Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die klagende Republik ist Vertragsstaat des am 20. März 1978 in Österreich in Kraft getretenen Zollabkommens über den internationalen Warentransport mit Carnets TIR vom 14. November 1975 (BGBl 1978/112 idgF - im Folgenden TIRAbk) und verfolgt ihre Ansprüche gegen den beklagten Verein, einen Verband gemäß Art 6 Abs 1 TIRAbk mit Sitz in Österreich, aufgrund des Bürgschaftsvertrags vom 17./29. Juni 1999 (Art 8 TIRABk). Die verbürgte Einfuhrzollschuld einer näher genannten türkischen Gesellschaft entstand am 2. Mai 2001 in Kalsdorf, Österreich, durch Öffnen eines in der Türkei angelegten Zollverschlusses ohne Beisein der Zollorgane (Art 204 Abs 1 der Verordnung [EWG] Nr 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften [kurz Zollkodex, im Folgenden nur ZK]). Beide Vorinstanzen entschieden im Sinn des Klagebegehrens.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist nicht zulässig.
Auch eine aufgrund des Art 8 TIRAbk eingegangene Bürgschaftsverpflichtung ist zivilrechtlicher Natur (EuGH 15. Mai 2003, Rs C-266/01 , Préservatrice foncière TIARD SA, Slg 2003, I-4867, zitiert bei Kampf in Witte, Zollkodex4 Art 91 Rz 19; ebenso der Sache nach 1 Ob 40/03v = SZ 2003/61 = RdW 2003, 569). Die bisher nicht thematisierte Frage nach dem anwendbaren Recht bei Auslandsberührung ist nach Art 4 Abs 1 und 2 EVÜ - selbst mangels nicht behaupteter Rechtswahl - im Sinn der Anwendung österreichischen Zivilrechts zu lösen, weil zu diesem Staat die engsten Verbindungen bestehen und auch die beklagte Partei als Schuldnerin hier ihre charakteristische Leistung („Bürgschaft") zu erbringen hat (Verschraegen in Rummel³, Art 4 EVÜ Rz 17).
Der Bürge, der sich für eine Schuld, für die - wie hier - kein Exekutionstitel bestand, verbürgte, kann ungeachtet eines zwischen dem Gläubiger und Hauptschuldner später ergangenen rechtskräftigen Urteils (in casu: Bescheids) Einwendungen gegen die Schuld geltend machen, die geltend zu machen der Hauptschuldner in dem gegen ihn abgeführten Verfahren unterließ (1 Ob 694/89 = SZ 63/4 = JBl 1990, 662 = EvBl 1990/89 mwN; vgl RIS-Justiz RS0032108).
Bei ihren Ausführungen zum Vorliegen erheblicher Rechtsfragen im Sinn
des § 502 Abs 1 ZPO lässt die beklagte Partei außer Acht, dass der
Oberste Gerichtshof als oberste Instanz in Zivil- und
Strafrechtssachen (Art 92 Abs 1 B-VG) nicht zur Wahrung von
Rechtseinheit, -sicherheit und -entwicklung auf dem Gebiet des
Verwaltungsrechts berufen ist, egal ob dieses aus inländischen
Rechtsquellen, zwischenstaatlichen Übereinkommen oder Europäischem
Recht stammt. Dementsprechend verneint der Oberste Gerichtshof auch
regelmäßig seine Leitfunktion in (den hier einschlägigen Zollsachen
vergleichbaren) Steuersachen; Vorfragen aus diesem Rechtsgebiet hat
er demnach nur zu entscheiden, wenn den Vorinstanzen eine grobe
Fehlbeurteilung unterlaufen ist (5 Ob 99/00w = EvBl 2000/186 =
immolex 2000, 281 = wobl 2001, 339 mwN ua; RIS-Justiz RS0113455,
Es begründet daher für sich allein noch keine erhebliche Rechtsfrage, dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu fehlt, ob der beklagte Verband in Anspruch genommen werden könne a) bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art 239 ZK iVm Art 900 Abs 1 lit der Verordnung [EWG] Nr 2454/93 der Kommission mit Durchführungsvorschriften zum ZK [kurz ZK-DVO] überhaupt und b) obwohl in einem anderen Mitgliedstaat der EU (in casu: Frankreich) „die" Einfuhrabgaben vollständig nach ordnungsmäßiger Gestellung der Waren bezahlt worden seien.
