OGH 2Ob108/24g

OGH2Ob108/24g12.12.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 29. Dezember 2021 verstorbenen G*, wegen Sicherheitsleistung und Absonderung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des M*, vertreten durch den Berufsbeistands- und Betreuungsdienst W*, dieser vertreten durch Dr. Felix Karl Vogl, Rechtsanwalt in Schruns, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 11. April 2024, GZ 3 R 83/24i‑68, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Bludenz vom 7. Februar 2023, GZ 7 A 587/21i‑63, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00108.24G.1212.001

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidung der Vorinstanzen wird, soweit sie den Antrag auf Sicherstellung eines ergänzenden Pflichtteilsanspruchs von 233.573,08 EUR betrifft, aufgehoben und die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

 

Begründung:

[1] Mit letztwilliger Verfügung vom 7. 10. 2015 setzte der Verstorbene seine in der Schweiz lebende Tochter als Erbin ein, die daraufhin eine bedingte Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass abgab. Der pflichtteilsberechtigte Sohn des Verstorbenen lebt ebenfalls in der Schweiz, wo für ihn ein Erwachsenenvertreter nach Schweizer Recht bestellt wurde. Der reine Nachlass beträgt 363.017,36 EUR.

[2] Der Sohn des Verstorbenen beantragte, der Erbin eine Sicherheitsleistung in der Höhe des sich aus der Anrechnung von Schenkungen ergebenden Pflichtteils von 294.075,98 EUR aufzutragen und die gesamte Verlassenschaft vom Vermögen der Erbin abzusondern. Seinen Antrag auf Absonderung begründete er damit, dass er nach Einantwortung des Nachlasses an die erbantrittserklärte Tochter seine Pflichtteilsansprüche gegen diese in der Schweiz mit hohem Kostenaufwand geltend machen müsste, sodass die objektive Gefahr einer Vereitelung seiner Ansprüche bestehe.

[3] Das Erstgericht erteilte der Erbin den Auftrag, den Pflichtteilsanspruch des Sohnes in Höhe von 60.502,89 EUR durch Erlag eines Sparbuchs beim Gerichtskommissär sicherzustellen, und wies die Anträge auf Sicherstellung eines darüber hinausgehenden Pflichtteilsanspruchs und Absonderung der gesamten Verlassenschaft ab. Die Pflicht zur Sicherstellung nach § 176 Abs 2 AußStrG betreffe nur den sich aus dem Verlassenschaftsvermögen ergebenden Pflichtteilsanspruch, nicht aber den behaupteten Schenkungspflichtteil. Es bestehe auch kein Anspruch auf Absonderung der Verlassenschaft nach § 812 ABGB, weil dem pflichtteilsberechtigten Sohn des Erblassers eine Rechtsdurchsetzung in der Schweiz angesichts seines dortigen Wohnsitzes zumutbar sei.

[4] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Diese Entscheidung wurde dem Sohn des Verstorbenen am 24. 4. 2024 zugestellt.

[5] Dagegenrichtet sich der am 8. 5. 2024 eingebrachte außerordentliche Revisionsrekurs des Sohnes mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass seinen Anträgen auf Sicherstellung und Absonderung vollinhaltlich stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[6] Mit ihrer – vorweg eingebrachten – Revisionsrekursbeantwortung beantragt die Erbin, das Rechtsmittel wegen Verspätung zurückzuweisen, hilfsweise mangels einer erheblichen Rechtsfrage zu „verwerfen“, hilfsweiseihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[7] Der innerhalb der vierzehntägigen Frist des § 65 Abs 1 AußStrG eingebrachte Revisionsrekurs ist rechtzeitig und im Hinblick auf die Frage, ob die Sicherstellung nach § 176 Abs 2 AußStrG auch den sich aus einer Schenkungsanrechnung ergebenden Pflichtteilsanspruch umfasst, entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts zulässig, er ist im Sinne des Aufhebungsantrags auch teilweise berechtigt.

