OGH 2Ob130/99b

OGH2Ob130/99b20.5.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 24. September 1997 verstorbenen Theodora H*****, infolge Revisionsrekurses der Verlassenschaft nach der am 10. Oktober 1997 verstorbenen Maria M*****, vertreten durch die erbserklärten Erben Dkfm. Renate T*****, Franz P*****, Ulrike P***** und Anna S*****, alle vertreten durch Prof. Dr. Alfred Haslinger und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 11. Februar 1999, GZ 15 R 243/98f-28, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 23. November 1998, GZ 3 A 313/97k-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß in einem allenfalls zu führenden Erbrechtsstreit nach der am 24. September 1997 verstorbenen Theodora H***** der Witwer Karl H***** als Kläger aufzutreten hat.

Die Erbrechtsklage ist binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses anzubringen, widrigenfalls mit der Verlassenschaftsabhandlung ohne Berücksichtigung der auf den Rechtsweg verwiesenen Erbansprüche vorgegangen wird.

Text

Begründung

Die am 24. 9. 1997 verstorbene Theodora H***** hinterließ ihren Gatten Karl H***** sowie ihre Mutter Maria M***** als mögliche gesetzliche Erben.

In der Folge verstarb am 10. 10. 1997 Maria M*****, die ihrerseits als gesetzliche Erben ihre Schwester Anna S***** sowie ihre Nichten Dkfm. Renate T***** und Ulrike P***** sowie ihren Neffen Franz P***** hinterließ. Deren bedingt abgegebene Erbserklärungen zur Hälfte bzw zu je 1/6 des Nachlasses aufgrund des Gesetzes wurde zu Gericht angenommen und deren Erbrecht als ausgewiesen angesehen.

In der Abhandlungsverhandlung der Verlassenschaftssache nach Theodora H***** wurde festgehalten, daß die Erblasserin ohne Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung verstorben ist. Im zentralen Testamentsregister scheint keine Eintragung auf.

Aufgrund der gesetzlichen Erbfolge wären der Witwer Karl H***** zu 2/3 und die Verlassenschaft nach der am 10. 10. 1997 nachverstorbenen erblasserischen Mutter Maria M***** zu 1/3 berufen.

Es liegt allerdings ein erblasserisches Testament vom 30. 6. 1992 in Kopie vor, in dem der Witwer Karl H***** zum Alleinerben des gesamten, wo immer befindlichen Nachlaßvermögens eingesetzt wurde. Das Original wurde zunächst bei einem Notar verwahrt der Erblasserin vor ihrem Tod jedoch wieder ausgefolgt und liegt nicht vor.

Mit der Behauptung, daß dieses Testament zumindest als mündliches Testament gültig sei, gab der erblasserische Witwer Karl H***** aufgrund des Testamentes vom 30. 6. 1992 zum gesamten Nachlaß die bedingte Erbserklärung ab.

Die Erben nach der nachverstorbenen Mutter Maria M***** gaben aufgrund des Gesetzes eine bedingte Erbserklärung zu 1/3 des Nachlasses ab und verweigerten die Anerkennung des Testamentes, weil es im Original nicht vorhanden und von der Erblasserin bewußt vernichtet worden sei.

Das Erstgericht nahm die bedingt abgegebene Erbserklärung des erblasserischen Witwers Karl H***** aufgrund des Testamentes vom 30. 6. 1992 zum gesamten Nachlaß mit Beschluß vom 23. 11. 1998 an (Punkt 2). Im Punkt 3 dieses Beschlusses wurde die Erbserklärung der erbserklärten Erben der am 10. 10. 1997 nachverstorbenen erblasserischen Mutter Maria M*****, welche namens der Verlassenschaft Maria M***** aufgrund des Gesetzes zu 1/3 bedingt abgegeben wurde, ebenfalls zu Gericht angenommen. In einem allenfalls zu führenden Erbrechtsstreit wies das Erstgericht in Punkt 4 seines Beschlusses den erbserklärten Erben der nachverstorbenen erblasserischen Mutter Maria M***** die Klägerrolle zu und bestimmte in Punkt 5, daß die Erbrechtsklage binnen vier Wochen anzubringen sei, widrigenfalls mit der Verlassenschaftsabhandlung ohne Berücksichtigung der auf den Rechtsweg verwiesenen Erbansprüche vorgegangen werde.

