OGH 2Ob240/15f

OGH2Ob240/15f5.8.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt Wien, Landesstelle Graz, Göstinger Straße 26, 8021 Graz, vertreten durch Dr. Peter Schaden, Mag. Werner Thurner, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. T***** F*****, vertreten durch Dr. Heimo Modelhart und Mag. Dr. Elisabeth Humer‑Rieger, Rechtsanwälte in Linz, und 2. A***** Versicherungs‑Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Mag. Alexander Jelly, Rechtsanwalt in Villach, wegen 226.007,31 EUR sA und Feststellung über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 18. November 2015, GZ 4 R 158/15k‑23, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 10. Juli 2015, GZ 20 Cg 34/14y‑17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00240.15F.0805.000

 

Spruch:

1. Die außerordentliche Revision wird in Bezug auf die erstbeklagte Partei gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

2. Dagegen wird ihr in Bezug auf die zweitbeklagte Partei Folge gegeben, insofern das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens in Bezug auf die zweitbeklagte Partei bilden weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Der Erstbeklagte ist Einzelunternehmer und produziert Fertigelemente aus Beton. Im Mai 2011 beauftragte er die A***** GmbH mit der Räumung seines vormalig gepachteten Werksgeländes mittels LKW samt Kran und Fahrer, was mehrere Tage in Anspruch nehmen sollte. Die zweitbeklagte Partei ist der Haftpflichtversicherer des LKW.

Das Werksgelände bestand aus einer Halle und einem Freibereich, auf dem verschiedenste Dinge, darunter auch Schotter, Sand und Betonplatten gelagert waren. Als der Erstbeklagte am 10. 5. 2011 bei dem zu räumenden Betriebsareal ankam, fand er den LKW inklusive Kran und Schaufel sowie zwei Arbeitskräfte vor. Dies waren M***** Sch*****, Angestellter der A***** GmbH, und F***** H*****, ein ehemaliger Mitarbeiter dieses Unternehmens, der von 1. 5. 2011 bis 30. 6. 2012 gewerblich selbständig tätig und gemäß § 2 Abs 1 Z 1 bis 3 GSVG krankenpflichtversichert war. Er war dem Erstbeklagten als zuverlässiger Arbeiter bekannt und hatte bereits als Angestellter der Firma A***** mehrmals auf dem Betriebsareal des Erstbeklagten als LKW- und Kranwagenfahrer gearbeitet und dort auch mit den vorhandenen Betonelementen hantiert. M***** Sch***** war erst seit 4. 5. 2011 bei der Firma A***** GmbH beschäftigt. In der Woche vor dem Unfall war er zur Einschulung auf die Arbeitsgeräte von F***** H***** begleitet worden; so begleitete H***** ihn auch am Unfallstag.

Der Erstbeklagte trug den beiden auf, alle Teile, die sich auf dem Areal befanden, auf den LKW aufzuladen und zum neuen Betriebsareal zu bringen. Der Auftrag betraf sowohl dort gelagertes Schalungsmaterial und Betonteile als auch auf dem Gelände befindlichen Sand und Schotter. Er gab keine Vorgaben über die Art und Weise des Abtransports bzw dessen Reihenfolge, sondern teilte nur mit, dass alles abtransportiert werden sollte. Danach verließ er das Areal.

Auf dem Gelände befanden sich ua zwei Betonplatten. Beide waren 5 cm dick, 2,33 m lang und 2,15 m hoch und wogen 300 bis 400 kg. Sie waren in einem Winkel von ca 10 Grad an eine Ziegelmauer angelehnt. Auf einer Seite der beiden Betonplatten befand sich ein Haufen mit grobem Schotter, auf der anderen Seite ein Sandhaufen; auch vor den beiden Betonplatten sowie im Zwischenraum zur Ziegelwand und unter der Auflagefläche befanden sich Sand und Schotter. Eine besondere Fixierung der Platten bestand nicht. Der Schotter bzw Sand stellte keine Stütze der Betonelemente dar. Die Betonplatten waren zuvor auf dem Gelände mehrmals umgelagert worden. Der Erstbeklagte hatte sich zuletzt beim Abstellen der Betonplatten ca vier bis sechs Wochen vor dem Unfall an der Ziegelmauer durch Ziehen an den Platten davon überzeugt, dass es nicht möglich war, sie dabei zu bewegen bzw zum Umfallen zu bringen.