Zur Sicherstellung:

1. Umfang der Sicherstellung

[8] 1.1. Nach § 176 Abs 2 AußStrG ist vor Einantwortung Sicherheit zu leisten, wenn einer schutzberechtigten Person an der Verlassenschaft andere erbrechtliche Ansprüche als die eines Erben zustehen und diese Ansprüche noch nicht erfüllt wurden. Die Sicherheit ist in der Form des § 56 ZPO zu leisten und kann auch beim Gerichtskommissär hinterlegt werden. Sie kann nach § 176 Abs 2 AußStrG auch aus dem Verlassenschaftsvermögen gestellt werden. Die Sicherstellung nach § 176 Abs 2 AußStrG ist von Amts wegen anzuordnen (Welser, Erbrechtskommentar § 817 ABGB Rz 5). Wird die Sicherheit trotz fristgebundener Aufforderung nicht erlegt, so ist Erlag nach § 176 Abs 2 AußStrG mit Beschluss aufzutragen. Das Unterbleibender Sicherheitsleistung verhindert die Einantwortung (Verweijen in Schneider/Verweijen § 176 AußStrG Rz 8).

[9] 1.2. Das Erfordernis der Sicherheitsleistung nach § 176 Abs 2 AußStrG beschränkt sich auf Ansprüche schutzberechtigter Personen. Ansprüche eigenberechtigter Personen müssen nicht sichergestellt werden, sodass nach § 176 Abs 1 AußStrG eine Verständigung vor der Einantwortung ausreicht (Bittner/Gruber in Rechberger/Klicka 3 § 176 AußStrG Rz 1). Schutzberechtigte Personen sind nach § 21 Abs 1 ABGB Minderjährige und andere Personen, die alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten selbst nicht gehörig zu besorgen vermögen. Der Sohn des Erblassers, für den nach Schweizer Recht ein Erwachsenenvertreter bestellt wurde, zählt zum geschützten Personenkreis, der nach § 21 Abs 1 ABGB unter dem besonderen Schutz der Gesetze steht, sodass das Verlassenschaftsgericht nach § 176 Abs 2 AußStrG für die Sicherstellung seiner Ansprüche sorgen muss.

[10] 1.3. Die Sicherstellung nach § 176 Abs 2 AußStrG soll nach der Absicht des Gesetzgebers mit Ausnahme des Erbrechts alle Ansprüche aus der Vermögensnachfolge von Todes wegen umfassen, also insbesondere auch Pflichtteilsansprüche (ErläutRV 224 BlgNR 22. GP  111; ebenso 2 Ob 123/20g).

[11] Die herrschende Lehre vertritt allerdings die Auffassung, dass Pflichtteilsansprüche, welche sich aus der Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen ergeben, nicht sicherzustellen seien (Mondel, Sicherstellung des Schenkungspflichtteils Pflegebefohlener, iFamZ 2014, 134; ders, Verständigungspflicht und Sicherheitsleistung gem § 176 AußStrG für Schenkungen zu Lebzeiten? iFamZ 2017, 213; Schweda in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 817 ABGB Rz 13; ders, Rechtsprobleme bei Sicherstellung des Pflichtteils, iFamZ 2023, 102; Gruber, Anm zu 2 Ob 128/16m, iFamZ 2017/135, 380; Verweijen in Schneider/Verweijen, § 176 AußStrG Rz 12; aA jedoch Nemeth in Schwimann/Kodek 4 [Vorauflage] § 764 ABGB Rz 10). Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass sich das Verlassenschaftsverfahren auf die im Nachlass befindlichen Vermögenswerte beschränke und eine Bewertung aller zu Lebzeiten des Erblassers gemachten Schenkungen die Möglichkeiten des außerstreitigen Verfahrens überschreiten würde (Mondel, iFamZ 2014, 134; ders, iFamZ 2017, 213).

[12] 1.4. Dem Wortlaut des Gesetzes lässt sich eine solche Einschränkung der Sicherung von Pflichtteils-ansprüchen nicht entnehmen. Mit dem ErbRÄG 2015 wurde zudem die Unterscheidung zwischen Nachlass- und Schenkunsgpflichtteil aufgegeben, sodass nunmehr selbst im Fall der Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen nach § 787 ABGB ein einheitlicher Pflichtteil zu ermitteln ist (ErläutRV 688 BlgNR 25. GP  35). Soweit die Erbin geltend macht, dass sich die geschenkten Vermögenswerte nicht mehr in der Verlassenschaft befinden, ist ihr entgegenzuhalten, dass auch der sich aus der Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen ergebende Pflichtteilsanspruch nach § 764 Abs 1 ABGB – bis zur Einantwortung – gegen die Verlassenschaft richtet und aus dieser zu berichtigen ist (RS0012848), soweit sie zu dessen Deckung ausreicht, wobei auch die Haftung des unbedingt erbantrittserklärten Erben mit dem Wert des Nachlasses beschränkt ist (Musger in KBB7 § 764 ABGB Rz 1). Erst bei unzureichendem Nachlass kommt die (subsidiäre) Haftung der Beschenkten nach § 789 ABGB in Betracht (Hawel in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.06 § 764 Rz 1; Musger in KBB7 § 789 ABGB Rz 1). Es handelt sich daher insoweit um einen „erbrechtlichen Anspruch an der Verlassenschaft“ iSd § 176 AußStrG.

