European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0030OB00030.19M.0626.000
Spruch:
I. Der „außerordentliche“ Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
I.
Nachdem die Rechtsanwaltskammer (RAK) Wien über Ersuchen des Erstgerichts einen auf Vergabeverfahren spezialisierten Rechtsanwalt namhaft gemacht hatte, lehnte die Klägerin diesen als befangen ab.
Mit Beschluss vom 11. Mai 2017 (ON 65) verwarf das Erstgericht diesen Ablehnungsantrag und bestellte in weiterer Folge diesen Rechtsanwalt zum Sachverständigen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin gegen die Antragsabweisung, der ua geltend machte, das Erstgericht habe über ihren „Antrag auf prozessleitende Verfügung“, nicht die RAK Wien, sondern die RAK in Vorarlberg oder Tirol „mit der Gutachtenserstattung zu beauftragen“, nicht entschieden, nicht Folge und sprach aus, dass der Revisionsrekurs nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig sei.
Dagegen richtet sich der „außerordentliche“ Revisionsrekurs der Klägerin, die sich ua darauf beruft, ein Fall des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO liege nicht vor, weil das Rekursgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, das Erstgericht habe über ihren Antrag im abweisenden Sinn abgesprochen, indem es die RAK Wien um die Namhaftmachung eines geeigneten Rechtsanwalts ersucht habe.
Wegen der Bestätigung des erstgerichtlichen Beschlusses ON 65 durch das Rekursgericht liegen die Voraussetzungen des Rechtsmittelausschlusses des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO vor. Daher kann eine inhaltliche Prüfung der Rekursentscheidung nicht vorgenommen werden.
Der „außerordentliche“ Revisionsrekurs ist als absolut unzulässig zurückzuweisen.
II.
Den Gegenstand des Prozesses bilden Schadenersatzforderungen der Klägerin, die sie gegen die Beklagte wegen von dieser zu verantwortender Vergaberechtswidrigkeiten erhebt.
Mit dem Ersturteil wurden der Klägerin für das Vergabeverfahren 2010 an Rechtsanwaltshonorar (= Vertretungskosten) 8.596 EUR zugesprochen und 88.500 EUR abgewiesen. Für das Vergabeverfahren 2013 war die Klage mit 36.885 EUR an Vertretungskosten erfolgreich, 26.353,94 EUR verfielen hingegen der Abweisung.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und ließ die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.
Dagegen richtet sich (nur) die außerordentliche Revision der Klägerin, die keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt und deshalb als nicht zulässig zurückzuweisen ist. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO).
II.1. Die von der Klägerin gerügten Mängel des Berufungsverfahrens wurden geprüft, liegen aber nicht vor und/oder sind nicht relevant. Gesondert zu erwähnen ist an dieser Stelle nur, dass die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin habe die Feststellungen des Erstgerichts zum „objektiv angemessenen Zeitaufwand“ nicht gesetzmäßig bekämpft, keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung begründet.
II.2. Die Klägerin begehrt den Ersatz jenes Rechtsanwaltshonorars, das sie dem von ihr bevollmächtigten und beauftragten Rechtsanwalt für dessen Leistungen in den beiden rechtswidrig geführten Vergabeverfahren bezahlte, um die Möglichkeit der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren zu erreichen. Sie beruft sich daher inhaltlich auf einen sogenannten „Rettungsaufwand“, der auch außerhalb des Amtshaftungsrechts (8 Ob 6/09d) positiver Schaden ist und in Verfahrenskosten bestehen (RS0023516) aber nach schadenersatzrechtlichen Gesichtspunkten nur Kosten für unvermeidbare Verfahrenshandlungen umfassen kann (RS0023516 [T2]). Ein solcher Rettungsaufwand ist nur zu ersetzen, wenn er zweckmäßig und angemessen war (1 Ob 231/16a = RS0023516 [T5] = RS0106806 [T2]). Auch für Anwaltskosten kann der Schädiger daher grundsätzlich verlangen, dass er Ersatz (nur) in angemessener Höhe leisten muss (1 Ob 231/16a = RS0022802 [T4] = RS0027043 [T13]).
