Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind wie weitere Kosten des Berufungsverfahrens zu behandeln.
Text
Begründung
Der 1932 geborene Kläger und die 1954 geborene Beklagte sind seit 28. 7. 1994 miteinander verheiratet. Für den Kläger war es die zweite Ehe, für die Beklagte die erste. Der Kläger ist von Beruf Baumeister, die Beklagte arbeitete 23 Jahre als Angestellte in einer Bank. Anlässlich der Eheschließung kündigte sie dort. Am 5. 9. 1994 zog sie mit ihrer damals achtjährigen unehelichen Tochter zum Kläger, vorher hatten sie nicht zusammengelebt.
Anfangs ging die Ehe gut, aber nach kurzer Zeit kam es Problemen zwischen den Ehegatten. Am 22. 12. 1994 kam es zwischen dem Kläger einerseits und der Beklagten und dem Sohn des Klägers andererseits zu einer Auseinandersetzung, in deren Verlauf er seinen Sohn Albert und dessen Familie aus dem Haus verwies. Die Beklagte verließ ebenfalls das Haus und kehrte mit ihrer Tochter erst am 26. 12. 1994 zurück. Der letzte Intimverkehr zwischen den Streitteilen fand im Jahr 1996 statt.
Am 30. 7. 1996 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen des Unternehmens des Klägers eröffnet. Dieses ist noch nicht beendet. Infolge der Konkurseröffnung verlor die Beklagte auch ihren Arbeitsplatz, den sie bis dahin im Unternehmen des Klägers gehabt hatte. Seit ihrer Übersiedlung zum Kläger bis März 1996 erhielt sie von ihm monatlich S 8.000,-- an Wirtschaftsgeld. Von Dezember 1994 an hatte sie ihr gehörende drei Appartements vermietet, was ihre Haupteinnahmequelle war. Daneben half sie auch immer wieder in einem Hotel aus, dabei nahm sie auch des öfteren ihre Tochter mit. Eine Feststellung, ob die Beklagte gegenüber dem Kläger einen Unterhalt verlangte, konnte nicht getroffen werden. Sie nahm auch gelegentlich Essen aus dem Hotel nach Hause mit, um Geld zu sparen.
Bei seinen Ausgängen abends sprach der Kläger regelmäßig dem Alkohol zu, war dabei aber nie volltrunken. Auch die Beklagte trank gelegentlich Alkohol.
Am 14. 7. 1998 zog die Beklagte aus dem gemeinsamen Haus aus und in ihrem früheren Wohnort. Sie hat nunmehr als Halbtagsbeschäftigte bei einer Versicherungsgesellschaft ein Nettoeinkommen von S 9.724,-- monatlich. Ab Konkurseröffnung bezog der Kläger eine monatliche Pension von S 20.900,--. Eine Verzeihung der Beschimpfungen und Drohungen ist zwischen den Streitteilen nicht erfolgt.
Bereits nach vier Monaten begann die damals achtjährige Tochter der Beklagten nächtlich einzunässen, dies für den Zeitraum etwa eines Jahres. Ebenso trat oftmaliges nächtliches Aufschreien auf. Die schlimmste Zeit war zwischen Jänner und Juli 1998. Auf die Streitigkeiten ihrer Eltern reagierte das Mädchen offensichtlich mit ausgeprägten psychosomatischen Symptomen wie Haarausfall und Hautausschlag, außerdem traten immer häufiger Konzentrationsschwierigkeiten auf. Nach der getrennten Wohnsitznahme verschwanden alle geschilderten Symptome, auch die Angstgefühle.
Ein Geschlechtsverkehr mit anderen Männern als mit dem Kläger konnte der Beklagten nicht nachgewiesen werden. Es konnte keine Feststellung darüber getroffen werden, ob die Beklagte im Jahre 1997 durch Dritte den Kläger umbringen lassen wollte.
Während des Scheidungsverfahrens, und zwar Anfang 1999, trat der Kläger wegen der laufenden Gerüchte über ehewidrigen Beziehungen der Beklagten an Heinz H***** jun. heran. Dieser bestätigte ihm, dass er sexuelle Kontakte mit ihr gehabt hätte. Eine schriftliche Bestätigung des Genannten wurde auch dem Erstgericht vorgelegt. Bei seiner Vernehmung am 3. 9. 1999 erklärte Heinz H***** als Zeuge zunächst, dass er tatsächlich einen sexuellen Kontakt mit der Beklagten gehabt habe, in weiterer Folge nahm er aber seine gesamte Aussage zurück und erklärte, er habe nie etwas mit der Beklagten, außer mit Fortgehen, zu tun gehabt. Er habe dem Kläger helfen wollen.