Zur zweiten Frage vermeint offenbar die beklagte Partei, wie aus ihrer Rechtsrüge zu diesem Punkt zu folgern ist, die österreichischen Zollbehörden hätten die ordnungsgemäße Gestellung der hier in Rede stehenden Waren in Frankreich sowie die Abgabenentrichtung dort ermitteln müssen und darauf aufbauend die Abgaben nicht der Hauptschuldnerin vorschreiben dürfen. Allerdings war genau die von der beklagten Partei als erheblich angesehene Frage Gegenstand der vom Erstgericht verwerteten Entscheidungen im Zollverfahren (zuletzt VwGH vom 2. Juni 2005, Zl 2004/16/0266-8), weil sich aus diesen ergibt. Dessen ungeachtet blieben die Rechtsmittel der Hauptschuldnerin erfolglos. Eine erhebliche Fehlbeurteilung oder ein Abweichen von der gängigen Entscheidungspraxis (vgl dazu 4 Ob 34/08s = MR 2008, 166) insbesondere des Verwaltungsgerichtshofs als dem zur Auslegung des Zoll-(verfahrens-)rechts berufenen Höchstgericht kann die beklagte Partei nicht aufzeigen.
Selbst wenn man zur ersten Frage, die nicht weiter zu prüfende, für den Standpunkt der beklagten Partei günstige Meinung verträte, im Fall der Untätigkeit des Hauptschuldners könne auch der Bürge den Erlass oder die Erstattung der Einfuhrabgaben geltend machen, wäre die einjährige Frist des Art 239 Abs 2 ZK längst abgelaufen, weil allein zwischen der Berufungsvorentscheidung und dem genannten VwGH-Erkenntnis fast vier Jahre vergingen. Eine Fristverlängerung durch die Zollbehörden wird in der außerordentlichen Revision ebenso wenig behauptet wie das Vorliegen berücksichtigungswürdige Gründe. Im Übrigen vermag die beklagte Partei der vorinstanzlichen Rechtsansicht, sie habe zur mangelnden offensichtlichen Fahrlässigkeit im Sinn des Art 239 Abs 1 ZK in erster Instanz kein ausreichendes Vorbringen erstattet, nichts Stichhaltiges entgegenzusetzen. Hinweise auf Beweisergebnisse des Zollverfahrens können solches Vorbringen nicht ersetzen.
Der Vollständigkeit halber ist zu ergänzen, dass die beklagte Partei der Rechtsansicht der zweiten Instanz zur Fälligkeit der (im Sinn der Entscheidung 1 Ob 40/03v nicht gesamtschuldnerischen) Bürgschaft nach Art 8 Abs 7 TIRAbk zu Unrecht ein Kommentarzitat (Witte in Witte, Zollkodex³, Art 204 Rz 68, ebenso nunmehr aaO in der vierten Auflage) entgegenhält, weil dort die Eigenschaft des „Warenführers" als Zollschuldner nur für den hier nicht vorliegenden Fall eines Transports im „externen gemeinschaftlichen Versandverfahren" vertreten wird. Dieser ist bei einem „externen Versandverfahren" nach Art 91 Abs 2 ZK von der Beförderung mit Carnet TIR zu unterscheiden. Zu diesem hier angewendeten Transportverfahren geht aber Witte (aaO ZK³ und ZK4, je Rz 67), wie zutreffend schon vom Erstgericht zitiert, gerade nicht von einer Zollschuld des Dienstnehmers des „Inhabers des Zollverfahrens" aus. Damit wäre er aber auch nicht unmittelbarer Schuldner im Sinn des Art 8 Abs 7 TIRAbk.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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