Spruch:
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Gegenstand des Verfahrens ist die Frage der Haftung der beklagten Partei für von den Klägern behauptete, der beklagten Partei zuzurechnende Anlageberatungsfehler des Zweitnebenintervenienten, der in der Folge als FDLA (Finanzdienstleistungsassistent) bezeichnet wird.
Im Zuge eines ersten Gesprächs im September 2004 teilte der Erstkläger dem FDLA mit, dass er in den nächsten Monaten einen Betrag von 500.000 bis 700.000 EUR veranlagen werde. Dabei äußerte er das Ziel, durch die Veranlagung ab dem Jahr 2009/2010 jährlich 30.000 EUR als eine Art Zusatzpension bei gleichzeitigem Erhalt des eingesetzten Kapitals entnehmen zu können. Hinsichtlich der Veranlagung macht der Erstkläger die Vorgabe, dass ein Drittel in eine sichere Anlageform, ein Drittel in eine mittelriskante Anlageform und ein Drittel in eine riskante Anlageform investiert werden solle. Der FDLA empfahl dem Erstkläger angesichts dessen erklärten Ziels der Generierung einer Zusatzpension bei gleichzeitigem Kapitalerhalt in Aktien zu investieren, um einen höheren Ertrag zu erzielen. Der FDLA klärte den Erstkläger, der bereits zuvor über Erfahrungen mit der Anlage von Kapital in Sparbüchern, Bausparverträgen, Anleihenfonds, Kapitalversicherungen, Immobilienfonds und Aktienfonds verfügte, über die Risiken einer Aktienanlage im Zusammenhang mit Kursschwankungen und Kapitalverlusten auf. Auch eine Mappe mit Unterlagen über die einzelnen Produkte wurde übergeben.
Das Investment der Kläger erfolgte nicht zu einem einzelnen Zeitpunkt, sondern kontinuierlich. Nach dem Erstgespräch gab es im Zusammenhang mit der Veranlagung eine Reihe von Besprechungen zwischen den Klägern und dem FDLA, wobei (mehrmals) auch das persönliche Anlageprofil der Kläger erörtert und von ihnen unterfertigt wurde. Sämtliche Anlageprofile sind im Hinblick auf die Renditeerwartung und Risikobereitschaft in sich schlüssig. Angesichts der in sämtlichen Anlageprofilen gewünschten Veranlagung in ertragsstarke Papiere mit ausgeprägten Kursschwankungen, war es lege artis, den Klägern eine Veranlagung in die angekauften Wertpapiere zu empfehlen.
Über eine nachfolgende Betreuung des Wertpapierportfolios schlossen die Kläger mit dem FDLA keine Vereinbarung ab, insbesondere wurde keine Vollmacht zur Verwaltung des Investments der Kläger erteilt. Die Kläger erhielten lediglich halbjährlich einen schriftlichen Bericht über die Entwicklung ihres Wertpapierportfolios.
Bis zum Jahr 2007 stieg der Gesamtwert des Portfolios der klagenden Parteien um rund 30 %. Daher schlugen die Kläger dem FDLA im Frühjahr 2007 vor, sämtliche Anlagen zu verkaufen und das Kapital wieder neu anzulegen, wovon ihnen der FDLA jedoch abriet; dabei erklärte er ihnen auch die Vor- und Nachteile einer Umschichtung bzw des Verkaufs und der Wiederveranlagung sämtlicher Finanzprodukte.
Bei einem Einsatz von 670.000 EUR zu Beginn des Jahres 2005 war es nicht möglich, ab dem Jahr 2009 eine Entnahme von jährlichen Renten in Höhe von 30.000 EUR unter gleichzeitigem Kapitalerhalt bei einer risikolosen Veranlagung (vor allem nach Steuern und Inflation) zu erreichen. Somit war für das Anlageziel der Kläger die Generierung von höheren (erwarteten) Renditen und eine damit konsistente Risikobereitschaft notwendig. Das vom FDLA erstellte Portfolio war grundsätzlich geeignet, das Anlageziel der Kläger erreichen zu können. Ein Fünfjahresinvestment in eine risikolose Veranlagung von Jahresbeginn bis 2010 hätte eine jährliche Rendite von nur 3,1 % erbracht.