Sch***** fuhr den LKW bis auf eine Distanz von ca 1,5 m an den Schotterhaufen bei den Betonplatten heran und bediente dann die Baggerschaufel auf dem Kran des LKW mit der Fernbedienung. Als er bereits ca sechs volle Baggerschaufeln aufgeladen hatte, senkte er die Schaufel des Baggers ab, worauf F***** H*****, der sich zwischen dem LKW und den beiden Betonplatten befand, Schotter, der vor den Betonplatten lag, händisch mit einer Schaufel in Richtung der Kranschaufel bugsierte. Sch***** konzentrierte sich auf die Kranschaufel. Als er wieder zu H***** blickte, bemerkte er, dass eine der Betonplatten von der Wand weg Richtung LKW hin umgekippt war und F***** H***** beim LKW eingeklemmt hatte. Ein händisches Wegdrücken der Platte war nicht möglich, weshalb er sie mit einer Kranschaufel vom LKW wegdrückte. F***** H***** wurde bei diesem Unfall am Kopf schwerst verletzt. Es konnte nicht festgestellt werden, was der ausschlaggebende Grund für das Umfallen der Betonplatte war. Weder F***** H***** noch M***** Sch***** trugen bei den Arbeiten am Unfallstag einen Helm.

Der Erstbeklagte verfügte über eine Haftpflichtversicherung mit einer Pauschalversicherungs-summe von 1,5 Mio EUR; der Haftpflichtversicherer gab mit Schreiben vom 30. 4. 2014 gegenüber der Klägerin einen Verjährungsverzicht bis 30. 6. 2014 ab. Der Erstbeklagte selbst gab keinen Verjährungsverzicht ab.

Die Klägerin ersuchte die Staatsanwaltschaft Klagenfurt mit Schreiben vom 10. 2. 2012 um Aktenübersendung und Bekanntgabe des Ausgangs des Strafverfahrens. Der Akt langte am 16. 2. 2012 bei der Klägerin ein. Gegenüber der Zweitbeklagten machte die Klägerin ihren Ersatzanspruch erstmals mit Schreiben vom 8. 4. 2014 geltend. Am 16. 4. 2014 forderte die Klägerin die Zweitbeklagte auf, einen Verjährungsverzicht abzugeben.

Der Geschäftsführer der A***** GmbH wurde im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen nicht einvernommen. Die weitere Feststellung des Erstgerichts, wonach der Erstbeklagte mit dem Geschäftsführer der A***** GmbH zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt über den Unfall sprach, wurde bekämpft, vom Berufungsgericht aber mangels rechtlicher Relevanz nicht übernommen.

Außer Streit steht, dass die Klägerin aufgrund dieses Unfalls Sachleistungen in Höhe von insgesamt 159.833,67 EUR erbracht hat.

Die Klägerin begehrt mit der am 26. 6. 2014 eingebrachten Klage 226.007,31 EUR sA sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für sämtliche künftigen sachlich und zeitlich kongruenten Pflichtaufwendungen, die die Klägerin aufgrund des Unfalls des F***** H***** vom 10. 5. 2011 zu erbringen haben wird, gegenüber der Zweitbeklagten begrenzt auf die Deckungssumme des Versicherungsvertrags betreffend den LKW. Neben den außer Streit stehenden Sachleistungen vom 10. 5. 2011 bis 30. 6. 2014 habe die Klägerin nach Gesetz und Satzung umfangreiche weitere Barleistungen erbracht. Die Summe dieser Leistungen ergebe den Klagsbetrag.

