European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00178.24H.1028.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiete: Exekutionsrecht, Zivilverfahrensrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Der Verpflichtete wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien wegen diverser Verstöße gegen das SMG zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Darüber hinaus sprach das Strafgericht im Urteil unter anderem aus: „Gemäß § 20 Abs 1 und 3 StGB wird ein Geldbetrag in der Höhe von 8.899 EUR für verfallen erklärt.“
[2] Die Betreibende beantragte aufgrund dieses Urteils zur Hereinbringung des Betrags von 8.899 EUR die Bewilligung der Fahrnisexekution gegen den Verpflichteten.
[3] Das Erstgericht bewilligte die Exekution antragsgemäß.
[4] Das Rekursgericht wies infolge Rekurses des Verpflichteten den Exekutionsantrag ab. Gemäß § 1 Abs 2 GEG seien zwar rechtskräftige und vollstreckbare Entscheidungen, mit denen die Höhe (unter anderem) von für verfallen erklärten Beträgen und die Zahlungspflicht für diese bestimmt würden, Exekutionstitel iSd EO, allerdings fehle im vorliegenden Fall die Bestimmung der Zahlungspflicht, also der nach § 7 Abs 1 EO für die Bewilligung der Exekution erforderliche Leistungsbefehl.
[5] Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zur Frage zu, ob und unter welchen Voraussetzungen – insbesondere nach Änderung des GEG durch die ZVN 2002 – ein Wertersatzverfallserkenntnis gemäß § 20 Abs 1 und 3 StGB auch ohne Leistungsbefehl einen Exekutionstitel iSd EO darstelle.
Rechtliche Beurteilung
[6] Der Revisionsrekurs der Betreibenden, mit dem sie die Wiederherstellung der Exekutionsbewilligung anstrebt, ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.
[7] 1. Gemäß § 20 Abs 1 StGB hat das (Straf‑)Gericht Vermögenswerte, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden, für verfallen zu erklären. Soweit die dem Verfall unterliegenden Vermögenswerte nicht sichergestellt oder beschlagnahmt wurden, hat das Gericht gemäß § 20 Abs 3 StGB einen Geldbetrag für verfallen zu erklären, der den iSd Abs 1 erlangten Vermögenswerten entspricht.
[8] 2. Wenn der Verurteilte eine über ihn verhängte Geldstrafe nicht unverzüglich nach Eintritt der Rechtskraft erlegt, ist er gemäß § 409 Abs 1 StPO schriftlich aufzufordern, die Strafe binnen 14 Tagen zu zahlen, widrigenfalls sie zwangsweise eingetrieben werde; Gleiches gilt für den Verfall nach § 20 Abs 3 StGB. Wie die in Abs 1 genannten Geldbeträge einzutreiben sind, wird gemäß § 409 Abs 2 StPO im GEG geregelt.
[9] 3. In den Anwendungsbereich des GEG fallen nach dessen § 1 Abs 1 Z 3 insbesondere von ordentlichen Gerichten in Strafsachen verhängte Geldstrafen aller Art, konfiszierte Ersatzwerte sowie für verfallen erklärte Geldbeträge. Beträge nach § 1 Abs 1 GEG, die nicht sogleich entrichtet werden, sind grundsätzlich gemäß § 6a Abs 1 GEG mit Bescheid (Zahlungsauftrag) zur Zahlung vorzuschreiben, wobei ein rechtskräftiger Zahlungsauftrag einen Exekutionstitel iSd EO darstellt (§ 6a Abs 1 letzter Satz GEG), der durch die Einbringungsstelle namens des Bundes im Wege der gerichtlichen Zwangsvollstreckung einzutreiben ist (§ 11 Abs 1 GEG).
[10] 4. Der Erlassung eines Zahlungsauftrags bedarf es allerdings dann nicht, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs 2 GEG vorliegen. Nach dieser – mit der ZVN 2022 eingefügten – Bestimmung sind rechtskräftige und vollstreckbare Entscheidungen von Gerichten und Verwaltungsbehörden, mit denen die Höhe von Beträgen nach § 1 Abs 1 GEG und die Zahlungspflicht für diese bestimmt werden, bereits selbst Exekutionstitel iSd EO (vgl auch § 1 Z 8 EO). Nach den Gesetzesmaterialien sollte damit die Möglichkeit geschaffen werden, aufgrund der genannten Titel unmittelbar, also ohne vorherige Erlassung eines Zahlungsauftrags im Justizverwaltungsweg, Exekution zu führen (vgl ErläutRV 1291 BlgNR 27. GP 30 f).
