European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00012.14G.0723.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Den Gegenstand des Impugnationsverfahrens bildet die Frage, ob die klagende Partei, Medieninhaberin der „K*****“ gegen einen Exekutionstitel verstoßen hat, der ihr verbietet, einen nicht zutreffenden zeitlichen Vorsprung ihrer redaktionellen Berichterstattung zu behaupten und/oder zu verbreiten (siehe 3 Ob 7/12v). Die klagende Partei gesteht zu, dass in den beiden den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildenden Fällen entsprechende Inhalte am jeweiligen Ausgabetag (29. März 2014 bzw 15. April 2014) auch in einem anderen Medium veröffentlicht worden seien; sie beruft sich allerdings darauf, dass ihr insofern ein zeitlicher Vorsprung zugekommen sei, als ihre Ausgaben bereits am Vortag des Erscheinungstages (also am 28. März 2014 bzw am 14. April 2014) ab 17:00 Uhr in der Abendkolportage vertrieben worden seien, während die Ausgaben der Konkurrenzmedien erst am Erscheinungstag in der Früh erhältlich gewesen seien. Weiters ist zu entscheiden, ob die Behauptung der Exklusivität der Ergebnisse einer Blitzumfrage über die Stärke der politischen Parteien ebenfalls gegen den Titel verstößt, wenn am Erscheinungstag ein weiteres Medium über eine vergleichbare Meinungsumfrage berichtet hat. Zu beiden Rechtsfragen beruft sich die klagende Partei auch noch auf fehlende Vorwerfbarkeit ihres Verhaltens.
Die Vorinstanzen wiesen die Impugnationsklage ab. Der Umstand, dass das von der klagenden Partei herausgegebene Medium bereits am Vorabend des Erscheinungstages in einer „Abendausgabe“ erscheine, gebe ihr nicht den behaupteten zeitlichen Vorsprung, weil nicht von einem einschlägigen begleitenden Wissen des Lesers ausgegangen werden könne, dass eventuell das eine oder andere Printmedium in der Abendkolportage vertrieben werde. In Bezug auf die erste der beiden Meldungen werde der Eindruck erweckt, dass die „K*****“ am 29. März 2011 berichtet habe. Die Behauptung der Exklusivität einer Umfrage könne nicht in Bezug auf den Umstand bezogen werden, wer die Umfrage durchgeführt habe, sondern auf das Thema und die Ergebnisse. Auf fehlendes Verschulden könne sich die in Lauterkeitsstreitigkeiten erfahrene klagende Partei ebenso wenig berufen wie auf einen Schutz durch Art 10 EMRK.
In ihrer außerordentlichen Revision beruft sich die klagende Partei erneut darauf, dass ihr aufgrund der Veröffentlichung in der am Vorabend des Erscheinungstages vertriebenen Abendausgabe ein zeitlicher Vorsprung in der Berichterstattung zukomme; jedenfalls sei die Information, die „K*****“ habe als erstes Medium ein Thema aufgegriffen, schon im Hinblick auf Art 10 EMRK nicht vorwerfbar. Der Hinweis auf die Exklusivität einer Meinungsumfrage sei bereits dann zulässig, wenn diese vom Medieninhaber exklusiv in Auftrag gegeben werde. Im Übrigen fehle es an der Vorwerfbarkeit des Titelverstoßes, wenn die Ergebnisse einer „exklusiv“ von der klagenden Partei in Auftrag gegebenen Meinungsumfrage veröffentlicht würden, weil zum Zeitpunkt des Andrucks keinesfalls vorhergesehen werden könne, ob nicht auch ein anderes Medium Ergebnisse einer ähnlichen Meinungsumfrage publiziere.
Rechtliche Beurteilung
Damit gelingt es der klagenden Partei nicht, eine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO darzustellen.
1. Der Oberste Gerichtshof hat sich mit Rechtsfragen, die auch im vorliegenden Fall relevant sind, ausführlich in der Entscheidung 3 Ob 115/13b (= ÖBl 2014/9, 38 [Anzenberger] = ecolex 2014/103, 255 [Tonninger]) auseinandergesetzt.