Durch das Abgraben des Schotters mittels des Ladekrans des LKW sei die ungesicherte Betonplatte umgestürzt und habe F***** H***** unter sich begraben. Der Erstbeklagte habe als Auftraggeber der Arbeiten keinen Hinweis auf die ungesicherte Betonplatte und die daraus resultierende Gefahr gegeben. Zwischen Unternehmen, die gemeinsam ein Werk erstellten, bestünden Schutz‑ und Sorgfaltspflichten sowie Warn‑ und Informationspflichten des Bestellers über gefährliche Umstände bei Ausführung eines Werks. Ein Hineinstellen von Betonplatten in einen Schotterhaufen ohne jegliche Absicherung und ohne ausreichende Neigung begründe eine Gefährdung der mit der Verbringung des Schotters befassten Arbeiter. Der Einsatz des LKW samt Kran habe ein so weitgehendes Abgraben des Schotters ermöglicht, dass in der Folge die Betonplatten mangels Stütze umgekippt seien. Der Unfall habe sich somit im Zusammenhang mit der Betriebsgefahr des Kfz ereignet. Der Anspruch gegenüber der Zweitbeklagten stütze sich auch auf einen Bedienungsfehler des M***** Sch*****, weil es durch unsachgemäßes Abgraben des Schotters zum Unfall gekommen sei.

Der Erstbeklagte bestritt und brachte vor, die beiden Arbeiter hätten in eigenständiger Verantwortung und Beurteilung für den Abtransport zu sorgen gehabt. Die Betonplatten seien mit ausreichender Neigung an die Mauer angelehnt gewesen, und dort bereits seit Wochen sicher gestanden. Sie seien auf festen Untergrund abgestellt worden und in keiner Weise durch den Schotter gestützt oder in den Schotterhaufen hineingestellt worden. Ein Unfall könne nur dadurch verursacht worden sein, dass M***** Sch***** bei der Bedienung des Krans versehentlich die Betonplatte im unteren Bereich weiter zur Mauer hingeschoben und dadurch die sichere Neigung so reduziert habe, dass die Betonplatte in der Folge umgefallen sei. Es sei von einem unvorsichtigen Arbeiten von beiden Arbeitern auszugehen. Es sei für beide offensichtlich und evident gewesen, dass die beiden Platten nicht besonders fixiert, sondern nur durch die Neigung zur Mauer hin gegen Umkippen geschützt gewesen seien. Überdies habe es für H***** keinerlei Veranlassung gegeben, sich in den engen Bereich zwischen LKW und Betonplatte zu begeben. H***** habe das Areal gekannt und mehrmals Betonelemente verladen. Er sei auch kein Angestellter der A***** GmbH, sondern selbständig tätig und fachkundig gewesen. Letztlich sei er verpflichtet gewesen, einen Sicherheitshelm zu tragen, und ihm habe die Verringerung des Neigungswinkels auffallen müssen. Der Erstbeklagte habe keine Gefahrenquelle geschaffen und keinen allgemeinen Verkehr eröffnet. Aus dem Werkvertrag mit der A***** GmbH ergebe sich keine Schutzpflicht gegenüber F***** H***** und daher auch nicht aufgrund einer Legalzession gegenüber der Klägerin. Der Erstbeklagte habe keinen Verjährungsverzicht abgegeben. Die Ansprüche ihm gegenüber seien daher verjährt.

