OGH 3Ob197/14p

OGH3Ob197/14p21.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Zwangsversteigerungssache der betreibenden Partei I***** Gesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch Mag. Michael Rettenwander, Rechtsanwalt in Saalfelden, gegen die verpflichtete Partei A*****, vertreten durch Dr. Sylvia Hochreiter, Rechtsanwältin in Salzburg, wegen 50.000 EUR sA, über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 27. August 2014, GZ 22 R 218/14h, 22 R 226/14k‑46, womit über Rekurs der verpflichteten Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Saalfelden vom 21. März 2014, GZ 1 E 14/12w‑36 (Beitrittsakt 1 E 2/14h), abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00197.14P.0121.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Beide Parteien haben die Kosten ihrer Rechtsmittelschriften selbst zu tragen.

 

Begründung:

Die Betreibende, eine Immobilien GmbH & Co KG mit Sitz in Deutschland, beantragt die Zwangsversteigerung einer Liegenschaft der Verpflichteten zur Hereinbringung einer Forderung von 50.000 EUR sA. Als Exekutionstitel wurde ein am 19. April 2013 von einem österreichischen öffentlichen Notar errichteter, als Schuld- und Pfandbestellungsvertrag bezeichneter Notariatsakt genannt und vorgelegt, der ua folgenden Inhalt hat:

PRÄAMBEL

1.  [Die Verpflichtete] ist Alleineigentümerin der Liegenschaft […]

2. Aufgrund des bereits eingeleiteten Zwangsversteigerungsverfahrens soll am […] die Zwangsversteigerung […] stattfinden.

3. Der Darlehensgeber ist in Kontakt mit den Pfandgläubigern und beabsichtigt nunmehr die Einlösung der Forderungen der grundbücherlich sichergestellten Pfandgläubiger, damit das eingeleitete Zwangsversteigerungsverfahren in der Folge eingestellt werden kann.

[...]

Erstens: [...]

[Die Verpflichtete] erhält von [der Betreibenden] ein Darlehen in Höhe von € 350.000,00 […] zu den Bedingungen dieses Vertrags zugezählt.

Zweitens: […]

Der Darlehensbetrag in Höhe von € 350.000,00 […] ist nach Vertragserrichtung und […] entsprechend den Anforderungen der Gläubiger dem Darlehensnehmer zuzuzählen, wobei zwischen den Vertragspartnern Einvernehmen darüber besteht, dass der Darlehensgeber aus der Darlehensvaluta jeweils im Auftrag und auf Rechnung des Darlehensnehmers die zur Einlösung der pfandrechtlich im Grundbuch sichergestellten Forderungen erforderlichen Zahlungen unverzüglich leisten wird. […]

Drittens: WERTSICHERUNG [...]

Viertens: VERZINSUNG

Darüberhinaus sind für den jeweils offenen Darlehensbetrag Zinsen in Höhe […] , höchstens jedoch 12 % […] Zinsen jährlich. Die jährlichen Zinsen sind vom Darlehensnehmer jeweils bis längstens 30. 04. […] eines jeden Jahres […] zu bezahlen. […]

Fünftens: RÜCKZAHLUNG

Der gesamte Darlehensbetrag ist bis längstens 31. 12. 2013 […] zur Rückzahlung fällig, wobei es dem Darlehensnehmer vorbehalten bleibt, einzelne Raten zu bezahlen, […], oder den gesamten Darlehensbetrag bei Fälligkeit zu bezahlen. […]

Sechstens: PFANDBESTELLUNG

Zur Sicherung dieser Forderung von € 350.000,00 […] samt Anhang und [Nebengebühren], und zwar bis zum Höchstbetrag von € 70.000,00 […] , bestellt [die Verpflichtete] die ihr gehörige Liegenschaft […] zum Pfand […].

