OGH 1Ob91/22x

OGH1Ob91/22x14.7.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Parzmayr und Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei * GmbH, *, vertreten durch die Taylor Wessing e/n/w/c Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH, Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 1.231.269,20 EUR sA, in eventu wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Februar 2022, GZ 14 R 13/22t‑16, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 2. Juli 2021, GZ 33 Cg 38/20f‑9, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00091.22X.0714.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.543,60 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Finanzmarktaufsichtsbehörde („FMA“) untersagte der C* Aktiengesellschaft („Bank“) mit Mandatsbescheid vom 14. 7. 2020 gemäß § 70 Abs 2 Z 4 BWG mit sofortiger Wirkung die weitere Vornahme von Bankgeschäften. In der Folge wurden strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bilanzfälschung und der Untreue gegen Verantwortliche der Bank eingeleitet und mit 29. 7. 2020 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet.

[2] Die Klägerin begehrt von der beklagten Republik Österreich (Bund) im Wege der Amtshaftung den Ersatz jenes Schadens, der ihr dadurch entstanden sei, dass sie aufgrund der Untersagung des Geschäftsbetriebs der Bank durch die FMA und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen nicht mehr über ihr Guthaben in Höhe von 1.331.269,20 EUR (welches im Wesentlichen aus Einzahlungen aus dem Jahr 2020 stamme) verfügen könne bzw sie einen Forderungsverlust in dieser Höhe erlitten habe. Unter Berücksichtigung einer Zahlung von 100.000 EUR aus der gesetzlichen Einlagensicherung ergebe sich der Klagebetrag, der ihr allenfalls Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Insolvenzforderung zu leisten sei. Hilfsweise begehrt die Klägerin die Feststellung der Haftung der Beklagten für Schäden bis zur Höhe der Klageforderung, die ihr durch die Einlage von Geldern bei der Bank aufgrund der nicht gehörigen Erfüllung der der FMA obliegenden Aufsichts- und Prüfpflichten sowie der nicht gehörigen Erfüllung von Pflichten durch staatsanwaltschaftliche Organe entstanden seien.

[3] Vorstandsmitglieder der Bank hätten im Sommer 2020 gegenüber der OeNB und der Staatsanwaltschaft zugestanden, seit den 1990er‑Jahren eine Reihe betrügerischer Handlungen – etwa die Fälschung von Bilanzposten, Saldenbestätigungen und Zahlungsbelegen, die „Fingierung“ hoch verzinster Kredite und die Veruntreuung von Geldern der Bank – gesetzt zu haben. Neben diesen strafrechtlich relevanten Handlungen hätten die Verantwortlichen der Bank auch (bloß) bankaufsichtsrechtlich relevante Fehlleistungen zu verantworten.

[4] Die Haftung der beklagten Partei ergebe sich daraus, dass sie als Rechtsträgerin der FMA, der Österreichischen Nationalbank („OeNB“), des Amts der Burgenländischen Landesregierung als „Revisionsstelle“ der Bank und ihrer genossenschaftlich organisierten Hauptgesellschafterin, der Staatsanwaltschaft Eisenstadt (StA) sowie der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) den ihr insoweit obliegenden Aufgaben im Zusammenhang mit der Kontrolle des Geschäftsbetriebs der Bank sowie der strafrechtlichen Verfolgung der für sie handelnden Personen pflichtwidrig nicht (vor 2020) nachgekommen sei.

[5] Die straf- und bankaufsichtsrechtlich relevanten Handlungen der Leitungsorgane der Bank hätten der FMA, der OeNB sowie dem Amt der Burgenländischen Landesregierung in dessen Eigenschaft als (funktionell der beklagten Partei zuzurechnender) genossenschaftlicher Revisionsverband bei sorgfältiger Erfüllung ihrer jeweiligen Verpflichtungen auffallen müssen. Den Organen der Staatsanwaltschaft sei vorzuwerfen, dass sie kein Strafverfahren eingeleitet hätten, obwohl sich bereits 2015 aufgrund des Hinweises eines anonymen „Whistleblowers“ auf diverse „Malversationen“ innerhalb der Bank sowie aus einer Sachverhaltsdarstellung der FMA ein Anfangsverdacht hinsichtlich bestimmter Straftaten ergeben habe. Die Unterlassung der gebotenen Prüf- und Verfolgungsschritte durch die funktionell dem Bund zuzurechnenden Organe sei grob unvertretbar gewesen.

[6] Hätten die zuständigen Organe die gebotenen bankaufsichts- und revisionsrechtlichen Maßnahmen gesetzt oder Strafverfahren gegen die verantwortlichen Personen der Bank eingeleitet, wären die „Malversationen“ innerhalb der Bank früher bekannt geworden und die Klägerin hätte – da sie dann kein Geld bei dieser eingelegt hätte – keinen Schaden erlitten.

[7] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und wandte dessen Unschlüssigkeit ein. Gemäß § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG sei eine Amtshaftung für Schäden, die Dritten (sohin auch der Klägerin) von Organen der FMA in Vollziehung von Aufgaben der Bankenaufsicht zugefügt wurden, ausgeschlossen. Die OeNB werde im Rahmen der Bankprüfung nur als Hilfsorgan der FMA in deren Auftrag tätig, weshalb der Haftungsausschluss auch auf deren Tätigkeit anzuwenden sei. Die Burgenländische Landesregierung sei als genossenschaftlicher Revisionsverband im Rahmen der burgenländischen Landesverwaltung tätig geworden, für welche der beklagte Bund nicht hafte. Die Organe der Staatsanwaltschaft hätten ihre Aufgaben gesetzeskonform wahrgenommen, die behaupteten Schäden wegen einer (zunächst) unterbliebenen Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens seien nicht vom Schutzzweck der diesbezüglichen Bestimmungen der StPO bzw des StAG erfasst.

