OGH 3Ob279/08p

OGH3Ob279/08p21.1.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Hans B*****, 2) Christine M***** und 3) Kurt M*****, alle vertreten durch Dr. Friedrich Krall, Rechtsanwalt in Kufstein, gegen die beklagten Parteien 1) Jan G***** V*****, und 2) Anna von T*****, beide vertreten durch Dr. Georg Huber, Rechtsanwalt in Kufstein, wegen Entfernung und Unterlassung (Streitwert 75.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 28. Oktober 2008, GZ 1 R 222/08v-14, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 27. Mai 2008, GZ 15 Cg 11/08g-9, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Kläger begehren als Eigentümer je einer von drei Liegenschaften (Dienstbarkeitsberechtigte) von den Beklagten als Hälfteeigentümern der belasteten Liegenschaft einerseits die Entfernung von Aufschüttungen und andererseits die Unterlassung jeder zusätzlichen Verbauung der belasteten Liegenschaft. Dem Begehren liegt ein (einheitlicher) mit der Voreigentümerin des nunmehr im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstücks abgeschlossener Dienstbarkeitsvertrag (Dienstbarkeit der Aussicht) zu Grunde.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren (mit Präzisierung der Aufschüttungen in Richtung Steinschlichtung) statt. Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand (pauschal) mit über 20.000 EUR. Das Verbot zusätzlicher Verbauung umfasse auch die Geländeanhebung samt Steinschlichtung, die die Aussicht von den herrschenden Grundstücken auf das Tal „zumindest geringfügig einschränke". Die Vertragsteile hätten ein weitreichendes, alle möglichen Baumaßnahmen umfassendes Bauverbot gewollt. Das Entgelt für die Dienstbarkeit habe dem Kaufpreis für das Grundstück (Grundstücksteil, der frei bleiben sollte) entsprochen, was die Auslegung stütze, dass auch die bloße Geländeanhebung samt Steinschlichtung dem Bauverbot unterfalle.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagten machen als erhebliche Rechtsfragen geltend, das Berufungsgericht habe eine ungenügende, widersprüchliche und mit den Grundsätzen der Rechtsprechung zum Dienstbarkeitsrecht unvereinbare Auslegung des Servitutsvertrags vorgenommen und überdies gegen § 405 ZPO verstoßen, weil die Entfernung der Steinschlichtung nicht von der Klage umfasst gewesen sei.

Soweit im Rahmen der Kritik der rechtlichen Beurteilung in Wahrheit erneut von der zweiten Instanz verneinte Verfahrensmängel gerügt werden (Unterlassung der Beweisaufnahme durch Lokalaugenschein, Einholung eines Gutachtens und Zeugeneinvernahme), ist auf die ständige Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0042963) zu verweisen. Ein Verstoß gegen § 405 ZPO wäre als Mangelhaftigkeit des Verfahrens zu rügen gewesen (RIS-Justiz RS0041240, RS0041117, RS0041089). Die (erstmalige) Geltendmachung in der Revision ist unzulässig (RIS-Justiz RS0043111, RS0041117 [T1], RS0041240 [T8]).

Überdies ist die Steinschlichtung vom Klagebegehren (Aufschüttungen entfernen) umfasst, weil eine gewisse allgemeine Fassung des Unterlassungsbegehrens zulässig ist (RIS-Justiz RS0037607 uva). Auch in Ansehung der von den Beklagten bemängelten Unbestimmtheit des Begehrens liegt keine über eine außerordentliche Revision aufzugreifende Fehlbeurteilung der Vorinstanzen vor (vgl zur Einzelfallbezogenheit RIS-Justiz RS0037671; RS0037874 [T33] = 4 Ob 86/07m uva).

Das Ausmaß der Dienstbarkeit richtet sich nach dem Inhalt des Titels, insbesondere dem Zweck der Dienstbarkeit (RIS-Justiz RS0011720). Die Auslegung des Umfangs ist eine Frage des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0011720 [T7 und T17]; allgemein zur Vertragsauslegung: RIS-Justiz RS0042936 uva). Bei der Beurteilung, ob eine Verletzung des Dienstbarkeitsrechts vorliegt, sind die widerstreitenden Interessen des Berechtigten und des Verpflichteten in ein billiges Verhältnis zu setzen (RIS-Justiz RS0011740; RS0011733). Diese Interessenabwägung ist aber eine Frage des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0011733 [T11]; RS0044201 [T8]). Auch bei einer nur geringfügigen, aber dauerhaften Störung des Servitutsrechts ist nach der Rechtsprechung die Klage des Servitutsberechtigten berechtigt (RIS-Justiz RS0037140).

Aus den dargelegten Gründen liegt eine aufzugreifende Fehlbeurteilung angesichts des festgestellten hohen Preises, der für die Einräumung der Dienstbarkeit bezahlt wurde, und der Feststellung des Vertragswillens („weitreichendes, alle möglichen Baumaßnahmen umfassendes Bauverbot") nicht vor.

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