Klagebegehren nicht nur auf einen Bereicherungsanspruch, sondern auch auf Schadenersatz zu gründen. Zum Zeitpunkt der Zeugung sei Ehebruch gemäß § 194 StGB strafbar gewesen. Der Beklagte habe bei Eingehen der geschlechtlichen Beziehung mit der Mutter mit dem Eintritt einer Schwangerschaft rechnen müssen. Damit habe er sich abgefunden. Wäre das schädigende Verhalten unterlassen worden, wäre die Minderjährige nicht geboren worden. Der Kläger hätte die Unterhaltszahlungen im Zeitraum September 1990 bis August 2002 nicht leisten müssen. Der aus dem rechtswidrigen Verhalten des Beklagten resultierende Vermögensschaden sei daher zu ersetzen.
Der Beklagte bestritt ausdrücklich die Höhe des Klagebegehrens und brachte vor, die Geburt eines Kindes stelle keinen Schaden dar. Der Intimbereich zweier volljähriger Partner unterliege nicht dem Deliktsrecht. Die vom Kläger reklamierte eheliche Treue stelle eine Pflicht rein persönlicher Art dar. Ein Verstoß gegen die Treupflicht könne als Ehebruch in einem Ehescheidungsverfahren gerichtlich geltend gemacht werden, könne aber von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen nicht zu Schadenersatzansprüchen führen. Jedenfalls treffe den Beklagen, der bei Eingehen der Beziehung von der Möglichkeit ausgegangen sei, dass die Mutter bereits getrennt lebe bzw geschieden sei, kein Verschulden an der Zeugung, die er nicht habe verhindern können. Er habe auch keine Kenntnis von der Vaterschaft gehabt. Ihm könne nicht unterstellt werden, dem Kläger auch nur bloß fahrlässig Unterhaltsleistungen aufgebürdet zu haben. Im Übrigen wendete der Beklagte sowohl hinsichtlich des geltend gemachten Bereicherungsanspruchs als auch bezüglich des Schadenersatzbegehrens (ON 24) Verjährung ein.
Nach rechtskräftiger Abweisung des gegen die ursprünglich erstbeklagte Mutter erhobenen Begehrens wies das Erstgericht das Klagebegehren auch gegenüber dem Beklagten ab.
Es erachtete den vom Kläger geltend gemachten Bereicherungsanspruch für verjährt. Das auf Schadenersatz gegründete Begehren sei abzuweisen, weil der Vollzug des Beischlafs mit einer verheirateten Frau kein rechtswidriges Verhalten darstelle.
Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Kläger erhobenen Berufung Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht. Das Berufungsgericht erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig.
Das Berufungsgericht traf nach einer Beweisergänzung folgende weitere Feststellungen:
Der Beklagte lernte die Mutter über seinen Bekanntenkreis kennen. Es entstand eine kurze Beziehung, bei welcher sich der Beklagte nicht im Klaren war, ob die Mutter zum damaligen Zeitpunkt noch verheiratet oder schon geschieden war. Dies wurde zwischen dem Beklagten und der Mutter nicht thematisiert. Der Beklagte hielt es für möglich, dass er mit einer verheirateten Frau den Beischlaf vollzieht und fand sich mit dieser Möglichkeit ab.
Rechtlich vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, dass der Ehebruch rechtswidrig gewesen sei. Auch der Kausalzusammenhang zwischen dem Ehebruch einerseits und dem im Vermögen des Klägers eingetretenen Schaden andererseits stehe außer Zweifel. Ausgehend von der ergänzend getroffenen Feststellung, dass dem Beklagten zumindest die Möglichkeit bewusst gewesen sei, dass die Mutter noch verheiratet war, sei auch ein Verschulden des Beklagten zu bejahen. Es bedürfe daher ergänzender Feststellungen dazu, welche Unterhaltsleistungen der Kläger tatsächlich erbracht habe.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts erhobene „Revisionsrekurs" des Beklagten (richtig: Rekurs) ist zulässig und berechtigt.
Der Kläger beteiligte sich am Rekursverfahren nicht.
I. Die - hier tatsächlich vorliegende - unrichtige Wiedergabe des Parteivorbringens des Beklagten (zur Verjährung) stellt keine Aktenwidrigkeit dar (RIS-Justiz RS0041814), sondern ist im Rahmen der Behandlung der Rechtsrüge des Beklagten aufzugreifen (RIS-Justiz RS0041814 [T8], Kodek in Rechberger, ZPO³ § 503 Rz 18).
II. Zur behaupteten Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens:
1. Die vom Berufungsgericht ergänzend getroffenen Feststellungen können beim Obersten Gerichtshof nicht bekämpft werden (RIS-Justiz RS0069246 [T3]).