Die Zweitbeklagte bestritt ebenfalls und führte aus, dass die Schaufel des Krans die Betonelemente nicht berührt habe und das Abgraben des Schotters durch den Kran nicht ursächlich für das Umfallen der Betonplatten gewesen sei. Dies sei offenbar darauf zurückzuführen, dass Schotter händisch entfernt worden sei, wodurch die Platte instabil geworden sei. Der Unfall sei daher nicht auf die Verwirklichung eines spezifischen Risikos beim Betrieb des versicherten LKW zurückzuführen. Außerdem habe H***** keinen Schutzhelm getragen, was zu einem erheblichen Mitverschulden führe. Die Klägerin habe vom Unfall zumindest seit Februar 2012 Kenntnis gehabt, die behaupteten Ersatzansprüche allerdings erst mit Schreiben vom 8. 4. 2014 bzw 16. 4. 2014, somit mehr als zwei Jahre nach dem Unfall gegenüber der Zweitbeklagten geltend gemacht. Ansprüche aus dem EKHG seien daher „erloschen“.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Zwar träfen den Besteller Warn- und Informationspflichten über gefährliche Umstände, letztere seien hier aber offensichtlich gewesen. Im Übrigen habe der Erstbeklagte durch das Anlehnen der Betonplatten in ausreichendem Maße Sicherheitsvorkehrungen gegen ein Umkippen geschaffen. Er habe auch nicht damit rechnen müssen, dass die Arbeiter mit Bagger und Schaufel hantieren würden, ohne zuerst die Platten abzutransportieren.

In Bezug auf die Zweitbeklagte sei der Unfall beim Beladen des abgestellten LKW, also beim Betrieb im Sinne des § 1 EKHG erfolgt. Allerdings habe die klagende Partei den Nachweis ihrer Verständigungspflicht gemäß § 18 EKHG nicht erbracht.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es verwarf sowohl die Tatsachenrüge, mit Ausnahme der bereits dargestellten Feststellung über das Gespräch des Erstbeklagten mit dem Geschäftsführer der A***** GmbH über den Unfall zu einem nicht genauer feststellbaren Zeitpunkt mangels Entscheidungsrelevanz, als auch die Mängelrügen. Es verneinte die Haftung des Erstbeklagten auch im Lichte der von Klagsseite in der Berufung herangezogenen Bestimmungen des § 15 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) und des § 34 Abs 5 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG). Letztere Bestimmung gelte gemäß § 1 Abs 1 leg cit nur für die Beschäftigung von Arbeitnehmern, was auf den Verunfallten nicht zugetroffen habe. Die BauV gelte nach ihrem § 1 Abs 1 nur für die Beschäftigung von Arbeitnehmern auf Baustellen nach der Legaldefintion des § 2 Abs 3 dritter Satz dieses Gesetzes. Einerseits habe es sich hier um keine Baustelle in diesem Sinn gehandelt und andererseits sei F***** H***** als selbständig Erwerbstätiger von diesem Schutzgesetz nicht umfasst.

Soweit sich die klagende Partei auf inhaltsgleiche allgemeine Verkehrssicherungspflichten und vertragliche Schutz‑ und Sorgfaltspflichten des Erstbeklagten berufe, sei davon auszugehen, dass die Betonplatte ausreichend sicher gelagert gewesen sei. Die Berufungswerberin negiere insoweit die Feststellungen über das Abstellen der Betonplatte mit 10%‑iger Neigung.

In Bezug auf die zweitbeklagte Partei sei F***** H***** zwar als Mitversicherter im Sinne des § 2 Abs 1 KHVG anzusehen. Die Klägerin habe aber im Hinblick auf die Negativfeststellung zum Grund des Umfallens der Betonplatte die Verschuldenshaftung begründende Umstände nicht nachweisen können. In Bezug auf die EKHG‑Haftung sei mit dem Erstgericht von einem Unfall beim Betrieb des LKW auszugehen; auch wenn dessen Fahrbarkeit, wie aus den Lichtbildern des Polizeiakts ersichtlich, durch die ausgefahrenen Stützen vorübergehend aufgehoben gewesen sei, habe sich der Unfall doch beim Beladen des LKW ereignet. Es gehe daher jede nicht aufklärbare Ungewissheit über den Unfallhergang zu Lasten des Halters und sei diesem der Entlastungsbeweis nach § 9 EKHG nicht gelungen.