Kontakte zwischen den Klägern und dem FDLA im Jahr 2007 bezogen sich auf das Fallen der Kurse der M*****-Papiere. Die Entwicklung des Kurses der M*****-Papiere im Laufe des Jahres 2007 änderte grundsätzlich nichts an der Risikoeinschätzung der M*****-Papiere. Der Eintritt einer derart negativen Entwicklung bestätigte lediglich das hohe Risiko der gewählten Anlageform. Unabhängig davon führten negative Entwicklungen zu einem Vertrauensverlust am Kapitalmarkt, was zu Kursverlusten und zu verschlechterten Veräußerungsmöglichkeiten führen kann.
Ab Dezember 2007 erhielten die Kläger eine monatliche Aufstellung des Portfolios. Im Laufe des Jahres 2008 veränderte sich der Wert des Portfolios ständig nach unten, worauf die Kläger im August 2008 die Entscheidung trafen, sich nicht mehr vom FDLA beraten zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt betrug der Wert des Portfolios 670.000 EUR. Im September 2008 kam es zu einem letzten Treffen der Kläger und des FDLA. Die Kläger hätten ihr Portfolio jederzeit verkaufen können, was ihnen der FDLA auch ausdrücklich erklärte.
Mitte Dezember 2008 kam es zu einem Gespräch zwischen dem Rechtsvertreter der Kläger und den Verantwortlichen der beklagten Partei, wobei auch über die Frage eines Verkaufs des Portfolios gesprochen wurde. Da die Kläger die beklagte Partei nicht mit der Vermögensverwaltung beauftragen wollten und ihr Rechtsvertreter ihnen zum Verkauf des Portfolios riet, verkauften sie mit Ausnahme von Versicherungsprodukten und der M*****-Papiere sämtliche Finanzprodukte ihres Portfolios und erzielten dabei einen Erlös von 202.393,62 EUR. Insgesamt hatten sie in die verkauften Papiere 302.000 EUR investiert gehabt, weshalb ihnen - exklusive Zinsen - ein Verlust von 99.606,38 EUR entstand. Hätten die Kläger ihr Portfolio im Dezember 2008 nicht aufgelöst, so wäre dessen Wert (exklusive der Versicherungsprodukte und der M*****-Papiere) per 13. April 2010 mit 352.121,08 EUR zu beziffern gewesen.
Eine kombinierte Veranlagung des Vermögens der Kläger in den drei Risikoklassen „gering“, „mittel“ und „höher“ entsprach ihren persönlichen Anlageprofilen. Die in den Anlageprofilen festgehaltenen Werte zur Ertragserwartung und zur Risikobereitschaft können als Durchschnitt des Risiko-Renditeprofils der Kläger gesehen werden. Eine kombinierte Veranlagung in diese drei Risikoklassen ist auch mit den Anlagezielen konsistent. Das Portfolio entsprach dem Risikoprofil der Kläger.
