Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und der Nebenintervenientin die mit je 12.195 S (darin 2.032,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Begründung
Die klagende Partei erteilte der beklagten Partei am 2. 6. 1998 im Rahmen einer schon fünfjährigen ständigen Geschäftsbeziehung fernmündlich den Speditionsauftrag, unter anderem den Transport einer bestimmten Schärfmaschine von Vorarlberg in die Schweiz zu veranlassen. In der schriftlichen Auftragsbestätigung gab ein Mitarbeiter der klagenden Partei das Maschinengewicht mit 500 bis 800 kg an. Tatsächlich war die Maschine 1.600 kg schwer. Die klagende Partei hatte eine derart große Maschine zuvor noch nie versendet. Die beklagte Partei erfüllte den Speditionsvertrag, in den die AÖSp einbezogen worden waren, mit Hilfe der Nebenintervenientin als Frachtführerin. Über die Verpackung und Verladung des Transportguts schlossen die Streitteile keine ausdrückliche Vereinbarung. Weder eine Verpackung noch eine Verladung wurde von der beklagten Partei verrechnet. Hätte die klagende Partei einen derartigen Auftrag ausdrücklich erteilt, so hätte die beklagte Partei "geschultes Personal an Ort und Stelle geschickt", um das Transportgut in Augenschein zu nehmen. Die beklagte Partei erkundigte sich nicht, ob sie "die Verladung" durchführen solle. Sie verwies auch nicht auf "eventuelle Anforderungen in Bezug auf Verpackung und Verladung". Die klagende Partei fragte gleichfalls nicht nach, "wie das Transportgut zu verpacken und zu verladen sei bzw wer dies mache". Beide Vertragspartner gingen vielmehr davon aus, "die Verladung" werde der jeweils andere besorgen. Mitarbeiter der klagenden Partei hatten das Transportgut auf eine Palette gestellt, jedoch nicht befestigt. Der unerfahrene Fahrer der Nebenintervenientin nahm vor Beginn des Verladevorgangs wahr, dass die Schärfmaschine "links- bzw kopflastig" war. Er transportierte die in einem Raum abgestellte Maschine dennoch und verwendete einen dafür ungeeigneten Handhubwagen. Bei der Fahrt vom Abstellraum auf die Straße des Freigeländes musste er einen 9 cm hohen senkrechten Absatz überwinden. Dabei kippte die Maschine nach vorn und stürzte um. Dadurch trat ein Totalschaden von 250.000 S ein. Die Anweisung zur Aufladung der Maschine hatte der Fahrer von seinem Vorgesetzten erhalten. Die Verladung wäre bei ordnungsgemäßer Sicherung des Transportguts, Verwendung eines geeigneten Beförderungsgeräts und "ordnungsgemäßer Vorbereitung der Fahrbahn- und Geländeverhältnisse" ohne Beschädigungsgefahr möglich gewesen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf Zuspruch eines Betrags von 250.000 S sA statt.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil "zum Umfang der Warn- und Beratungspflicht des Spediteurs hinsichtlich der Verpackung des versendeten Gutes ... keine jüngere und ständige Rechtsprechung" vorliege, der Klärung dieser Frage "aber eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung" zukomme. Die beklagte Partei habe "in Anbetracht der örtlichen Gelände- und Fahrbahnverhältnisse" nicht damit rechnen müssen, dass die mit der Verpackungspflicht belastete klagende Partei eine auch für Unerfahrene erkennbar kopf- und linkslastige Maschine ohne jede Befestigung auf einer Palette zum Transport bereitstellen werde. Sie habe ferner darauf vertrauen dürfen, dass sie die Nebenintervenientin als Frachtführerin "auf bekannte und evidente Verpackungsmängel" hinweisen werde, und habe auch nicht mit einem unsachgemäßen Verladevorgang rechnen müssen. Im Lichte solcher Umstände sei es der beklagten Partei nicht als "eine außergewöhnliche und auffallende Vernachlässigung ihrer Sorgfaltspflicht" - und daher als schweres Verschulden - anzulasten, vor dem Verladevorgang "nicht selbst eine Verpackungskontrolle" durchgeführt zu haben. Ihr sei aber auch kein "Kardinalfehler", der von vornherein den Keim der Gefährdung und letztlich der Vereitelung des Vertragszwecks in sich getragen habe, vorwerfbar.