Siebentens: VOLLSTRECKBARKEIT

Die Darlehensnehmerin […] erteilt ihre ausdrückliche Zustimmung, dass der Notariatsakt hinsichtlich aller von ihr in diesem übernommenen Verbindlichkeiten und der darin von ihr anerkannten Schuld gemäß § 3a […] Notariatsordnung sofort vollstreckbar sein soll. Der Pfandbesteller erteilt seine Einwilligung, dass diese Vollstreckbarkeit […] ob der Liegenschaft […] angemerkt werden kann. [...]“

 

Beim im Grundbuch für die Betreibende einverleibten Pfandrecht ist die Vollstreckbarkeit gemäß § 3 NO angemerkt.

Das Erstgericht (= Buchgericht) bewilligte den Exekutionsantrag in Gestalt der Bewilligung des Beitritts zu einem noch nicht eingestellten Zwangsversteigerungsverfahren.

Das Rekursgericht wies den Exekutionsantrag ab, weil der betriebene Anspruch nicht hinreichend individualisiert sei. Selbst wenn die Rückzahlung des Darlehens gleichzeitig grundbücherlich abgesichert worden sei, ergebe sich die Höhe der tatsächlich zugezählten Darlehenssumme aus diesem Notariatsakt nicht, sodass der Exekutionstitel in Bezug auf die Höhe der tatsächlichen Schuld unbestimmt bleibe. Werde die Rückzahlung in einer bestimmten Höhe vereinbart und gleichzeitig festgehalten, dass noch gar nicht feststehe, ob in dieser Höhe überhaupt ein Darlehen zugezählt ‑ also der eingeräumte Kreditrahmen tatsächlich ausgeschöpft ‑ werde, fehle es auch an den Mindesterfordernissen für die Angaben über die Entstehung des Anspruchs. Es sei auch nicht zumindest konkret behauptet und nachgewiesen (§ 7 Abs 2 EO) worden, dass die betriebene Darlehensforderung auch tatsächlich zur Auszahlung gelangt sei. Da zur Frage, ob aufgrund eines mit vollstreckbarem Notariatsakt eingeräumten Kreditrahmens ohne Anführung der konkret zugezählten Darlehenssumme die Bewilligung einer Zwangsversteigerung erwirkt werden könne, eine höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht bestehe, wurde der ordentliche Revisionsrekurs zugelassen.

Dagegen richtet sich der von der Betreibenden erhobene Revisionsrekurs mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Wiederherstellung der erstgerichtlichen Exekutionsbewilligung, hilfsweise auf Aufhebung in die zweite Instanz. Sie macht geltend, aus dem Notariatsakt ergebe sich klar, dass die Verpflichtete einen Darlehensbetrag von 350.000 EUR schulde. Wie hoch der tatsächlich zugezählte Darlehensbetrag sei, betreffe eine nicht bei der Exekutionsbewilligung zu prüfende Frage; die Verpflichtete könne die Behauptung, weniger zu Schulden als im Exekutionstitel angegeben, nur mit Oppositionsklage einwenden. Die in Exekution gezogene Forderung von 50.000 EUR finde ohne Zweifel im Exekutionstitel Deckung. Die Forderung der Betreibenden sei auch ausreichend bestimmt, weil die Verpflichtete im Notariatsakt bestätigt habe, dass sie zur Rückzahlung der Darlehenssumme von 350.000 EUR verpflichtet sei. Selbst wenn der Verpflichteten der Darlehensbetrag nicht auf einmal und nicht zur Gänze zugezählt worden wäre, schulde sie aufgrund des vollstreckbaren Notariatsakts doch die Rückzahlung des erhaltenen Betrags.

