OGH 2Ob205/14g

OGH2Ob205/14g8.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** verstorbenen W***** M*****, zuletzt wohnhaft *****, über den Revisionsrekurs der erblasserischen Tochter, H***** N*****, vertreten durch Mag. Thomas Nitsch, Dr. Sacha Pajor, Rechtsanwälte in Mödling, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. September 2014, GZ 44 R 429/14k‑60, womit infolge Rekurses der Genannten der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 9. Juli 2014, GZ 54 A 105/12z‑54, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0020OB00205.14G.0608.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag auf Ersatz der Kosten des Revisionsrekursverfahrens wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Verlassenschaftsabhandlung nach der am ***** verstorbenen M***** M***** war zu ***** des Erstgerichts anhängig. In ihrem Testament vom 16. 1. 2011 hatte M***** M***** ihren Ehegatten W***** M***** als Alleinerben und ihren Enkelsohn J***** N***** als Ersatzerben eingesetzt und die Einschreiterin (und Rechtsmittelwerberin), ihre Tochter H***** N*****, auf den Pflichtteil beschränkt. Der erblasserische Witwer W***** M***** gab am ***** eine unbedingte Erbantrittserklärung ab, die pflichtteilsberechtige Einschreiterin beantragte die Schätzung und Inventarisierung des Nachlasses.

W***** M***** ist am ***** verstorben. Mit rechtskräftigem Einantwortungsbeschluss des Erstgerichts vom 24. 4. 2013 wurde die Verlassenschaft nach M***** M***** der Verlassenschaft nach W***** M***** als unbedingt erbantrittserklärtem Testamentserben zur Gänze eingeantwortet.

W***** M***** hat am ***** ebenfalls ein schriftliches Testament errichtet, in welchem er seine Ehegattin M***** M***** als Alleinerbin und seinen Enkelsohn J***** N***** als Ersatzerben einsetzte und die Einschreiterin auf den Pflichtteil beschränkte.

Der erblasserische Enkel J***** N***** gab im vorliegenden Verlassenschaftsverfahren nach W***** M***** am 19. 3. 2013 aufgrund des genannten Testaments eine bedingte Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass ab.

Mit Schriftsatz vom 15. 7. 2013 beantragte die Einschreiterin Anfragen hinsichtlich Konten und Wertpapierdepots, lautend auf W***** M***** oder M***** M*****, bei diversen österreichischen Finanzinstituten, und zwar rückwirkend bis 1. 1. 2006. Sie verfüge „über konkrete Anhaltspunkte“ dafür, dass im Todeszeitpunkt namhafte weitere Vermögenswerte vorhanden gewesen seien.

Der Gerichtskommissär hatte zu diesem Zeitpunkt bereits Auskünfte diverser Finanzinstitute eingeholt, wobei eines davon den Kontostand per Todestag mitteilte und die anderen antworteten, dass erblasserische Konten zum Todestag nicht bestanden hätten. Am 24. 9. 2013 wurde das Nachlassinventar errichtet und mit rechtskräftigem Einantwortungsbeschluss des Erstgerichts vom 3. 12. 2013 dem erblasserischen Enkelsohn eingeantwortet.

Mit Schriftsatz vom 5. 6. 2014 ‑ somit nach Eintritt der Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses - beantragte die Einschreiterin, die Anfrage bei angeführten Kreditinstituten zu wiederholen und das Ergebnis dieser Anfrage in den Verlassenschaftsakt einfließen zu lassen, zumal eine Nachtragsabhandlung notwendig sein werde. Die Einschreiterin habe bereits am 15. 7. 2013 einen Antrag auf Kontoöffnung gestellt. Die Anfrage des Gerichtskommissärs sei aber ausschließlich von einer Bank ordnungsgemäß beantwortet worden. Die übrigen Banken hätten gar nicht oder unzureichend Auskunft erteilt. Eine rückwirkende Kontoöffnung vom Todestag bis zum 1. 1. 2006 sei jedoch nicht erfolgt.

Das Erstgericht wies den Antrag der Pflichtteilsberechtigten auf Wiederholung der Anfrage bei den genannten Kreditinstituten rückwirkend für den Zeitraum vom Todestag bis zum 1. 1. 2006 ab. Der Antrag sei zwar grundsätzlich zulässig, Voraussetzung seien aber deutliche Hinweise, dass konkrete Aufschlüsse über das Vermögen des Erblassers zu Tage kommen könnten. Die Suche nach Vermögenswerten, für deren Existenz keine konkreten Anhaltspunkte vorhanden seien, falle nicht unter die Aufgaben des Gerichtskommissärs im Verlassenschaftsverfahren. Entsprechende Hinweise hätten sich im Verlassenschaftsverfahren nicht ergeben. Der Hinweis der Antragstellerin auf eine vermutlich notwendige Nachtragsabhandlung könne daran nichts ändern, weil es ihre Sache sei, das mutmaßliche Vorhandensein konkret zu benennender Gegenstände des Nachlassvermögens zu bescheinigen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass der Antrag der Einschreiterin zurückgewiesen wurde. Die Ausnahme von der Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses gemäß § 38 Abs 2 Z 3 BWG bestehe nur während eines anhängigen Verlassenschaftsverfahrens. Nach dessen rechtskräftiger Beendigung und vor Einleitung einer Nachtragsabhandlung infolge nachträglichen Bekanntwerdens von erblasserischen Vermögenswerten sei eine Anfrage weder zulässig noch die Bank zu weiterer Auskunftserteilung verpflichtet. Der Antrag auf Durchführung einer Nachtragsabhandlung setze aber die Bescheinigung voraus, dass ein konkret strittiger Gegenstand weiteres Nachlassvermögen darstelle. Eine solche Bescheinigung habe die Antragstellerin nicht erbracht, der Antrag auf „Kontoöffnung“ sei daher unzulässig. Die mit dem Rekurs vorgelegten Fragmente von Wertpapierauszügen seien unzulässige Neuerungen und im Übrigen auch bedenklich, weil es sich dabei um offensichtlich teilweise abgedeckte Kopien handle.

Oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob nach rechtskräftiger Beendigung der Verlassenschafts-abhandlung durch Einantwortung und vor Einleitung einer Nachtragsabhandlung eine Anfrage an Banken und Kreditinstitute zur Erforschung bloß vermuteter weiterer erblasserischer Vermögenswerte zulässig sei, bestehe nicht, weshalb der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Einschreiterin mit dem Abänderungsantrag, der rückwirkenden Kontoöffnung stattzugeben; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Es bestehe keine oberstgerichtliche Judikatur zur Frage, ob die Wiederholung des Antrags auf Kontoöffnung nach rechtskräftiger Einantwortung zulässig sei, wenn der ursprüngliche Antrag nicht vollständig erledigt wurde. Die im Rekursverfahren vorgelegten „Fragmente“ seien keine unzulässige Neuerung, weil die Rekurswerberin ausdrücklich vorgebracht habe, dass deren Vorlage vor Erlassung des Beschlusses nicht möglich gewesen sei, zumal es sich dabei um Dokumente handle, die offenbar dem Versuch der Vernichtung unterzogen worden seien.

Bereits daraus ergebe sich, dass eine Kontoöffnung dringend notwendig sei. Die von der Rechtsprechung geforderten deutlichen Hinweise hinsichtlich konkreter Aufschlüsse über das Vermögen des Erblassers lägen im vorliegenden Fall vor und seien nicht als unzulässige Neuerungen, sondern als zulässige neue Tatsachen zu bewerten und der Abhandlung zugrunde zu legen.

Der eingeantwortete Erbe, J***** N*****, beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, den Revisonsrekurs nicht zuzulassen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig im Sinne der Ausführungen des Rekursgerichts, er ist aber nicht berechtigt.

1. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass ein Antrag des Pflichtteilsberechtigten, Konten des Erblassers, die dem Verlassenschaftsgericht bereits bekannt sind, rückwirkend vom Todestag zu öffnen, zulässig ist. Der Antrag dient der Erforschung, ob zum Todeszeitpunkt weitere Vermögenswerte im Besitz des Erblassers standen. Das in § 38 BWG verankerte Bankgeheimnis steht dem nicht entgegen (RIS‑Justiz RS0121988). Allerdings müssen nach der Aktenlage ausreichend deutliche Hinweise dafür vorliegen, dass durch eine rückwirkende Kontoöffnung konkrete Aufschlüsse über das Vermögen des Erblassers zu Tage kommen werden (9 Ob 54/12z, 4 Ob 112/12t). Es ist Sache des Antragstellers zu bescheinigen, dass die strittigen Gegenstände Nachlassvermögen sind (3 Ob 96/00i SZ 73/189).

2. Diesem Erfordernis wird der während aufrechter Verlassenschaftsabhandlung am 15. 7. 2013 gestellte, bloß allgemein gehaltene und nicht auf bestimmte Konten Bezug nehmende, sondern „konkrete Anhaltspunkte“ nur ohne nähere Erläuterung behauptende Antrag der Einschreiterin nicht gerecht.

Das Erstgericht hat daher während offenen Verlassenschaftsverfahrens zu Recht eine „Kontoöffnung“ aufgrund dieses Antrags und daher auch eine weitere Anfrage zusätzlich zu den bereits vom Gerichtskommissär durchgeführten unterlassen.

