European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00219.21H.0223.000
Spruch:
Der Antrag auf Berichtigung der Bezeichnung der Antragsgegnerin wird abgewiesen.
Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Revisionsrekursverhandlung wird abgewiesen.
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Mutter der beiden, jeweils über 14‑jährigen Minderjährigen stellte im eigenen Namen wegen „Kindeswohlgefährdung“ im Wesentlichen gleichlautende Anträge gegen „das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, vertreten durch die Bildungsdirektion für O*, vertreten durch die jeweilige Schule“ gerichtet auf „Unterlassung“. Die Antragsgegner hätten es zu unterlassen, den Kindern „– im Rahmen der Pandemiebekämpfung – in (den von ihnen) besuchten Schulen Maßnahmen anzuordnen oder vorzuschreiben, die die Gefährdung (ihres) Kindeswohls bewirken, wie insbesondere,
a) im Unterricht und auf dem Schulgelände Gesichtsmasken aller Art, insbesondere
Mund-Nasen-Schutz (MNS), sog. qualifizierte Masken (OP‑Maske, FFP1 oder FFP2‑Maske) oder andere, zu tragen;
b) Mindestabstände untereinander oder zu anderen Personen einzuhalten, die über das vor dem Jahr 2020 Gekannte hinausgehen;
c) an Schnelltests oder PCR‑Tests zur Feststellung des Virus SARS‑CoV‑2 teilzunehmen;
3. (die Kinder) bei Nichteinhaltung der in Pkt 2. angeführten Maßnahmen vom Präsenzunterricht auszuschließen.“
[2] Zugleich beantragte die Mutter die Erlassung einstweiliger Verfügungen, wonach den bezeichneten „Gegnern der gefährdeten Partei“ gegenüber gemäß „§ 389 iVm § 382e EO“ (gemeint wohl: § 382c EO) mit den Sachanträgen im Wesentlichen übereinstimmende Verbote auferlegt werden sollen.
[3] Die Mutter brachte zusammengefasst vor, ihre Kinder seien nicht geimpft, fänden die in den Schulen vorgesehenen PCR‑Tests „extrem unangenehm“ und sähen sich zunehmendem Druck seitens der Lehrerschaft und der Mitschüler ausgesetzt. Das Tragen der Masken sei unzumutbar und es könnten die notwendigen Maskenpausen nicht eingehalten werden, wodurch es bei beiden zu gesundheitlichen Problemen komme. Das Familiengericht sei zur Wahrung des Kindeswohls zuständig; elterliche Rechte seien absolute Rechte und Dritten seien Eingriffe grundsätzlich verwehrt.
[4] Das Erstgericht wies sämtliche Anträge a limine wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück.
[5] Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs nicht Folge.
[6] In Art 8 EMRK, auf den sich die Antragstellerin berufe, sei ein Gesetzesvorbehalt zum Schutz der Gesundheit vorgesehen und der Verfassungsgerichtshof habe bereits in mehreren Erkenntnissen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie als damit übereinstimmend erachtet. Maßnahmen nach dem SchUG seien Akte der Hoheitsverwaltung. Mit den auf § 139 ABGB gestützten Anträgen werde letztlich ein Verbot solcher Maßnahmen angestrebt, wofür der Rechtsweg nicht zur Verfügung stehe.
[7] Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob die Zivilgerichte zur Wahrung des Kindeswohls Maßnahmen setzen könnten, die in behördliches Handeln (insbesondere) der Schulbehörden eingreifen.
Rechtliche Beurteilung
[8] Der Revisionsrekurs, der auch einen Antrag auf Berichtigung der Parteibezeichnung auf „Republik Österreich“ sowie einen solchen auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung enthält, ist, soweit er die Zurückweisung der Anträge auf Erlassung einstweiliger Verfügungen betrifft, absolut, und im Übrigen entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.