[13] 1.5. Dem Gesetzgeber kann auch nicht unterstellt werden, dass er mit § 176 Abs 2 AußStrG nicht den gesamten Pflichtteilsanspruch einer schutzberechtigten Person sichern hätte wollen. Schon vor Einführung des neuen Außerstreitgesetzes waren nämlich für die Erstattung des Pflichtteilsausweises nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 162 AußStrG 1854 auch Schenkungen des Erblassers zu berücksichtigen (8 Ob 541/82 [unveröff.]; vgl auch RS0008141; ebenso Ehrenzweig, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts2 II/2 [1937] 598). Die Vorschrift über den Pflichtteilsausweis zu Gunsten pflegebefohlener Noterben in § 162 AußStrG 1854 enthielt nämlich einen ausdrücklichen Verweis auf die Schenkungsanrechnung nach § 785 ABGB aF. Um schutzberechtigten Noterben die Klagsführung zu ersparen, musste das Gericht alle Möglichkeiten ausschöpfen, um über diese Ansprüche bereits im Verlassenschaftsverfahren zu entscheiden (8 Ob 541/82 = RS0008141 [T1]). Es ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber des neuen Außerstreitgesetzes mit der Einführung des § 176 Abs 2 AußStrG eine Schlechterstellung schutzberechtigter Personen bewirken wollte. Die Verpflichtung des Erben zur Entrichtung des Pflichtteils ist aber – wie schon ausgeführt – mit dem Wert der Verlassenschaft begrenzt (§ 764 Abs 2 ABGB), sodass darüber hinausgehende Ansprüche auch nicht sicherzustellen sind.

Als erstes Zwischenergebnis ist daher festzuhalten:

[14] Die Sicherstellung nach § 176 Abs 2 AußStrG erfasst Pflichtteilansprüche auch insoweit, als sie sich aus der Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen nach § 781 ABGB errechnen und sie im Nachlass Deckung finden. Über den Wert der Verlassenschaft hinausgehende Ansprüche sind aber jedenfalls nicht sicherzustellen.

2. Sicherstellungsverfahren

[15] 2.1. Eine Sicherstellungsanordnung nach § 176 Abs 2 AußStrG erfordert, dass in einem ersten Schritt der dem Schutzbefohlenen zustehende Anspruch ziffernmäßig einzuordnen und in einem zweiten Schritt tatsächlich sicherzustellen ist, was mit hohem Verfahrensaufwand verbunden sein kann (2 Ob 104/22s Rz 23).

[16] 2.2. Nach dem AußStrG 1854 hatte der Erbe bei Zweifeln darüber, ob der Pflichtteil eines Minderjährigen verletzt ist, gemäß § 162 AußStrG einen Pflichtteilsausweis zu erstatten. Das Wesen des Pflichtteilsausweises bestand darin, dass der Erbe seine eigene Auffassung von der Berechnung des Pflichtteils zum Ausdruck brachte. Sache des Gerichts war es dann allerdings, diesen Ausweis zu erörtern und zu prüfen und darüber Beschluss zu fassen, wie hoch der Pflichtteilsanspruch des mj Noterben wirklich ist. Vor der Entscheidung über die Höhe des Pflichtteils und der Berichtigung oder Sicherstellung desselben für den mj. Noterben durfte dem Erben nicht eingeantwortet werden. Die Entscheidung des Abhandlungsgerichts über die Pflichtteilshöhe stand einer späteren Pflichtteilsklage nicht entgegen und entfaltete für den Streitrichter auch umfänglich keine Bindungswirkung. Nur dann, wenn sich ein Streit über den Grund oder die Höhe des Anspruchs des mj Noterben mit den Mitteln des außerstreitigen Verfahrens nicht klären ließ, hatte gemäß § 2 Abs 2 Z 7 AußStrG 1854 eine Verweisung auf den Rechtsweg zu erfolgen (2 Ob 511/94).