Allerdings sei hier zu beachten, dass nach § 18 EKHG der Ersatzberechtigte die nach diesem Bundesgesetz festgesetzten Ersatzansprüche verliere, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten, nachdem er vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt habe, diesem den Unfall anzeige. Der Verlust trete ua dann nicht ein, wenn der Ersatzpflichtige innerhalb der bezeichneten Frist auf andere Weise vom Schaden Kenntnis erhalten habe. Zweck dieser Bestimmung sei es, den Ersatzpflichtigen möglichst rasch über die drohende Inanspruchnahme zu informieren und ihm Gelegenheit zu geben, den Sachverhalt zu klären und für ihn günstige Tatsachen zu sichern. Diese Ausschlussfrist sei von Amts wegen wahrzunehmen. Im Prozess sei in keiner Weise strittig gewesen, dass die klagende Partei weder die Zweitbeklagte noch ihre Versicherungsnehmerin innerhalb der genannten Frist vom Unfall verständigt bzw Schadenersatzansprüche geltend gemacht habe. Kein Thema sei auch gewesen, dass die zweitbeklagte Partei auf andere Weise vom Unfall Kenntnis erlangt habe. Im Berufungsverfahren umstritten sei lediglich die Frage, ob die Versicherungsnehmerin der zweitbeklagten Partei innerhalb der relevanten Frist auf andere Weise vom Unfall Kenntnis erhalten habe. Die klagende Partei unterstelle dies schlicht, weil ihr Mitarbeiter M***** Sch***** beim Unfall anwesend gewesen sei. Auf die anderweitig rechtzeitig erlangte Kenntnis der Versicherungsnehmerin der zweitbeklagten Partei komme es aber nach dem klaren Wortlaut des § 18 EKHG, wonach der Ersatzpflichtige Kenntnis vom Schaden erlangt haben müsse, nicht an: Auch wenn der Direktanspruch des Ersatzberechtigten gegen den Haftpflichtversicherer gemäß § 26 KHVG auf einem gesetzlichen Schuldbeitritt beruhe und damit Voraussetzung für die Haftung der zweitbeklagten Partei sei, dass ihre Versicherungsnehmerin eine Schadenersatzpflicht treffe, handle es sich dabei doch um einen eigenen, selbständigen Anspruch, der gerade nicht gegen die Versicherungsnehmerin der zweitbeklagten Partei gerichtet sei. Werde daher – wie hier – nur das Versicherungsunternehmen in Anspruch genommen, müssten die Voraussetzungen des § 18 EKHG jedenfalls bei ihr vorliegen. Der Sinn dieser Bestimmung werde gerade im vorliegenden Fall deutlich vor Augen geführt, weil neben dem Verletzten, der keine Erinnerung an den Unfallhergang habe, der einzig Beteiligte M***** Sch***** am 12. 3. 2014 verstorben sei und daher im Prozess zum Unfallhergang nicht mehr habe vernommen werden können.

Es sei daher auch das Klagebegehren gegenüber der zweitbeklagten Partei abzuweisen.

Die ordentliche Revision sei mangels über den Anlassfall hinausgehender Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren stattzugeben; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die zweitbeklagte Partei beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

I. Zur Revision in Bezug auf die erstbeklagte Partei:

Das Rechtsmittel zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf, was gemäß § 510 Abs 3 vorletzter Satz ZPO keiner weitergehenden Begründung bedarf.

II. Zur Revision in Bezug auf die zweitbeklagte Partei:

II.1. Hier meint die Revisionswerberin, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zu § 18 EKHG bzw das Verhältnis dieser Bestimmung zu § 29 KHVG fehle. Letztere sei lex specialis zu § 18 EKHG, der hier nicht anzuwenden sei, weil er nur das Verhältnis zwischen dem Geschädigten und den in § 5 Abs 1 EKHG genannten Haftpflichtigen, nicht daher jenes zum Haftpflichtversicherer regle. Dafür sei vielmehr § 29 KHVG einschlägig. Nach dessen Abs 3 beschränke sich die Haftung des Versicherers im Falle der Verletzung der Anzeigepflicht auf den Betrag, der auch bei gehöriger Erfüllung der Pflicht zu leisten gewesen wäre. Diese Auslegung ergebe sich auch bei systematischer und Wortinterpretation, weil das EKHG keine Bestimmung enthalte, die auf die Person des Kfz‑Haftpflichtversicherers des Schädigers Bezug nehme, wohingegen § 29 KHVG ausdrücklich den Fall der Klagsführung entweder gegen den Versicherten oder den Haftpflichtversicherer nenne und daher weiter sei als § 18 EKHG. Die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsmeinung, dass die Kenntnis des Halters vom Unfall nicht ausreiche, sondern nach dieser Bestimmung auch die Verständigung des Haftpflichtversicherers notwendig sei, überzeuge deshalb nicht, weil der Haftpflichtversicherer auch dann den wirtschaftlichen Schaden aus dem Unfall endgültig zu tragen habe, wenn lediglich der Halter verständigt und gegen diesen ein Titel erworben werde. Warum dies nicht der Fall sein solle, wenn anstelle des Halters lediglich der Haftpflichtversicherer geklagt werde, sei nicht nachvollziehbar.

