European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E121411
Spruch:
Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die im Umfang der rechtskräftigen Abweisung des Klagebegehrens hinsichtlich der Unterhaltsrückstände unberührt bleiben, werden im Umfang des gegen die zweitbeklagte Partei erhobenen Begehrens (hinsichtlich eines laufenden, 245 EUR monatlich übersteigenden, ab 1. Jänner 2016 zu leistenden Unterhalts) aus Anlass des Rekurses einschließlich des durchgeführten Verfahrens ab Klagszustellung als nichtig aufgehoben.
Das von der klagenden Partei gegen die zweitbeklagte Partei erhobene Begehren ist im außerstreitigen Verfahren zu behandeln und zu erledigen. Die in diesem Umfang in einen verfahrenseinleitenden Antrag umzudeutende Klage wird an das Erstgericht zur Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des für nichtig erklärten Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Begründung:
Der Kläger war mit der Erstbeklagten verheiratet; die Zweitbeklagte ist ihre gemeinsame (seit der Geburt im März 1974 schwerst behinderte) erste Tochter. Anlässlich ihrer Scheidung am 2. Februar 1995 schlossen der Kläger und die Erstbeklagte einen (vom Erstgericht protokollierten) Vergleich, in dem sich der Kläger (ua) verpflichtete, den (drei) gemeinsamen Kindern bis zu deren Selbsterhaltungsfähigkeit je einen monatlichen Unterhalt von 6.000 ATS pro Kind (wertgesichert; Verbraucherpreisindex) zu leisten, wobei festgehalten wurde, dass die Grundlage dieser Unterhaltsbemessung „ein monatliches durchschnittliches Nettoeinkommen des Vaters von 31.000 ATS (12 x jährlich)“ war. Die Zweitbeklagte wohnte (bereits) zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses im Februar 1995 in einem Wohnheim, in dem sie auch nächtigte; tagsüber befand sie sich in einer Tagesgruppe. Der Vergleich wurde am 27. April 1995 vom Erstgericht pflegschaftsgerichtlich genehmigt (1 SW 7/93-15).
Aufgrund dieses Vergleichs wurde den beiden Beklagten am 11. Mai 2015 gegen den Kläger die Forderungs- und Fahrnisexekution zur Hereinbringung von (näher aufgeschlüsselten Unterhaltsrückständen sowie) laufendem Unterhalt (zuletzt insgesamt 932,62 EUR monatlich) bewilligt (davon 621,75 EUR für die Zweitbeklagte).
Der Kläger begehrt (soweit noch Gegenstand des Verfahrens), den Anspruch der Zweitbeklagten auf laufenden Unterhalt ab 1. Jänner 2016, soweit er 245 EUR monatlich übersteigt, für erloschen zu erklären.
Das Erstgericht wies die gesamte Klage ab. Das Berufungsgericht hob das Urteil, das der Kläger nur hinsichtlich des seiner Tochter ab 1. Jänner 2016 zu leistenden Unterhalts, soweit dieser 245 EUR monatlich übersteigt, bekämpfte, in diesem Umfang auf. Im Übrigen erwuchs das Urteil des Erstgerichts in Rechtskraft.
Rechtliche Beurteilung
Aus Anlass des erhobenen Rechtsmittels sind die Entscheidungen der Vorinstanzen in diesem Umfang aufzuheben und es ist wahrzunehmen, dass das erhobene Begehren dem außerstreitigen Verfahren unterliegt:
1. Gemäß § 35 Abs 2 Satz 3 EO in der auf die am 15. Juni 2015 eingebrachte Oppositionsklage anzuwendenden Fassung der EO-Novelle 2014 (§ 417 Abs 3 EO idF BGBl I 2014/69 [nunmehr: § 446 Abs 3 EO]) sind Einwendungen gegen einen in einer Unterhaltssache ergangenen Exekutionstitel bei dem für diese Sache zuständigen Gericht in der dafür vorgesehenen Verfahrensart geltend zu machen. Ob im Streit- oder im Außerstreitverfahren zu entscheiden ist, richtet sich danach, in welcher Verfahrensart im Zeitpunkt der Einbringung des Oppositionsbegehrens über den Unterhaltsantrag zu entscheiden wäre (Jakusch in Angst/Oberhammer, EO³ § 35 Rz 81/1).
2. Da auch gesetzliche Unterhaltsansprüche volljähriger Kinder im Außerstreitverfahren geltend zu machen sind (RIS-Justiz RS0119814 [T1]), ist die gegen die Zweitbeklagte erhobene Oppositionsklage in einen im Außerstreitverfahren zu behandelnden Sachantrag (Oppositionsantrag) umzudeuten (RIS-Justiz RS0116390 [insb T4]):
§ 40a JN ist auch dann anzuwenden, wenn sich die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs erst im Rechtsmittelverfahren herausstellt (RIS-Justiz RS0046245), sofern – wie hier – noch keine bindende Gerichtsentscheidung über diese Voraussetzung ergangen ist. Hier ist daher nach § 40a JN auszusprechen, dass die Klage vom zuständigen Erstgericht als Antrag im außerstreitigen Verfahren zu behandeln ist, weil die Zweitbeklagte ihren allgemeinen Gerichtsstand im Sprengel des Erstgerichts hat (§ 114 Abs 2 JN iVm § 35 Abs 2 Satz 3 EO).
Aus dem angeschlossenen Scheidungsakt geht hervor, dass die Erstbeklagte im Jahr 1995 Sachwalterin der Zweitbeklagten war; das Erstgericht wird dies im außerstreitigen Verfahren über den Oppositionsantrag zu berücksichtigen haben.
3. Die Kostenentscheidung, die nach den Regeln der durch den verfahrenseinleitenden Antrag bestimmten Verfahrensart zu ergehen hat (RIS-Justiz RS0046245), beruht auf § 51 Abs 2 ZPO. Da es keiner der Parteien als Verschulden zugerechnet werden kann, dass das Verfahren trotz des vorliegenden Nichtigkeitsgrundes (Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs) eingeleitet und fortgeführt wurde (die Zweitbeklagte hat keine entsprechende Einrede erhoben), hat jede Partei die ihr im für nichtig erklärten Verfahren entstandenen Kosten selbst zu tragen.
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