OGH 3Ob253/97w

OGH3Ob253/97w28.8.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter aus Anlaß der Exekutionssache der betreibenden Partei V***** regGenmbH, ***** vertreten durch Dr.Erwin Bajc und Dr.Peter Zach, Rechtsanwälte in Bruck an der Mur, wider die verpflichtete Partei Dr.Peter S*****, vertreten durch Dr.Helmut Rantner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 28,896.363,-- S sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den in einer Ablehnungssache ergangenen Beschluß des Landesgerichts Leoben als Rekursgerichts vom 14.Juli 1997, GZ 2 R 335/97g-8, womit der Beschluß des Vorstehers des Bezirksgerichts Bruck an der Mur vom 25. Juni 1997, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der "außerordentliche" Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Verpflichtete behauptete die Befangenheit der richterlichen Leiterin jener Gerichtsabteilung des Bezirksgerichts Bruck an der Mur, in der das Exekutionsverfahren gegen ihn geführt wird, und erhob in diesem Zusammenhang den Vorwurf des Amtsmißbrauchs.

In ihrer Äußerung vom 25.Juni 1997 erklärte die abgelehnte Richterin, unbefangen zu sein und verwies überdies darauf, daß die Staatsanwaltschaft Leoben die vom Verpflichteten wider sie erstattete Strafanzeige gemäß § 90 Abs 1 StPO zurückgelegt habe.

Der Vorsteher des Bezirksgerichts Bruck an der Mur wies die "Befangenheitsablehnung" mit Beschluß vom 25.Juni 1997 zurück und führte im wesentlichen aus, es seien weder Ausschließungs- noch Ablehnungsgründe erkennbar.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs des Verpflichteten nicht Folge, sprach aus, daß der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei, und erwog in rechtlicher Hinsicht: Ein Richter sei im Sinne des § 19 Z 2 JN nur befangen, wenn objektiv faßbare Umstände vorlägen, die Zweifel an dessen Unbefangenheit gerechtfertigt erscheinen ließen. Es müsse - je nach den geltend gemachten Gründen - die konkrete Besorgnis bestehen, der Richter werde sich bei seiner Entscheidung von anderen als sachlichen Gesichtspunkten leiten lassen. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Eine "gefestigte Richterpersönlichkeit" wie die abgelehnte Richterin lasse sich "in aller Regel ... durch eine Strafanzeige wegen Amtsmißbrauchs nicht zu unsachlichen Entscheidungen verleiten oder in der objektiven Entscheidungsfindung beeinflussen", sondern werde "unbeirrt auf Grund der Aktenlage sachorientiert die vom Gesetz vorgegebenen Aufgaben erfüllen".

Rechtliche Beurteilung

Der "außerordentliche" Revisionsrekurs des Verpflichteten ist jedenfalls unzulässig.

Es entspricht, wie der erkennende Senat aus Anlaß dieser Exekutionssache bereits in 3 Ob 52/97m aussprach, ständiger Rechtsprechung, daß § 24 Abs 2 JN die Zulässigkeit von Rechtsmitteln im Ablehnungsverfahren abschließend regelt (NZ 1997, 228; 1 Ob 604/95; RZ 1992/47; EvBl 1991/36; EFSlg 63.899; EFSlg 57.667 uva). Gegen die Zurückweisung der Ablehnung findet der Rekurs nur an das zunächst übergeordnete Gericht statt, gegen dessen Entscheidung kein weiteres Rechtsmittel mehr zulässig ist (1 Ob 604/95; 3 Ob 503/95; 2 Ob 607/94; 3 Ob 35/94; 7 Ob 544/94; 4 Ob 518/93; RZ 1992/47; EvBl 1991/36; EFSlg 63.899; EFSlg 57.667). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur dann, wenn das Rekursgericht eine meritorische Behandlung des gegen die Sachentscheidung des Erstgerichts gerichteten Rechtsmittels - anders als hier - aus formellen Gründen ablehnt (1 Ob 604/95; EFSlg 63.899; EFSlg 57.667; SZ 42/74).