Die Revision ist unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Die beklagte Partei und deren Nebenintervenientin wenden sich in ihren Rechtsmittelbeantwortungsschriftsätzen gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, die beklagte Partei habe eine Vertragspflicht zur Verladung der Maschine durch schlüssiges Verhalten übernommen. Die beklagte Partei versucht aber nicht einmal, ihren gegenteiligen Standpunkt zu begründen. Die Nebenintervenientin vermag ihrerseits zumindest keine gravierende Fehlbeurteilung der aufgeworfenen Konkludenzfrage aufzuzeigen.
2. Die klagende Partei bekämpft nicht die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass sie aufgrund der Vertragsbeziehungen selbst für die Verpackung des Transportguts zu sorgen hatte. Sie wendet sich auch nicht gegen die auf die Entscheidung SZ 69/134 gestützte Ansicht, der Frachtführer sei nicht Erfüllungsgehilfe des Spediteurs und letzerer hafte für ersteren nur bei einem - hier nicht vorliegenden - Auswahlverschulden. Sie billigt daher offenkundig auch die weitere Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass die beklagte Partei für das Verschulden des als Erfüllungsgehilfen der Nebenintervenientin bei der Verladung tätig gewordenen Fahrers nicht einzustehen habe. Die beklagte Partei habe jedoch ihre Treuepflicht gegenüber dem Versender durch die Missachtung umfassender Warn- und Beratungspflichten, die sich auch auf die Tauglichkeit der Verpackung des Transportguts bezögen, nicht bloß leicht fahrlässig, sondern grob fahrlässig verletzt. Der Haftungsausschluss nach § 51 lit b AÖSp könne schon deshalb nicht greifen. Außerdem sei die Unterlassung eines Hinweises auf die Mangelhaftigkeit der Verpackung des Transportguts ein Verstoß gegen eine Kardinalpflicht, wofür die beklagte Partei jedenfalls - also auch bei leichter Fahrlässigkeit - einzustehen habe.
2. 1. Das Erfordernis der Lösung einer für die Entscheidung präjudiziellen Rechtsfrage, deren Bedeutung über den Anlassfall nicht hinausgeht, vermag die Zulässigkeit der Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO gewöhnlich nicht zu begründen. Die Kasuistik des Einzelfalles schließt daher im Allgemeinen die Zulässigkeit der Revision aus. Das gilt insbesondere auch für reine Ermessensentscheidungen wie zB jene über die Schwere eines Verschuldens (7 Ob 8/99y; 1 Ob 2354/96z; 4 Ob 2010/96h; 1 Ob 574/95; RZ 1994/45; 1 Ob 1689/92; Kodek in Rechberger, ZPO2 § 502 Rz 3). Solange dem Berufungsgericht dabei kein an die Grenze des Missbrauchs gehender Fehler unterlief oder der Ermessensspielraum eklatant überschritten wurde, ist das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auch aus Gründen der Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit zu verneinen (1 Ob 574/95; RZ 1994/45 mwN).
2. 2. Vorweg ist festzuhalten, dass die klagende Partei die beklagte Partei über das Gewicht der zu verladenden Maschine unrichtig informierte. Es liegt auf der Hand, dass für eine Maschine mit einem Gewicht von 500 bis 800 kg andere Verpackungsmaßnahmen erforderlich sind als für eine solche mit einem Gewicht von 1.600 kg. Gegenteiliges behauptet auch die klagende Partei nicht. In diesem Kontext weist die Nebenintervenientin zu Recht darauf hin, dass die beklagte Partei einen richtigen Ratschlag über eine fachgerechte Verpackung gar nicht hätte erteilen können. Es trifft auch nicht zu, dass die klagende Partei - wie sie behauptet - "mit der entsprechenden Verpackung bzw Sicherung der Maschine für die Beladung hoffnungslos überfordert" gewesen sei, weil sie zuvor noch nie eine derart große Maschine versendet habe. Die Links- und Kopflastigkeit des auf eine Palette gestellten Transportguts war für den unerfahrenen Fahrer der Nebenintervenientin offenkundig. War dieser Umstand aber für diesen offenkundig, so musste er wohl auch für die klagende Partei offenkundig sein. Dass eine links- und kopflastige, unbefestigt auf die Palette gestellte Maschine mit erheblichem Gewicht nicht ohne Absturzgefahr über einen 9 cm hohen senkrechten Absatz zwischen dem Abstellraum und der Straße befördert werden kann, liegt gleichfalls auf der Hand.