2. Richtig ist, dass der in erster Instanz siegreiche Beklagte in seiner Berufungsbeantwortung die Feststellung bekämpfte, dass der Beklagte und die Mutter auf Verhütungsmaßnahmen verzichteten. Allerdings bildet die Nichtbehandlung dieser Beweisrüge durch das Berufungsgericht schon deshalb keinen relevanten Verfahrensmangel des Berufungsverfahrens, weil das Klagebegehren auch unter Zugrundelegung der bekämpften Feststellung - wie aufzuzeigen ist - abzuweisen ist.
III. Wird der Klageanspruch auf mehrere selbständige rechtserzeugende Tatsachen gestützt und beziehen sich die Ausführungen einer Berufung nur auf einzelne dieser Tatsachen, nicht aber auch auf die anderen, so ist der Umfang der durch eine gesetzmäßige Rechtsrüge veranlassten Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die noch geltend gemachten Umstände zu beschränken (1 Ob 14/01t; RIS-Justiz RS0043573 [T40]). Im hier zu beurteilenden Fall hat das Erstgericht das auf Bereicherung gestützte Klagebegehren mit der Begründung abgewiesen, dass allfällige Bereicherungsansprüche des Klägers verjährt seien. In seiner Berufung kam der Kläger auf den zunächst geltend gemachten Bereicherungsanspruch nicht mehr zurück und erstattete nur noch Ausführungen zu dem auf Schadenersatz gestützten Begehren. Zutreffend hat daher bereits das Berufungsgericht den Bereicherungsanspruch keiner Prüfung mehr unterzogen.
IV. Dem Rekurswerber ist beizupflichten, dass er in seinem am 14. Februar 2008 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz (ON 24) auch dem Schadenersatzbegehren des Klägers ausdrücklich einen Verjährungseinwand entgegensetzte. Dieser Verjährungseinwand, mit dem sich das Berufungsgericht ausgehend von seiner unrichtigen Rechtsansicht, er sei nicht erhoben worden, nicht befasste, ist berechtigt:
1. Gemäß § 1489 1. Satz ABGB (die lange Verjährungsfrist des § 1489 2. Satz ABGB kommt hier auch unter Zugrundelegung, dass Ehebruch zum maßgeblichen Zeitpunkt noch gerichtlich strafbar war, im Hinblick auf die Strafdrohung nicht zur Anwendung) verjähren Schadenersatzansprüche in drei Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem der Geschädigte den Schaden und den Ersatzpflichtigen soweit kennt, dass er eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erheben kann (stRsp; RIS-Justiz RS0034374; M. Bydlinski in Rummel, ABGB³ § 1489 Rz 3; Dehn in KBB² § 1489 Rz 3 je mwN). Der entscheidende Sachverhalt muss dem Geschädigten zwar nicht in allen Einzelheiten, aber soweit bekannt sein, dass er in der Lage ist, das zur Begründung seines Ersatzanspruchs erforderliche Sachvorbringen zu erstatten. Dazu gehört bei geltend gemachter Verschuldenshaftung auch die Kenntnis des Geschädigten von jenen Umständen, aus denen das Verschulden des Schädigers hervorgeht (RIS-Justiz RS0034322 [T1]; 1 Ob 13/04z mwN). Kann der Geschädigte die für die erfolgsversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen, gilt die Kenntnisnahme schon als in dem Zeitpunkt erlangt, in welchem sie ihm bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre. Abzustellen ist auf die Umstände des konkreten Falls, wobei die Erkundigungspflicht des Geschädigten nicht überspannt werden darf (RIS-Justiz RS0034327; M. Bydlinski aaO § 1489 Rz 3 mwN).
2. Kenntnis des „Schadenseintritts" bestand ab August 2002 (Ergebnis des vom Kläger durchgeführten Vaterschaftstests). Den Namen des Beklagten - der die Vaterschaft am 18. November 2003 anerkannte - erfuhr der Kläger von der Mutter anlässlich der gerichtsmedizinischen Untersuchung im Ehelichkeitsbestreitungsverfahren, also jedenfalls vor Urteilsfällung in diesem Verfahren (20. März 2003). Die Klage brachte der Kläger am 16. Jänner 2007 ein.
