OGH 3Ob197/09f

OGH3Ob197/09f22.10.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei P*****gesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die verpflichteten Parteien 1. Josef G*****, 2. Mario G*****, beide vertreten durch Dr. Hubert Köllensperger und Mag. Wolfgang Stockinger, Rechtsanwälte in Wels, wegen Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 28. Juli 2009, GZ 14 R 55/09w-26, womit der Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Traun vom 10. Februar 2009, GZ 10 E 18/08x-20, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die betreibende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die betreibende Partei sowie beide verpflichteten Parteien sind je zu einem Drittel Miteigentümer einer Liegenschaft. Der betreibenden Partei wurde zum Zwecke der Auseinandersetzung gemäß § 352 EO die Exekution durch gerichtliche Versteigerung dieser Liegenschaft bewilligt. Da beim Versteigerungstermin kein Bietangebot abgegeben worden war, leitete das Erstgericht das schriftliche Anbotsverfahren gemäß § 352b Z 3 und 4 EO ein und setzte eine Frist von sechs Wochen fest, innerhalb derer schriftliche Anbote an das Gericht zu richten seien. In der Tagsatzung vom 10. Februar 2009 wurden die an das Gericht gesandten schriftlichen Anbote geöffnet. Unter diesen Anboten befand sich jenes der betreibenden Partei über 700.001 EUR, weiters das Anbot eines anderen Bieters über 800.000 EUR.

Das Erstgericht erteilte diesem Bieter als Höchstbietenden den Auftrag zum Erlag des Vadiums. Es begründete seine Entscheidung dahin, es sei dem Höchstbietenden noch in der Tagsatzung zur Anbotseröffnung gelungen, in seinem schriftlichen Anbot enthaltene Undeutlichkeiten in Bezug auf seine Identität klarzustellen und zu beseitigen.

Die als Mitbieterin übergangene betreibende Partei verlangte daraufhin Beschlussausfertigung.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der betreibenden Partei als unzulässig zurück. Auf die Vollstreckung des Anspruchs der gerichtlichen Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft zum Zwecke der Auseinandersetzung seien die Bestimmungen über die Zwangsversteigerung von Liegenschaften - darunter auch § 239 Abs 2 EO - sinngemäß anzuwenden. Der abgesonderte Rekurs gegen den Beschluss, mit dem der Erlag des Vadiums aufgetragen worden sei, sei demnach unzulässig. Die Anfechtung hätte mit dem Rekurs gegen die Erteilung oder Versagung des Zuschlags verbunden werden müssen. Die Tagsatzung zur Anbotsöffnung komme im Wesentlichen dem Versteigerungstermin gleich. Darüber hinaus sei die betreibende Partei durch den angefochtenen Beschluss nicht beschwert.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, da keine Rechtsprechung zur Frage bestehe, ob die Bestimmung des § 239 Abs 2 EO sinngemäß auch auf die während der Tagsatzung zur Anbotsöffnung gefassten und verkündeten Beschlüsse anzuwenden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Zur Statthaftigkeit eines abgesonderten Rekurses gegen den in der Tagsatzung zur Anbotsöffnung nach § 352b Z 4 EO erteilten Auftrag zum Erlag des Vadiums:

1.1. Eine Stellungnahme zu diesem Problem ist auch in der bisherigen Literatur nicht auffindbar.

Festzuhalten ist vorerst Folgendes:

Das Verfahren zur gerichtlichen Versteigerung einer gemeinsamen Liegenschaft nach den §§ 352 ff EO zählt zum Exekutionsverfahren (ErläutRV zur EO-Novelle 2000 abgedruckt in Mohr, Die neue Zwangsversteigerung - Exekutionsordnungs-Novelle 2000, 168). Für das Exekutionsverfahren lässt § 65 EO das Rechtsmittel des Rekurses generell zu, soweit nicht bestimmte Beschlüsse für unanfechtbar erklärt oder ein abgesondertes Rechtsmittel wider sie versagt wird.

1.2. Einen für den vorliegenden Fall anwendbaren Rechtsmittelausschluss könnte der mit „Aufhebung einer Gemeinschaft" übertitelte § 351 Abs 2 EO enthalten, nach dem die im Teilungsverfahren ergehenden Beschlüsse mit Ausnahme des Beschlusses, wodurch die Teilung endgültig bestimmt wird, mittels Rekurses nicht anfechtbar sind. § 351 EO ist aber nicht als umfassende Regelung der Teilung - unter Einschluss des Verfahrens zur Zivilteilung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft nach § 352 EO - zu verstehen, vielmehr beschränkt sich sein Anwendungsbereich auf die Regelung des Verfahrens zur körperlichen Teilung einer Liegenschaft oder anderen Sachen (Naturalteilung). Davon geht auch der Gesetzgeber aus, indem er die in § 352 Z 6 EO enthaltene Kostenregel des § 351 Abs 3 EO ausdrücklich übernimmt. Dies wäre unnötig, wenn man unterstellte, dass § 351 EO „automatisch" auch für das Verfahren nach § 352 EO (Zivilteilung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft) gelten sollte. Für dieses ist der in § 351 Abs 2 EO enthaltene Rechtsmittelausschluss demnach nicht anwendbar.

