Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.680,84 EUR (darin 280,14 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung
Im Verfahren 25 Cg 21/12k des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien begehrt die hier Beklagte als Klägerin vom Kläger dieses Verfahrens die Zahlung von 30.000 EUR. Vom Erstgericht wurde am 24. 3. 2011 ein Zahlungsbefehl erlassen, der dem dort Beklagten durch Hinterlegung zugestellt wurde. Da kein Einspruch erfolgte, wurde die Vollstreckbarkeit bestätigt. In weiterer Folge wurde bekannt gegeben, dass für den dort Beklagten mit Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 24. 1. 2006 ein Sachwalter bestellt worden war, wobei zum Kreis der von ihm zu besorgenden Angelegenheiten auch die Vertretung vor Gerichten zählt. Das Erstgericht hat daher mit Beschluss vom 29. 7. 2011 die Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls aufgehoben.
Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger, den genannten Zahlungsbefehl als nichtig aufzuheben und das zu seiner Erlassung führende Verfahren ab Klagszustellung für nichtig zu erklären. Er sei in dem Verfahren nicht durch seinen gesetzlichen Vertreter vertreten gewesen. Es liege daher der Nichtigkeitsgrund des § 529 Abs 1 Z 2 ZPO vor.
Die Beklagte wendete ein, eine Nichtigkeitsklage sei nur bei formeller Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung zulässig, hier liege jedoch ein Zustellmangel vor, welcher nur mit einem Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit geltend gemacht werden könne.
Das Erstgericht gab der Klage statt und erklärte den Zahlungsbefehl und das seiner Erlassung vorangegangene Verfahren für nichtig. Unter Rechtskraft iSd § 529 Abs 1 Z 2 und Abs 2 ZPO und § 534 Abs 2 Z 2 und Abs 3 ZPO sei die formelle Rechtskraft zu verstehen, die auch dann eintrete, wenn die Prozessunfähigkeit einer Partei nicht erkannt worden sei. Aufgrund der formellen Rechtskraft sei eine Aufhebung der Vollstreckbarkeit nicht möglich. Richtig habe der Kläger daher mit Nichtigkeitsklage vorgehen müssen.
Das Berufungsgericht hob aus Anlass der Berufung der Beklagten das Ersturteil und das diesem vorausgegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Da für den Kläger (Beklagter im Vorverfahren) zum Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsbefehls bereits ein Sachwalter bestellt gewesen sei, liege eine formell unwirksame Zustellung nach dem Zustellgesetz vor, die den Eintritt der Rechtskraft hindere. Demnach sei eine Nichtigkeitsklage, die frühestens nach Rechtskraft erhoben werden könne, unzulässig.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, der Nichtigkeitsklage stattzugeben; in eventu wurde ein Aufhebungsantrag und ein Abänderungsantrag hinsichtlich der Kosten gestellt. Der Kläger führt aus, im Sinne der Entscheidung des verstärkten Senats 1 Ob 6/01s sei ihm nur mehr der Rechtsbehelf der Nichtigkeitsklage zur Verfügung gestanden, um die Rechtsfolgen des Zahlungsbefehls zu beseitigen.
Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO), aber nicht berechtigt.
1. In der Entscheidung des verstärkten Senats 1 Ob 6/01s sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass unter „Rechtskraft“ iSd § 529 Abs 1 Z 2 und Abs 2 und des § 534 Abs 2 Z 2 und Abs 3 ZPO die formelle Rechtskraft zu verstehen sei, die auch dann eintrete, wenn die Prozessunfähigkeit der Partei nicht erkannt worden sei. Die Partei, die ihre Prozessunfähigkeit behaupte, könne mit dem ihr zu Gebote stehenden ordentlichen Rechtsmittel den Nichtigkeitsgrund geltend machen. Sei die Rechtsmittelfrist verstrichen, daher die formelle Rechtskraft eingetreten, könne sie spätestens binnen vier Wochen nach der - jedoch keine Zulässigkeitsvoraussetzung bildenden - Zustellung an ihren gesetzlichen Vertreter durch diesen Nichtigkeitsklage aus dem Grund des § 529 Abs 1 Z 2 ZPO erheben.
2. In der Folge sprach der Oberste Gerichtshof in Abgrenzung zu der Entscheidung des verstärkten Senats aus, dass die darin getroffenen Aussagen für Fälle fehlerhafter Zustellung - etwa infolge Ortsabwesenheit des Empfängers - nicht gelten (anders nur die vereinzelt gebliebene Entscheidung 6 Ob 127/03z). Die Vorschriften des Zustellgesetzes müssten eingehalten werden, da sonst keine „formell wirksame“ Zustellung vorliege. Dies sei aber Voraussetzung für den Eintritt der Rechtskraft einer Entscheidung. Der Einwand, die Zustellung sei wegen Verletzung der im Zustellgesetz normierten Formvorschriften unwirksam (§ 17 Abs 3 ZustG), sei mit einem Antrag nach § 7 Abs 3 EO geltend zu machen. Eine Nichtigkeitsklage scheide aus, weil es an der formellen Rechtskraft der Entscheidung fehle (5 Ob 261/05a; 4 Ob 182/06b; 1 Ob 71/10p; RIS-Justiz RS0116036 [T5]; RS0116039 [T3]).
Die Entscheidung 2 Ob 37/08t erachtete ein an den Beklagten (nach Konkurseröffnung) zugestelltes Versäumungsurteil als nicht formell rechtskräftig, weil es nur an den Masseverwalter als gesetzlichem Vertreter rechtswirksam hätte zugestellt werden können, sodass die Nichtigkeitsklage aus diesem Grund ausscheide.
3. Der vorliegende Fall ist ähnlich gelagert: Der Zahlungsbefehl wurde fälschlicherweise dem Besachwalterten anstelle seines Sachwalters zugestellt. Formeller Empfänger des einem Besachwalterten zuzustellenden Schriftstücks ist aber sein gesetzlicher Vertreter, somit der Sachwalter. Wenn irrtümlich der Vertretene als Empfänger bezeichnet wird, ist eine Zustellung an diesen nicht wirksam (vgl 8 Ob 96/06k).
Mangels wirksamer Zustellung des hier in Rede stehenden Zahlungsbefehls erwuchs er nicht in Rechtskraft. Die fehlende Rechtskraft dieses Zahlungsbefehls führt zur Unzulässigkeit der Nichtigkeitsklage.
Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist von jenem - vom Rekurswerber wiederholt zitierten - der Entscheidung des verstärkten Senats 1 Ob 6/01s abzugrenzen. Dort wurde ein Sachwalter erst nach Zustellung der Entscheidung bestellt, während hier die Bestellung des Sachwalters bereits vor der Zustellung des Zahlungsbefehls gegeben war, sodass kein Fall einer Scheinrechtskraft vorlag.
Das Berufungsgericht hat somit zutreffend das Verfahren für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen. Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof gegen Entscheidungen des Gerichts zweiter Instanz im Kostenpunkt sind ausnahmslos unzulässig (RIS-Justiz RS0044233 [T11]).
Dem Rekurs des Klägers war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41, 50 ZPO.
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