[11] 5. Von entscheidender Bedeutung für die Frage, ob der im Strafurteil gegen den Verpflichteten ausgesprochene Verfall unmittelbar aufgrund dieses Urteils oder aber erst aufgrund eines vom Kostenbeamten des Strafgerichts zu erlassenden Zahlungsauftrags exequiert werden kann, ist daher, ob das Strafurteil die Voraussetzungen des § 1 Abs 2 GEG – also neben der (hier zweifellos zu bejahenden) Festlegung der Höhe des Betrags auch die Bestimmung der Zahlungspflicht – erfüllt.
[12] 6. Die letztgenannte Voraussetzung korrespondiert mit der ständigen Rechtsprechung zu § 7 Abs 1 EO, wonach ein Exekutionstitel nur dann vorliegt, wenn er einen Leistungsbefehl oder eine Leistungsverpflichtung enthält (vgl RS0000012), der Verpflichtete also nach dem Inhalt des Titels zu einer Leistung verpflichtet ist (RS0000012 [T2]). Die bloße Feststellung einer Verbindlichkeit der verpflichteten Partei reicht zur Exekutionsführung hingegen nicht aus (RS0000012 [T7]); RS0000022). Die Verpflichtung zu einer bestimmten Leistung muss allerdings nicht mit einem bestimmten Wortlaut erfolgen, sondern es genügt, dass sich aus dem Titel klar ergibt, zu welcher nach Art, Umfang und Zeit bestimmten Leistung sich der Schuldner (etwa in einem Notariatsakt) verpflichtet hat (vgl RS0000487).
[13] 7. Formuliert das Strafgericht das Verfallserkenntnis derart, dass der Angeklagte zur Zahlung eines ziffernmäßig bestimmten Geldbetrags verurteilt wird (vgl Fuchs/Tipold in Fuchs/Ratz, WK‑StPO § 443 StPO Rz 18), kann am Vorliegen eines – die Exequierbarkeit des Titels begründenden – Leistungsbefehls kein Zweifel bestehen. Ob dies auch dann gilt, wenn das Strafgericht bloß ausspricht, dass „bei NN ein Geldbetrag in Höhe von … für verfallen erklärt wird“ (vgl Fuchs/Tipold aaO), muss hier nicht beantwortet werden, weil im Anlassfall im Strafurteil ohne Anführung der vom Verfall betroffenen Person lediglich ausgesprochen wurde, dass „ein Geldbetrag in der Höhe von … für verfallen erklärt wird“. Der Betreibenden ist zwar dahin zuzustimmen, dass sich der Verfall materiell‑rechtlich zwingend nur auf den Verpflichteten als (einzigen) Angeklagten des Strafverfahrens beziehen konnte und ein schuldrechtlicher Anspruch des Bundes gegen diesen begründet wurde (Fuchs/Tipold in Fuchs/Ratz, WK‑StPO § 443 StPO Rz 21/3); davon ist aber die Frage zu trennen, ob das Strafurteil auch einen Leistungsbefehl beinhaltet und folglich unmittelbar exequierbar ist.
[14] 8. Es trifft zwar zu, dass das Vorliegen eines Exekutionstitels nicht unter allen Umständen einen Leistungsbefehl voraussetzt; dies gilt, wie bereits das Rekursgericht zutreffend dargelegt hat, wegen der in § 74 Abs 1 EO generell normierten Kostenersatzpflicht des Verpflichteten gegenüber dem Betreibenden für Kostenbestimmungsbeschlüsse im Rahmen des Exekutionsverfahrens (vgl Karl in Garber/Simotta, EO § 7 Rz 14), weiters kraft gesetzlicher Anordnung in § 1 Z 13 EO für Rückstandsausweise und gemäß § 1 Z 7 EO für Auszüge aus dem Anmeldungsverzeichnis im Insolvenzverfahren. Für einen vom Strafgericht ausgesprochenen Verfall liegt allerdings entgegen der Ansicht der Betreibenden gerade kein solcher Ausnahmetatbestand vor; im Gegenteil ergibt sich aus § 1 Abs 2 GEG zweifelsfrei, dass ein Exekutionstitel nur dann vorliegt, wenn das Strafurteil (auch) eine Zahlungspflicht, also einen Leistungsbefehl enthält.
[15] 9. Der Revisionsrekurs muss daher erfolglos bleiben.
[16] Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO iVm § 78 EO. Von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen ist das Exekutionsverfahren nach wie vor einseitig. Die vom Verpflichteten erstattete Revisionsrekursbeantwortung ist zwar mangels gesetzlicher Anordnung nicht zurückzuweisen (RS0118686 [T11]), sie diente allerdings nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und ist daher nicht zu honorieren (RS0118686 [T12]).
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