OGH 3Ob141/12z

OGH3Ob141/12z17.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 4. Februar 2011 verstorbenen Dr. S*****, zuletzt wohnhaft in *****, über den Revisionsrekurs des S*****, vertreten durch Maybach Görg Lenneis Geréd Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. Mai 2012, GZ 45 R 111/12z‑70, womit über Rekurs des Mag. H*****, Rechtsanwalt in *****, der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 2. Dezember 2011, GZ 1 A 60/11b‑41, im Sinne einer ersatzlosen Behebung abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Der Antrag des Revisionsrekurswerbers auf Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Erblasserin starb am 4. Februar 2011.

Der Revisionsrekurswerber (in der Folge immer: Sohn) ist ihr einziges Kind. Sie war in zweiter Ehe mit dem Revisionsrekursgegner (in der Folge immer: Witwer) verheiratet, der mit der Erblasserin anlässlich der Eheschließung einen Ehepakt sowie einen wechselseitigen Erb‑ und Pflichtteilsverzichtsvertrag schloss.

Die Erblasserin setzte mit eigenhändigem Testament vom 25. Jänner 2011 ihren Sohn zum Alleinerben ein und bestimmte den Witwer, zu dessen Gunsten sie auch Legate aussetzte, zum Ersatzerben.

Am 23. Mai 2011 gab der Sohn unter Berufung auf das Testament vom 25. Jänner 2011 eine unbedingte Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass ab.

Diese Erbantrittserklärung änderte er mit Telefax seines Rechtsvertreters vom 8. August 2011 dahin ab, dass er sich nun ausschließlich auf das Gesetz berufe. Das Testament sei infolge der zum Zeitpunkt seiner Errichtung nicht mehr gegebenen Testierfähigkeit seiner Mutter ungültig. Aufgrund des Erb- und Pflichtteilsverzichts sei er Alleinerbe aufgrund des Gesetzes.

Der Witwer gab am 20. September 2011 unter Berufung auf die im Testament zu seinen Gunsten verfügte Ersatzerbfolge eine unbedingte Erbantrittserklärung ab. Das Testament sei gültig.

Der Sohn erklärte am 29. September 2011 per e‑Mail gegenüber dem Erstgericht zu Handen des Gerichtskommissärs, dass er die Erbschaft antreten wolle und könne. Er gehe zum derzeitigen Zeitpunkt von einer Ungültigkeit des Testaments aus und habe sich aus diesem Grund „ausschließlich“ auf das Gesetz berufen. Es bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass er für den Fall, dass sich das Testament wider Erwarten als gültig erweisen sollte, die Erbschaft ausschlagen bzw auf diese verzichten würde. Es stehe ihm vielmehr zu, für den Fall, dass sich das Testament als rechtswirksam erweisen sollte, nachträglich auf das Testament zu berufen. Für diesen Fall berufe er sich bereits jetzt in eventu auf das Testament. Der Witwer könne daher niemals zum Zug kommen. Seine Erbantrittserklärung sei zurückzuweisen.

Das Erstgericht wies die vom Witwer aufgrund des Testaments zum gesamten Nachlass abgegebene Erbantrittserklärung zurück. Es begründete seine Entscheidung damit, dass der Sohn sowohl aufgrund des Testaments als auch aufgrund des Gesetzes im Ergebnis Alleinerbe sei. Durch seine Erbantrittserklärung komme eine Ersatzerbschaft des Witwers nicht zum Tragen.

Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Witwer erhobenen Rekurs Folge, änderte den Beschluss des Erstgerichts im Sinne einer ersatzlosen Behebung und trug dem Erstgericht die Durchführung des Verfahrens über das Erbrecht gemäß §§ 161 f AußStrG auf.

Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig.

Rechtlich vertrat das Rekursgericht die Auffassung, dass die Änderung der Erbantrittserklärung des Sohnes zwar lediglich per Telefax erfolgt sei, dass aber alle Beteiligten im weiteren Verfahren davon ausgegangen seien, dass der Sohn die Erbantrittserklärung nunmehr auch aufgrund des Gesetzes abgebe.

