OGH 7Ob13/95

OGH7Ob13/9528.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kurt M*****, vertreten durch Dr.Andreas Brandtner, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei I***** Versicherungs AG, ***** ***** vertreten durch Dr.Hans-Jörg Vogl, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 25.November 1994, GZ 4 R 283/94-48, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 20.Juni 1994, GZ 10 Cg 433/93-40, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 14.490,- (darin enthalten S 2.415,- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Bruder des Klägers war Eigentümer und Halter eines Motorrades, für das er bei der beklagten Partei eine Haftpflichtversicherung und eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hatte. Der Rechtsschutzversicherung lagen die ARB 1965/82 und die ERB 1965/82 zugrunde.

Am 17.8.1989 fuhr der Kläger mit diesem Motorrad, dessen Benützung ihm von seinem Bruder gestattet worden war, in das Freibad in N*****. Dort traf er seinen Bekannten Michael A*****. Gegen 16 Uhr beschlossen die beiden, mit dem Motorrad nach B***** zu fahren. Beim Wegfahren vom Schwimmbad lenkte der Kläger das Motorrad. Michael A***** trug eine blaue Jeanshose und schwarze Halbschuhe. Der Kläger hatte Turnschuhe an. Noch im Gemeindegebiet N***** kam das Motorrad ***** von der Fahrbahn ab, geriet in die angrenzende Wiese, fuhr in einem etwa parallel zur Straße verlaufenden Graben weiter und prallte nach einer Fahrstrecke von ca 63 m gegen eine ca 1,2 bis 1,5 m hohe, aus Bruchsteinen bestehende Mauer einer quer zum Graben verlaufenden Grundstückseinfahrt. Michael A***** wurde auf die Fahrbahn der B 190 geschleudert und war sofort tot. Der Kläger erlitt schwere Verletzungen.

Eine Untersuchung von Spurenmaterial durch die kriminaltechnische Zentralstelle des Bundesministeriums für Inneres, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, ergab dem rechten vorderen Fußraster zuzuordnende Abriebspuren an der Spitze der Sohle des Schuhs des Michael A*****, eine von der Sohle des linken Schuhs stammende Abriebspur am linken vorderen Fußraster sowie eine von einem hellblauen Jeansstoff stammende Textilabriebspur an der linken Tankseite des Motorrades. Die stark verschmutzte und blutverschmierte Kleidung des Klägers wurde im Landeskrankenhaus F***** vernichtet und stand - die vom Kläger getragenen Turnschuhe ausgenommen - einer kriminaltechnischen Untersuchung nicht zur Verfügung.

Nach Art 1 (1) a) der ARB 1965/82 gewährt (in der Rechtsschutzversicherung) der Versicherer Versicherungsschutz , wenn dem Versicherten in der in der Polizze bezeichneten Eigenschaft (Kategorie) zur Wahrung rechtlicher Interessen Kostenzahlungen erwachsen:

bei der Geltendmachung und Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen gegen Dritte wegen eines erlittenen Personen-, Sach- oder Vermögensschadens aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes ....

Nach Art 3 (1) umfaßt der Versicherungsschutz in den unter Art 1 genannten Fällen die zur Wahrung der rechtlichen Interessen notwendigen außergerichtlichen und gerichtlichen Maßnahmen. Das sind

a) bei der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen: Klage auf Leistung oder Feststellung ....

Nach Art 3 (2) umfaßt der Versicherungsschutz in den in Art 1 Abs 1 genannten Fällen auch die Betreuung des Versicherten.

Nach Art 3 (3) übernimmt der Versicherer in den vom Versicherungsschutz umfaßten Fällen alle Kosten des Verfahrens in allen Instanzen des ordentlichen Rechtswegs und des von ihm beauftragten Rechtsan walts.

Nach Art 4 entfällt der Versicherungsschutz unter anderem (lit e) bei Verfolgung von Schadenersatzansprüchen gegen Personen, die aufgrund desselben Vertrages mitversichert sind.

Nach Art 6 (1) hat der Versicherte, wenn er Rechtsschutz gemäß Art 1 fordert, den Versicherer unverzüglich vollständig und wahrheitsgemäß über die Sachlage aufzuklären und ihm die erforderlichen Beweismittel anzugeben bzw. auf Verlangen vorzulegen; im Falle des Art 1 Abs 1 lit a außerdem die Tatsachen darzulegen, aus denen hervorgeht, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint.