Mit seiner am 18. 6. 1998 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Scheidung seiner Ehe mit der Beklagten und brachte dazu im Verfahren erster Instanz zusammengefasst vor:
Die Beklagte habe bereits im Winter 1995 außereheliche Beziehungen zu anderen Männern unterhalten. Von ihm darauf angesprochen, habe sie ihm zu verstehen gegeben, dass sie sich mit ihm schämen müsse, und habe ihn als Bauernlümmel beschimpft. Seit diesem Zeitpunkt sei es wiederholt dazu gekommen, dass sie die Nächte auswärts verbracht und sich mit einem anderen Mann getroffen habe. Ihr liebloses Verhalten gegenüber dem Kläger habe sich in Beschimpfungen und Demütigungen geäußert. Auch nach dem Konkursverfahren über sein Vermögen habe ihm die Beklagte jede Unterstützung verweigert. Sie habe ihm auch zu verstehen gegeben, dass sie an einem geordneten Familienleben nicht mehr interessiert sei und dass er endlich verschwinden solle. Sie brauche nichts mehr von ihm. Sie habe auch monatelang nicht mehr für ihn gekocht. Sie sei 1997 mehrmals alleine auf Urlaub gefahren, ohne ihn zu informieren. Auf seine Nachfrage, wohin denn die Reisen gehen sollten, sei er brüsk zurückgewiesen worden. Zu einer Teilnahme an den Reisen habe ihn die Beklagte niemals eingeladen. Charakteristisch für das Verhalten der Beklagten sei, dass sie im Rahmen einer Partyfeierlichkeit Dritten Geld angeboten habe, "wenn sie denn Kläger um die Ecke bringen würden". Die Beklagte habe mehrfach die Ehe gebrochen. Insbesondere habe auch mit Heinz H***** ein Geschlechtsverkehr stattgefunden.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, sie bestritt sämtliche ihr vorgeworfenen Eheverfehlungen, insbesondere dass sie jemals außereheliche Beziehungen zu anderen Männern gehabt habe. Der Kläger sei sogar äußerst eifersüchtig auf sie gewesen, ebenso auf ihre außereheliche Tochter. Er habe sie nicht als gleichberechtigte Ehefrau, sondern als Putzfrau behandelt und ihr auch fast nie Wirtschaftsgeld gegeben. Auch habe er sie immer aufs gröblichste beschimpft. Oft komme er sehr betrunken nach Hause. Er habe ihr vorgeworfen, dass sie ihn vergiften wolle, und sie auch aufgefordert, das gemeinsame Schlafzimmer zu verlassen. Tagelang habe er grundlos mit ihr und ihrer Tochter kein Wort gesprochen. Es sei so arg gewesen, dass die Tochter Bettnässerin geworden sei. Für den Fall der Scheidung stellt sie ausdrücklich den Antrag, das Alleinverschulden des Klägers an der Ehezerrüttung im Urteil festzustellen.
Das Erstgericht entschied auf Scheidung der Ehe aus dem Verschulden beider Teile. Zusätzlich zu den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt traf es noch zahlreiche von den Streitteilen im Berufungsverfahren (vom Kläger in einem nach § 473a ZPO freigestellten Schriftsatz) bekämpfte Feststellungen. In seiner rechtlichen Beurteilung ging der Erstrichter davon aus, dass beide Parteien mit der Scheidung ihrer Ehe einverstanden seien und nur der Schuldausspruch strittig sei.
