Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Ersteherin unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Rechtsmittelwerberin hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die betreibende Partei führt u.a. Exekution durch Zwangsversteigerung der im Eigentum der beiden Verpflichteten stehenden Liegenschaft EZ 1620, zu deren Gutsbestand die Grundstücke (GSte) 170/2 und 171/2 gehören. Beide Grundstücke wurden vom Sachverständigen getrennt bewertet. Bei der Bewertung des 1.307 m2 großen GSt 171/2 in ON 8 ging er davon aus, dass sich darauf ein gemischt genutztes Gebäude (Wohnungen, Pferdestall, Büro, Operationssaal [Pferdeklinik]) befinde und kam zu einem Schätzwert von 346.983 EUR. In der Bekanntgabe des Schätzwerts ON 14 und im Versteigerungsedikt ON 39 wurden die beiden GSte nur mit Grundstücksnummer, Fläche und Benutzungsart angeführt, beim GSt 171/2 insofern mit „Baufl. (Begrünt)". Die vom Erstgericht verfügte Einschaltung des Edikts in der Ediktsdatei stellte demgegenüber das vom Sachverständigen beschriebene Gebäude ausführlich dar.
Im Versteigerungstermin wurde die Liegenschaft der betreibenden Partei als einziger Bieterin um das geringste Gebot von 254.455,50 EUR zugeschlagen und ihr aufgetragen, „binnen zwei Wochen die Entscheidung der Grundverkehrsbehörde über den Rechtsvorgang zu beantragen bzw. ihr den Zuschlag anzuzeigen oder die entsprechende Erklärung vorzulegen", widrigens die Wiederversteigerung der Liegenschaft auf ihre Kosten und Gefahr anzuordnen sei. Der Zuschlag wurde noch nicht ausgefertigt.
Innerhalb von 14 Tagen nach dem Versteigerungstermin erhob die betreibende Partei „als Ersteherin" Rekurs gegen den Zuschlag. Als Rechtsmittelgründe machte sie „Aktenwidrigkeit und die Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie die unrichtige Bezeichnung der vom Meistbot betroffenen Liegenschaft" geltend. Zur Begründung brachte sie (zusammengefasst) vor, dass sich das vom Sachverständigen beschriebene Gebäude in Wahrheit auf einem eigenen Grundstück befinde (GSt .229 mit der Nutzung Baufl. [Gebäude] als einziges Grundstück der zwar im Eigentum des Erst- und der Zweitverpflichteten stehenden, aber nicht versteigerten Liegenschaft EZ 454), das eine Enklave im versteigerten GSt 171/2 bilde und nicht zum Gutsbestand der versteigerten Liegenschaft gehöre. Dieser Umstand sei bereits einem im Gutachten enthaltenen Plan zu entnehmen gewesen, was allerdings weder dem Sachverständigen noch dem Gericht oder der betreibenden Partei aufgefallen sei. Unter solchen Umständen ermögliche § 187 Abs 1 zweiter Satz EO die Anfechtung des Zuschlags durch Rekurs. Der Zuschlag habe nämlich nicht mit den nach Vorschrift dieses Gesetzes bei der Entscheidung darüber zu berücksichtigenden Akten (dem in sich widersprüchlichen Gutachten) übereingestimmt. Auch habe sich das Meistbot (teilweise) auf ein anderes Grundstück bezogen.
Das Rekursgericht wies den Rekurs der Ersteherin zurück. Der Sachverständige sei in seinem Gutachten eindeutig davon ausgegangen, dass sich der Gebäudekomplex auf dem GSt 171/2 befinde. Ausgehend davon sei die Liegenschaft geschätzt und so auch der Zuschlag erteilt worden. Letzterer stimme daher mit dem Zwangsversteigerungsakt überein. Dass allenfalls aus einem dem Gutachten beigelegten Plan auf die Unrichtigkeit der Situierung des Gebäudes nach dem Gutachten geschlossen werden könne, vermöge daran nichts zu ändern, weil eine allfällige Unschlüssigkeit oder Unrichtigkeit des Schätzungsgutachtens nicht mit Rekurs gegen den Zuschlag geltend gemacht werden könne. Es sei gerade jene Liegenschaft zugeschlagen worden, die Gegenstand des Zwangsversteigerungsverfahrens gewesen sei. Die Rekurswerberin habe daher keinen der in § 187 Abs 1 EO genannten Rechtsmittelgründe geltend gemacht.