Nach Art 7 (5) hat der Versicherer, wenn er bei der Geltendmachung von Ansprüchen nach Prüfung des Sachverhalts, insbesondere Berücksichtigung der Rechts- und Beweislage sowie der Rechtsprechung zum Ergebnis kommt, daß hinreichend Aussicht besteht, in einem Prozeß im angestrebten Umfang zu obsiegen, sich zur Übernahme aller Kosten nach Maßgabe des Art 3 bereit zu erklären. Ist diese Aussicht nicht hinreichend, d.h. ein Unterliegen im Prozeß wahrscheinlicher als ein Obsiegen, so ist er berechtigt, seine Kostenhaftung für die der Gegenseite zu erstattenden Kosten abzulehnen. Kommt der Versicherer zum Ergebnis, daß erfahrungsgemäß keine Aussicht auf Erfolg besteht ..., hat er das Recht, seine Kostenhaftung zur Gänze abzulehnen. Die Ablehnung oder Beschränkung der Kostenhaftung ist dem Versicherten unter Bekanntgabe der Gründe und Hinweis auf das Recht, die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach Art 8 zu beantragen, unverzüglich schriftlich mitzuteilen.

Nach Art 8 (1) wird bei Meinungsverschiedenheiten über die Aussichten der vom Versicherten angestrebten Rechtsverfolgung gemäß Art 7 Abs 5 und 8 ausschließlich in einem Schiedsverfahren entschieden. Der Versicherte kann binnen zwei Wochen nach Erhalt der ablehnenden Mitteilung des Versicherten bei diesem schriftlich die Einleitung des Schiedsverfahrens beantragen.

Nach Art 15 (1) gelten alle für den Versicherungsnehmer getroffenen Bestimmungen sinngemäß auch für sonstige Personen, die aufgrund des Versicherungsvertrages Ansprüche geltend machen können. Mitversicherte Personen sind neben dem Versicherungsnehmer für die Erfüllung der Obliegenheiten verantwortlich.

Nach Abschnitt A.1. a) der ERB 1965/82 bietet der Versicherer den in Art 1 Abs 1 lit a ARB beschriebenen Versicherungsschutz bezüglich des in der Polizze bezeichneten Kraftfahrzeuges, soweit die Schadenersatzansprüche aus dem Gebrauch des Kraftfahrzeuges entstehen.

Nach Abschnitt A.2. a) der ERB 1965/82 gewährt der Versicherer den unter Punkt 1. genannten Versicherungsschutz dem Eigentümer, Halter, Mieter, Entleiher, berechtigten Lenker, Beifahrer und den sonstigen berechtigten Insassen des in der Polizze bezeichneten Kraftfahrzeuges.

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß die beklagte Partei als Rechtsschutzversicherer für das Motorrad zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen des Klägers gegen den Haftpflichtversicherer des Motorrades Rechtsschutzdeckung zu gewähren habe. Er behauptet, das Motorrad sei im Unfallszeitpunkt von Michael A***** als berechtigtem Lenker gelenkt worden. Der Kläger sei gemäß den ERB 1965/82 als Beifahrer in der Rechtsschutzversicherung seines Bruders mitversichert. Der Ausschluß des Art 4 lit e ARB 1965/82 treffe auf eine Klage gegen den Haftpflichtversicherer des mitversicherten Schädigers nicht zu.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Der Kläger habe das Motorrad selbst gelenkt und könne daher nicht mit Erfolg gegen die Haftpflichtversicherung vorgehen. Der von ihm behaupteten Fahrerwechsel vor dem Unfall habe nicht stattgefunden. Der Kläger habe das Vorliegen der primären Risikoumschreibung, daß er nämlich Beifahrer gewesen sei, zu beweisen. Selbst wenn Michael A***** der Lenker des Motorrades gewesen sein sollte, sei die Klage unberechtigt, weil die gegen die Haftpflichtversicherung erhobenen Ansprüche mit jenen gegen den mitversicherten Lenker ident seien.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf zusätzlich zum eingangs wiedergegebenen Sachverhalt insbesondere folgende Feststellungen:

"Nicht erwiesen ist, daß später (nach dem Wegfahren vom Schwimmbad), und zwar noch vor Erreichen der *****, ein Fahrerwechsel stattgefunden hat. Der Kläger lenkte also das Motorrad auch auf der ***** in Fahrtrichtung B*****". Des weiteren traf das Erstgericht Feststellungen über die Bewegungsabläufe des Motorrades und dessen Aufsassen nach dem Abkommen von der Fahrbahn, die Endlagen, die vorhandenen Spuren und die von den Aufsassen erlittenen Verletzungen. Im Rahmen der Beweiswürdigung stellte es zusammenfassend die aus den vorliegenden Anhaltspunkten gezogenen Schlußfolgerungen des Sachbearbeiters bei der kriminaltechnischen Zentralstelle des Bundesministeriums für Inneres sowie der verschiedenen medizinischen und technischen Sachverständigen, die teils als vom Erstgericht beauftragte gerichtliche Sachverständige, teils als Privatgutachter für die Parteien in dieser Sache bereits tätig geworden waren, dar. Es führte aus, warum es letztlich jener Gruppe von Sachverständigen Glauben schenkte, die der Variante den Vorzug gaben, daß der Kläger und nicht Michael A***** der Lenker gewesen sei. Die Parteiaussage des Klägers, daß ca 150 m vor dem Einbiegen in die ***** ein Fahrerwechsel stattgefunden habe, weil er seinen Führerschein vergessen habe, erachtete das Erstgericht als widerlegt. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß der Kläger keinen Schadenersatzanspruch an die Haftpflichtversicherung stellen könne, weil er das Motorrad selbst gelenkt habe. Deshalb sei ihm auch keine Rechtsschutzdeckung zu gewähren.

Das Gericht zweiter Instanz änderte dieses Urteil im Sinn einer Klagsstattgebung ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Auf die Beweis- und Mängelrüge des Klägers sei nicht einzugehen, weil seiner Rechtsauffassung beizupflichten sei. Eine Beurteilung der Beweischancen durch eine antizipierte Beweiswürdigung dürfe bei Prüfung der Erfolgsaussichten grundsätzlich nicht stattfinden. Hievon sei nur bei bewußt falschem Vorbringen in der Klage eine Ausnahme zu machen. Eine bewußt unwahre Sachverhaltsdarstellung des Klägers sei aber hier gar nicht behauptet worden. Allein schon aus den Formulierungen des Erstgerichtes im Rahmen der Beweiswürdigung ergebe sich, daß gewichtige Argumente sowohl für die Unfallversion des Klägers als auch jene der beklagten Partei sprechen, so daß die Aussicht auf Erfolg einer Schadenersatzklage des Klägers gegenüber dem Haftpflichtversicherer nicht abgeschätzt werden könne. Die Entscheidung der Tatfrage sei für den Haftpflichtprozeß nicht bindend, so daß die bekämpften Feststellungen, wer Fahrer gewesen sei, unerheblich seien. Aufgrund der vom Erstgericht aufgenommenen Beweise könne nicht prognostiziert werden, ob ein Unterliegen des Klägers im Haftpflichtprozeß wahrscheinlicher sei als ein Obsiegen. Die Frage, ob der Kläger Beifahrer gewesen sei und damit Schadenersatzansprüche gegen Dritte im Sinn des Art 1 Abs 1 lit a ARB 1965/82 habe, decke sich mit der Frage der grundsätzlich im Haftpflichtprozeß zu beantwortenden Anspruchsvoraussetzung. Den Beweis für den Eintritt des in der primären Risikoabgrenzung beschriebenen Versicherungsfalles habe zwar der Versicherungsnehmer bzw der Mitversicherte zu führen. Dies könne aber nicht zu einer Verweigerung des Rechtsschutzversicherungsschutzes führen, wenn für den Haftpflichtprozeß hinreichende Erfolgsaussichten bestünden. Die erstmals in der Berufungsbeantwortung aufgestellte Behauptung der beklagten Partei, der Kläger habe eine falsche Schadensmeldung erstattet und daher gegen die Obliegenheit des Art 6 ARB 1965/82 verstoßen, stelle eine unzulässige Neuerung dar und sei daher unbeachtlich. Der Haftpflichtversicherer sei nicht als Mitversicherter im Sinn des Art 4 lit e ARB 1965/82 anzusehen, weil der Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer ein eigener, selbständiger Anspruch sei. Auf die Vertragsklausel des Art 8 ARB, die das Verfahren vor dem ordentlichen Gericht an sich nicht hindere, habe sich die beklagte Partei nicht berufen, so daß die Unterlassung des dort vorgesehenen Schiedsgutachterverfahrens nicht zur Klagabweisung führen könne. Außerdem habe sich die beklagte Partei auf den Standpunkt gestellt, es liege überhaupt kein deckungspflichtiger Versicherungsfall vor.

Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil eine Rechtsprechung des OGH zur Frage fehle, ob die Ausschlußklausel des Art 4 lit e ARB 1965/82 auch die Verfolgung von Schadenersatzansprüchen eines Mitversicherten gegenüber der Haftpflichtversicherung des Rechtschutzversicherungsnehmers hindere; weiters deshalb, weil auch eine Klärung der Frage durch den Obersten Gerichtshof wünschenswert erscheine, ob angesichts der grundsätzlichen Beweispflicht für den Eintritt des in der primären Risikoabgrenzung beschriebenen Versicherungsfalls auf Seiten des Versicherungsnehmers oder des Mitversicherten vom Kläger bereits im Rechtsschutzdeckungsprozeß verlangt werden könne, zu beweisen, daß er nicht Lenker, sondern Beifahrer beim Schadensereignis gewesen sei und als solcher Schadenersatzansprüche gegen Dritte habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist aus den vom Gericht zweiter Instanz angeführten Gründen zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

Da die beklagte Partei die Rechtsansicht der zweiten Instanz über die Unbeachtlichkeit der in Art 8 ARB 1965/82 vorgesehenen Schiedsgutachterklausel unbekämpft ließ und sich auch in den Unterinstanzen nicht auf diese Bestimmung berufen hat, um den Klagsanspruch abzuwehren, war auf die Frage der Folgen des unterlassenen Schiedsgutachterverfahrens nicht weiter einzugehen.

Der erkennende Senat billigt die Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz, daß die vom Mitversicherten belangte Haftpflichtversicherung des Versicherten oder eines anderen Mitversicherten in der Rechtsschutzversicherung nicht als mitversicherte Person im Sinne des Art 4 lit e ARB 1965/82 anzusehen ist. In der Aufzählung der versicherten bzw mitversicherten Personen im Abschnitt A Z 2 lit a ERB 1965/82 ist der Haftpflichtversicherer des Fahrzeuges nicht enthalten. Es besteht trotz der akzessorischen Natur des Anspruches des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer zu jenem gegen den Halter oder Lenker, gegen die die Interessenswahrnehmung als mitversicherte Personen ausgeschlossen wäre, auch kein Anlaß, den Haftpflichtversicherer in diesen Personenkreis einzubeziehen. Es ist vielmehr in Übereinstimmung mit dem Gericht zweiter Instanz der in Deutschland bei vergleichbarer Rechtslage vertretenen Ansicht beizupflichten, daß der konkurrierende Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer (der in Österreich in § 22 KHVG vorgesehen ist und als gesetzlicher Schuldbeitritt des Haftpflichtversicherers zu qualifizieren ist) als eigener selbständiger Anspruch, der sich weder gegen den Versicherungsnehmer noch gegen die mitversicherte Person richtet, zu qualifizieren und daher von der Rechtsschutzversicherung nicht ausgeschlossen ist (Harbauer, ARB5 Rz 21 zu § 11; Böhme, ARB Kommentar9, 201). Zudem ist der Argumentation der Revisionsbeantwortung beizupflichten, daß der Rechtsschutzversicherer zwar bei den in Abschnitt A Z 2 lit a ERB aufgezählten Mitversicherten, wenn sie sich gegenseitig belangen, in einen Interessenwiderstreit gelangen kann, nicht aber gegenüber dem bei ihm nicht versicherten und daher nicht zu unterstützenden Haftpflichtversicherer, so daß die "ratio" für die Anwendung des mitversicherten Auschlusses gegenüber dem Haftpflichtversicherer nicht zutrifft.

