OGH 2Ob248/09y

OGH2Ob248/09y17.2.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Thomas E*****, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, gegen die beklagten Parteien 1. Wolfgang H*****, und 2. (nunmehr) V***** AG, *****, vertreten durch Dr. Kurt Konopatsch und Dr. Sonja Jutta Sturm-Wedenig, Rechtsanwälte in Leoben, wegen Feststellung (Streitinteresse: 7.500 EUR), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 9. September 2009, GZ 1 R 380/08m-33, womit (ua) der Antrag auf Abänderung des Zulassungsausspruchs und die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Berufungsgerichts vom 12. Februar 2009, GZ 1 R 380/08m-28, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 410,83 EUR (darin 68,47 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien - jene der zweitbeklagten Partei beschränkt auf die Haftungssumme eines bestimmten Haftpflichtversicherungsvertrags - für alle (zukünftigen) Folgen des Verkehrsunfalls vom 15. 8. 2006 an der Kreuzung Mariazellerstraße - Redfeldgasse in Kapfenberg im Ausmaß von 50 %. Er bewertete sein rechtliches Interesse mit 7.500 EUR.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es, ausgehend von einer Verschuldensteilung im Verhältnis von 2 : 1 zu Lasten des Klägers, die Haftungsquote der beklagten Parteien auf ein Drittel verringerte und das auf die Feststellung der Haftung für ein weiteres Sechstel der (künftigen) Unfallfolgen lautende Mehrbegehren abwies. Es sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Gegen dieses Urteil erhob der Kläger „Revision". In diesem Rechtsmittel stellte er den Antrag, das Berufungsgericht möge seinen Bewertungsausspruch dahingehend abändern, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige. Er habe sein Feststellungsbegehren zwar nur mit 7.500 EUR bewertet, jedoch sei schon aufgrund der Schwere der von ihm erlittenen Verletzungen und der anzunehmenden Dauer- und Spätfolgen von einem 20.000 EUR übersteigenden Rechtsschutzinteresse auszugehen. „Insbesondere für den Fall der Abweisung" dieses Antrags beantragte er, den zweitinstanzlichen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision dahingehend abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht (1.) den ihm vorgelegten Antrag auf Abänderung seines Zulassungsausspruchs samt der damit verbundenen ordentlichen Revision zurück und (2.) den Antrag, den Bewertungsausspruch abzuändern, als unzulässig zurück. Zu Punkt 1. sprach es aus, dass ein Rechtsmittel nicht zulässig sei. Der Kläger habe keine stichhältigen Gründe dargetan, um vom Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision abzugehen.

Gegen die Zurückweisung der Revision richtet sich der Rekurs des Klägers, der die ersatzlose Beseitigung dieses Ausspruchs anstrebt; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien beantragen in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

1. Im Hinblick auf die Neufassung des § 521a Abs 1 ZPO durch die Zivilverfahrensnovelle 2009 (ZVN 2009), BGBl I 2009/30, ist das Rekursverfahren grundsätzlich zweiseitig. Die geänderte Fassung ist im vorliegenden Fall anzuwenden, weil das maßgebliche Entscheidungsdatum nach dem 31. 3. 2009 liegt (vgl Art XIV Abs 2 ZVN 2009; „erste Instanz" im Sinne dieser Übergangsvorschrift war hier das Berufungsgericht).

2. Der Rekurs ist unzulässig.

Der Kläger steht auf dem Standpunkt, sein Rechtsmittel wäre richtigerweise als außerordentliche Revision zu deuten gewesen. Dem Berufungsgericht komme keine Entscheidungskompetenz zur Zurückweisung einer außerordentlichen Revision zu.