Es lägen widerstreitende Erbantrittserklärungen des Sohnes und des Witwers vor. Der Sohn bestreite nun die Gültigkeit des Testaments vom 25. Jänner 2011. Er habe den ursprünglichen Erbrechtstitel, auf den die Erbantrittserklärung gestützt worden sei, auf den Titel des gesetzlichen Erbrechts geändert. Dieser Umwandlung könnte das Hindernis des § 808 ABGB entgegenstehen. Der Ersatzerbe komme immer dann zum Zug, wenn der eingesetzte Erbe nicht erben könne oder wolle. Das gelte auch bei Erbunwürdigkeit oder Erbunfähigkeit. Der Witwer habe die Gültigkeit der letztwilligen Verfügung behauptet und (im Rekurs) darauf verwiesen, dass der Sohn erbunwürdig sei. Die Zurückweisung einer Erbantrittserklärung komme nur in Betracht, wenn von vornherein zweifelsfrei feststehe, dass der Nachlass dem Erbansprecher keinesfalls eingeantwortet werden könne. Solange allerdings der behauptete Titel für eine Einantwortung an sich geeignet erscheine, müsse die Erbantrittserklärung angenommen werden. Im Fall der Gültigkeit der letztwilligen Verfügung könnte hier jedenfalls der Witwer bei zutreffender Behauptung, der Sohn sei erbunwürdig, als Ersatzerbe zum Zug kommen. Über diese strittigen Fragen sei vom Erstgericht in dem gesondert durchzuführenden Verfahren über das Erbrecht zu entscheiden.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts wendet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Sohns, in dem er ua geltend macht, dass das Rekursgericht übersehen habe, dass der Witwer seine Behauptung der Erbunwürdigkeit ‑ die im Übrigen selbst unter Zugrundelegung der im Rekurs erhobenen Tatsachenbehauptungen nicht gegeben sei ‑ erstmals im Rekurs aufgestellt habe. Das Rekursgericht habe auch verkannt, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Abänderung eines Erbrechtstitels, insbesondere auch die Berufung auf einen neuen Titel für den Fall der Ungültigkeit des ersten, bis zur Rechtskraft der Einantwortung möglich sei.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist schon deshalb zulässig, weil das Rekursgericht seiner Entscheidung tatsächlich unzulässige Neuerungen, die der Witwer im Rekurs vorbrachte, zugrunde legte.

Dem Witwer wurde daher die Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung freigestellt. In dieser beantragt er, den Revisionsrekurs des Sohnes zurückzuweisen; hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist im Sinne einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung berechtigt.

1. Zutreffend verweist der Revisionsrekurs darauf, dass der Witwer erstmals in seinem Rekurs Erbunwürdigkeit des Sohns behauptete, die nach dem Vorbringen des Witwers darin begründet sein soll, dass der Sohn mit der Bestreitung der Gültigkeit des Testaments die Absicht verfolge, den Willen der Erblasserin in Bezug auf die ausgesetzten Legate zu vereiteln.

In erster Instanz hat sich der Witwer bei Abgabe seiner Erbantrittserklärung ‑ anders als etwa im Anlassfall der Entscheidung 3 Ob 227/04k (= SZ 2004/170) ‑ auf eine Erbunwürdigkeit des Sohns nicht berufen.

In seinem Rekurs gegen die zurückweisende Entscheidung des Erstgerichts hat er nicht einmal ansatzweise dargetan, dass es sich bei dem von ihm unterlassenen erstinstanzlichen Vorbringen um eine „entschuldbare Fehlleistung“ (vgl RIS‑Justiz RS0120290) handelt.

2. Daraus folgt aber, dass bei Beurteilung, ob das Erstgericht die Erbantrittserklärung des Witwers zu Recht zurückgewiesen hat, lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen beider Parteien, nicht aber auf das dem Neuerungsverbot (§ 49 Abs 2 AußStrG) widerstreitende Rekursvorbringen des Witwers Bedacht zu nehmen ist.