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof Folgendes erwogen:

II.2. Gemäß § 18 EKHG verliert der Ersatzberechtigte die in diesem Bundesgesetz festgesetzten Ersatzansprüche, wenn er nicht innerhalb dreier Monate, nachdem er vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat, diesem den Unfall anzeigt. Der Verlust tritt nicht ein, wenn die Anzeige infolge eines vom Ersatzberechtigten nicht zu vertretenden Umstands unterblieben ist oder der Ersatzpflichtige innerhalb der bezeichneten Frist auf andere Weise von dem Schaden Kenntnis erhalten hat.

Nach § 5 EKHG haftet für Schäden aus einem Unfall beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs dessen Halter.

§ 29 Abs 1 KHVG dagegen ordnet an, dass der geschädigte Dritte, der seinen Schadenersatzanspruch gegen den ersatzpflichtigen Versicherten oder gegen den Versicherer geltend machen will, diesem das Schadensereignis binnen vier Wochen von dem Zeitpunkt an schriftlich anzuzeigen hat, zu dem er von der Person des Versicherers Kenntnis erhalten hat oder erhalten hätte müssen. Verletzt der geschädigte Dritte diese Pflicht, so beschränkt sich die Haftung des Versicherers nach Abs 3 leg cit auf den Betrag, den er auch bei gehöriger Erfüllung der Pflichten zu leisten gehabt hätte.

Gemäß § 6 Abs 1 KHVG besteht nach Eintritt eines Versicherungsfalls auch für den Versicherungsnehmer die Obliegenheit, dem Versicherer längstens innerhalb einer Woche ab Kenntnis den Versicherungsfall unter möglichst genauer Angabe des Sachverhalts, die Ansprucherhebung durch einen geschädigten Dritten und die Einleitung eines gerichtlichen oder behördlichen Verfahrens anzuzeigen.

§ 26 KHVG eröffnet dem geschädigten Dritten die Möglichkeit, den ihm zustehenden Schadenersatzanspruch im Rahmen des betreffenden Versicherungsvertrags auch gegen den Versicherer direkt geltend zu machen. Der Versicherer und ersatzpflichtige Versicherer haften als Gesamtschuldner. Versicherungsunternehmen und Versicherungsnehmer bilden zwar eine einheitliche Streitpartei, aber keine Streitgenossenschaft. Macht der Geschädigte seine Schadenersatzansprüche gegen das Versicherungsunternehmen mit Direktklage geltend, ist gegenüber dieser der Haftpflichtanspruch (= Deckungsanspruch aus dem Haftpflichtversicherungs-verhältnis) streitanhängig (Grubmann, KHVG4, § 26 E 50, E 51 und E 60).