Das Erstgericht wies das auf Zuspruch eines Schadenersatzbetrags von 99.606,38 EUR und 22.650 EUR (= kapitalisierte 2,5 % Zinsen aus 302.000 EUR vom 1. Jänner 2006 bis 31. Dezember 2008, ausgehend von einer risikolosen Veranlagung dieses Betrags) und die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle Fehler aus der fehlerhaften Anlageberatung durch den FDLA, insbesondere im Zusammenhang mit dem Versicherungsprodukt und dem Ankauf von M*****-Zertifikaten, gerichtete Klagebegehren ab. Das Leistungsbegehren scheitere daran, dass betreffend den Zeitraum bis 31. Oktober 2007 kein Verstoß gegen die Aufklärungs- und Beratungspflichten nach §§ 13, 14 WAG alt vorliege. Auch hinsichtlich der Wertpapiergeschäfte aus der Zeit ab dem 1. November 2007, auf die das WAG 2007 anzuwenden sei, habe der FDLA sämtliche Beratungen anleger- und anlagebezogen erbracht und alle erforderlichen Informationen gegeben. Der Anteil der M*****-Papiere in Höhe von 16 % am Gesamtvolumen der Investition der Kläger sei nicht zu hoch, weshalb insoweit das Feststellungsbegehren erfolglos sei. In Bezug auf das Versicherungsprodukt sei der Ankauf nicht auf die Vermittlung der beklagten Partei zurückzuführen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge und ließ die Revision im Hinblick auf die Einzelfallbezogenheit nicht zu. Soweit für die rechtliche Beurteilung von Bedeutung übernahm es die erstgerichtlichen Feststellungen und bestätigte die Rechtsansicht des Erstgerichts. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt sei kein Vermögensverwaltungsvertrag abgeschlossen worden, der die beklagte Partei zu einer umfassenden Interessenwahrung sowie entsprechender Information der Kläger verpflichtet hätte; auch ein laufendes Betreuungsmandat sei zu verneinen. Dass sich das Anlagerisiko verwirklicht habe, über das die Kläger ausreichend aufgeklärt worden seien, sei nicht der beklagten Partei bzw ihrem FDLA anzulasten. In den Ankauf des Versicherungsprodukts sei die beklagte Partei nicht involviert gewesen.
Rechtliche Beurteilung
In ihrer außerordentlichen Revision zeigen die Kläger keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
1. Vorweg ist festzuhalten, dass das Bestehen und der Umfang von Beratungs- und Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit einer Anlageberatung jeweils eine Frage des Einzelfalls darstellt, der in der Regel keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt (RIS-Justiz RS0106373). Dies gilt auch für den vorliegenden Fall.
2. Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit kann für sich allein grundsätzlich nicht das Gewicht einer erheblichen Rechtsfrage des Verfahrensrechts haben, weil er zum Tatsachenbereich gehört (RIS-Justiz RS0042762). Dieser Revisionsgrund kann auch nicht als Ersatz für eine im Revisionsverfahren generell unzulässige Beweisrüge herangezogen werden (RIS-Justiz RS0117019). Auch die Bewertung der Ergebnisse des Sachverständigengutachtens betrifft die nicht revisible Tatsachenebene.
In der Übernahme der Feststellungen des Erstgerichts durch das Berufungsgericht kann schon begrifflich keine Aktenwidrigkeit liegen (RIS-Justiz RS0043240). Im Übrigen hat sich das Berufungsgericht mit der bereits in der Berufung relevierten Aktenwidrigkeit auseinandergesetzt und die Feststellungen des Erstgerichts jeweils mit ausführlicher Begründung übernommen.
3. Übernimmt das Berufungsgericht, das ohne Verstoß gegen Denkgesetze die Beweiswürdigung überprüft hat, die erstgerichtlichen Feststellungen, kann dieses Ergebnis nicht mit Revision bekämpft werden (RIS-Justiz RS0043371 [T6]). Nur dann, wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst, wäre sein Verfahren mangelhaft. Die Beweisrüge der Kläger wurde vom Berufungsgericht ausführlich und stichhaltig behandelt, sodass eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht ersichtlich ist. Im Hinblick auf die inhaltliche Erledigung der Beweisrüge durch das Berufungsgericht bedarf es keines Eingehens auf die Frage ihrer gesetzmäßigen Ausführung.
4. Die rechtliche Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof hat von den von den Vorinstanzen ohne Mangelhaftigkeit oder Aktenwidrigkeit festgestellten Tatsachen auszugehen und nicht von einem der Revision unterstellten „Wunschsachverhalt“; der Oberste Gerichtshof ist nicht Tatsacheninstanz (RIS-Justiz RS0069246).
