European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00163.21S.0316.000
Spruch:
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.883,16 EUR (darin 313,86 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig. Die Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab:
[2] 1. Da die Erblasserin nach dem 31. 12. 2016 verstorben ist, sind die hier maßgeblichen Bestimmungen des Pflichtteilsrechts in der Fassung des ErbRÄG 2015 (BGBl I 2015/87) anzuwenden (§ 1503 Abs 7 Z 1 und 2 ABGB).
[3] 2. Der Kläger steht nach wie vor auf dem Standpunkt, dass der 2016 von seiner Mutter mit dem Beklagten abgeschlossene Übergabsvertrag wegen deren Geschäftsunfähigkeit im Abschlusszeitpunkt nichtig sei. Davon ausgehend sind die von ihm als erheblich bezeichneten Rechtsfragen aber nicht entscheidungsrelevant:
[4] 3. Eine Schenkung ist nach § 938 ABGB ein Vertrag, wodurch eine Sache jemanden unentgeltlich überlassen wird. Voraussetzung für den Rechtserwerb und damit auch für die „wirkliche Schenkung“ iSd § 782 Abs 1 ABGB ist wie bei jedem Vertrag ein gültiges Verpflichtungsgeschäft (vgl auch Musger in KBB6 § 782 Rz 4).
[5] Aus der behaupteten Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin im Zeitpunkt des Übergabsvertrags ergibt sich hier die absolute Nichtigkeit des abgeschlossenen Vertrags (RS0014652; RS0014653) und folglich, dass sich – wie im Fall der ausführlich begründeten Entscheidung 2 Ob 195/19v Rz 77 – der Liegenschaftsteil materiell noch im ruhenden Nachlass befindet. Aus Nichtigkeit des Vertrags resultierende Ansprüche gingen auch nach dem Tod der Mutter nicht unter, sondern könnten von der Verlassenschaft geltend gemacht werden (2 Ob 195/19v Rz 77 RS0008114). Schon deshalbkann dieser Umstand nicht zur „wirklichen Schenkung“ geführt haben.
[6] 3. Da die Nachlassaktiva dem Beklagten nach § 153 Abs 2 AußStrG überlassen wurden und keine Einantwortung an ihn erfolgte, besteht die Verlassenschaft weiterhin fort (RS0123657 [T1]; RS0012206 [T2]; RS0008131). Der Kläger kann deshalb seinen Anspruch gegen den Beklagten nicht auf dessen Haftung als Erbe stützen. Das vom Rechtsmittelwerber in diesem Zusammenhang geortete unbillige Ergebnis ist nicht ersichtlich. Ein Pflichtteilsberechtigter kann seine Pflichtteilsansprüche gemäß § 764 Abs 1 ABGB bis zur Einantwortung gegen die Verlassenschaft geltend machen.
[7] 4. Auf die Ausführungen zum Beginn der Zweijahresfrist nach § 782 ABGB und zum Vermögensopfer kommt es im Hinblick auf die behauptete Ungültigkeit des Schenkungsvertrags nicht an.
[8] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Da der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente sein Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.
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