Bei Beachtung der voranstehenden und der vom Berufungsgericht ins Treffen geführten Umstände des Einzelfalls ist im Lichte der bereits unter 2. 1. dargestellten Prämissen zumindest eine gravierende Fehlbeurteilung des Verschuldensgrads durch das Gericht zweiter Instanz zu verneinen.
2. 3. Der Spediteur verletzt eine Kardinalpflicht, wenn ihm ein Fehler unterläuft, der von vornherein den Keim der Gefährdung und letztlich der Vereitelung des Vertragszwecks in sich trägt. Ein solcher Kardinalfehler kann sich, wie der klagenden Partei zuzugestehen ist, im Grundsätzlichen auch auf die Verletzung wesentlicher vertraglicher Nebenpflichten beziehen (SZ 69/134 [unter Berufung auf Thume, Die Haftung des Spediteurs für Kardinalfehler und grobe Organisationsmängel, TranspR 1991, 209, 210]; ausführlich zu Kardinalpflichten etwa auch Krien/Valder, Speditions- und Lagerrecht II § 51 ADSp Rz 37 ff). Doch hängt auch die Beurteilung der Verletzung einer Kardinalpflicht ganz von den Umständen des Einzelfalls ab. Selbst wenn nun die Unterlassung der Aufklärung des Versenders über die Untauglichkeit der von ihm vorgenommenen Verpackung unter bestimmten Begleitumständen als Verletzung einer Kardinalpflicht des Spediteurs anzusehen wäre, wäre doch in der Ansicht, der schuldhaft unterlassene Hinweis auf einen Verpackungsmangel sei nach den besonderen Umständen des Einzelfalls kein solcher Kardinalfehler, zumindest keine gravierende Fehlbeurteilung zu erblicken. Die Unterlassung, den Vertragspartner über einen für ihn ohnehin offenkundigen Verpackungsmangel aufzuklären, könnte nur dann von vornherein den Keim der Gefährdung und letztlich der Vereitelung des Vertragszwecks in sich tragen, wenn für den Spediteur erkennbar ist, dass der Versender eine als Verpackungsmaßnahme offenkundig gebotene Befestigung des Transportguts dennoch unterlassen wird. Es muss daher hier nicht geklärt werden, ob der Spediteur auch für eine leicht fahrlässige Verletzung einer Kardinalpflicht ungeachtet der Haftungsbegrenzung nach § 51 lit b) AÖSp einzustehen hat (offen lassend SZ 69/134).
Die von der klagenden Partei in Anlehnung an die Entscheidung SZ 69/134 und unter Berufung auf Schütz (in Straube, HGB I2 § 408 Rz 7) ganz allgemein gezogene Parallele zur "Unterlassung eines umfassenden Hinweises auf Versicherungsmöglichkeiten" als Kardinalfehler des Spediteurs überzeugt nicht, weil dabei die - zuvor erörterten - besonderen Umstände dieses Einzelfalls unbeachtet bleiben.
3. Gemäß § 508a Abs 1 ZPO ist der Oberste Gerichtshof bei Prüfung der Zulässigkeit der Revision an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden. Die voranstehenden Erwägungen sind dahin zusammenzufassen, dass jene Voraussetzungen, die eine Korrektur des angefochtenen Urteils aus Gründen der Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit notwendig machen würden, nicht erfüllt sind. Demnach ist die Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen, wobei sich der Oberste Gerichtshof auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken kann.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die beklagte Partei und deren Nebenintervenientin wiesen auf die Unzulässigkeit der Revision hin. Sie haben deshalb Anspruch auf Ersatz der im Interesse einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung aufgewendeten Kosten der Revisionsbeantwortungen. Entgegen den Kostenverzeichnissen gebührt gemäß § 15 lit a) RATG aber kein Streitgenossenzuschlag, weil die beklagte Partei und deren Nebenintervenientin von verschiedenen Rechtsanwälten vertreten wurden und den Genannten auch nicht zwei Personen gegenüberstanden.
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