Nach der eingangs wiedergegebenen Aktenlage hat das Berufungsgericht im angefochtenen Teil des bekämpften Beschlusses das Rechtsmittel des Klägers als ordentliche Revision behandelt und dieses gemeinsam mit dem Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO zurückgewiesen. Wäre das Rechtsmittel, wie der Kläger nun behauptet, richtigerweise als außerordentliche Revision zu deuten gewesen, hätte sich die Befugnis des Berufungsgerichts auf die Zurückweisung des Abänderungsantrags (mit der Begründung, ein Fall des § 508 Abs 1 ZPO liege nicht vor) beschränkt. In solchen Fällen kann die dennoch erfolgte Zurückweisung auch der Revision mit Rekurs (gemäß § 514 ZPO) an den Obersten Gerichtshof bekämpft werden, da der Rechtsmittelausschluss des § 508 Abs 4 letzter Satz ZPO für die Zurückweisung einer (in Wahrheit) außerordentlichen Revision nicht gilt (2 Ob 82/07h mwN; RIS-Justiz RS0122264; Zechner in Fasching/Konecny2 IV/1 § 508 ZPO Rz 15).

Diese Voraussetzungen treffen hier jedoch nicht zu:

Die Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Berufungsgericht ist grundsätzlich unanfechtbar und für den Obersten Gerichtshof bindend (RIS-Justiz RS0042410, RS0042515), es sei denn, das Berufungsgericht hätte zwingende Bewertungsvorschriften verletzt, eine offenkundige Fehlbewertung vorgenommen oder eine Bewertung hätte überhaupt unterbleiben müssen (2 Ob 103/07x; 5 Ob 278/08f; 2 Ob 68/09p uva; Zechner aaO § 502 ZPO Rz 155).

Selbst wenn keine zwingenden Bewertungsvorschriften bestehen, ist das Berufungsgericht demnach in der Bewertung nicht völlig frei. Sein gebundenes Ermessen hat sich an den für die Bewertung des Streitgegenstands normierten Grundsätzen zu orientieren. Danach bildet der objektive Wert der Streitsache ein Bewertungskriterium. Das Berufungsgericht darf daher den Wert des Entscheidungsgegenstands - bezogen auf den objektiven Wert der Streitsache - weder übermäßig hoch noch übermäßig niedrig ansetzen; ist eine solche Fehlbewertung offenkundig, dann ist der Oberste Gerichtshof daran nicht gebunden (2 Ob 103/07x mwN; vgl 2 Ob 68/09b).

Das Berufungsgericht hat sich bei seinem Bewertungsausspruch an der Bewertung des Feststellungsinteresses durch den Kläger orientiert. Wenngleich es an dessen Bewertung nicht gebunden war (RIS-Justiz RS0042617; Zechner aaO § 502 ZPO Rz 154), hat es den ihm zur Verfügung stehenden Ermessensspielraum nicht überschritten. Im erstinstanzlichen Urteil wurde wohl festgestellt, dass der Kläger eine schwere Handverletzung erlitten hat und dass eine funktionelle Bewegungseinschränkung im linken Handgelenk als Dauerfolge besteht. Der Kläger hat auch vorgebracht, als Linkshänder seinen Beruf als Möbeltischler nicht mehr ausüben zu können, sodass künftig mit einem „massiven" Verdienstentgang zu rechnen sei. Dazu liegen aber keine Feststellungen vor. Im Hinblick auf das von ihm zugestandene Mitverschulden von 50 % ist demnach von einer „offenkundigen", dh eindeutig erkennbaren Unterbewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Berufungsgericht nicht auszugehen (vgl 2 Ob 103/07x). Das in diesem Zusammenhang im Rekurs erstattete Vorbringen zum Inhalt einer mittlerweile eingebrachten Leistungsklage ist als Verstoß gegen das Neuerungsverbot unbeachtlich.

Aus den dargelegten Erwägungen folgt, dass das zweitinstanzliche Urteil lediglich im Wege eines Antrags auf Abänderung des Zulassungsausspruchs gemäß § 508 Abs 1 ZPO angefochten werden konnte, den der Kläger auch gestellt hat. Gegen die Zurückweisung dieses Antrags und der damit verbundenen ordentlichen Revision steht dem Kläger aber infolge des in § 508 Abs 4 letzter Satz ZPO normierten Rechtsmittelausschlusses keine weitere Anfechtungsmöglichkeit mehr zur Verfügung.

3. Der Rekurs war daher als (absolut) unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die beklagten Parteien haben in ihrer Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen.

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