Die Verpflichtete erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung, in der sie sowohl die Zulässigkeit als auch die inhaltliche Berechtigung des Revisionsrekurses bestreitet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig , weil zur Frage, ob aufgrund eines vollstreckbaren Notariatsakts (§ 1 Z 17 EO iVm § 3 NO), mit dem ein Darlehensvertrag geschlossen wurde, dessen Inhalt jedoch nicht erkennen lässt, ob der Kreditbetrag vereinbarungsgemäß bereits ausgezahlt wurde, wegen der Forderung auf Rückzahlung (eines Teils) des Kreditbetrags die Exekution bewilligt werden kann, noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt. Das Rechtsmittel ist allerdings nicht berechtigt .

1.

  Nach § 3 NO ist ein Notariatsakt nur dann wie ein vor Gericht abgeschlossener Vergleich exekutionsfähig, wenn a) darin eine Verpflichtung zu einer Leistung oder Unterlassung festgestellt wird (abgesehen von einer hier nicht relevanten Ausnahme); b) die Person des Berechtigten und des Verpflichteten, der Rechtstitel, der Gegenstand, die Art, der Umfang und die Zeit der Leistung oder Unterlassung zu entnehmen sind; c) über die Verpflichtung nach lit a ein Vergleich zulässig ist; d) der Verpflichtete in diesem oder in einem gesonderten Notariatsakt erklärt hat, dass der Notariatsakt sofort vollstreckbar sein soll.

2.

  Zu dem in § 3 lit b NO genannten Erfordernis, dass dem Notariatsakt der „Rechtstitel“ (Rechtsgrund) zu entnehmen sein muss, hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass die Angaben im Notariatsakt zwar nicht eine Prüfung des Exekutionsgerichts ermöglichen müssen, ob der zu vollstreckende Anspruch tatsächlich zu Recht besteht, wohl aber eine Prüfung, ob der dem in Exekution gezogenen Anspruch zugrunde liegende Rechtsgrund schlüssig dargestellt wurde und wirksam zustande gekommen sein konnte (3 Ob 85/13s; 3 Ob 91/13y je mwN); es sind also die Mindesterfordernisse für die Entstehung des Anspruchs anzuführen (RIS-Justiz RS0065266; Jakusch in Angst ² § 1 EO Rz 101; Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner § 1 EO Rz 144).

Bei der Bewilligung der Exekution aufgrund eines vollstreckbaren Notariatsakts hat das Exekutionsgericht lediglich aufgrund der aus der Urkunde selbst ersichtlichen Umstände die Vollstreckbarkeit des Notariatsakts zu prüfen ( Jakusch in Angst ² § 1 EO Rz 106).

3.  Die betriebene Forderung entspringt im vorliegenden Fall einem Darlehensvertrag. Der wegen des Sitzes der Betreibenden (= Darlehensgeberin) in Deutschland anstehenden Frage nach dem anzuwendenden materiellen Recht kommt keine entscheidungsrelevante Bedeutung zu, weil die hier zu beurteilenden Rechtsfragen sowohl in Deutschland (vgl Art 4 Abs 1 lit b und Abs 2 Rom I-VO) als auch in Österreich (vgl Art 6 Rom I-VO) dieselbe Regelung erfahren haben.

3.1.  Beim (hier wegen der Vereinbarung der Verzinsung gegebenen) entgeltlichen Darlehensvertrag handelt es sich nämlich in beiden Rechtsordnungen (nunmehr) um einen Konsensualvertrag ( K. P. Berger in MünchKomm BGB 6 § 488 Rz 1; Rohe in Beck'scher OnlineKomm BGB § 488 Rz 2; Perner in Schwimann/Kodek 4 § 983 ABGB Rz 2 uva), der unabhängig von der Übergabe der Darlehensvaluta bereits mit der Einigung der Parteien zustande kommt.