Der von der zweiten Instanz - mit der Begründung, es fehle Rsp des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob der Rekurs des Erstehers zulässigerweise darauf gestützt werden könne, dass der Sachverständige unrichtigerweise ein Gebäude als zur versteigerten Liegenschaft gehörig betrachtet habe - zugelassene Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Das Rechtsmittel ist nicht absolut unzulässig. In seinem Revisionsrekurs bezeichneten Rechtsmittel macht der Ersteher zu Recht geltend, es liege in Wahrheit kein bestätigender Beschluss vor, weil sein Rekurs aus formellen Gründen zurückgewiesen worden sei. Das Gericht zweiter Instanz hat nämlich das Vorliegen der behaupteten Rekursgründe gerade nicht geprüft, im Besonderen nicht zum Rechtsmittelvorwurf Stellung genommen, das Meistbot der Rechtsmittelwerberin habe sich (auch) auf ein anderes als das versteigerte Grundstück bezogen, sondern ihre Zulässigkeit verneint. Es liegt daher keiner jener Fälle vor, in denen sich ein Rechtsmittelgericht bloß in der Entscheidungsform vergriffen und beispielsweise trotz formeller Zurückweisung eines Rechtsmittels dieses sachlich behandelte (RIS-Justiz RS0036324). Daher greift im vorliegenden Fall die Konformatsperre der §§ 78 EO, 528 Abs 2 Z 2 ZPO nicht ein, vielmehr ist der zweitinstanzliche Zurückweisungsbeschluss unter den Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO anfechtbar (vgl. 3 Ob 319/04i u.a.). Auch sonst besteht kein Hindernis gegen die Zulässigkeit des von der zweiten Instanz zugelassenen Rechtsmittels.
2. Es ist daher inhaltlich zu prüfen, ob der Rekurs tatsächlich einen tauglichen Rekursgrund iSd § 187 Abs 1 EO geltend macht. Dem Ersteher stehen dieselben Rekursgründe zur Verfügung wie den sonstigen Beteiligten (Heller/Berger/Stix, EO4 1383). Die Rechtsmittelwerberin brachte in ihrem Rekurs als Ersteherin gegen die Zuschlagserteilung vor, ihr Meistbot habe sich auf ein anderes als das versteigerte Grundstück bezogen, und machte damit den Rekursgrund (für den Rekurs gegen die Zuschlagserteilung) nach § 187 Abs 1 zweiter Satz EO geltend. Danach kann die Anfechtung auf einen der im § 184 angeführten Umstände oder darauf gegründet werden, dass der Zuschlag mit dem Inhalte des über den Versteigerungstermin aufgenommenen Protokolles oder anderer nach Vorschrift dieses Gesetzes bei der Entscheidung über den Zuschlag zu berücksichtigender Acten nicht übereinstimmt, oder dass sich das Meistbot auf ein anderes Grundstück bezieht.
Zwar können Willensmängel wie Irrtum nicht mit Rekurs gegen den Zuschlag geltend gemacht werden können (3 Ob 48/88; RIS-Justiz RS0003245; Angst in Angst, EO, § 156 Rz 3; Breinl/Zbiral in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 187 Rz 14; Heller/Berger/Stix aaO 1334, 1383). Insbesondere kann sich ein Rekurswerber nicht darauf berufen, das Flächenmaß der Liegenschaft sei (aufgrund eines Fehlers im Gutachten) unrichtig angegeben worden (3 Ob 89/87 = JBl 1988, 122 = ImmZ 1988, 225; RIS-Justiz RS0003269). Davon ist jedoch der Fall zu unterscheiden, dass sich das Meistbot bei der gebotenen objektiven Auslegung tatsächlich nicht (oder wie hier behauptet: nicht nur) auf die versteigerte Liegenschaft bezieht (Breinl/Zbiral aaO § 187 Rz 12). Solche Umstände werden im materiellen Recht als - von den Willensmängeln zu unterscheidender - Dissens bezeichnet. Sie stellen einen Rekursgrund iSd § 187 Abs 1 zweiter Satz EO dar und werden im Regelfall (auch) eine Aktenwidrigkeit darstellen (Heller/Berger/Stix aaO 1381).