Chronologisch betrachtet, hätten die Probleme in der Ehe damit begonnen, dass der Kläger seinen gewohnten Lebensstil quasi als Junggeselle beibehalten und regelmäßig auch des abends Lokale besucht habe. Trotz Auseinandersetzungen habe er diesen Lebensstil beibehalten. Zu Weihnachten 1994 habe er im Zuge einer Auseinandersetzung die Beklagte und deren Tochter sowie seinen eigenen Sohn aus dem Haus verwiesen. Das regelmäßige Ausgehen des Klägers ohne die Beklagte stelle zweifellos eine Missachtung dar. Bei einem Aufenthalt in einem Cafe habe die Beklagte keine Rücksicht auf den Kläger genommen und Handlungen gesetzt, die jedenfalls objektiv geeignet gewesen seien, seine Eifersucht zu reizen. Am gravierendsten habe dieser sicherlich die Kontakte mit Gottfried W***** empfunden, die sich jedenfalls über einen längeren Zeitraum (ab 1995) erstreckt und zu dem Gerücht geführt hätten, die beiden hätten miteinander ein intimes Verhältnis. Auch die Äußerung der Beklagten über eine erwünschten geschlechtlichen Kontakt mit dem Klagsvertreter sei nicht geeignet gewesen, das Klima zwischen den Streitteilen zu besänftigen, ebenso wenig ein Kontakt mit anderen Männern. Dadurch und auch mit der Äußerung, es sei schön, mehrere Männer zu haben, habe sie ein Verhalten gezeigt, das absolut geeignet gewesen sei, die Eifersucht beim Kläger zu reizen. Dadurch sei jedenfalls eine Zerrüttung der Ehe, die mit der Vernachlässigung der Beklagten durch den Kläger begonnen habe, weiter eingetreten. Eine Verzeihung habe nicht stattgefunden. Die Streitigkeiten seien eskaliert. Am 6. 12. 1996 habe der Kläger der Beklagten mit dem Erschießen gedroht. Am 8. 2. 1998 habe er behauptet, sie wolle ihn mit dem Essen vergiften. Zu diesem Zeitpunkt sei aber bereits eine weitgehende Zerrüttung der Ehe eingetreten, die schon mit 6. 12. 1996 angenommen werden könne. Auch hätte die Streitteile gegenüber dritten Personen häufig den Partner mit Schimpfwörtern belegt. Die Eifersucht des Klägers könne jedenfalls nicht als unbegründet angesehen werden, vor allem weil die zugrundeliegenden Handlungen der Beklagten sich über einen langen Zeitraum erstreckt und eine Reihe von Vorfällen umfasst hätten. Als Reaktion darauf habe der Kläger ihr immer wieder Vorwürfe gemacht und ihr am 6. 12. 1996 mit dem Erschießen gedroht. Die Beziehung sei danach so zerrüttet gewesen, dass eben der letzte Intimverkehr im Jahr 1996 stattgefunden habe. Als im Herbst 1997 die Beklagte auf Aufforderung des Klägers aus dem gemeinsamen Schlafzimmer ausgezogen sei, sei mit Sicherheit schon eine tiefe Zerrüttung der Ehe gegeben gewesen. Die weiteren Vorfälle fielen daher für die Verschuldensabwägung kaum ins Gewicht. Nach der unheilbaren Zerrüttung der Ehe begangene Eheverfehlungen seien für die Verschuldensabwägung nicht von entscheidender Bedeutung (EFSlg 29.625).
Es trete im vorliegenden Fall das Verschulden keines der beiden Streitteile an der Zerrüttung der Ehe völlig in den Hintergrund. Zur Zerrüttung hätten sowohl der Kläger durch Beibehaltung seines bisherigen Lebensstils als auch die Beklagte durch Wecken der Eifersucht im Kläger einen gravierenden Beitrag geleistet. In weiterer Folge seien die Vorgänge eskaliert. Die jeweiligen Beschimpfungen seien sicher darauf zurückzuführen, dass die Ursachen hiefür nicht beseitigt worden seien. Es sei daher die Scheidung aus gleichteiligen Verschulden auszusprechen.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil Folge und änderte es dahin ab, dass es das Klagebegehren abwies. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Im Tatsachenbereich sah das Berufungsgericht die vom Kläger mit seinem Schriftsatz gemäß § 473a ZPO gerügten Feststellungen (mit einer Ausnahme) sowie die Feststellungsrüge der Beklagten als für die Beurteilung der Sache ohne Bedeutung an. Weiters sah es die Feststellung des Erstgerichtes, der Kläger habe die Beklagte des gemeinsamen Schlafzimmers verwiesen, als unbedenklich an. Ungeachtet der dargestellten Überlegungen enthält das Berufungsurteil aber auch ohne weitere Begründung die Formulierung, dass das Berufungsgericht die Feststellungen des Erstgerichtes (S 2 bis 6 der angefochtenen Entscheidung) übernehme. Aus der informativen Befragung des Klägers in der mündlichen Berufungsverhandlung ergebe sich noch, dass das Gespräch, bei dem ihn die Beklagte gefragt hatte, ob es nicht schön sei, mehrere Männer zu haben, im Sommer 1995 stattgefunden habe, und dass er ebenfalls 1995 von häufigen Treffen zwischen ihr und Gottfried W***** erfahren habe. Ausgehend von diesem Sachverhalt sah das Berufungsgericht das Rechtsmittel der Beklagten als begründet an.