1.1. Der Anwendungsbereich der Impugnationsklage ist auf Fälle eingeschränkt, in denen Einwendungen gegen die Exekutionsbewilligung nicht mit Rekurs vorgebracht werden können. Somit kommen für die Impugnationsklage nur Sachverhalte in Betracht, die bei Bewilligung der Exekution noch nicht aktenkundig waren bzw auch bei einem mangelfreien erstgerichtlichen Exekutionsverfahren hätten ermittelt werden müssen (3 Ob 26/05b). Der Zweck der Impugnationsklage liegt also vor allem darin, geltend zu machen, dass die Behauptungen des betreibenden Gläubigers nicht den Tatsachen entsprechen.
1.2. Wenn die verpflichtete Partei behauptet, dass der im Exekutionsantrag behauptete Sachverhalt rechtlich kein Zuwiderhandeln gegen das titelmäßige Duldungs‑ oder Unterlassungsgebot darstellt, steht ihr dafür nur der Rekurs, nicht auch die Impugnationsklage zur Verfügung. Bestreitet sie hingegen, den als Zuwiderhandeln behaupteten Sachverhalt tatsächlich verwirklicht zu haben, kann sie sowohl gegen die Exekutionsbewilligung als auch gegen einen Strafbeschluss Impugnationsklage erheben (RIS‑Justiz RS0123123). Auch der Einwand des Verpflichteten, er habe ein Verhalten nicht schuldhaft gesetzt, ist ein Impugnationsgrund (RIS‑Justiz RS0107694).
2. Die Frage, ob die Bezeichnung der Veröffentlichung der Ergebnisse einer Meinungsumfrage als „exklusiv“ gegen den Titel verstößt, wenn die Medieninhaberin diese Meinungsumfrage allein in Auftrag gegeben hat, ist eine Rechtsfrage, die im Rekursverfahren auszutragen ist und auch dort ausgetragen wurde (siehe 3 Ob 7/12v). Sie kann nicht erneut mittels Impugnationsklage aufgegriffen werden.
3. Betreffend die Frage, ob sich die klagende Partei auf einen zeitlichen Vorsprung ihrer Berichterstattung berufen kann, wenn sie schon am Vorabend des Erscheinungstages eine Abendausgabe vertreibt, ist darauf hinzuweisen, dass in Bezug auf die erste der beiden Meldungen der unrichtige Eindruck erweckt wurde, dass die „K*****“ am 29. März 2011 (und nicht ‑ via Abendausgabe ‑ am 28. März 2011) als erste zu dem relevanten Thema berichtet habe. Im Übrigen ist die Ansicht der Vorinstanzen, die darauf hinausläuft, dass als Maßstab für die Beurteilung eines möglichen zeitlichen Vorsprungs auf das aufgedruckte Erscheinungsdatum und nicht auf den Zeitpunkt des Beginn der Kolportage zurückgegriffen werden muss, keineswegs unvertretbar. Die Ansicht der klagenden Partei liefe letztlich darauf hinaus, dass das frühzeitige Kolportieren eines Mediums allein an einem bestimmten Ort zu einem ständigen zeitlichen Vorsprung führte, dass also die Behauptung der Exklusivität auch am Folgetag mit Anführung des Datums verbreitet werden dürfte, obwohl dann die Behauptung zu diesem Zeitpunkt unrichtig (geworden) ist.