3. Das Rekursgericht verwies darauf, dass der Umwandlung einer Erbantrittserklärung aus einem gültigen letzten Willen in eine solche aus dem Gesetz das Hindernis des § 808 ABGB entgegenstehen könnte. Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, welche konkreten Konsequenzen das Rekursgericht aus dieser Aussage für den vorliegenden Fall ableiten will, hat sich der Sohn hier bei Änderung seiner Erbantrittserklärung ausdrücklich auf die Ungültigkeit des Testaments berufen. In diesem Fall ist aber § 808 ABGB nicht anwendbar (RIS‑Justiz RS0013035; RS0007936; 2 Ob 563/87 mwN).

4. Zwar kann der Erbe gemäß § 806 ABGB seine Erbantrittserklärung weder widerrufen (RIS‑Justiz RS0013043) noch eine unbedingte in eine bedingte Erbantrittserklärung ändern (3 Ob 83/05k). Nach herrschender Auffassung ist jedoch die Änderung der Angabe des Erbrechtstitels bis zur Einantwortung zulässig (3 Ob 227/04k; Sailer in KBB3 § 806 Rz 3; Eccher in Schwimann 3 § 799 ABGB Rz 5 je mwN).

5. Während die erste Erbantrittserklärung des Sohnes in der vorgesehenen Form erfolgte, wurde die Änderung der Erbantrittserklärung bloß per Telefax des Vertreters des Sohnes an das Erstgericht zu Handen des Gerichtskommissärs übermittelt. Gemäß § 159 Abs 3 AußStrG ist allerdings eine Erbantrittserklärung vom Erbansprecher oder seinem ausgewiesenen Vertreter eigenhändig zu unterschreiben. Bei einer mündlichen Erklärung zu Protokoll ist sie zu unterzeichnen (5 Ob 24/09d mwN; RIS‑Justiz RS0005936). Eine Sanierung dadurch ‑ wie sie offenbar dem Rekursgericht vorschwebte ‑ dass „alle Beteiligten“ von einer wirksam geänderten Erbantrittserklärung ausgegangen seien, ist mit dem klaren Gesetzeswortlaut nicht in Einklang zu bringen.

6. Dem gegenüber entspricht die vom Witwer vor dem Gerichtskommissär am 20. September 2011 abgegebene unbedingte Erbantrittserklärung aufgrund der im Testament verfügten Ersatzerbfolge im Hinblick auf die vor dem Gerichtskommissär geleistete eigenhändige Unterschrift des Witwers den Formerfordernissen.

7. Ob in Ansehung der geänderten Erbantrittserklärung und deren inhaltlicher Klarstellung durch die per e‑Mail übermittelte Äußerung des Sohns die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens (§ 10 Abs 4 AußStrG) erforderlich gewesen wäre, bedarf in diesem Verfahrensstadium deshalb keiner Klärung, weil die Erbantrittserklärung des Witwers jedenfalls zurückzuweisen ist:

7.1 § 157 AußStrG sieht ‑ insoweit vergleichbar der Vorgängerbestimmung des § 122 AußStrG 1854 ‑ die Zurückweisung einer Erbantrittserklärung (früher: Erbserklärung) nicht vor. Dieser Grundsatz ist aber dahin einzuschränken, dass die Erbantrittserklärung zurückzuweisen ist, wenn feststeht, dass der Erbrechtstitel, auf den die Erbantrittserklärung gegründet wird, nie zu einer Einantwortung des Nachlasses an den Erbantrittserklärten führen kann (RIS‑Justiz RS0007938; 3 Ob 272/07g; 1 Ob 280/04i uva; ausdrücklich zum Geltungsbereich des § 157 AußStrG 6 Ob 3/09y).