[9] 1. Im Außerstreitverfahren ist unter bestimmten Voraussetzungen eine Änderung der ursprünglich unrichtig bezeichneten Partei ohne formelle Beschlussfassung darüber zulässig (vgl 3 Ob 156/13g). Über einen darauf gerichteten Antrag kann auch unmittelbar der Oberste Gerichtshof entscheiden (vgl 3 Ob 47/00h). Der Berichtigungsantrag ist allerdings nicht berechtigt, weil aus dem Inhalt der Anträge nicht vernünftig nachvollziehbar ist, gegen wen sich die Unterlassungsaufträge in Wahrheit richten sollen, werden doch die konkreten Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung, die nach dem Willen der Mutter unterbunden werden sollen, in der betreffenden Schule und konkret gegenüber den Kindern der Antragstellerin, weder von der „Republik Österreich“ noch vom „Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung“ angeordnet.
[10] 2. Der Antrag auf Durchführung einer Revisionsrekursverhandlung ist ebenfalls abzuweisen, weil der Oberste Gerichtshof auch im Außerstreitverfahren nicht Tatsachen‑, sondern ausschließlich Rechtsinstanz ist, Beweisaufnahmen vor dem Obersten Gerichtshof nicht stattzufinden haben und die Antragstellerin in ihrem Rechtsmittel ausreichend Gelegenheit zur Darlegung ihres Rechtsstandpunkts hatte (vgl RIS‑Justiz RS0043689 [T4]).
[11] 3. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist der Revisionsrekurs gegen eine Entscheidung, mit der die ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners beschlossene Abweisung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung bestätigt wurde, nach §§ 78 und 402 Abs 2 und 4 EO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig (RS0012260). Daran anknüpfend gelangte die jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Ergebnis, Gleiches müsse auch dann gelten, wenn der Sicherungsantrag ohne Anhörung des Gegners aus formellen Gründen zurückgewiesen wurde, biete doch § 402 Abs 2 EO keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Anfechtbarkeit der Bestätigung eines ohne Anhörung des Antragsgegners zurückgewiesenen Sicherungsantrags anders zu beurteilen sei als die Bestätigung eines ohne Anhörung des Antragsgegners abgewiesenen Sicherungsantrags (RS0117002; zuletzt 7 Ob 3/22z mwN). Der Revisionsrekurs ist daher – soweit er sich gegen die Zurückweisung der Anträge auf Erlassung einstweiliger Verfügungen richtet – gemäß §§ 78 und 402 Abs 2 und 4 EO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.
[12] 4.1 Nach ständiger Rechtsprechung wird die Erteilung des Unterrichts einschließlich der Beaufsichtigung der Schüler hoheitlich ausgeübt (vgl RS0049933; RS0022978; RS0050061 [insb T1]). Ist eine Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur, sind auch alle mit ihrer Erfüllung verbundenen Verhaltensweisen als in Vollziehung der Gesetze erfolgt anzusehen, wenn sie nur einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe aufweisen (RS0049948; vgl auch RS0049897; RS0050075).
[13] 4.2 Die von der Antragstellerin bekämpften Maßnahmen sind schulische Sicherheitskonzepte im Kontext der epidemiologischen Situation in Österreich und speziell an Schulen. Diese beruhen auf einer entsprechenden Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID‑19‑Folgenim Schulwesen für das Schuljahr 2021/22 (COVID‑19‑Schulverordnung 2021/22) und sind damit Ausfluss hoheitlicher Verwaltung (vgl dazu auch VfGH V155/2021).
[14] 4.3 Der Rechtsweg ist für Begehren ausgeschlossen, mit denen Gerichte einem Rechtsträger ein bestimmtes hoheitliches Tun oder Unterlassen auftragen sollen; einem solchen Begehren steht der Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung entgegen (vgl RS0010522 [T4, T5]). Ein Gericht kann daher einer Verwaltungsbehörde nicht mit einstweiliger Verfügung verbieten, in Verwaltungsangelegenheiten tätig zu werden (vgl RS0010522 [T8]). Die vom Rekursgericht aufgeworfene Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs ist daher durch bereits vorliegende Rechtsprechungsgrundsätze hinreichend geklärt. Die Zurückweisung der Sachanträge durch die Vorinstanzen steht mit dieser Rechtsprechung im Einklang und ist daher nicht zu beanstanden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)