OGH 4Ob182/06b

OGH4Ob182/06b17.10.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** AG, *****, vertreten durch Dr. Heinrich Oppitz Rechtsanwalt KEG in Wels, gegen die beklagte Partei Heinrich Gerhard S*****, vertreten durch die Sachwalterin Mag. Ursula S*****, diese vertreten durch Dr. Ulrich Schwab, Rechtsanwalt in Wels, als Verfahrenshelfer, wegen 17.904,81 EUR sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 25. Juli 2006, GZ 3 R 130/06t-12, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Wels vom 17. Mai 2006, GZ 6 Cg 53/05h-9, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird mit der Maßgabe bestätigt, dass der Antrag, die Bestätigung der Vollstreckbarkeit aufzuheben, zurückgewiesen wird.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit am 22. 4. 2005 eingelangter Mahnklage begehrte die Klägerin Zahlung von 17.904,81 EUR infolge eines dem Beklagten gewährten Kredits.

Der antragsgemäß am 25. 4. 2005 erlassene Zahlungsbefehl wurde dem Beklagten am 28. 4. 2005 zu eigenen Handen zugestellt; am 8. 6. 2005 bestätigte das Erstgericht die Rechtskraft des Zahlungsbefehls.

Mit am 26. 4. 2006 eingelangtem Schriftsatz beantragte die dem Beklagten am 24. 2. 2006 zur Besorgung sämtlicher Angelegenheiten beigegebene Sachwalterin, dem Beklagten die Verfahrenshilfe in vollem Umfang einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwalts zur Erhebung eines Einspruchs gegen den Zahlungsbefehl, in eventu zur Einbringung einer Nichtigkeitsklage, in eventu zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags, zu bewilligen.

Nach Bewilligung der Verfahrenshilfe erhob der am 3. 5. 2006 bestellte Verfahrenshelfer am 10. 5. 2006 Einspruch gegen den Zahlungsbefehl. Der Einspruch wurde dem Verfahrenshelfer zur Verbesserung zurückgestellt. Am 16. 5. 2006 legte der Verfahrenshelfer den zur Verbesserung zurückgestellten Einspruch unter Hinweis auf eine bereits erhobene Nichtigkeitsklage „hilfsweise" wieder vor, beantragte weiters die Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls, weil der Beklagte im April 2005 geschäfts- und prozessunfähig gewesen sei, und beantragte „nochmals hilfsweise" die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des Einspruchs, weil er im Fall einer wirksamen Zustellung aufgrund einer angeborenen Verstandesschwäche und einer seit Jahren bestehenden massiven Persönlichkeitsstörung verhindert gewesen sei, rechtzeitig Einspruch zu erheben.

Das Erstgericht wies „den verbesserten Einspruch sowie die darin nunmehr enthaltenen Anträge" zurück. Der Beklagte stütze sich erkennbar darauf, bereits bei Erlassung des Zahlungsbefehls prozessunfähig gewesen zu sein; damit sei die einzige Möglichkeit, den Zahlungsbefehl zu beseitigen, die Erhebung einer Nichtigkeitsklage.

Das Rekursgericht hob diese Entscheidung im Umfang der Zurückweisung des Einspruchs gegen den Zahlungsbefehl sowie des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des Einspruchs gegen den Zahlungsbefehl auf und trug insoweit dem Erstgericht die allfällige neuerliche Entscheidung nach allfälliger rechtskräftiger Zurück- oder Abweisung der anhängigen Nichtigkeitsklage auf; im Umfang der Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls bestätigte es die Entscheidung mit der Maßgabe, dass dieser Antrag abgewiesen werde. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil es einer Klarstellung des Verhältnisses von Nichtigkeitsklage und Antrag auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit bei behaupteter Prozessunfähigkeit während des gesamten Titelverfahrens einschließlich aller Zustellvorgänge bedürfe.

Der dem Beklagten zu eigenen Handen zugestellte Zahlungsbefehl sei nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes zugestellt und damit formell rechtskräftig geworden; er könne nur mit Nichtigkeitsklage beseitigt werden. Im Verfahren über die Nichtigkeitsklage sei die Behauptung zu prüfen, der Beklagte sei sowohl während des zur Erlassung des Zahlungsbefehls führenden Verfahrens als auch im Zeitpunkt der Zustellung prozessunfähig gewesen. Da der Zahlungsbefehl in formelle Rechtskraft erwachsen sei, sei die Bestätigung der Vollstreckbarkeit nicht gesetzwidrig erteilt worden. Die Nichtigkeitsklage und die damit verbundene Möglichkeit der Aufschiebung einer allfälligen Exekution biete dem Beklagten ausreichenden Rechtsschutz.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt. Der Beklagte bekämpft nur den abweisenden Teil der Entscheidung und macht geltend, die vom Rekursgericht aufgeworfene Frage nach dem Verhältnis von Nichtigkeitsklage und Antrag auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit nach § 7 Abs 3 EO werde in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs unterschiedlich beantwortet. Zu folgen sei der Entscheidung 3 Ob 204/00x, wonach eine Rechtskraftbestätigung auch im Fall formeller Rechtskraft irrtümlich erteilt worden sein könne.