3. Nach Beendigung der Verlassenschafts-abhandlung überdauert die individuelle Zuständigkeit des Verlassenschaftsgerichts zwar die rechtskräftige Einantwortung des Nachlasses, soweit danach Aufgaben zu besorgen sind, die noch zur Abhandlungspflege zu rechnen sind. Ein Auskunftsauftrag an ein Kreditinstitut hinsichtlich von Sparbüchern ist aber kein von der Rechtsprechung zugelassener, die individuelle Zuständigkeit des Verlassenschaftsgerichts perpetuierender Ausnahmefall (RIS‑Justiz RS0013544 [T5]). Gemäß § 38 Abs 1 BWG sind Kreditinstitute zur Wahrung des dort näher umschriebenen Bankgeheimnisses verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht unter anderem nach Abs 2 Z 3 leg cit nicht „im Falle des Todes des Kunden gegenüber dem Abhandlungsgericht und Gerichtskommissär“. Da mit der Beschlussfassung über die Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens und rechtswirksamen Einantwortung das Abhandlungsgericht nach ständiger Rechtsprechung keine Möglichkeit mehr hat, sich mit der Verlassenschaftsangelegenheit zu befassen, und nach rechtskräftiger Beendigung des Abhandlungsverfahrens auch eine Prüfung der Besitzverhältnisse an in die Abhandlung einbezogenen Gegenständen (wie behaupteten Sparbüchern) nicht mehr zulässig ist (7 Ob 133/06v mwN), ist auch der Schlussfolgerung des Rekursgerichts, dass in diesem Zeitpunkt eine durch das Bankgeheimnis nicht verwehrte Anfrage des ehemaligen Verlassenschaftsgerichts nicht mehr zulässig ist, beizutreten.

Im Hinblick darauf ist auch entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin die Wiederholung eines im Verlassenschaftsverfahren gestellten Antrags nach rechtskräftiger Beendigung nicht möglich.

5. Nach rechtskräftiger Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens besteht für die Pflichtteilsberechtigte daher nur die Möglichkeit, einen Antrag auf Durchführung einer Nachtragsabhandlung zu stellen. Dabei ist es Sache des jeweiligen Antragstellers zu bescheinigen, dass der behauptete strittige Gegenstand Nachlassvermögen ist. Daran hat sich auch durch das AußStrG 2005 nichts geändert (RIS‑Justiz RS0008416 [T1]). Erst wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine bestimmte Spareinlage in den Nachlass fällt, kann das Abhandlungsgericht Auskünfte auch von Banken einholen (RIS‑Justiz RS0013540).

6. Der von der Einschreiterin nach Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens durch Einantwortung gestellte Antrag entspricht aber ‑ selbst als Antrag auf Durchführung einer Nachtragsabhandlung ‑ den diesbezüglichen Erfordernissen der Rechtsprechung nicht, wird doch auch dort nur allgemein darauf verwiesen, dass eine rückwirkende Kontoöffnung bei diversen Kreditinstituten notwendig wäre, weil diese im Umfang des ursprünglich gestellten Kontoöffnungsantrags nicht oder nicht ausreichend geantwortet hätten. Damit wird jedoch abermals keinerlei konkreter Hinweis auf das Vorhandensein eines zum Nachlass gehörenden ‑ bislang nicht bekannten ‑ Vermögenswerts bescheinigt.

Der Antrag wurde daher von den Vorinstanzen zu Recht weder zum Anlass einer direkten Anfrage an die Banken noch zur Einleitung einer Nachtragsabhandlung genommen.

7. Die Entscheidung 7 Ob 1/13t steht dem nicht entgegen, wurde doch dort lediglich ausgeführt, dass bei Stattgebung eines Antrags auf Kontoöffnung andere Parteien dadurch nicht beschwert sind.

8. Erstmals im Rekurs hat die Einschreiterin auf bestimmte Wertpapierdepots bzw Sparbücher Bezug genommen und Daten und Zahlen zu Wertpapierkonten bzw ‑verkäufen genannt. Sie hat allerdings in diesem Schriftsatz lediglich behauptet, derartige Angaben seien früher nicht möglich gewesen, ohne dafür konkrete Gründe vorzubringen. Vielmehr behauptete sie hinsichtlich einiger Konten sogar, dass diese im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens „beigeschafft“ worden wären. Auch wann zeitmäßig die dem Rekurs beigefügten Kopien von „Fragmenten von Wertpapierauszügen“ auftauchten, wurde nicht angegeben. Dem Rekursgericht ist deshalb auch darin zuzustimmen, dass diese Rekursbehauptungen nicht geeignet sind, den Erfordernissen des § 49 Abs 2 und 3 AußStrG über die Zulässigkeit von Neuerungen im Rekursverfahren gerecht zu werden.

9. Soweit die Revisionsrekurswerberin in ihrem Rechtsmittel nunmehr auf bereits in der Todesfallaufnahme der Verlassenschaft nach M***** M***** angeführte Wertpapierdepots und Sparbuchnummern Bezug nimmt, ist ihr entgegenzuhalten, dass im Inventar dieses Verlassenschaftsverfahrens deren Guthaben ohnehin entsprechend den Auskünften der jeweiligen Kreditinstitute berücksichtigt wurden. Auch dadurch wird der von der Rechtsprechung geforderte konkrete Hinweis auf im nunmehrigen Verlassenschaftsverfahren zusätzlich zu berücksichtigende Vermögenswerte des Erblassers nicht erbracht.

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.

10. Wie bereits das Rekursgericht dargelegt hat, findet gemäß § 185 AußStrG im Verlassenschaftsverfahren ‑ außer im Verfahren über das Erbrecht ‑ kein Ersatz von Vertretungskosten statt, sodass der trotzdem gestellte Antrag auf Kostenersatz abzuweisen war.

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