[17] Durch das AußStrG 2003 wurde vom „System des Pflichtteilsausweises“ abgegangen und dieses durch § 176 AußStrG ersetzt (ErläutRV 224 BlgNR 22. GP  111).

[18] 2.3. Auf welcher Verfahrensgrundlage die Sicherstellungsanordnung nun erfolgen soll, ist der Regelung des § 176 Abs 2 AußStrG nicht zu entnehmen. Eine Verweisungsmöglichkeit ist im geltenden Verfahrensrecht nicht mehr vorgesehen. Das nunmehrige Außerstreitverfahren stellt nämlich ein im Vergleich zum Zivilprozess gleichwertiges Erkenntnisverfahren dar (ErläutRV 224 BlgNR 22. GP  6).

[19] 2.4. Die Sicherstellungsanordnung im Verlassenschaftsverfahren ist keine endgültige (bindende) Entscheidung über den Pflichtteilsanspruch und dessen Höhe, weil über diesen nicht im Spruch des Sicherstellungsbeschlusses abgesprochen wird. Das Bestehen und die Höhe eines Pflichtteilsanspruchs bildet vielmehr lediglich eine im Rahmen der Begründung der Sicherstellungsentscheidung zu klärende Vorfrage, deren Lösung keine Bindungswirkung entfalten kann (RS0041180; 2 Ob 51/24z Rz 15).

[20] Über das Bestehen eines Pflichtteilsanspruchs ist im streitigen Pflichtteilsprozess zu entscheiden. Die Frage der Pflichtteilsberechtigung ist im Verlassenschaftsverfahren auch bei Anträgen nach den §§ 778, 804 und 812 ABGB lediglich als Vorfrage zu beurteilen (2 Ob 168/22b Rz 22 mwN).

[21] 2.5. Zweck der Sicherstellung ist damit nicht die abschließende Klärung des Pflichtteilsanspruchs des Schutzberechtigten schon im Nachlassverfahren, sondern (nur) die Sicherung seiner Ansprüche. Im Hinblick auf den Pflichtteilsanspruch handelt es sich daher lediglich um eine vorläufige, nicht bindende (Provisorial‑)Entscheidung. Geht es aber nur um provisorische Regelungen bzw die Sicherung von Ansprüchen, sieht das Gesetz regelmäßig eine bloße Glaubhaftmachung vor (vgl Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 274 Rz 2; Spitzer in Kodek/Oberhammer, ZPO‑ON § 274 ZPO Rz 2), sodass ein bloß summarisches Verfahren durchzuführen ist (Spitzer aaO Rz 4 mwN). Auch im Rahmen der – zwar nur auf Antrag stattfindenden – Nachlassseparation, die der Sicherung des Nachlassvermögens dient (RS0013073), reicht nach der Rechtsprechung die Forderungsbescheinigung aus (vgl RS0013067).

[22] Es ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber durch die (Beibehaltung der) Sicherstellung auch des sich aus der Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen ergebenden Pflichtteils im Rahmen des § 176 Abs 2 AußStrG die Durchführung eines im AußStrG 2003 grundsätzlich zwar möglichen, aber potentiell mit erheblichem Verfahrensaufwand verbundenen „vollen Beweisverfahrens“ intendiert hat, dessen Ergebnis in Bezug auf den Pflichtteil keine Bindungswirkung entfalten kann. Vielmehr ist es sachgerecht, die Grundsätze bloßer Provisorial- und Sicherungsentscheidungen (summarisches Bescheinigungsverfahren) sinngemäß anzuwenden.

[23] 2.6. Ein Bescheinigungsverfahren ist hier schon deshalb durchzuführen, weil der Pflichtteilsberechtigte ein konkretes Vorbringen über die erfolgten Schenkungen erstattet hat.

2.7. Als weiteres Zwischenergebnis ist daher festzuhalten:

[24] Die Sicherstellung der sich aus der Hinzu- und Anrechnung nach § 781 ABGB ergebenden Pflichtteilsansprüche nach § 176 Abs 2 AußStrG hat auf Grundlage eines summarischen Bescheinigungsverfahrens zu erfolgen.