Weiters ist die Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz zutreffend, daß im Deckungsprozeß nicht der Haftpflichtprozeß vorweggenommen werden soll. Beweisaufnahmen und Feststellungen zur Tatfrage, wer den Schaden des Klägers durch welches Verhalten herbeigeführt hat, sind insoweit überflüssig und sinnlos, weil sie ja keinerlei Bindungswirkung für den Haftpflichtprozeß erzeugen. Es muß daher im Deckungsprozeß, wenn im Haftpflichtprozeß reine Tatfragen strittig sein werden, grundsätzlich damit sein Bewenden haben, daß im Haftpflichtprozeß anzubietende Beweismittel einer Prüfung zu unterziehen sind, ob sie grundsätzlich geeignet sind, dem Kläger im Haftpflichtprozeß zum Erfolg zu verhelfen, wobei sie aber grundsätzlich nicht bereits im Deckungsprozeß aufzunehmen sind. Dies gilt insbesondere für jene Beweismittel, die in einem hohen Maß der richterlichen Würdigung unterliegen, wie dies bei Zeugen- und Parteiaussagen und Sachverständigengutachten der Fall ist.

Bei anderer Ansicht hätte es ja die Rechtsschutzversicherung praktisch immer dann, wenn die Haftungsfrage des Prozeßgegners im Haftpflichtprozeß von Tatfragen abhängt, an der Hand, die Deckung mit dem Hinweis auf die mangelnde Erfolgsaussicht abzulehnen und dieselben Beweise anzubieten, die dann im Haftpflichtprozeß zugunsten des Gegners aufzunehmen sein werden. Hat die Rechtsschutzversicherung das "Glück", daß die Beweiswürdigung des Richters im Deckungsprozeß gegen den Versicherten (Mitversicherten) ausfällt, bräuchte sie dann mit dem Hinweis auf die dadurch dokumentierte mangelnde Erfolgsaussicht keine Deckung mehr zu gewähren. Dem Einwand der mangelnden Bindung des Richters im Haftpflichtprozeß an den Spruch und an die Tatsachenfeststellungen im Deckungsprozeß könnte sie, wenn dem Kläger im Deckungsprozeß letztlich nicht geglaubt wird, weiters immer entgegenhalten, daß der Sachverhaltsvortrag des Versicherungsnehmers offensichtlich unrichtig sei, so daß deshalb ein berechtigter Grund für die Verweigerung des Versicherungsschutzes vorliege. Zugleich könnte sich der Rechtsschutzversicherer auch darauf berufen, daß der Schadenersatzanspruch in Wahrheit nicht gegen einen Dritten im Sinn des Art 1 Abs 1 lit a ARB 1965/82 bzw nicht aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes beruhe (weil ausschließlich selbstverschuldeter Schaden vorliege und deshalb auch keine Haftpflicht eines "Dritten" bestehe) und damit der vom Versicherten zu beweisende Versicherungsfall gar nicht eingetreten sei. Überdies könnte sich der Rechtsschutzversicherer jeweils noch auf die oft zwangsläufig damit verbundene Obliegenheitsverletzung im Sinn des Art 6 Abs 1 ARB 1965/82 berufen.

Letzteres ist hier im erstinstanzlichen Verfahren nicht geschehen, weshalb das Gericht zweiter Instanz den erstmals in der Berufungsbeantwortung erhobenen Einwand der Obliegenheitsverletzung zu Recht als unzulässige Neuerung abgetan hat. Will der Versicherer wegen einer solchen Obliegenheitsverletzung Leistungsfreiheit beanspruchen, muß er sich unmißverständlich ausdrücken. Daß man sein Vorbringen auch dahin auswerten könnte, der Versicherungsnehmer habe den Rechtsschutzversicherer wahrheitswidrig informiert, genügt hiezu nicht (SZ 61/129 mwN; vgl auch BGH in VersR 1987, 1186 f). Abgesehen davon ist aber grundsätzlich festzuhalten, daß die nicht dem Sinn und den Intentionen der Rechtsschutzversicherung entsprechende Möglichkeit des Rechtschutzversicherers, die Deckung mit der Berufung auf all die aufgezeigten Argumente zu verweigern, deren Richtigkeit im Deckungsprozeß unter Beweis zu stellen und damit letztlich auf die Aufnahme jener Beweise bereits im Deckungsprozeß dringen zu können, die im Haftpflichtprozeß entscheidungswesentlich sind, bei einer Fallkonstellation wie der hier vorliegenden sich nur dann unterbinden läßt, wenn die Prüfung eines solchen Einwandes, gleich unter welchem rechtlichen Aspekt er erhoben wird, als Tatfrage des Haftpflichtprozesses grundsätzlich diesem zur Prüfung vorbehalten wird.