Der Revisionseinwand, eine solche Veröffentlichung könne wegen des zeitlichen Vorsprungs am Vortag kein Titelverstoß sein, trifft nicht zu. Es fällt in die Sphäre der Klägerin, dafür Sorge zu tragen, dass die verbreitete Mitteilung auch am Folgetag ‑ nur für diesen wird ja Exklusivität behauptet ‑ der Wahrheit entspricht. Wenn sie ohne die Gewissheit, dass an diesem Tag andere Medien keine vergleichbaren Mitteilungen verbreiten, den Text des Vortages, der unter dem Datum des Folgetages veröffentlicht wurde, unberichtigt veröffentlicht, geschieht dies auf ihr Risiko. Zwar wird das Verhalten der Konkurrenten kaum feststellbar sein (Revision: „wir müssten Hellseher sein ...“), das ändert aber nichts daran, dass es für die Klägerin zumutbar ist, nur wahrheitsgemäße Exklusivbehauptungen zu verbreiten, etwa dahin, dass im Text des Folgetages auf den zeitlichen Vorsprung am Vortag verwiesen wird („Wie wir in der gestrigen Abendausgabe ... exklusiv berichtet haben ...“).
Wenn sich die Klägerin aus Kostengründen die Herausgabe unterschiedlicher Texte ersparen will handelt sie auf eigene Gefahr und fahrlässig.
4. Unter 1.2. wurde bereits darauf hingewiesen, dass sich die verpflichtete Partei gegen die Bewilligung der Unterlassungsexekution mit Impugnationsklage zur Wehr setzen kann, wenn sie dartun kann, das Unterlassungsgebot ohne jedes Verschulden verletzt zu haben (3 Ob 185/94 = SZ 68/151; RIS‑Justiz RS0107694). So wie schon in dem der Entscheidung 3 Ob 115/13b zugrunde liegenden Verfahren geht nun die Argumentation der klagenden Partei dahin, dass es dann, wenn die dem Verstoß zugrunde liegende Rechtsansicht vertretbar sei, am erforderlichen Verschulden fehle. Diese Ansicht entspringt der lauterkeitsrechtlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in Titelverfahren zur Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch“ und kann nach der Entscheidung 3 Ob 115/13b nicht auf Fälle übertragen werden, in denen bereits eine titulierte Unterlassungsverpflichtung besteht. Diese in der zitierten Entscheidung vertretene Ansicht ist fortzuschreiben. Die Vertretbarkeit einer Titelauslegung ist von der Klarheit des Titels abhängig. Sind mehrere Auslegungsvarianten denkbar und ist der Titel missverständlich, geht dies zu Lasten des Betreibenden (RIS‑Justiz RS0000205 [T10]; RS0000255). Die Auslegung des Titels ist die im Exekutionsverfahren abschließend zu behandelnde Rechtsfrage (in diesem Sinn auch Entscheidungsanmerkung von Anzenberger, ÖBl 2014/9, 41 zu 3 Ob 115/13b.
Die Klägerin versucht unter Zitierung umfangreicher Judikatur zum Wettbewerbs‑ und Medienrecht sowie Art 10 EMRK und mit Hinweis auf eine gebotene Einschränkung der sogenannten Unklarheitenregel die ihr anzulastenden Titelverstöße mit einer angeblich unzulässigen Einschränkung der Freiheit der Meinungsäußerung mit dem Ziel in Abrede zu stellen, ihr Verschulden daran zu verneinen. Zu dieser in das Rekursverfahren gehörigen Frage genügt die Klarstellung, dass hier der Titelverstoß nicht den sachlichen Inhalt einer Berichterstattung erfasst, sondern in der Behauptung eines nicht bestehenden zeitlichen Vorsprungs besteht, und damit weder die Teilnahme an einer öffentlichen Debatte zum Gegenstand hat, die allgemeine Interessen betrifft, noch die Zulässigkeit der Verbreitung von Nachrichten, die einem ernsthaften öffentlichen Anliegen entsprechen, oder vergleichbare gewichtige Interessen (vgl 4 Ob 98/07a = SZ 2007/139). Vielmehr ist ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit an diesem Detail der Berichterstattung nicht zu erkennen, das ganz offensichtlich ausschließlich in Wettbewerbsabsicht von der Klägerin geäußert wurde.
5. Die im angefochtenen Urteil begründete Ansicht, es liege kein tauglicher Impugnationsgrund vor, hält sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.
Mangels erheblicher Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) ist die außerordentliche Revision der klagenden Partei zurückzuweisen.
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