OGH 2Ob24/15s

OGH2Ob24/15s9.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** R*****, vertreten durch Dr. Helmut Weber, Rechtsanwalt in Liezen, gegen die beklagte Partei Ö***** AG, P*****, vertreten durch Lansky, Ganzger + Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Philipp Markowski, Rechtsanwalt in Wien, wegen 15.600 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 11. Dezember 2014, GZ 1 R 77/14m‑32, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0020OB00024.15S.0409.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Klägerin ist eine Angestellte der Nebenintervenientin, die ihrerseits mit der Beklagten einen Vertrag über Reinigungsleistungen im Konzern der Beklagten abschloss. Die vertragsgegenständlichen Leistungen sind unter Berücksichtigung der Sicherheit, der Ordnung und der sonstigen Erfordernisse des Betriebs der beklagten Partei zu erbringen und die Mitarbeiter der Nebenintervenientin den einschlägigen Weisungen der zuständigen Behörde und der zuständigen Beschäftigten der Beklagten unterstellt.

Die Klägerin, die Reinigungsarbeiten in einem Betriebsgebäude der Beklagten durchgeführt hatte, rutschte beim Verlassen des Geländes auf der als offizieller Zugangsweg dienenden, über ein Bachgerinne führenden und am Unfalltag regenbedingt nassen Holzbrücke, die nur auf einer Seite ein Geländer hatte, aus und stürzte in den Bach, wobei sie sich schwer verletzte.

Das Erstgericht wies ihre Klage auf Schadenersatz mit der Begründung ab, der Beklagten komme das Dienstgeberhaftungsprivileg nach § 333 ASVG zugute.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin insoweit Folge, als es mit Teilurteil dem Feststellungsbegehren in Bezug auf sämtliche künftigen Schäden der klagenden Partei stattgab und im Übrigen die Entscheidung aufhob und an das Erstgericht zurückverwies. Das Berufungsgericht sah die Voraussetzungen des § 333 ASVG als nicht gegeben an.

In der dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt die beklagte Partei ausführlich die (vorwiegend ältere) Judikatur des Obersten Gerichtshofs zum Dienstgeberhaftungsprivileg, insbesondere zur betrieblichen Eingliederung, auf. Diese zeige sich insbesondere durch die Bereitschaft des Dienstnehmers, Weisungen des Unternehmers im Betrieb zu befolgen. Es reiche auch eine nur vorübergehende Eingliederung aus und sei nicht erforderlich, dass es sich um eine für den Betrieb ins Gewicht fallende wirtschaftliche Leistung handle.

1. Bei diesen Ausführungen der Revisionswerberin bleibt allerdings die ständige Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu Werkverträgen außer Betracht:

Rechtliche Beurteilung

Danach ist bei Werkverträgen im Verhältnis zwischen dem Besteller und Arbeitnehmern des Unternehmers eine Eingliederung dieser Arbeiter in den Betrieb des Bestellers grundsätzlich nicht anzunehmen (RIS‑Justiz RS0021827, RS0085266). In diesen Fällen ist die Haftung durch § 333 ASVG nicht ausgeschlossen, solange jeder Unternehmer innerhalb der Sphäre des eigenen Betriebs tätig bleibt, und nur dann anzunehmen, wenn der Verletzte die Sphäre seines eigenen Lebensbereichs verlässt und sich dem Aufgabenbereich des anderen Unternehmers einordnet (RIS‑Justiz RS0021534). Entscheidend ist das Tätigwerden in der Sphäre (im Aufgabenbereich) des Werkunternehmers und nicht in jener des Bestellers (RIS‑Justiz RS0085208, RS0085043). Die Ausübung eines lediglich aus § 1169 ABGB abgeleiteten Weisungsrechts des Werkbestellers (bzw dessen Aufsehers im Betrieb) hat eine den Haftungsausschluss nach § 333 ASVG rechtfertigende Eingliederung des Dienstnehmers des Unternehmers in den Betrieb des Bestellers nicht zur Folge (RIS‑Justiz RS0085199).

2. Hier unterlag die Klägerin zwar grundsätzlich den einschlägigen (im Wesentlichen Sicherheitsan‑)Weisungen (auch) der zuständigen Beschäftigten der Beklagten, weil die Reinigungsarbeiten der Betriebsanlage vor Ort koordiniert werden mussten und sich nach den Arbeitsvorgängen in der Betriebsanlage der Beklagten zu richten hatten („Eisenbahnbehörde/Fahrdienst“). Dies diente aber nur dazu, durch die beauftragten Reinigungsarbeiten nicht den Betriebsablauf der beklagten Partei zu stören, und nicht dazu, die Klägerin zu veranlassen, bei den betrieblichen Leistungen und dem Betriebserfolg der beklagten Partei mitzuarbeiten oder auch nur einen gemeinsamen Erfolg zu erreichen (vgl RIS‑Justiz RS0128707).

Vielmehr blieb die Tätigkeit der Klägerin, wenn sie sich dabei auch nach den konkreten Vorgaben der Bediensteten der Beklagten in der Betriebsanlage zu richten hatte, im Rahmen des Werkvertrags zwischen ihrer Arbeitgeberin und der Beklagten, nämlich den Reinigungsleistungen.

Die Bewertung und Beurteilung des Berufungsgerichts, die Anwendung des Dienstgeberhaftungsprivilegs nach § 333 ASVG mangels Eingliederung der Klägerin in den Betrieb der beklagten Partei deshalb zu verneinen, hält sich im Rahmen der Vorgaben der aufgezeigten Judikatur und ist somit nicht korrekturbedürftig.

3. Auch mit den behaupteten Aktenwidrigkeiten wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt, handelt es sich doch hiebei einerseits um die Wiedergabe im Berufungsverfahren unangefochten gebliebener Tatsachenfeststellungen (vgl RIS‑Justiz RS0043367, RS0043189, RS0099524, RS0043347) und damit Fragen der irreversiblen Beweiswürdigung sowie andererseits um Rechtsausführungen des Berufungsgerichts; einer weitergehenden Begründung bedarf dies nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

4. Das Berufungsgericht hat sich auch mit dem Mitverschuldenseinwand der beklagten Partei beschäftigt und diesen in ebenfalls nicht zu beanstandender Weise erledigt (S 16 und 17 des Berufungsurteils). Auf das Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers kommt es daher ‑ entgegen den Ausführungen der Revision ‑ nicht mehr an (vgl Neumayr in Schwimann ABGB³ VII § 332 ASVG Rz 76 ff).

5. Da sich im Übrigen nach der Judikatur die aufgrund der Legalzession an den Sozialversicherungsträger übergegangenen und die beim Geschädigten verbleibenden Anspruchsteile von Beginn des Übergangs an als selbständige Forderungen gegenüberstehen (RIS‑Justiz RS0034634, RS0085002), bedarf es entgegen der Ansicht der Revisionswerberin auch nicht der Einschränkung des Feststellungsbegehrens dahingehend, dass Zahlungen nur insoweit zu leisten sind, als sie unter Berücksichtigung des (Quoten‑)Vorrechts der Sozialversicherungsträger Deckung finden.

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