1.3. Beschlüsse, die nicht durch ein abgesondertes Rechtsmittel angefochten werden können, sind in § 66 Abs 1 EO sowie in § 239 Abs 2 EO genannt. Darüber hinaus ist ein abgesonderter Rekurs in jenen Fällen nicht zulässig, in denen dies nach der ZPO ausgeschlossen ist und die EO keine abweichenden Bestimmungen enthält (3 Ob 272/03a; Rassi in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 65 Rz 18, 19). § 239 Abs 2 EO schließt seinem Wortlaut nach aber nur den abgesonderten Rekurs gegen die im Verfahren zur Zwangsversteigerung einer Liegenschaft „während des Versteigerungstermins" gefassten und verkündeten Beschlüsse aus. Was in Bezug auf die im Rahmen des Verfahrens zur Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft in der Tagsatzung zur Anbotsöffnung nach § 352 Z 4 EO gefassten und verkündeten Beschlüsse gelten soll, wird von § 239 Abs 2 EO nicht explizit geregelt. Auch aus § 66 Abs 1 EO und der ZPO iVm § 78 EO ergibt sich kein ausdrücklicher Ausschluss des abgesonderten Rekurses gegen derartige Beschlüsse.

1.4. Die Unzulässigkeit des abgesonderten Rekurses ist dennoch aus § 352 erster Satz EO abzuleiten, der die sinngemäße Anwendung der Bestimmungen über die Zwangsversteigerung - somit auch jener des § 239 Abs 2 EO - auf das Verfahren zur Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft anordnet. Aus den Gesetzesmaterialien (ErläutRV zur EO Novelle 2000, BGBl 2000/59 zu § 352 EO abgedruckt in Mohr, Die neue Zwangsversteigerung, 169) ergibt sich dazu, dass anstelle der bisherigen Verweise auf die Bestimmungen des Außerstreitgesetzes und der Feilbietungsverordnung wegen der „inhaltlichen Nähe" nunmehr auf die Bestimmungen über die Zwangsversteigerung einer Liegenschaft verwiesen werde. Zufolge dieser Verweisung sind nicht nur die im Verfahren zur Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft in der Versteigerungstagsatzung gefassten und verkündeten Beschlüsse nicht gesondert anfechtbar, sondern sinngemäß auch jene Beschlüsse, die im Rahmen des schriftlichen Anbotsverfahrens in der Tagsatzung zur Anbotseröffnung gefasst und verkündet werden. Im Hinblick auf den mit § 239 Abs 2 EO allgemein verfolgten Zweck der Verfahrensbeschleunigung sind nämlich keine sachlich gerechtfertigten Gründe dafür erkennbar, warum diesem Ziel zwar in der Versteigerungstagsatzung, nicht aber in der Tagsatzung zur Anbotsöffnung zum Durchbruch verholfen werden sollte. Die Unterschiede im Ablauf der Versteigerungstagsatzung und der Tagsatzung zur schriftlichen Anbotsöffnung stehen der sinngemäßen Anwendung des § 239 Abs 2 EO nicht entgegen. Anstelle der beim Versteigerungstermin (§ 177 EO) mündlich abgegebenen Anbote liegen in der Tagsatzung des schriftlichen Anbotsverfahrens die zu öffnenden schriftlichen Anbote schon vor. Die Verhandlungsleitung und die Prüfpflicht des Exekutionsrichters sind in Ansehung der Anbote völlig gleich (sinngemäße Anwendung des § 177 Abs 3 und § 180 EO). Das Verfahren endet mit dem anfechtbaren Zuschlag. Für die Ansicht, bei der Tagsatzung gemäß § 352b Z 4 EO handle es sich um etwas völlig anderes als einem Versteigerungstermin, ist eine plausible Begründung nicht ersichtlich. Der Umstand, dass der Gesetzgeber in § 352b Z 3 ZPO auf die Bestimmungen der §§ 170 und 170b EO (Inhalt und Bekanntmachung des Versteigerungsedikts) verweist, spricht nicht für, sondern gegen die Ansicht der Revisionsrekurswerberin, wird damit doch nur die Vergleichbarkeit der Tagsatzungen infolge identer Aufgaben des Verhandlungsleiters unterstrichen. Für eine sofortige Anfechtbarkeit seiner in der Tagsatzung des schriftlichen Anbotsverfahrens getroffenen Verfügungen kann nicht ins Treffen geführt werden, dass die Bindung an den Auftrag zum Erlag des Vadiums zur Unanfechtbarkeit der Zuschlagserteilung führen würde. Die Revisionsrekurswerberin verkennt, dass es hier um die Frage einer abgesonderten Rechtsmittelmöglichkeit geht, dass also eine gesetzwidrig erteilte Aufforderung mit Rekurs gegen die nächstfolgende Entscheidung (die Zuschlagserteilung) bekämpft werden kann.

Zusammenfassend ist festzuhalten:

Der im Verfahren zur Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft in der Tagsatzung zur Öffnung der schriftlichen Anbote (§ 352b Z 4 EO) erteilte Auftrag zum Erlag des Vadiums ist in sinngemäßer Anwendung des § 239 Abs 2 EO nicht abgesondert anfechtbar.

Zutreffend hat das Rekursgericht den dennoch abgesondert erhobenen Rekurs als unzulässig zurückgewiesen.

2. Zur Beschwer:

Mit der Frage, ob die Rechtsmittelwerberin durch die angefochtene Entscheidung in ihrer Rechtsstellung überhaupt beschwert ist, musste sich der Oberste Gerichtshof nicht befassen, da bereits die von der Beschwer zu unterscheidende Legitimation zur Ergreifung des Rechtsmittels zu verneinen ist (RIS-Justiz RS0002234).

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