OGH 3Ob269/04m

OGH3Ob269/04m22.12.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helmut B*****, vertreten durch DI Dr. Peter Benda, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Elfriede B*****, vertreten durch Dr. Peter Schaden und Mag. Werner Thurner, Rechtsanwälte in Graz, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 28. Juni 2004, GZ 4 R 154/04b-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 21. Jänner 2004, GZ 12 C 6/3g-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger verpflichtete sich mit Vergleich vom 4. März 1981 aus Anlass der Scheidung der Ehe der Streitteile, an die Beklagte einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 4.000 S = 290,69 EUR zu bezahlen, beginnend mit 1. April 1981.

Das Erstgericht bewilligte der Beklagten über ihren Antrag zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstands von 290,69 EUR für den Monat August 2003 sowie zur Hereinbringung des laufenden Unterhalts ab 1. September 2003 wider den Kläger Fahrnis- und Forderungsexekution nach § 294a EO.

Es ist auszuschließen, dass die Beklagte dem Kläger nach Abschluss des Scheidungsvergleichs erklärte, die Unterhaltsvereinbarung sei bloß pro forma geschlossen und sie verzichte auf Unterhalt. Von 1981 bis 2003 erbrachte der Kläger keine Unterhaltsleistungen an die Beklagte, sie forderte solche aber auch nicht. Der Kläger erhält monatliche Pensionsleistungen von 866 EUR, die Beklagte von 1.200 EUR.

Im November 2003 erhob der Kläger Einwendungen gemäß § 35 EO und begehrte die Unzulässigerklärung sowie Einstellung der gegen ihn geführten Unterhaltsexekution mit dem Vorbringen, der Unterhaltsanspruch der Beklagten sei erloschen, weil sie nach dem Scheidungstermin ausdrücklich auf Unterhalt für sich verzichtet habe; sie habe seit Vergleichsabschluss 1981 bis zur nunmehrigen Exekutionsführung im Jahr 2003 auch niemals Unterhalt begehrt.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 13. Jänner 2004 (ON 5 AS 37) brachte der Kläger ergänzend vor, dass der Unterhaltsanspruch der Beklagten auch infolge ihres Eigeneinkommens (Pension) in etwa doppelter Höhe als jenes des Klägers erloschen sei.

Die Beklagte wendete ein, weder ausdrücklich noch schlüssig jemals auf Unterhalt verzichtet zu haben. Das Vorbringen des Klägers zur Höhe ihres und seines eigenen Einkommens verstoße gegen die Eventualmaxime.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, weder eine bloße "pro forma" geschlossene Unterhaltsvereinbarung noch ein Unterhaltsverzicht der Beklagten seien erweislich. Auf das erst in der Tagsatzung erstattete (ergänzende) Vorbringen des Klägers zur Höhe der Einkommen der Streitteile sei auf Grund der im Oppositionsverfahren herrschenden und von Amts wegen wahrzunehmenden Eventualmaxime nicht einzugehen. Der Kläger habe im Verfahren erster Instanz nicht dargetan, dass ihm die Höhe seiner eigenen Pension oder die der Beklagten zur Zeit der Klageerhebung nicht bekannt gewesen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels Rsp des Obersten Gerichtshofs zur allfälligen Konventionswidrigkeit (Art 6 EMRK) der Bestimmungen über die Eventualmaxime zulässig sei. Da der Kläger bereits in dem mit seiner Oppositionsklage verbundenen Aufschiebungsantrag ausgeführt habe, die Beklagte verfüge über eigenes Einkommen, wäre es ihm zumutbar gewesen, seinen Einwand zur Höhe des Einkommens der Beklagten bereits in der Oppositionsklage geltend zu machen. Die Unterlassung der Einwendung, der exekutiv betriebene Unterhaltsanspruch sei auch wegen des Eigeneinkommens der Beklagten erloschen, verstoße gegen die Eventualmaxime im Oppositionsverfahren. Dieser Grundsatz verstoße nicht gegen das Prinzip der gebotenen Waffengleichheit als Bestandteil des Fairnessgebots des Art 6 Abs 1 EMRK. Die Eventualmaxime sei dahin auszulegen, dass sie nicht nur für den Verpflichteten, sondern auch für den Betreibenden gelte. In diesem Sinne verstoße sie nicht gegen den Grundsatz, beiden Parteien müsse gleichermaßen die Möglichkeit zustehen, alles erhebliche vorzubringen und alle dazu dienlichen prozessualen Angriffs- und Verteidigungsmittel selbständig geltend zu machen.

Die Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

a) Nach § 35 Abs 3 EO herrscht im Oppositionsverfahren die Eventualmaxime. Danach muss der Verpflichtete alle ihm zur Zeit der Klageerhebung bekannten Einwendungen bei sonstigem Ausschluss bereits in der Klage vorbringen Jakusch in Angst, EO, § 35 Rz 85). Der Zweck der Eventualmaxime liegt in der Prozessökonomie: Es soll dem Verpflichteten verwehrt sein, durch sukzessives Vorbringen im Prozess die Befriedigung des betriebenen Anspruchs (insb wenn die Exekution aus Anlass der Oppositionsklage aufgeschoben wurde) zu verschleppen. Schon aus diesem Zweck, aber auch aus der Wortwahl des Gesetzes, das auf das "im-Stande-sein" des Verpflichteten abstellt, lässt sich zwingend ableiten, dass es für die Prüfung, ob ein Vorbringen gegen die Eventualmaxime verstößt, allein auf die Kenntnis des Verpflichteten von den maßgebenden Tatsachen ankommt (Jakusch aaO Rz 86 mwN; RIS-Justiz RS0001285). Nicht nur nova producta, sondern nova reperta können also ohne Verstoß gegen die Eventualmaxime vorgebracht werden (Jakusch aaO; Dullinger in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 35 Rz 82, je mwN).