Das Recht auf Scheidung wegen Verschuldens erlösche, wenn der Ehegatte nicht binnen sechs Monaten die Klage erhebe; die Frist beginne mit der Kenntnis des Scheidungsgrundes, sie laufe aber nicht, solange die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten aufgehoben sei (§ 57 Abs 1 EheG). Es müsse demnach der Kläger, um eine von ihm angestrebte Scheidung wegen Verschuldens zu erreichen, nachweisen, dass die Beklagte nicht länger als sechs Monate zurückliegende Eheverfehlungen begangen habe. Dies sei ihm jedoch nicht gelungen. Die meisten ihrer Eheverfehlungen hätten sich 1995 ereignet und seien dem Kläger noch in diesem Jahr bekannt geworden. Von den Telefongesprächen mit Walter G***** habe der Kläger im April 1997 erfahren. Der Auszug der Beklagten aus dem gemeinsamen Schlafzimmer sei nicht als Eheverfehlung zu werten, weil der Kläger selbst sie gefragt habe, was sie noch im Schlafzimmer wolle. Dass auch ihr Auszug aus dem gemeinsamen Haus mit Juli 1998 keine Eheverfehlung sei, ergebe sich aus der rechtskräftigen Entscheidung des Erstgerichts im Verfahren 1 F 36/98m. Eine frühere Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft lasse sich aus den Feststellungen nicht ableiten. Eheverfehlungen der Beklagten, die eine Scheidung aus Verschulden rechtfertigen würden, müssten daher innerhalb von sechs Monaten vor Klagseinbringung, also nach Mitte Dezember 1997 erfolgt sein. Derartige Feststellungen seien vom Erstgericht nicht getroffen und vom Kläger nicht begehrt worden, weshalb eine auf Verschulden gestützte Scheidung nicht möglich sei.
Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil keine erhebliche Rechtsfrage vorliege.
Dieses Urteil bekämpft der Kläger mit seiner auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten außerordentlichen Revision, mit der er in erster Linie der Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichtes dahin begehrt, dass der Berufung der Beklagten gegen das erstgerichtliche Urteil nicht Folge gegeben werde; in eventu möge die bekämpfte Entscheidung aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden.
Zur Zulässigkeit beruft sich der Kläger zunächst darauf, dass das Berufungsgericht sämtliche erstgerichtliche Feststellungen übernommen habe.
Bei der Beurteilung der ehewidrigen Beziehungen der Beklagten mit Gottfried W***** habe das Berufungsgericht offenbar auf deren Beginn abgestellt und nicht beachtet, dass diese nach den Feststellungen zweifelsfrei über einen langen Zeitraum angedauert hätten, weshalb nach der Rechtsprechung auf die letzte Handlung abzustellen sei (EFSlg 8.628). Daher stehe das Berufungsgericht im Widerspruch zur übrigen Rechtsprechung. Zum Fristlauf bei Sachverhalten, die erst in einer Gesamtschau einen Entscheidungsgrund ergeben, fehle oberstgerichtliche Rechtsprechung. Dasselbe gelte dafür, dass das Berufungsgericht in der Frage der Beschimpfungen wiederum auf den Beginn derselben im Sommer 1995 abgestellt habe, obwohl offensichtlich sei, dass die verbalen Auseinandersetzungen bis zum Auszug der Beklagten im Sommer 1998 angedauert hätten.
Nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes (zB SZ 36/124) stelle das Vernachlässigen des Haushalts eine relevante Eheverfehlung nach § 49 EheG dar. Das Berufungsgericht habe entgegen dieser Rechtsprechung offensichtlich die ca. vier Monate vor Klagseinbringung festgestellte Weigerung der Kläger, dem Beklagten weiter zu kochen, nicht als Eheverfehlung angesehen.