II.3. Die vom Berufungsgericht gebilligte Rechtsansicht des Erstgerichts, der als Teil des vereinbarten stundenabhängigen Zeithonorars verrechnete, hier allein strittige Zeitaufwand unterliege einer nachträglichen Angemessenheitskontrolle, weshalb – jedenfalls über den hier erfolgten Einwand des ersatzpflichtigen Beklagten – eine solche Prüfung im Ersatzprozess vorzunehmen sei, erweist sich damit als jedenfalls vertretbar. Die von der Judikatur geforderte Beschränkung des Ersatzes auf den unvermeidbaren, zweckmäßigen und angemessenen Aufwand steht der konkreten Schadensberechnung, die sich am Aufwand der Klägerin orientiert, nicht entgegen (vgl 6 Ob 70/05w = RS0030115 [T6]).
II.4. Die Berücksichtigung dieser Rechtslage durch den Sachverständigen steht dem Vorwurf der Klägerin, die von diesem gewählte Methode sei generell ungeeignet, entgegen. Damit fehlt auch dem weiteren Vorwurf, der Sachverständige habe sich nicht an den konkret geltend gemachten Stundenaufzeichnungen orientiert, sondern die erbrachten Leistungen den von ihm genannten Verfahrenshandlungen pauschal zugeordnet, die Grundlage. Daher unterliegt das von den Tatsacheninstanzen gebilligte Ergebnis des Gutachtens (nämlich deren Feststellungen zum „objektiv angemessenen Zeitaufwand“) keiner Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof (RS0118604, vgl auch RS0043122, RS0109006, RS0043404 [T1, T5]).
II.5. Die Ermittlung des angemessenen Honorars (und demgemäß des angemessenen Zeitaufwands als Teil davon) ist eine Rechtsfrage, für die das Sachverständigengutachten durch Ermittlung des üblichen Zeitaufwands nur eine Grundlage in tatsächlicher Hinsicht bieten soll (vgl RS0111105). Wenn das Berufungsgericht im Lichte dieser Rechtslage die diesbezüglichen erstgerichtlichen Feststellungen dahin interpretierte, dass die darin enthaltenen Aussagen zur Angemessenheit von Stundensätzen und aufgewendeten Stunden als Beurteilung der Üblichkeit einzustufen sind, stellt dies ein vertretbares Auslegungsergebnis dar.
Es geht dabei nicht – wie die Klägerin meint – um die Ermittlung „üblichen Schadenersatzes“, sondern darum, dass die Beklagte der Klägerin das am Üblichen orientierte angemessene Rechtsanwaltshonorar im Rahmen des Schadenersatzes zu bezahlen hat.
II.6. Zum Begehren auf Ersatz jenes Schadens von 50.000 EUR, der der Klägerin dadurch entstanden sein soll, dass ihr die Chance auf eine Teilnahme am Vergabeverfahren 2010 genommen worden sei, erstattete die Klägerin kein Beweisanbot, obwohl sie von der Beklagten ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, sodass sich schon deshalb eine Erörterung erübrigte (RS0122365).
Hier handelt es sich um keinen verbesserungsfähigen Mangel; vielmehr hat nach mündlicher Streitverhandlung eine Sachentscheidung gefällt zu werden, die aufgrund der Beweislastregeln im Normalfall ein abweisendes Urteil sein wird (Geroldinger in Fasching/Konecny³ § 226 ZPO Rz 214).
Da die Klägerin die Behauptungs- und Beweislast für den Eintritt des Schadens trifft (RS0022759), musste dieser Teil des Klagebegehrens schon aus dem dargelegten Grund abgewiesen werden.
II.7. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)