3. Unter Zugrundelegung der zu IV.1. dargelegten Grundsätze ist der vom Kläger geltend gemachte Schadenersatzanspruch verjährt: Zumindest vier Jahre vor Klageeinbringung erfuhr er von der Mutter den Namen des Beklagten. Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausgehen wollte, dass der Verjährungsbeginn nicht bereits mit bloßer Bekanntgabe des Namens des wahren Vaters ausgelöst wurde, sondern dem Kläger eine angemessene Frist zuzubilligen war, in welcher er sich - durch Rücksprache mit dem Beklagten - Gewissheit über die Richtigkeit der Angaben der Mutter verschaffen konnte, ist für ihn nichts gewonnen: Wie der chronologische Ablauf zeigt, anerkannte der Beklagte seiner Vaterschaft im November 2003. Hätte sich der Kläger nach Bekanntgabe des Namens des wahren Vaters beim Beklagten erkundigt, hätte er wohl spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem der Beklagte die Vaterschaft anerkannte, auch die notwendige Gewissheit für eine erfolgreiche Klageerhebung gewonnen. Jedenfalls ab dem Zeitpunkt des Anerkenntnisses - dessen mangelnde Erkundung dem Kläger im Sinne der zu IV.1. dargelegten Grundsätze anzulasten ist - trat Beginn des Laufes der Verjährungsfrist ein. Davon ausgehend wurde die erst drei Jahre und knapp zwei Monate später eingebrachte Klage außerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist erhoben.
V. Einer näheren Auseinandersetzung damit, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen, der wahre außereheliche Vater für den „Unterhaltsschaden" des vermeintlichen ehelichen Vaters nach den Grundsätzen des Schadenersatzrechts zur Haftung herangezogen werden kann, bedarf es daher nicht.
Dem Rekurs war aus diesen Gründen Folge zu geben, der Beschluss des Berufungsgerichts aufzuheben und in der Sache selbst dahin zu erkennen, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
VI. Daraus resultiert aber auch die Notwendigkeit, sich mit dem vom Kläger im Berufungsverfahren erhobenen Kostenrekurs auseinanderzusetzen. Die Kostenrüge ist jedoch nicht berechtigt:
Darin steht der Kläger auf dem Standpunkt, dass es der „ständigen Rechtsprechung" entspreche, dass einer von zwei Beklagten bei einem abweisenden Teilurteil Anspruch auf Ersatz der gesamten diese Partei betreffenden Kosten, allerdings ohne Streitgenossenzuschlag, habe. Der Ersatzanspruch sei daher nicht auf die Hälfte der Kosten beschränkt. Werde dann mit Endurteil auch gegenüber der anderen beklagten Partei das Klagebegehren abgewiesen, dann habe die zweite Partei (hier: der Beklagte nach rechtskräftiger Klageabweisung gegenüber der ursprünglich erstbeklagten Mutter) nur noch Anspruch auf Ersatz des diesen Verfahrensabschnitt betreffenden Streitgenossenzuschlags. Das Gericht dürfe also nur noch über den Streitgenossenzuschlag entscheiden.
Dem ist entgegen zu halten, dass beide Beklagte gemeinsam durch denselben Rechtsanwalt vertreten wurden. Bei dieser Konstellation ist davon auszugehen, dass der betroffene Rechtsanwalt nach Kopfteilen entlohnt wird. Die einzelnen Streitgenossen können daher nur anteilig Kosten verlangen (Fucik in Rechberger, ZPO³, § 46 Rz 2 und § 41 Rz 7 mwN). Strittig ist in der Rechtsprechung lediglich, wie bei unterschiedlichem Prozesserfolg zweier von demselben Rechtsanwalt vertretenen Streitgenossen zu verfahren ist (Nachweise bei Fucik aaO § 41 Rz 7; s RIS-Justiz RS0090822 einerseits und RIS-Justiz RS0035937 andererseits). Dieser Fall liegt aber hier nicht vor. Zutreffend ist daher das Erstgericht in der den Beklagten betreffenden Kostenentscheidung in seinem Endurteil davon ausgegangen, dass bis zur Fällung des Teilurteils gegen die ursprünglich erstbeklagte Mutter der Beklagte iSd § 46 ZPO die Hälfte seiner Vertretungskosten ersetzt erhält; ab dem zweiten Verfahrensabschnitt erhält der Beklagte vollen Kostenersatz, allerdings ohne Streitgenossenzuschlag.
In seinem Kostenrekurs beanstandet der Kläger im Übrigen, dass zwei Vertagungsanträge des Beklagten nach TP 1 des RATG honoriert wurden, obwohl die Ursache der Vertagung „in der Sphäre des Beklagten" gelegen sei. Allerdings dienten die vom Beklagten gestellten Vertagungsanträge der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung. Ihnen wurde auch stattgegeben. Mit Ausnahme verschuldet verursachter Kosten (§ 48 Abs 1 ZPO) gilt für den Kostenersatz das Prinzip der Erfolgshaftung.
Es war daher das Ersturteil auch in seiner Kostenentscheidung wiederherzustellen. Gesonderte Kosten für die Kostenrekursbeantwortung stehen dem Beklagten nicht zu (RIS-Justiz RS0119892 [T4]; 2 Ob 135/07b).
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens über den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)