5. Einen Anlageberater treffen Schutz- und Sorgfaltspflichten. Er ist zur Aufklärung seiner Kunden über die Risikoträchtigkeit der in Aussicht genommenen Anlage verpflichtet. Welche Verhaltenspflichten ihn dabei im Einzelnen treffen, kann zwar nur aufgrund der konkreten Umstände beurteilt werden. Stellt er beispielsweise ein typisches Risikogeschäft als sichere Anlageform hin und veranlasst er dadurch den Anleger zur Zeichnung einer solchen Beteiligung, haftet er für die fehlerhafte Beratung selbst dann, wenn auch er von der Seriosität des Anlagegeschäfts überzeugt gewesen sein sollte, weil er ein solches Geschäft nicht ohne weiteres als sichere Anlageform anpreisen darf (RIS-Justiz RS0108074).
5.1. § 13 Z 3 und 4 WAG (alt) hat die schon zuvor von der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0026135; RS0027769) und der Lehre insbesondere aus culpa in contrahendo, positiver Forderungsverletzung und dem Beratungsvertragsverhältnis abgeleiteten Aufklärungs- und Beratungspflichten festgeschrieben (RIS-Justiz RS0119752). Die Wohlverhaltensregeln der §§ 13 bis 15 WAG (alt) enthalten weiters eine gesetzliche Konkretisierung vor- und nebenvertraglicher Verpflichtungen (RIS-Justiz RS0120998 [T1]). Die konkrete Ausgestaltung und der Umfang der Beratung ist einzelfallbezogen abhängig von der Person des Kunden, insbesondere von seiner Professionalität sowie von dem ins Auge gefassten Anlageobjekt (RIS-Justiz RS0119752 [T6]). Die Informationserteilung hat dem Gebot vollständiger, richtiger und rechtzeitiger Beratung zu genügen, durch die der Kunde in den Stand versetzt werden muss, die Auswirkungen seiner Anlageentscheidung zu erkennen.
5.2. Wie bereits unter 1. erwähnt können das Bestehen und der Umfang von Beratungs- und Aufklärungspflichten nur einzelfallbezogen beurteilt werden, sodass regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO vorliegt (RIS-Justiz RS0106373 [T11]). Eine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht ist nicht zu erkennen.
5.3. Aus den Feststellungen ergibt sich, dass das Anlageziel der Kläger, eine Art Zusatzpension in Höhe von 30.000 EUR jährlich zu erlangen, nur mit einem Investment in Aktien realisierbar war. Der FDLA klärte den Erstkläger, der bereits zuvor über Kapitalanlageerfahrungen verfügte, über die Risiken einer Aktienanlage im Zusammenhang mit Kursschwankungen und Kapitalverlusten auf und übergab eine Mappe mit Unterlagen über die einzelnen Produkte. Die Parteien schlossen letztlich auch keinen Vermögensverwaltungsvertrag, der echte Nachberatungs- und Zusatzinformationspflichten beinhaltet hätte (vgl 3 Ob 289/05d).
Entsprechend dem Willen der Kläger wurde eine Drittelung der Investitionen in sichere, mittelriskante und riskante Anlageformen (und nicht in ausschließlich risikoreiche Produkte) vorgenommen; in den Anlageprofilen haben die Kläger Risikohinweise unterzeichnet. Dass auch bei den Produkten der niedrigen bzw mittleren Stufe Kursschwankungen vorkommen können, musste den Klägern bewusst sein.
5.4. Auf dieser Grundlage ist die Auffassung der Vorinstanzen, der beklagten Partei könne keine fehlerhafte und daher haftungsbegründende Beratung der Kläger vorgeworfen werden, keineswegs unvertretbar, weshalb eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung nicht vorliegt.
5.5. Das Berufungsgericht hat es in durchaus vertretbarer Weise abgelehnt, das Investment in das Versicherungsprodukt nicht der beklagten Partei zuzurechnen, muss doch der Geschäftsherr - als Voraussetzung für die Erfüllungsgehilfenhaftung - zumindest in zurechenbarer Weise den Anschein einer Erfüllungsgehilfeneigenschaft erwecken (10 Ob 528/94 = SZ 69/86 = ecolex 1997, 151 [Wilhelm] = RIS-Justiz RS0028582 [T4]).
6. Mangels erheblicher Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Kläger zurückzuweisen.
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