Schon aufgrund der abschließenden Regelung der Rechtsmittelbefugnis in § 24 Abs 2 JN wirkt der oben behandelte Rechtsmittelausschluß jedenfalls absolut. Er greift auch dann ein, wenn das Gericht zweiter Instanz über eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 78 EO in Verbindung mit § 528 Abs 1 ZPO entschieden hätte. Hier sind auch nicht die in § 528 Abs 2 ZPO geregelten Tatbestände für die absolute Unzulässigkeit eines Revisionsrekurses von Bedeutung.

Nach Ansicht des Rechtsmittelwerbers ist dagegen die "Zwei-Instanzlichkeit des Befangenheitsverfahrens ... rechtlich unhaltbar", weil diese "glattweg EU-gesetzwidrig" sei. Das Beharren des Obersten Gerichtshofs "am Zwei-Instanzen-Zug" widerspreche "dem Grundsatz des fairen Verfahrens im Sinne des Art 6 Abs 1 EMRK", handle es sich doch dabei um eine Form der "Inländerdiskriminierung", der durch eine Änderung der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dem die aufgrund der "EU-Mitgliedschaft" Österreichs geänderte Rechtslage bekannt sein müsse, abzuhelfen sei.

Der Verpflichtete stützt diese Ausführungen der Zulassungsbeschwerde auf Baumgartner (EU-Mitgliedschaft und Grundrechtsschutz [1997] 43, 208 ff, 306, 331). Dieser Autor vertritt jedoch weder an den im Rechtsmittel zitierten noch an anderen Stellen seines Werks Ansichten, die in der Frage des Instanzenzugs jenen des Verpflichteten ent- sprächen. Der Gemeinschaftsrechtsordnung ist auch keine Norm zu entnehmen, wonach der Rechtszug zu einem Höchstgericht gegen die (meritorische) Entscheidung zweier Gerichtsinstanzen über einen Ablehnungsantrag aus Anlaß eines gerichtlichen Verfahrens über zivilrechtliche Ansprüche zu eröffnen sei, wenn auch die Grundrechte bei Anwendung von Gemeinschaftsrecht zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, deren Wahrung der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu sichern hat, gehören und dabei der Europäischen Menschenrechtskonvention besondere Bedeu- tung zukommt (EuGH 29.Mai 1997 Rs. C-299/95 Kremzow gegen Österreich - veröffentlicht in:

Newsletter 1997, 97). Nach letzterer bleibt die Ausgestaltung der Gerichtsbarkeit mit Rücksicht auf die institutionellen Garantien gemäß Art 6 EMRK dem Ermessen der Staaten überlassen, soweit der Grundsatz des Zugangs zu den Gerichten gewahrt wird. Deshalb gewährt die Europäische Menschenrechtskonvention kein Recht auf einen Instanzenzug oder, wo ein solcher besteht, auf eine Gerichtsbarkeit in allen Instanzen samt dem Zugang zu einem Höchstgericht (Miehsler/Vogler in Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention Rz 272 zu Art 6 mwN). Das Exekutionsverfahren gegen den Verpflichteten fällt nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts. Für die Entscheidung über den Ablehnungsantrag aus Anlaß dieses Verfahrens stellen sich daher in Hinsicht auf die Europäische Menschenrechtskonvention keine Auslegungsfragen, die vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu beantworten wären (EuGH 29.Mai 1997 Rs. C-299/95 Kremzow gegen Österreich - veröffentlicht in: Newsletter 1997, 97). Gegenteiliges behauptet auch der Verpflichtete nicht. Durch die Beschränkung des Rechtszugs auf zwei Instanzen bei meritorischer Erledigung des Ablehnungsantrags ist eine "Inländerdiskriminierung" im Sinne der Rechtsmittelgründe des Verpflichteten schon deshalb ausgeschlossen, weil die Europäische Menschenrechtskonvention nach obigen Darlegungen auch einem Ausländer - sei es als Staatsangehörigen eines EU-Mitgliedstaats, sei es als Bürger eines sonstigen Auslandsstaats - kein Recht auf einen Instanzenzug zubilligt, wie ihn sich der Verpflichtete vorstellt.

Der Revisionsrekurs des Verpflichteten ist daher als absolut unzulässig zurückzuweisen (§ 526 Abs 2 Satz 1 ZPO).

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