Das Erstgericht vertrat die Ansicht, gemäß § 126 AußStrG sei den erbserklärten Erben der erblasserischen Mutter Maria M***** die Klägerrolle zuzuteilen, weil sie als gesetzliche Erben gegenüber dem testamentarischen Erben den schwächeren Erbrechtstitel hätten. Es liege zwar nur eine Kopie des erblasserischen Testamentes vom 30. 6. 1992 vor, das Original sei vor dem Todestag der Erblasserin an diese ausgefolgt worden. Wozu diese Ausfolgung hätte dienen sollen, habe nicht geklärt werden können. Bei der Errichtung des Testamentes seien drei Testamentszeugen gleichzeitig und ununterbrochen anwesend gewesen, woraus folge, daß es zumindest als mündliches Testament zu qualifizieren sei, da die Erblasserin vor den anwesenden Zeugen den letzten Willen zum Ausdruck gebracht habe. Ob das Testament gültig sei, sei letztlich im streitigen Prozeß zu erklären.

Dem gegen die Punkte 4 und 5 des erstgerichtlichen Beschlusses erhobenen Rekurs gab das Rekursgericht nicht Folge; der Punkt 5 des Beschlusses wurde mit der Maßgabe bestätigt, daß die Erbrechtsklage binnen vier Wochen nach Rechtskraft der Entscheidung im Verfahren betreffend die Klägerrolle anzubringen sei, widrigenfalls mit der Verlassenschaftsabhandlung ohne Berücksichtigung der auf den Rechtsweg verwiesenen Erbansprüche vorgegangen werde.

In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, wer sich auf ein in Verlust geratenes Testament berufe, müsse sowohl dessen Inhalt wie dessen zufälligen Untergang beweisen und die Rolle des Klägers gegenüber den gesetzlichen Erben übernehmen. Der Witwer Karl H***** habe aber seine Erbserklärung (auch) auf ein mündliches Testament gestützt. Es sei daher zu prüfen, ob ein solches der äußeren Form nach vorliege, was zu bejahen sei. Die Beweislastregel des § 722 ABGB betreffe nur denjenigen, der sich auf ein in Verlust geratenes schriftliches Testament berufe. Im vorliegenden Fall berufe sich der Witwer aber auf ein gültiges mündliches Testament, weshalb diese Bestimmung keine Anwendung finde. Es bleibe daher zu prüfen, ob eine Konversion des ungültigen schriftlichen Testamentes in ein gültiges mündliches möglich sei. Im Bereich der letztwilligen Verfügungen seien vor allem formungültige schriftliche Testamente oder Kodizille als mündliche Anordnung gültig, wenn drei gleichzeitig anwesende Zeugen den Inhalt des letzten Willens aus dem Munde des Testators hörten. Es sei nicht nötig, daß er ein mündliches Testament gewollt habe, vielmehr genüge es, daß er überhaupt eine Verfügung habe treffen wollen. Die Konversion als mündliche Anordnung sei ausgeschlossen, wenn der Erblasser das von ihm gültig gehaltene schriftliche Testament mit Widerrufswillen vertilgt habe.

Die Erblasserin habe das am 30. 6. 1992 errichtete Testament vor ihrem Tod aus der notariellen Verwahrung genommen. Was mit dem Originaltestament in weiterer Folge geschehen sei, sei nicht bekannt und könne auch die Absicht der Erblasserin, warum sie das Originaltestament aus der Verwahrung genommen habe, nicht eruiert werden. Dies sei eine Frage, die das Prozeßgericht zu entscheiden habe. Aufgrund des Fehlens des Originaltestamentes alleine könne nicht davon ausgegangen werden, daß es von der Erblasserin bewußt vernichtet worden sei. Dafür gebe es keine Anhaltspunkte. Es sei daher - entgegen der Meinung der Rekurswerber - eine Konversion möglich. Die Frage, ob der Testator seinen letzten Willen mündlich erklärt habe, sei zu bejahen.

Den ordentlichen Revisionsrekurs erachtete das Rekursgericht für zulässig, weil zur Frage, in welcher Weise der Erblasser bei einem mündlichen Testament seinen letzten Willen zu erklären habe, insbesondere ob es genüge, daß er den ihm und den Zeugen vorgelesenen Aufsatz bejahe und betone, daß es so recht sei, oder aber ob der Testator das Testament auch mündlich vortragen müsse, eine einheitliche höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht gegeben sei.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Verlassenschaft nach Maria M***** mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Witwer Karl H***** die Klägerrolle zukomme.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.