II.3. Zweck des § 18 EKHG ist es, den Ersatzpflichtigen möglichst rasch über die drohende Inanspruchnahme zu informieren und ihm die Gelegenheit zu geben, den Sachverhalt zu klären und für ihn günstige Tatsachen (Befreiungsgründe) zu sichern (2 Ob 193/03a ZVR 2004/104 [Rihs], RIS‑Justiz RS0118021; Schauer in Schwimann ABGB3 § 18 EKHG Rz 1; Koziol/Apathy/Koch, Haftpflichtrecht III A‑2, Rz 113), weil der Ersatzpflichtige ein berechtigtes Interesse an der schleunigen Feststellung des Sachverhalts hat (Danzl,EKHG9 § 18 Anm 1). Nach der bislang einzigen zu dieser Gesetzesstelle ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, 2 Ob 193/03a, darf der Geschädigte nicht darauf vertrauen, dass die Gendarmerie die richtige Stelle wäre, um die in § 18 EKHG vorgesehene Anzeige vorzunehmen. Vielmehr ist die Anzeige gegenüber dem Ersatzpflichtigen selbst zu erstatten (RIS‑Justiz RS0118022). Die Ausschlussfrist des § 18 EKHG ist im Gegensatz zur Verjährung von Amts wegen wahrzunehmen (Danzl aaO Anm 2). Sie betrifft lediglich die Ansprüche nach dem EKHG, nicht aber jene nach dem bürgerlichen Recht (vgl Danzl aaO Anm 3; Koziol/Apathy/Koch aaO Rz 113). Die Anzeige ist eine empfangsbedürftige Erklärung, die dem Ersatzpflichtigen selbst oder seinem (gesetzlichen oder gewillkürten) Vertreter zugehen muss. Sie kann wegen der Schadenregulierungsvollmacht des Versicherers, die sich auch auf den Empfang der Anzeige erstreckt, auch an den Haftpflichtversicherer des Ersatzpflichtigen ergehen (Koziol/Apathy/Koch aaO Rz 113). Gibt es mehrere Haftpflichtige, so ist die Anzeige an jeden von ihnen erforderlich (Schauer in Schwimann ABGB3 § 18 EKHG Rz 2; Danzl aaO Anm 6; Koziol/Apathy/Koch aaO).

Die in § 18 EKHG festgesetzte Frist ist eine Präklusionsfrist, für die nicht die für die Verjährung geltenden Regeln über Hemmung oder Unterbrechung gelten. Sie beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Geschädigte vom Schaden und Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt (Koziol, Haftpflichtrecht II, 572; Koziol/Apathy/Koch aaO).

II.4. Nach der ständigen Rechtsprechung beruht der Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer auf einem gesetzlichen Schuldbeitritt, durch den die Schadenersatzansprüche der Geschädigten gegen den Schädiger durch Hinzutritt eines weiteren leistungsfähigen Schuldners verstärkt werden (RIS‑Justiz RS0065779, 2 Ob 180/11a ua). Voraussetzung für die Haftung des Versicherers ist daher, dass den Versicherungsnehmer oder den Versicherten eine Schadenersatzpflicht trifft (2 Ob 180/11a). Der Anspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer ist akzessorischer Natur zu jenem gegenüber dem Halter (7 Ob 13/95 SZ 68/122).

II.5. Auch wenn man daher mit den Ausführungen der klagenden Partei in der Revision davon ausgeht, dass sich die Anzeigepflicht des § 18 EKHG nur gegen den „Ersatzpflichtigen“ nach dem EKHG richtet– wobei der Gesetzestext ausdrücklich auf die Kenntnis des Schadens und nicht bloß auf die Kenntnis des Unfalls abstellt (Schauer in Schwimann ABGB³ § 18 EKHG Rz 6) –, so ist dies nach § 5 EKHG aber der Halter des Kfz; eine zusätzliche Anzeige an den Versicherer ist nicht erforderlich.

Im Hinblick auf den akzessorischen Charakter der Haftung des Haftpflichtversicherers kann ein Anspruch gegen diesen daher nur dann erfolgreich geltend gemacht werden, wenn ein solcher Anspruch auch gegenüber dem Halter des Fahrzeugs besteht. Liegen daher in Bezug auf den Halter die Voraussetzungen des § 18 EKHG nicht vor, besteht der Anspruch nicht und kann daher auch nicht gegen den Haftpflichtversicherer mit Erfolg geltend gemacht werden.