Die Beklagte erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Die Revision ist zulässig und auch im Sinne ihres Aufhebungsantrags berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Tatsächlich ist das Berufungsgericht zu seinem Urteil aufgrund einer auch im Einzelfall in keiner Weise mehr vertretbaren Fehlbeurteilung gelangt, was aus Gründen der Rechtssicherheit nach § 502 Abs 1 ZPO vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmen ist.
Was zunächst die Tatsachengrundlage des Berufungsurteils angeht, kann - entgegen der Ansicht des Revisionswerbers - entgegen der offenbar irrtümlich in das Urteil aufgenommene Floskel, wonach das Berufungsgericht sämtliche Feststellungen des Erstgerichtes (das sind nämlich die auf Seite 2 bis 6 des Ersturteils wiedergegebenen) übernehme und seiner rechtlichen Beurteilung zu Grunde lege, nicht davon ausgehen, dass dies tatsächlich geschehen sei, will man nicht überhaupt eine Nichtigkeit im Sinne des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO annehmen. Unmittelbar vor der zitierten Passage des Berufungsurteils ist nämlich davon die Rede, dass die von den Parteien bekämpften Feststellungen nicht von Bedeutung für die Sache seien, weshalb auf die entsprechenden Rügen nicht weiter einzugehen sei, wenn man von einer einzigen, auch tatsächlich behandelten Tatsachenfrage absieht. Damit kommt aber klar zum Ausdruck, dass das Berufungsgericht einen Gutteil der Feststellungen des Erstgerichtes insoweit nicht als entscheidungsrelevant angesehen hat, als seiner Auffassung nach selbst dann, wenn man nicht die tatsächlich getroffenen, sondern die vom Kläger gewünschten Feststellungen zugrundelege, das Scheidungsbegehren jedenfalls ungerechtfertigt wäre. Was die zahlreichen von der Beklagten bekämpften Feststellungen angeht, müsste es wieder von diesen ausgegangen sein, hätte es doch sonst deren Tatsachenrüge behandeln müssen.
Was nun die festgestellten Beschimpfungen (auch) des Klägers durch die Beklagte angeht, sind diese in zeitlicher Hinsicht vom Erstgericht nicht exakt eingeordnet worden. Nach Wiedergabe eines Geschehens am 26. 12. 1994 stellte der Erstrichter fest, dass es "in der Folge" immer wieder zu wörtlichen Auseinandersetzungen mit Schimpfwörtern gekommen sei. Weiters wird festgestellt, dass im Zuge von Auseinandersetzungen, die ihre Ursache in der Eifersucht des Klägers hatten, zu gegenseitigen Beschimpfungen gekommen sei und es diese Auseinandersetzungen bereits im Sommer 1995 gehabt habe. Auch gegenüber dritten Personen seien jeweils Schimpfwörter verwendet worden. Weiters wurde vom Erstgericht auch festgehalten, dass die Tochter der Beklagten wegen der Streitigkeiten der Streitteile an psychischen Problemen litt und die schlimmste Zeit zwischen Jänner und Juli 1998 lag, wobei das Mädchen auf die Streitigkeiten mit ausgeprägten psychosomatischen Symptomen reagiert habe. Weiters ist von immer mehr eskalierenden Streitigkeiten die Rede. In der Beweiswürdigung ist davon die Rede, dass es immer wieder zu verbalen Auseinandersetzungen mit beiderseits verwendeten gravierenden Schimpfwörtern gekommen sei, unter anderem auch am 6. 12. 1996 zu einer neuerlichen Auseinandersetzung.
