OGH 2Ob607/94

OGH2Ob607/9412.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Ehrentraud Maria S*****, vertreten durch Dr.Josef Raffl, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wider den Antragsgegner Mag.Adolf S*****, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom 20.Oktober 1994, GZ R 876/94-71, womit 1.) der Beschluß des Vorstehers des Bezirksgerichtes Bad Ischl vom 4.Oktober 1994, GZ Jv 605/92 (F 5/92-63), bestätigt und

2.) über den Antragsgegner eine Ordnungsstrafe verhängt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird, soweit er die Ablehnungssache betrifft, zurückgewiesen. Im übrigen (soweit er die Verhängung einer Ordnungsstrafe betrifft) wird ihm nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Vorsteher des Bezirksgerichtes wies einen in einem Verfahren wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse eingebrachten Ablehnungsantrag des Antragsgegners zurück. Hiegegen richteten sich die Schriftsätze des Antragsgegners ON 68 und ON 70.

Das Rekursgericht wertete den ersten Schriftsatz als "Unmutsäußerungen und Ankündigung eines Rekurses", den zweiten als meritorisch zu behandelnden Rekurs. Es gab dem Rekurs nicht Folge und erklärte den Revisionsrekurs für jedenfalls unzulässig. Wegen der Äußerung in der "1.Rekursschrift" ON 68: "Warum will der Richter Mag.F***** wie die Schildbürger die Balken quer ins Zimmer tragen" verhängte es über den Antragsgegner eine Ordnungsstrafe von S 5.000,-. Insoweit erklärte es den Revisionsrekurs für zulässig.

Zur Verhängung der Ordnungsstrafe führte das Rekursgericht folgendes aus:

Gemäß § 85 Abs 1 GOG könne gegen Parteien, die in Angelegenheiten der Gerichtsbarkeit in Außerstreitsachen in schriftlichen Eingaben die dem Gericht schuldige Achtung durch beleidigende Ausfälle verletzen, vom Gericht eine Ordnungsstrafe nach § 220 ZPO verhängt werden. In allen Verfahrensarten sei auch das Rechtsmittelgericht zur Verhängung einer Ordnungsstrafe zuständig, wenn die beleidigenden Ausführungen in einer Rechtsmittelschrift enthalten seien. Die für das außerstreitige Verfahren geltende Bestimmung des § 85 GOG diene der Wahrung einer sachlichen und unpersönlichen Ausdrucksweise und solle helfen, das Verfahren zu "entschärfen". Durch sie solle keineswegs eine sachliche berechtigte Kritik verhindert werden, es solle aber doch jede an das Gericht gerichtete Eingabe, deren Inhalt die dem Gericht schuldige Achtung durch beleidigende Ausfälle verletze, unter Sanktion gestellt werden. Bei der Beurteilung, ob ein Schriftsatz beleidigende Ausfälle enthalte, sei grundsätzlich nicht auf die Absicht des Schriftenverfassers abzustellen, es müsse vielmehr stets ein objektiver Maßstab angelegt werden. Es entspreche des weiteren höchstgerichtlicher Judikatur, daß eine Verletzung der dem Gericht schuldigen Achtung nicht nur dann mit einer Ordnungsstrafe zu belegen sei, wenn sie in der Absicht begangen worden sei, das Gericht zu verunglimpfen, sondern auch dann, wenn sie einem Mangel an Überlegung entsprochen habe. Im vorliegenden Fall ziele die inkriminierte Äußerung offenbar darauf ab, den mit einem "Schildbürger" verglichenen Erstrichter lächerlich zu machen. Die entsprechende Formulierung sei auch nicht Ausfluß einer einmaligen Entgleisung, sondern die Fortführung einer praktisch zur Methode erhobenen Gestion (vgl etwa AS 5, 55, 109, 407), welche mit ihren Verunglimpfungen nicht einmal vor dem Höchstgericht Halt mache. Es erscheine daher geboten, den Ablehnungs-/Rekurswerber in die Schranken zu weisen. Die gemäß § 220 ZPO mit bis S 20.000,- ausmeßbare, im vorliegenden Fall im Bereich der Untergrenze liegende Ordnungsstrafe entspreche dem Unrechtsgehalt der letzterfolgten Beleidigung.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners. Es wird ein Aufhebungs- und ein Abänderungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs gegen die Entscheidung in der Ablehnungssache ist unzulässig.