Dass aber beim Schuldbeitritt der Übernehmer der Verbindlichkeit dem Gläubiger ebenfalls alle Einwendungen des ursprünglichen Schuldners entgegenhalten kann, ergibt sich bereits aus allgemeinem Vertragsrecht (vgl Ertl in Rummel 3 §§ 1407, 1408 ABGB Rz 2; Neumayr in KBB4 § 1407 ABGB Rz 1; Mader/W. Faber in Schwimann ABGB3 § 1407 Rz 2).

II.6. Was das von der Revisionswerberin angesprochene Verhältnis zwischen § 18 EKHG und § 29 KHVG betrifft, so besteht die Anzeigepflicht des § 18 EKHG unabhängig von der in § 29 KHVG geregelten haftpflichtversicherungsrechtlichen Anzeigepflicht (vgl Danzl aaO Anm 1 lit b). § 18 EKHG statuiert seine Pflichten seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes mit 1. 6. 1959 (§ 21 Abs 1 EKHG). Die Regelung des § 29 KHVG dagegen war früher in § 25 KHVG 1987 und davor in § 63 KFG 1967 enthalten. Sie betrifft die Verständigungspflicht gegenüber dem (Kfz‑Haftpflicht‑)Versicherer, mit der jeweils die allgemeine versicherungsrechtliche Anzeigepflicht nach § 158d VersVG ausgeschlossen wurde (vgl § 63 Abs 5 KFG 1967, § 25 Abs 5 KHVG 1987 bzw nunmehr § 29 Abs 5 KHVG 1994), nicht aber jene nach § 18 EKHG gegenüber dem nach diesem Gesetz Ersatzpflichtigen.

II.7. Die von der Revision herangezogene Entscheidung 7 Ob 13/95 SZ 68/122, wiedergegeben in Grubmann, KHVG4 § 26 E 2, ist mit dem hier vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar, begehrte doch dort der Kläger die Feststellung, dass die beklagte Partei als Rechtsschutzversicherer für ein verunfalltes Motorrad zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen des Klägers als Beifahrer auf diesem Motorrad im Unfallszeitpunkt gegenüber der Haftpflichtversicherung des Motorrads Rechtsschutzdeckung zu gewähren habe. In diesem Zusammenhang wurde ausgesprochen, dass der auf einem gesetzlichen Schuldbeitritt beruhende Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer von der Rechtsschutzversicherung nicht ausgeschlossen sei.

II.8. Im Ergebnis kann daher dem Berufungsgericht in seiner Rechtsansicht, dass es auf die anderweitig rechtzeitig erlangte Kenntnis der Versicherungsnehmerin der zweitbeklagten Partei in Zusammenhang mit § 18 EKHG nicht ankomme, nicht gefolgt werden. Damit ist aber die in der Beweisrüge nicht behandelte Feststellung über die Kenntnisnahme der Halterin des LKW (laut angestrebter Ersatzfeststellung „jedenfalls noch innerhalb von drei Monaten ab dem Unfallzeitpunkt“) doch entscheidungsrelevant, weshalb das Urteil aufzuheben und dem Berufungsgericht die Erledigung der Beweisrüge insoweit aufzutragen war.

Die Revisionswerberin wird mit ihren Rügen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens auf diese Entscheidung verwiesen.

II.9. Der zuletzt von der Revisionswerberin geltend gemachte Widerspruch in den Feststellungen zum Verschulden des „Kfz‑Lenkers“ (gemeint wohl: des Bedieners des Kranes) ist zumindest derzeit nicht entscheidungsrelevant. Diese Frage wäre erst dann zu klären, sollte sich im fortgesetzten Verfahren ergeben, dass die Versicherungsnehmerin der zweitbeklagten Partei im Sinne des § 18 EKHG rechtzeitig anderweitig vom Unfall Kenntnis erhielt und daher Verfristung nicht eingetreten ist.

II.10. Der Kostenvorbehalt in Bezug auf die Revision der zweitbeklagten Partei beruht auf §§ 50 Abs 1, 52 Abs 1 ZPO.

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