Im Zusammenhang wird man demnach (mit dem Revisionswerber) die Feststellungen des Erstgerichtes über diese Beleidigungen wohl so zu verstehen haben, dass diese bis zur Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft andauerten. Ein solches fortgesetztes ehewidriges Verhalten bildet aber eine Einheit, weshalb über den Fristbeginn erst die letzte Verfehlung entscheidet (ständige Rechtsprechung:
RIS-Justiz RS0057240; zuletzt EFSlg 84.586, 1 Ob 170/99b, 1 Ob 288/99f und 6 Ob 80/00h; ebenso EFSlg 87.478; Gruber in Schwimann, ABGB2 Rz 7 zu § 57 EheG). Demnach könnte von einer Verfristung nach § 57 Abs 1 EheG keine Rede sein. Allerdings sind auch die Beschimpfungen Gegenstand der vom Berufungsgericht nicht geprüften Tatsachenrüge der Beklagten. Eine rechtliche Beurteilung ist somit noch nicht möglich. Sollte man allerdings der Meinung sein, die erstgerichtlichen Feststellungen reichten nicht zur Beurteilung der Frage aus, ob noch innerhalb der letzten sechs Monate derartige Scheidungsgründe von der Beklagten gesetzt wurden, läge ein sekundärer Feststellungsmangel vor, der auch vom Berufungsgericht von Amts wegen wahrgenommen werden hätte müssen (vgl Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 4 zu § 496 und Rz 9 zu § 471). Dem Vorbringen des Klägers in erster Instanz ist ja zweifellos die Behauptung fortdauernde Beschimpfungen zu entnehmen. Nichts anderes gilt für die angeblichen Beziehungen der Beklagten zu anderen Männern.
Dazu kommt, dass sich das Berufungsgericht überhaupt nicht damit auseinandergesetzt hat, dass nach den Feststellungen des Erstgerichtes wohl auch davon auszugehen ist, das die Beklagte nicht nur am 8. 2. 1998 erklärt hatte, sie werde für den Kläger nicht mehr kochen, sondern, dass sie (wie schon in der Klage behauptet und wohl von der Beklagten gar nicht bestritten wurde) diese Erklärung auch in die Tat umgesetzt hat. Mag auch die Äußerung an sich als verständliche Reaktion auf den gravierenden Vorwurf des Vergiftens durch den Kläger nicht als schwere Eheverfehlung nach § 49 EheG zu qualifizieren seien (vgl Schwimann in Schwimann, ABGB2 Rz 6 zu § 49 EheG und die dort zitierten E), gilt dies wohl nicht ohne weiteres für das Einstellen des Kochens, sofern dies nach dem Einvernehmen der Ehegatten zu den Pflichten der Ehefrau gehört hatte. Das Erstgericht sah allfällige Eheverfehlung nach dem 6. 12. 1996 als nicht mehr ins Gewicht fallend an (vgl dazu die Rechtsprechungsanalyse von Schwimann aaO Rz 4 zu § 49 EheG). Auch wenn entsprechende Begriffe nicht verwendet wurden, kann doch davon ausgegangen werden, dass das Erstgericht mit dem genannten Datum die Ehe als unheilbar zerrüttet ansah. Eine Überprüfung dieser vom Berufungsgericht nicht ausdrücklich übernommenen Rechtsansicht ist aber derzeit nicht möglich, hat doch das Berufungsgericht ausgehend von seiner unrichtigen rechtlichen Beurteilung die Prüfung der Tatsachenrügen der Parteien im Berufungsverfahren (mit einer Ausnahme) unterlassen. Sollte nach dem endgültigen Stand der Feststellungen die Beurteilung der Ehe als mit Dezember 1996 unheilbar zerrüttet nicht zutreffen, wäre aber diesbezüglich auch noch eine allenfalls fehlende sittliche Rechtfertigung des Scheidungsbegehrens zu prüfen (§ 49 Satz 2 EheG).
Für den Fall, dass das Berufungsgericht auch nur zur Feststellung einer einzigen einen nicht verfristeten Scheidungsgrund darstellenden Eheverfehlung gelangen sollte, müssten auch sämtliche übrigen Feststellungen geprüft werden, weil auch an sich verfristete Eheverfehlungen nach § 59 Abs 2 EheG zur Unterstützung einer auf andere Eheverfehlungen gegründeten Ehescheidungsklage geltend gemacht werden können. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass zwar nach einhelliger Rechtsprechung und Lehre die Präklusivfrist des § 57 Abs 1 ZPO von Amts wegen wahrzunehmen ist (zuletzt etwa 1 Ob 631/85 = EF-Slg. 48.409; Gruber in Schwimann, ABGB2 Rz 2 zu § 57 EheG), das jedoch im Zweifel nicht von einer Verfristung auszugehen ist und der Kläger die Einhaltung der Frist nicht beweisen muss (7 Ob 183/63; 6 Ob 155/98g = EFSlg 87.479).
Demnach war das Berufungsurteil aufzuheben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der Beklagten (einschließlich der Tatsachenrügen beider Teile, soweit entscheidungserheblich) aufzutragen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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