Der 6. Senat hat sich in der Entscheidung 6 Ob 127/03z mit der - auch hier entscheidenden - Frage befasst, ob dem Beklagten bei behaupteter Prozessunfähigkeit die (von der älteren Rechtsprechung, vgl RIS-Justiz RS0110275, eingeräumte) Möglichkeit offensteht, neben der Nichtigkeitsklage auch einen Antrag auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit gemäß § 7 Abs 3 EO zu stellen. Er ist zum Ergebnis gelangt, dass nach der Entscheidung des verstärkten Senats zu 1 Ob 6/01s diese Rechtsprechung nicht fortgeschrieben werden kann. Wenn nämlich - wie vom verstärkten Senat ausgesprochen - die Nichtigkeitsklage formelle Rechtskraft voraussetzt und diese auch bei Zustellung an eine während des gesamten Verfahrens prozessunfähige Partei (deren Prozessunfähigkeit zunächst nicht erkennbar war) eintritt, ist in einem solchen Fall die Bestätigung der Vollstreckbarkeit nicht gesetzwidrig oder irrtümlich erteilt worden und kann daher auch nicht aufgehoben werden.

Der 5. Senat hat zu diesem Problemkreis in der Entscheidung 5 Ob 261/05a = EvBl 2006/124 ergänzend und klarstellend ausgeführt, dass die Prozessfähigkeit kein nach dem Zustellgesetz zu prüfender oder zu beachtender Umstand ist; bei Einhaltung der im Zustellgesetz enthaltenen Formvorschriften liegt eine formell wirksame Zustellung als Voraussetzung für den Eintritt der Rechtskraft einer Entscheidung vor. Nur eine nach den Zustellvorschriften unwirksame Zustellung kann aber mit einem Antrag auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit nach § 7 Abs 3 EO geltend gemacht werden. Der Senat hält diese Ausführungen für überzeugend und schließt sich ihnen an. Ein Antrag auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit gem § 7 Abs 3 EO kann nicht darauf gestützt werden, dass der Antragsteller behauptet, im Zeitpunkt der Zustellung der entsprechenden Entscheidung - vorerst unerkannt - prozessunfähig gewesen zu sein, weil dieser Umstand einer formell wirksamen Zustellung nach den Bestimmungen des ZustellG nicht entgegensteht. Die von Rekursgericht und Rechtsmittelwerber zitierte Entscheidung 3 Ob 204/00x ist nicht einschlägig und steht zu dem zuvor gewonnenen Ergebnis nicht in Widerspruch: Dort wurde eine Entscheidung an eine Partei persönlich zugestellt, für die im Zeitpunkt der Zustellung bereits ein Sachwalter zur Besorgung aller Angelegenheiten bestellt war. Somit lag dort eine nach Zustellrecht fehlerhafte Zustellung vor, hätte doch nicht der Betroffene, sondern der für ihn bestellte gesetzliche Vertreter als Empfänger iSd § 13 Abs 1 ZustellG behandelt werden müssen. Zur Wahrnehmung dieses Verstoßes gegen Zustellvorschriften stand demnach dort der Rechtsbehelf des § 7 Abs 3 EO zur Verfügung.

Im Anlassfall hat der Beklagte behauptet, im Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsbefehls unerkannt prozessunfähig gewesen zu sein. Weil dieser Umstand - unterstellt man seine Richtigkeit - dem Eintritt der formellen Rechtskraft der Entscheidung nicht entgegensteht, liegt kein Fall einer gesetzwidrig oder irrtümlich erteilten Bestätigung der Vollstreckbarkeit vor. Der Antrag, die Bestätigung der Vollstreckbarkeit aufzuheben, ist demnach schon seinen Behauptungen nach auf keinen tauglichen Aufhebungsgrund (Zustellmangel) gestützt und somit unzulässig, ohne dass seine inhaltliche Berechtigung zu prüfen wäre.

Der Rechtsmittelwerber meint, ihm entstehe trotz der Möglichkeit, die auf die Einbringung der Nichtigkeitsklage gestützte Aufschiebung der Exekution zu beantragen, dadurch ein Nachteil, dass Dritte von der Exekutionsbewilligung Kenntnis erlangten und davon ausgingen, der Verpflichtete erfülle seine Verbindlichkeiten nicht. Dem ist entgegenzuhalten, dass es nicht Aufgabe der Rechtsordnung ist, lückenlosen Schutz vor unzutreffenden Vorstellungen Dritter zu bieten, zumal dem Betroffenen beim hier gegebenen Sachverhalt daraus kein unmittelbarer Vermögensnachteil erwächst.

Der angefochtene Beschluss ist daher mit der Maßgabe zu bestätigen, dass der Antrag, die Bestätigung der Vollstreckbarkeit aufzuheben, zurückgewiesen wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

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