7.2 Ersatzerbschaft ist die Einsetzung eines Erben für den Fall, dass der Ersteingesetzte (Institut) nicht Erbe wird; der Substitut erbt anstelle des Instituten. Gibt der eingesetzte Erbe eine Erbantrittserklärung ab, kommt der Ersatzerbe nicht zum Zug (Welser in Rummel³ § 604 ABGB Rz 2 und 4; RIS‑Justiz RS0006035; 3 Ob 137/01w); seine Erbantrittserklärung ist zurückzuweisen (zur Erbserklärung ausdrücklich 3 Ob 137/01w). Er ist nicht als Beteiligter des Verlassenschaftsverfahrens anzusehen (RIS‑Justiz RS0006035). Letzterer Grundsatz ist allerdings dahin einzuschränken, dass der Ersatzerbe, dessen Erbantrittserklärung wegen Erlöschens der Ersatzerbschaft zurückgewiesen wurde, legitimiert ist, die Überprüfung dieser Rechtsansicht zu verlangen (vgl sinngemäß RIS‑Justiz RS0107893 [T1] zur Parteistellung).

7.3 Unter der Prämisse, dass die vom Sohn geänderte Erbantrittserklärung bisher ‑ mangels Einhaltung der entsprechenden Formvorschriften ‑ nicht wirksam ist, ist die erstgerichtliche Entscheidung richtig, weil aufgrund der ersten Erbantrittserklärung des Sohns feststeht, dass der Ersatzerbe, also der Witwer, nicht zum Zuge kommen kann.

7.4 Der Fall wäre aber auch nicht anders zu beurteilen, unterstellte man, dass ‑ nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens ‑ der Sohn seine „Änderung der Erbantrittserklärung“ formwirksam erklären würde.

Der Sohn hat nämlich auch erklärt, dass er sich für den Fall der Gültigkeit des Testaments „in eventu“ auf das Testament berufe.

Nach der Rechtsprechung (1 Ob 285/46 JBl 1947, 154; 6 Ob 118/72 EvBl 1973/36; obiter 5 Ob 533/93 NZ 1994, 184) ist es zulässig, dass sich der Erbe auf einen Erbrechtstitel und - für den Fall von dessen Ungültigkeit - eventualiter auf einen anderen Erbrechtstitel beruft. Diesem Standpunkt folgen Welser (in Rummel³ §§ 799, 800 ABGB Rz 9) und offenbar auch Eccher in Schwimann 3 § 799 ABGB Rz 5).

7.5 Unter Zugrundelegung dieser vom Senat geteilten Auffassung ist daher der Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen:

Nach dem derzeitigen Verfahrensstadium ist nur die erste Erbantrittserklärung des Sohns aufgrund des Testaments wirksam, die eine Ersatzerbschaft des Witwers ausschließt. Auch nach einer allfälligen Verbesserung der zweiten (geänderten) Erbantrittserklärung in Verbindung mit der weiteren Erklärung des Sohns, sich „in eventu“ auf das Testament zu berufen, wäre eine Ersatzerbfolge des Witwers aus den dargelegten Gründen ausgeschlossen.

7.6 Die in der Revisionsrekursbeantwortung geäußerte Befürchtung des Witwers, er könne auf diese Weise vom Sohn, wenn sich dieser nunmehr auf das Gesetz berufe, „um die Legate gebracht“ werden, ist nicht berechtigt: Das Recht des Witwers, den Erben mit Legatsklage zu belangen, bleibt ihm gewahrt: Sollte eine Einantwortung an den Sohn aufgrund des Testaments erfolgen, ergibt sich die materielle Berechtigung des Witwers, die Legate zu beanspruchen, bereits aufgrund des Testaments. Selbst wenn aber eine Einantwortung an den Sohn aufgrund des Gesetzes erfolgen sollte, steht es dem Witwer frei, die Legate unter Berufung auf die Gültigkeit des Testaments im Streitverfahren zu beanspruchen.

8. Zusammenfassend folgt daraus, dass ‑ wie das Erstgericht zutreffend erkannte ‑ der Witwer als Ersatzerbe nie zum Zug kommen kann, weil der Sohn entweder aufgrund des (gültigen) Testaments oder (im Fall der Ungültigkeit des Testaments) aufgrund des Gesetzes Alleinerbe der Erblasserin ist und sich somit die Rechtsstellung des Witwers jedenfalls auf jene des bloßen Legatars beschränkt.

Aus diesem Grund ist der Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 185 AußStrG. Ein Verfahren nach §§ 161 f AußStrG wurde gerade nicht geführt (vgl 1 Ob 117/07y).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte