OGH 1Ob9/23i

OGH1Ob9/23i27.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U*, vertreten durch Mag. Daniel Wolff, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen die beklagte Partei S* AG, FN *, vertreten durch die DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 70.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 1. Dezember 2022, GZ 4R 164/22b‑25, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00009.23I.0127.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

I. Der Antrag der klagenden Partei, der Oberste Gerichtshof möge den EuGH gemäß Art 267AEUV anrufen und ihm insbesondere die unter den Punkten 1 bis 11 der Revisionsschrift aufgelisteten Vorlagefragen stellen, wird zurückgewiesen.

II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Zu I.:

Rechtliche Beurteilung

[1] Eine Prozesspartei hat nach ständiger Rechtsprechung keinen verfahrensrechtlichen Anspruch, die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art 267 AEUV vor dem Gerichtshof der Europäischen Union durch das Gericht zu beantragen. Der darauf gerichtete Antrag der Klägerin ist damit zurückzuweisen (RS0058452).

Zu II.:

[2] Gegenstand des Verfahrens ist ein von der Klägerin bei der Beklagten über Vermittlung eines von ihr beauftragten Finanzberaters zur Finanzierung des Kaufs und Umbaus eines Hauses im November 2006 im Gegenwert von 70.000 EUR aufgenommener (endfälliger) Fremdwährungskredit, der ihr vereinbarungsgemäß in CHF auf das für sie bei der Beklagten geführte Verrechnungskonto überwiesen und nach Konvertierung zum Ankaufskurs entsprechend dem „[...] Bank Devisenfixing“ in EUR ausbezahlt wurde. Für die Rückzahlung der Finanzierung ist der Kurs der aushaftenden Fremdwährung zum Euro am Ende der Laufzeit maßgeblich.

[3] Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass der Kreditvertrag aus November 2006 über einen Fremdwährungskredit im Gegenwert von 70.000 EUR nichtig, in eventu nicht rechtswirksam zustandegekommen sei.

[4] Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts, mit dem es das Klagebegehren abgewiesen hatte, und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

[5] Die dagegen von der Klägerin erhobene Revision kann keine Rechtsfragen von der Qualität gemäß § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen und ist daher zurückzuweisen.

[6] 1. Zu den Voraussetzungen für eine echte Fremdwährungsschuld hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt Stellung genommen. Demnach ist nicht die Frage maßgebend, in welcher Währung der Kredit ausbezahlt wird, sondern ob die fremde Währung die Grundlage für die Rückzahlungsverpflichtung des Kreditnehmers bildet (6 Ob 76/22b [Rz 6]; 7 Ob 58/22p [Rz 3]; 1 Ob 88/22f [Rz 7]). Wird dem Kreditnehmer in einem solchen Fall (überdies) die Wahl eingeräumt, sich den (Fremdwährungs‑)Kredit in Euro auszahlen zu lassen, liegt zudem ein Angebot der Bank vor, zusätzlich zum Kreditvertrag einen Geldwechselvertrag abzuschließen. Lässt sich der Kreditnehmer den Kredit in Euro auszahlen, tritt daher zum Kreditvertrag ein (entgeltlicher) Geldwechselvertrag hinzu, was auch einer typischen, nicht juristisch geschulten Person erkennbar ist (4 Ob 15/22t [Rz 10]; 1 Ob 9/22p [Rz 9] je mwN).

[7] Nach den Feststellungen besteht kein Zweifel, dass der Klägerin klar war, einen Fremdwährungskredit in CHF aufzunehmen, den sie auch in dieser Währung zurückzuzahlen hat. Die Auszahlung erfolgte vereinbarungsgemäß in Euro, sodass die Ansicht des Berufungsgerichts, es liege ein echter Fremdwährungskreditvertrag und ein mit der Beklagten abgeschlossener Geldwechselvertrag vor, den in gefestigter Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen entspricht.

[8] 2. Die Kreditsumme und damit die Geldschuld der Beklagten ist im vorliegenden Fall in ausländischer Währung ausgedrückt, und zwar in CHF, wenn auch im Kreditvertrag nicht ziffernmäßig bestimmt, sondern mittels Bindung an den Gegenwert von (insgesamt) 70.000 EUR. Soweit die Klägerin dennoch eine mangelnde Bestimmtheit des Kreditvertrags zu erkennen vermeint, weil dem Vertrag selbst die genaue Kreditsumme in CHF nicht zu entnehmen sei, übersieht sie, dass nach der getroffenen Vereinbarung der Kreditbetrag in CHF auf ihr Verrechnungskonto überwiesen wurde und sie regelmäßig Kontoauszüge darüber erhielt. Für einen solchen Fall hat der Oberste Gerichtshof aber bereits wiederholt den Kreditvertrag als ausreichend bestimmt angesehen (1 Ob 9/22p [Rz 10 f]; vgl 4 Ob 15/22t [Rz 9]). Mit diesen Entscheidungen und mit der darauf beruhenden Begründung des Berufungsgerichts setzt sich die Klägerin nicht auseinander und kann damit auch keine Fehlbeurteilung dieser Frage darlegen. Die Entscheidung zu 6 Ob 51/21z, auf die sie sich bezieht, ist demgegenüber nicht einschlägig, weil die Klägerin durch die Kontoauszüge über das Verrechnungskonto Kenntnis vom CHF‑Saldo erlangen konnte.

[9] 3. Der Oberste Gerichtshof hat in der Beurteilung vergleichbarer Fälle bereits klargestellt, dass bei ausreichender Bestimmtheit des Kreditvertrags der Entfall einzelner Klauseln nicht automatisch dessen Nichtigkeit bewirkt (6 Ob 24/22f [Rz 6 zur Bestätigung, über die Besonderheiten und Risiken eines Fremdwährungskredits belehrt worden zu sein]; 9 Ob 66/21b [Rz 11]; 4 Ob 15/22t [Rz 12]; 1 Ob 9/22p [Rz 12]). Entfiele daher die von der Klägerin beanstandete „Konvertierungsklausel“ („Devisenfixing“), bliebe der Kreditvertrag bestehen und sie hätte den Kredit in der fremden Währung zurückzuzahlen (6 Ob 76/22b [Rz 9]; 7 Ob 58/22p [Rz 5]; 1 Ob 9/22p [Rz 13]; 1 Ob 88/22f [Rz 9]), die sie sich allenfalls auch von dritter Seite beschaffen könnte (9 Ob 62/21i [Rz 11]). Auch mit diesen Grundsätzen, die das Berufungsgericht ausführlichwiedergegeben hat, setzt sich die Klägerin nicht auseinander, wenn sie in ihrer Revision allgemein die Leitsätze in der Judikatur des EuGH und des Obersten Gerichtshofs zur Unwirksamkeit von Klauseln in Verbraucherverträgen wiedergibt, und kann damit auch nicht darlegen, inwieweit die Entscheidung der zweiten Instanz einer Korrektur bedürfte.

[10] Die Frage der Zulässigkeit der Lückenfüllung, um eine allenfalls nichtige Konvertierungsklausel durch Anwendung des dispositiven Rechts zu ersetzen (hier: § 907b Abs 1 ABGB; § 905a ABGB aF), stellt sich nicht (vgl 1 Ob 9/22p [Rz 13]; 4 Ob 15/22t [Rz 10]). Die diesbezüglichen unionsrechtlichen Überlegungen der Revision können damit dahinstehen. Gleiches gilt für die in der Revision angesprochenen unionsrechtlichen Fragen zu den Folgen der Nichtigkeit oder des Nichtzustandekommens eines Kreditvertrags. Ebensowenig ist von Relevanz, ob die Konvertierungsklausel unionsrechtlich bestehen kann. Denn auch ihr Wegfall führte aus den dargestellten Gründen nicht zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags. Ein Vorabentscheidungsersuchen ist aus diesen Gründen nicht erforderlich.

[11] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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