Wie in der in SZ 62/8 veröffentlichten Entscheidung des erkennenden Senates ist auch hier eine für den Haftpflichtprozeß entscheidende Vorfrage, nämlich ob der Kläger Beifahrer war und daher grundsätzlich Haftpflichtversicherungsschutz genießt, strittig. Diese Frage ist nicht allein für die Frage des Rechtsschutzversicherungsschutzes relevant. Es hat daher auch hier die bereits in der zitierten Entscheidung dargelegte Erwägung zu gelten, daß bei einem solchen Streit zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Dritten der Rechtsschutzversicherer auch diese Kontroverse finanzieren muß. Behauptet der Versicherungsnehmer die Notwendigkeit einer Interessenwahrnehmung in dieser Richtung, genügt es, wenn er nach den allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung dem Versicherer den Sachverhalt vollständig und wahrheitsgemäß vorbringt und die erforderlichen Beweismittel angibt. Ist dieser Sachverhaltsvortrag von vorneherein unschlüssig oder von vorneherein offensichtlich unrichtig oder nicht erfolgversprechend, kann der Versicherungsschutz abgelehnt werden. Eine Vorwegnahme des Ergebnisses des Haftpflichtprozesses hat bei Prüfung all dieser Ablehnungsgründe aus den oben dargestellten Erwägungen aber zu unterbleiben. Die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist vielmehr aufgrund einer Prognose - im Fall des bereits laufenden Haftpflichtprozesses aufgrund einer nachträglichen Prognose - nach dem im Zeitpunkt vor Einleitung des Haftpflichtprozesses vorliegenden Erhebungsmaterial vorzunehmen (SZ 61/129). Diese Ansicht entspricht im Ergebnis auch der deutschen Rechtsprechung und Lehre, daß eine Beurteilung der Beweischancen durch antizipierte Beweiswürdigung bei der Prüfung der Erfolgsaussichten grundsätzlich nicht in Betracht kommt (vgl BGH in VersR 1987,1186; Prölss/Martin VVG25, 1687; Harbauer aaO, Rz 34 zu § 1 je mwN).

Die Feststellung des Erstgerichtes über die Lenkereigenschaft des Klägers und die im Zusammenhang damit stehenden Hilfstatsachen über die Bewegungsabläufe der Aufsassen auf dem Motorrad nach dem Abkommen von der Fahrbahn oder das Zustandekommen der Schuhabriebspuren steht der Bejahung einer Erfolgschance des Klägers im Haftpflichtprozeß schon mangels Bindungswirkung nicht entgegen. Es ist bei der aufgezeigten Beweislage auch nicht auszuschließen, daß im Haftpflichtprozeß den Angaben des Klägers und somit den Klagsbehauptungen Glauben geschenkt wird. Es ist durchaus denkbar, daß jenen gutachtlichen Stellungnahmen, die für den tödlich verunglückten Michael A***** als Lenker sprechen, mehr Bedeutung als im vorliegenden Verfahren durch das Erstgericht beigemessen wird, daß weitere Gutachten von anderen Sachverständigen eingeholt werden und daß diese womöglich letztlich zugunsten des Klägers ausschlagen. In der Beurteilung des Gerichtes zweiter Instanz, daß die Prozeßchancen des Klägers im Haftpflichtprozeß nicht von vorneherein negativ zu beurteilen seien, kann daher keine Fehlbeurteilung erblickt werden. Auf die Möglichkeit des Art 7 Abs 5 zweiter Satz ARB 1965/82, die Kostenhaftung für die der Gegenseite zu erstattenden Kosten abzulehnen, weil ein Unterliegen wahrscheinlicher sei als ein Obsiegen, hat sich die beklagte Partei nicht berufen, so daß der Grad der Wahrscheinlichkeit des Erfolges nicht weiter zu prüfen ist.

Die zu treffende Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz war daher zu bestätigen.

Die Entscheidung über die Revisionskosten gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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