Im materiellen Recht liegt Dissens nicht nur bei einer offenen Diskrepanz der Erklärungen vor, sondern auch bei einer objektiven Mehrdeutigkeit von einander formal deckenden Erklärungen (Koziol in Koziol/Welser, Grundriss des bürgerlichen Rechts I12 117; Apathy/Riedler in Schwimann³ § 869 ABGB Rz 12; beide mwN). Diese Wertung kann nach Auffassung des erkennenden Senats auch bei § 187 Abs 1 zweiter Satz EO fruchtbar gemacht werden. Kann bei objektiver Betrachtungsweise nicht entschieden werden, auf welche Liegenschaft sich das Meistbot und der Zuschlag tatsächlich beziehen, so ist der Rekursgrund iSd genannten Bestimmung erfüllt. Das Neuerungsverbot steht dem zumindest dann nicht entgegen, wenn sich die objektive Mehrdeutigkeit aus dem Akteninhalt ergibt, wie er dem Meistbot und dem Zuschlag zugrunde lag. Das Wertermittlungsgutachten mit seinen für die Wertermittlung relevanten Beilagen über das Versteigerungsobjekt als Grundlage des Edikts und des Zuschlags gehört zum Akteninhalt.
Im vorliegenden Fall kann eine objektive Mehrdeutigkeit des Meistbots und der Zuschlagserteilung nicht von vornherein ausgeschlossen werden, ist doch gerade nicht - wie vom Rekursgericht angenommen - eindeutig, dass Gegenstand des Verfahrens das Grundstück mit dem Gebäude gewesen sei. Damit wäre das gesamte Gebäude und damit auch ein weiteres, nicht zum Gutsbestand des (eigentlichen) Versteigerungsobjekts gehörendes Grundstück versteigert worden. Einer „Eindeutigkeit" steht entgegen, dass sich die Versteigerungsbewilligung, das Edikt, das Ausbieten in der Versteigerung und wohl auch der Zuschlag - zumindest nach dem jeweiligen Wortlaut - nur auf das Grundstück als solches (bezeichnet nur durch die Grundstücksnummer, die Fläche und die Nutzungsart „Baufläche begrünt") bezogen. Demgegenüber erfassten das Gutachten und die Veröffentlichung in der Ediktsdatei tatsächlich auch das Gebäude und damit in Wahrheit ein weiteres, nicht zum Gutsbestand der versteigerten EZ 1620 gehörendes Grundstück. Bei diesem Sachverhalt liegt zwar nicht der von § 187 Abs 1 zweiter Satz EO in erster Linie erfasste offene Widerspruch zwischen Meistbot und Zuschlag vor, aber es kann die oben angesprochene Problematik der objektiven Mehrdeutigkeit des Meistbots und des darauf beruhenden Zuschlags angesichts der Veröffentlichung in der Ediktsdatei nicht von vornherein verneint werden.
3. Das Rekursgericht hat über diese Frage nicht inhaltlich entschieden, sondern den Rekurs nur formal erledigt. Damit ist der Oberste Gerichtshof für eine Sachentscheidung funktional nicht zuständig. Der Rahmen der Nachprüfung im Revisionsrekursverfahren wird nämlich durch den Gegenstand des angefochtenen Beschlusses bestimmt und begrenzt. Nach neuerer Rsp ist es daher grundsätzlich nicht zulässig, bei Aufhebung der zweitinstanzlichen Zurückweisung eines Rekurses sogleich die Sachentscheidung über den Rekurs zu treffen (Zechner in Fasching², § 526 ZPO Rz 19 f, E. Kodek in Rechberger², § 526 ZPO Rz 1, je mwN). Die in der Rsp anerkannten Ausnahmen von diesem Grundsatz (Sicherungsverfahren bzw. Deckungsgleichheit der Voraussetzungen für die Zulässigkeit und für die meritorische Erledigung [Zechner aaO § 526 ZPO Rz 21, E. Kodek aaO § 526 ZPO Rz 1, je mwN]) liegen hier nicht vor. Aus diesem Grund ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und dem Rekursgericht die Sachentscheidung aufzutragen.
4. Der Ausspruch über die Selbsttragung der Revisionsrekurskosten gründet sich darauf, dass der Revisionsrekurs, wie sich insbesondere aus dem Rekursantrag ergibt, von der betreibenden Partei als Ersteherin der Liegenschaft erhoben wurde. Das ist in sich schlüssig, weil es der Rechtsmittelwerberin inhaltlich nur um ihre mit dem Liegenschaftserwerb verbundenen Interessen geht. Ein Kostenersatzanspruch des Erstehers besteht allerdings (vom hier nicht vorliegenden Fall des § 156 Abs 2 EO abgesehen) nur dann, wenn er - anders als hier - in einem Zwischenstreit mit dem betreibenden Gläubiger, dem Verpflichteten oder einem sonstigen Beteiligten obsiegt.
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