In dem Rechtsmittel wird geltend gemacht, es stelle sich das Problem einer Konversion im technischen Sinn nicht. Von einer solchen könne man nur dann sprechen, wenn ein Rechtsgeschäft in der von den Parteien angestrebten Art nichtig sei, weil Gültigkeitsvoraussetzungen fehlten, aber das Geschäft als ein anderes Geschäft aufrecht erhalten werden könne. Im vorliegenden Fall habe die Erblasserin aber am 30. 6. 1992 nicht formungültig testiert, vielmehr sei ein gültiges schriftliches Testament errichtet worden und dieses - jedenfalls nach der Vermutungsregel des § 722 ABGB - vernichtet worden. Die Beweislastverteilung des § 722 ABGB könne nicht dadurch eine andere sein, daß auch die Formerfordernisse eines mündlichen Testaments erfüllt seien.

Überdies seien die Voraussetzungen eines gültigen mündlichen Testamentes nicht gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Auf die Frage, ob am 30. 6. 1992 bei Errichtung des in Fotokopie vorliegenden schriftlichen Testamentes auch die Formerfordernisse eines mündlichen eingehalten wurden, braucht hier nicht beurteilt zu werden, weil selbst dann, wenn dies der Fall ist, die Klägerrolle dem erblasserischen Witwer zuzuteilen ist.

Auszugehen ist davon, daß am 30. 6. 1992 ein formgültiges schriftliches Testament errichtet wurde, welches der Erblasserin vor ihrem Todestag ausgefolgt wurde und welches nicht mehr vorliegt. Da die schriftliche letztwillige Verfügung formgültig ist, scheidet eine Konversion aus (Welser in Rummel**2 Rz 7 zu § 601 ABGB; s auch Binder, Zur Konversion von Rechtsgeschäften, 147 f).

Den stillschweigenden Widerruf eines Testamentes oder Kodizills behandeln die §§ 721 bis 723 ABGB (SZ 56/43 = EvBl 1983/127). Gemäß § 722 ABGB muß derjenige, der behauptet, daß die von § 721 ABGB erfaßten Widerrufshandlungen nur zufällig sind, Zufall und Inhalt der letztwilligen Verfügung beweisen. Auch bei behauptetem Verlust der Urkunde muß bewiesen werden, daß der Verlust zufällig erfolgt ist (Eccher in Schwimann**2, Rz 1 zu § 722 mwN; RIS-Justiz RS0012797). Auf den Rechtsweg ist gemäß § 126 AußStrG jener Prätendent zu verweisen, der den schwächeren Titel hat, das ist in der Regel der gesetzliche Erbe gegenüber dem Testamentserben (Welser in Rummel**2, ABGB Rz 25 zu §§ 799, 800). Wer sich auf ein in Verlust geratenes Testament stützt, ist gegenüber dem gesetzlichen Erben schwächer tituliert (Eccher, aaO, Rz 47 zu § 799 mwN). Geht man von einem gültigen und aufrechten (mündlichen) Testament aus, wäre die Klägerrolle den Rekurswerbern zuzuweisen, andernfalls hingegen dem testamentarischen Erben. Nach herrschender Ansicht ist ein stillschweigender Widerruf gemäß §§ 721 ff ABGB nur bei einem schriftlichen Testament möglich (Koziol/Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts10, II, 345; Welser in Rummel**2, Rz 1 zu §§ 721, 722; Eccher in Schwimann**2, Rz 2 zu § 721; Kralik, Erbrecht, 150). Dies gilt aber nur dann, wenn zu verschiedenen Zeitpunkten ein schriftliches und ein mündliches Testament gleichen Inhaltes errichtet wurden (SZ 56/43 = EvBl 1983/127). Anderes gilt aber, wenn bei der Errichtung eines formgültigen schriftlichen Testaments zufällig auch die Formvorschriften für ein mündliches Testament eingehalten wurden. Vielmehr wird durch den Verlust des schriftlichen Testamentes auch der Aufrechterhaltung der Verfügung als mündliches Testament der Boden entzogen (vgl Gschnitzer/Weiß in Klang**2 III 725). Wenn zu vermuten ist, daß im Falle des Verlustes der Urkunde das Testament widerrufen wurde, so muß diese Vermutung nicht nur für das schriftliche Testament, sondern auch für ein mündliches, dessen Formvorschriften zufällig gleichzeitig eingehalten wurden, gelten.

Es ist daher unabhängig davon, ob ein formgültiges mündliches Testament errichtet wurde zu vermuten, daß die letztwillige Anordnung vom 30. 6. 1992 widerrufen wurde, weshalb dem Testamentserben, der sich auf diese beruft, die Klägerrolle zuzuweisen ist.

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