[25] 2.8. Nachdem das Erstgericht keine Feststellungen zu den behaupteten Schenkungen getroffen hat, kann die Berechtigung des gesamten Pflichtteilsanspruchs, dessen Sicherstellung nach § 176 Abs 2 AußStrG beantragt wurde, noch nicht beurteilt werden, was eine Aufhebung der den Sicherungsantrag abweisenden Entscheidung unumgänglich macht. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht die vom Revisionsrekurswerber zum Nachweis der erfolgten Schenkungen vorgelegten Bescheinigungsmittel aufnehmen und mit den Parteien erörtern müssen, um auf dieser Grundlage neuerlich über den Antrag auf Sicherstellung eines 60.502,89 EUR übersteigenden Pflichtteils zu entscheiden.

Zur Absonderung:

[26] 1. Ein Gläubiger, dessen Forderung gegen die Verlassenschaft durch Vermengung der Verlassenschaft mit dem Vermögen des Erben gefährdet wäre, kann nach § 812 Abs 1 ABGB vor der Einantwortung beantragen, dass ein seiner Forderung entsprechender Teil der Verlassenschaft vom Vermögen des Erben abgesondert, vom Gericht verwahrt oder von einem Kurator verwaltet wird, bis sein Anspruch berichtigt ist. Dieses Recht steht allen Gläubigern zu, die auf die Erbschaft verwiesen sind, insbesondere auch den Pflichtteilsberechtigten (RS0013052).

[27] 2. Die Absonderung der Verlassenschaft bezweckt nicht nur, das Verlassenschaftsvermögen dem Zugriff der Gläubiger des Erben zu entziehen, sondern es schlechthin gegen alle Gefahren zu sichern, die sich aus der tatsächlichen Verfügungsgewalt der Erben ergeben (RS0013049; RS0013073; RS0105648; RS0013076). Dadurch soll sichergestellt werden, dass das vom Vermögen der Erben abgesondert verwaltete Sondervermögen ausschließlich zur Befriedigung der Verlassenschaftverwendet wird (RS0013063).

[28] 3. Seit dem ErbRÄG 2015 setzt die Absonderung der Verlassenschaft nach § 812 Abs 1 ABGB eine objektive Gefährdung der Forderung des Gläubigers voraus, sodass die bloß subjektive Besorgnis des Gläubigers nicht mehr ausreicht (ErläutRV 688 BlgNR 25. GP  38; 2 Ob 174/19f). Das Vorhandensein einer hinreichenden dinglichen oder persönlichen Sicherheit schließt eine solche Gefährdung aus (Welser in Rummel/Lukas 4 § 812 ABGB Rz 17; Verweijen in Schneider/Verweijen § 175 AußStrG Rz 7). Dementsprechend kann der Erbe die Absonderung der Verlassenschaft nach § 812 Abs 3 ABGB durch eine angemessene Sicherheitsleistung, die auch der Verlassenschaft entnommen werden darf, abwenden. Der Pflichtteilberechtigte hat somit kein Recht auf Absonderung der Verlassenschaft, wenn der Pflichtteil bereits gerichtlich hinterlegt wurde (Welser, Erbrechts-Kommentar § 812 ABGB Rz 24; Spruzina/Jungwirth in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.03 § 812 ABGB Rz 17).

[29] 4. Im vorliegenden Fall ist zwar noch keine Sicherstellung des 60.502,89 EUR übersteigenden Pflichtteils erfolgt, doch muss das Gericht – wenn sich der behauptete Pflichtteilsanspruch als berechtigt herausstellt – noch vor Einantwortung eine Sicherstellung nach § 176 Abs 2 AußStrG veranlassen. Damit kann aber die vom Revisionsrekurswerber in seinem Antrag allein relevierte objektive Gefährdung seines Pflichtteilsanspruchs aufgrund der nach Einantwortung erforderlichen Durchsetzung seiner Ansprüche nicht schlagend werden, sodass der Antrag auf Absonderung schon aus diesem Grund abzuweisen war.

[30] 5. Der Kostenausspruch beruht auf § 185 AußStrG, wonach im Verlassenschaftsverfahren – außer im Verfahren über das Erbrecht – kein Ersatz von Vertretungskosten stattfindet.

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