Schon das Rekursgericht hat darauf hingewiesen, daß die für das Ablehnungsverfahren unmittelbar anwendbare Regel des § 24 JN offenbar nur zwei Instanzen vorsieht. Diese Auffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung, die § 24 Abs 2 JN als abschließende Sonderregelung über die Rechtsmittelzulässigkeit im Ablehnungsverfahren in dem Sinne auslegt, daß gegen die Zurückweisung der Ablehnung der Rekurs nur an das zunächst übergeordnete Gericht stattfindet und gegen dessen Entscheidung kein weiteres Rechtsmittel zulässig ist. Daß der Antragsgegner eine mögliche andere Auslegung des Gesetzestextes vorzieht, ist kein hinreichender Grund, von dieser Rechtsprechung abzugehen.

Der Revisionsrekurs gegen die Verhängung der Ordnungsstrafe ist (jedenfalls) zulässig, weil das Rekursgericht insoweit nicht im eigentlichen Rekursverfahren, sondern anläßlich eines Rekursverfahrens (wie eine erste Instanz) entschieden hat; er ist aber nicht berechtigt.

Gemäß § 16 Abs 3 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO wird auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Beschlusses hingewiesen. Den Rechtsmittelausführungen ist noch folgendes entgegenzuhalten:

Es trifft zwar zu, daß im Spruch der angefochtenen Entscheidung von einer Äußerung in der "1.Rekursschrift" ON 68 die Rede ist, obwohl dieser Schriftsatz schließlich nicht als Rekurs gewertet wurde. Um zu dieser Wertung gelangen zu können, mußte sich das Rekursgericht aber sowohl mit ON 70 als auch mit ON 68 befassen. Auch das Rekursgericht ist daher als ein Gericht anzusehen, an welches beide Schriftsätze gelangt sind, weshalb es zur Verhängung einer Ordnungsstrafe wegen einer in ON 68 enthaltenen Beleidigung befugt war.

Der Rechtsmittelwerber weist weiters auf den Zusammenhang hin, in dem der inkriminierte Satz steht; er habe in seiner Eingabe zuvor noch weitere Fragen angeführt: "Wie ist aber dann eine derartige Fehlleistung (des Richters Mag.F*****), wie sie in dem von beiden Streitteilen angefochtenen Beschluß vorliegt, überhaupt erklärlich. Wäre eine Untersuchung auf Verhandlungsfähigkeit nicht angebracht? Ist denn der Richter Mag.F***** um nichts in der Welt zu einer wahrheitsgemäßen Darstellung zu bewegen? Wozu immer wieder solche Entstellungen des tatsächlichen Sachverhaltes?" Eine objektive Prüfung dieses Textes müsse eindeutig ergeben, daß es sich bei allen Fragen in diesem Absatz um rhetorische Fragen handle, die alle die gleiche Antwort suggerierten: "Mag.F***** ist befangen".

Mit der Absicht, bloß die Befangenheit eines Richters darstellen zu wollen, kann sich der Rechtsmittelwerber aber nicht entschuldigen. Eine Ordnungsstrafe könnte selbst dann verhängt werden, wenn es sich um eine an sich berechtigte Kritik handelte, die in einer beleidigenden und ausfälligen Form vorgebracht wird.

Auch im Zusammenhang mit den vom Rechtsmittelwerber angeführten vorhergehenden Sätzen ist in der gebrauchten Wendung ein beleidigender Ausfall zu erblicken, durch den die dem Gericht schuldige Achtung verletzt wurde. Die beleidigende Tendenz wird durch diesen Zusammenhang nicht vermindert, sondern eher noch verstärkt.

Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen.

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