Die Beurteilung der Frage, ob das Vorbringen des Klägers, die Exekutionsführung der Beklagten sei auch wegen ihres im Vergleich zum Kläger wesentlich höheren Einkommens, weshalb sie keinen Unterhaltsanspruch mehr habe, erloschen, welches er nicht schon in der Klage, sondern erst im Laufe des weiteren Oppositionsverfahrens (Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung) vorbrachte, gegen die Eventualmaxime verstößt, lässt sich nur dann abschließend beurteilen, wenn der Kenntnisstand des Klägers (oder des ihm zuzurechnenden Klagevertreters) zum Zeitpunkt der Klageerhebung feststeht. Hiezu reicht der vom Berufungsgericht aus dem Vorbringen des Klägers zu seinem mit der Oppositionsklage verbundenen Aufschiebungsantrag gezogene Schluss, der Kläger habe offenbar vom Pensionseinkommen der Beklagten gewusst, nicht aus. Nicht alleine die Kenntnis von einem Pensionseinkommen der Beklagten ist maßgeblich, sondern auch die Kenntnis der (in Relation zum Einkommen des Klägers zu betrachtenden) Höhe dieses Pensionseinkommens.

Sollte sich herausstellen, dass der Kläger (oder sein im zuzurechnender Vertreter) zum Zeitpunkt der Erhebung der Oppositionsklage die (relative) Höhe des Pensionseinkommens der Beklagten nicht kannte, sondern davon erst im Laufe des Oppositionsverfahrens erfuhr, so kann ihm bzw dem erst im Laufe des Verfahrens erstatteten Vorbringen zum nachträglichen Erlöschen der betriebenen Unterhaltsforderung die Eventualmaxime nicht entgegengehalten werden. Die weitere Einwendung (Erlöschen des Unterhaltsanspruchs wegen das Einkommen des Unterhaltspflichtigen bei weitem übersteigenden Einkommens des Unterhaltsberechtigten) wäre daher inhaltlich zu prüfen.

Hiebei wäre zu beachten: Es entspricht der stRsp des Obersten Gerichtshofs, dass auch bei geänderten Verhältnissen Unterhaltsbeträge regelmäßig so zu bemessen sind, dass die einmal festgelegte Relation zwischen Einkommenshöhe und Unterhaltshöhe gewahrt bleibt (RIS-Justiz RS0019018, RS0047529 [T 3, T 4]); dass nur eine wesentliche Änderung der Verhältnisse die Anwendung der Umstandsklausel rechtfertigt, wobei ein Schwellwert von 10 % mehrfach angesprochen wurde (RIS-Justiz RS0018984, RS0007161 [T 8]) und auch das Vorhandensein einer vereinbarten Wertsicherungsklausel die Anwendung der clausula rebus sic stantibus nicht ausschließt (RIS-Justiz RS0019070). Die Beurteilung der Frage, ob die Unterhaltspflicht des Klägers im Hinblick auf die nunmehrigen Einkommen der Streitteile erloschen ist oder allenfalls (in vermindertem Umfang) erhalten geblieben ist, setzt daher nicht nur die bereits von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen zum nunmehrigen Einkommen der Streitteile voraus, sondern auch die Klärung jener Einkommensverhältnisse, welche dem seinerzeit anlässlich der Scheidung geschlossenen Unterhaltsvergleich zugrundelagen.

Sollte sich hingegen ergeben, dass der Kläger (oder sein ihm zuzurechnender Vertreter) bereits zum Zeitpunkt der Einbringung der Oppositionsklage Kenntnis von der (relativen) Höhe des Pensionseinkommens der Beklagten hatte, verstieße das weitere Oppositionsklagevorbringen in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 13. Jänner 2004 gegen die Eventualmaxime und wäre daher nicht zu berücksichtigen.

b) Der Oberste Gerichtshof vermag sich jedenfalls der Argumentation des Klägers nicht anzuschließen, die Eventualmaxime im Oppositionsverfahren verstoße gegen das Gebot des "fair trial" nach Art 6 EMRK. Dem Oppositionsverfahren, dass der Überprüfung nachträglich entstandener, der Exekutionsführung entgegenstehender Hindernisse dient, liegt ja bereits ein Erkenntnisverfahren zugrunde, in dem der betriebene Anspruch schon einmal geprüft wurde und das dem Verpflichteten (damals als Beklagten) im Sinn des Gebots des "fair trial" Gehör und Verteidigungsmöglichkeit bot. Im Exekutionsstadium, also nach rechtskräftiger Bestätigung des betriebenen Anspruchs, kommt daher dem Interesse des betreibenden Gläubigers an einer möglichst raschen Verwirklichung seines Anspruchs besonderes Gewicht zu (Jakusch aaO Rz 86 mwN). Im Übrigen gilt die Eventualmaxime nach hA eben wegen des Gebots der Waffengleichheit der Parteien - obwohl dies im Gesetz keinen Niederschlag gefunden hat - nicht nur für den Kläger (= Verpflichteter im Exekutionsverfahren), sondern auch für den Beklagten (= betreibender Gläubiger; Jakusch aaO Rz 93; Dullinger aaO Rz 85, je mwN).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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