3.2.  § 488 Abs 1 BGB legt für den Gelddarlehensvertrag fest, dass der Darlehensgeber verpflichtet ist, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen; der Darlehensgeber ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen. Der Darlehensgeber kann seine Pflicht zur Hingabe des Darlehens auch dadurch erfüllen, dass er den Geldbetrag einem Dritten zur Verfügung stellt. Der Eintritt der Erfüllungswirkung setzt voraus, dass die Valuta auf Veranlassung des Darlehensnehmers und in seinem Interesse an den Dritten ausgezahlt wird ( K. P. Berger in MünchKomm BGB 6 § 488 Rz 33; Rohe in Beck'scher OnlineKomm BGB § 488 Rz 16). Die Rückzahlungspflicht verlangt schon begriffsnotwendig, dass der Darlehensnehmer den Geldbetrag zur Verfügung gestellt bekommen hat; der Rückzahlungsanspruch entsteht daher erst mit Erhalt des Darlehens auf der Grundlage eines wirksamen Darlehensvertrags ( K. P. Berger in MünchKomm BGB 6 § 488 Rz 44; Rohe in Beck'scher OnlineKomm BGB § 488 Rz 34).

3.3.  Auch nach der durch das Darlehens- und Kreditrechts-Änderungsgesetz (DaKRÄG) in Österreich geschaffenen Rechtslage steht beim Gelddarlehen der Pflicht des Kreditgebers, dem Kreditnehmer einen Geldbetrag (zum Abruf) zur Verfügung zu stellen, die Pflicht des Kreditnehmers gegenüber, nach Ende des Kreditvertrags den Kreditbetrag samt den noch zu leistenden Zinsen zurückzuzahlen (§§ 983 iVm 988 und 989 Abs 2 ABGB).

Dementsprechend kann die Übergabe des Kreditbetrages nicht nur an den Kreditnehmer selbst, sondern auch mittelbar dadurch erfolgen, dass der Gläubiger die Kreditsumme nicht dem Schuldner, sondern vereinbarungsgemäß einem Dritten, etwa einem anderen Gläubiger übergibt (RIS-Justiz RS0019277). Die inhaltsgleiche Konstruktion bedeutet auch für den österreichischen Rechtsbereich, dass der Rückzahlungsanspruch erst mit der Erfüllung der Hauptleistungspflicht durch den Kreditgeber entsteht.

4.  Dem vorliegenden Notariatsakt ist daher das wirksame Zustandekommen eines Gelddarlehens-/Kreditver-trags zu entnehmen. Daraus ergibt sich aber auch, dass die Zuzählung des Geldbetrags nicht unmittelbar an die Verpflichtete erfolgen wird, sondern an deren (damalige) Pfandgläubiger. Entscheidend ist jedoch, dass aus dem Notariatsakt nicht hervorgeht, dass die Betreibende ihre Pflicht aus dem Gelddarlehens-/Kreditvertrag bereits erfüllt hat. Deshalb bleibt nach dessen Inhalt unklar, ob die mit dem vorliegenden Exekutionsbewilligungsantrag betriebene Forderung auf Rückzahlung des Darlehens-/Kreditbetrags bereits entstanden ist.

Im Ergebnis wurde somit unterlassen, im Notariatsakt alle Mindesterfordernisse für die Entstehung des betriebenen Anspruchs anzuführen, weshalb die im § 3 lit b NO normierten Voraussetzungen für seine Vollstreckbarkeit nicht erfüllt sind. Dabei geht es nicht um solche, die nach Titelschaffung allenfalls zum Erlöschen des titulierten Anspruchs geführt haben könnten, sondern um solche, die Voraussetzung für dessen Entstehung sind; schon deshalb handelt es sich nicht um einen Oppositionsgrund.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO iVm §§ 50, 40 ZPO. Das Rechtsmittelverfahren in Exekutionssachen ist ‑ von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen ‑ stets einseitig ausgestaltet (RIS-Justiz RS0116198; § 65 Abs 3 EO). Dies gilt auch für das Rechtsmittelverfahren vor dem Obersten Gerichtshof. Die Revisionsrekursbeantwortung ist zwar nicht zurückzuweisen, führt aber zu keinem Kostenersatz (RIS-Justiz RS0118686 [T11 und T12]). Die Betreibende hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

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