[8] Das Erstgericht wies die Klage als unschlüssig ab. Die Bestimmungen über die Bankenaufsicht, deren Verletzung durch Organe der FMA und der OeNB der Beklagten vorgeworfen werde, dienten nur dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung der volkswirtschaftlichen Stabilität und bezweckten – wie § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG klarstelle –keinen Schutz des Vermögens einzelner Gläubiger der geprüften Bank. Die genossenschaftsrechtliche Pflichtrevision erfolge nur im Interesse der Mitglieder der Genossenschaft und solle keine bloßen Vermögensschäden einzelner Gläubiger verhindern. Die Pflicht der Organe der Staatsanwaltschaft, einer Strafanzeige nachzugehen und ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, bezwecke ebenfalls nicht die Verhinderung des Eintritts bloßer Vermögensschäden unbeteiligter Dritter. Das Absehen von der Einleitung eines Strafverfahrens durch Organe der WKStA sei auch rechtlich nicht unvertretbar gewesen.

[9] Aufgrund eines Antrags der Klägerin auf Normenkontrolle nach Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B‑VG (sowie aufgrund solcher Anträge anderer geschädigter Gläubiger der Bank) prüfte der Verfassungsgerichtshof die Bestimmung des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG auf ihre behauptete Verfassungswidrigkeit, verneinte eine solche jedoch.

[10] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Die behauptete Verletzung von Vorschriften des Bankenaufsichts‑, Genossenschaftsrevisionsund Strafverfahrensrechts könnte nur dann zu einer Amtshaftung führen, wenn diese Vorschriften (auch) den Zweck hätten, die Klägerin als Bankkundin vor bloßen Vermögensschäden zu schützen. Dies sei aber nicht der Fall.

[11] Nach der vom Verfassungsgerichtshof als verfassungskonform erkannten Bestimmung des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG hafte der Bund für von Organen und Bediensteten der FMA in Vollziehung (unter anderem) der Gesetze über die Bankenaufsicht zugefügte Schäden nur insoweit, als diese jenen Rechtsträgern unmittelbar zugefügt würden, die der Aufsicht nach diesem Bundesgesetz unterlägen. Damit sei eine Haftungsbeschränkung auf Schäden des der Prüfung durch die FMA unterliegenden Rechtsträgers vorgenommen worden. Zweck dieser Bestimmung sei es, die Amtshaftung für Schäden, die sich lediglich als Reflexwirkung des Aufsichtsverhaltens im Vermögen Dritter auswirkten, auszuschließen. Vertragspartner des beaufsichtigten Kreditinstituts, wie insbesondere einzelne An‑ bzw Einleger oder sonstige Gläubiger – und somit auch die Klägerin – seien demnach für aus Verstößen der FMA gegen bankaufsichtsrechtliche Bestimmungen abgeleitete Amtshaftungsansprüche nicht aktiv legitimiert.

[12] Die Haftungsbeschränkung des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG sei auch anzuwenden, wenn sich die FMA bei ihrer Tätigkeit als Bankenaufsichtsbehörde der Mitwirkung der OeNB bediene. Die OeNB werde insoweit als Hilfsorgan der FMA tätig, eine eigene behördliche Funktion komme ihr in diesem Rahmen nicht zu. Eine allfällige (unvertretbar) unrichtige Gesetzesanwendung durch die OeNB im Rahmen der Bankenaufsicht sei daher der FMA zuzurechnen, für die insoweit die Haftungsbeschränkung des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG gelte. Selbst wenn die Tätigkeit der OeNB im Zuge der Bankenaufsicht als von der FMA unabhängige (hoheitliche) Tätigkeit anzusehen wäre, träfe den Bund für die OeNB gegenüber Gläubigern der geprüften Bank keine Haftung, weil die in der genannten Bestimmung vorgesehene Haftungsbeschränkung für ein Organfehlverhalten im Rahmen der Bankenaufsicht nicht vom konkret beteiligten Aufsichtsorgan abhängen könne. Die Aufgaben der OeNB auf dem Gebiet des Bankwesens seien im Übrigen darauf beschränkt, der FMA Informationen und Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung zu stellen („fact‑finding“), wohingegen nur die FMA dazu berufen sei, Maßnahmen zu setzen, um allfällige Missstände abzustellen („decision-taking“). Eine aus einer Pflichtverletzung durch die OeNB abgeleitete Amtshaftung der Beklagten käme somit nur in Betracht, wenn sie der FMA Informationen vorenthalten oder falsche Informationen erteilt hätte, worauf die Klägerin ihren Anspruch nicht gestützt habe.

[13] Bei einem genossenschaftlichen Revisionsverband handle es sich um einen Verein oder eine Genossenschaft, also um ein privatrechtliches Rechtssubjekt, das von der zuständigen Behörde als zur Bestellung von Revisoren für seine Mitglieder berechtigt anerkannt wurde. Die Befugnis zu hoheitlichem Handeln komme ihm nicht zu. Der Revisionsverband werde privatwirtschaftlich tätig, eine Haftung der Beklagten könne aus dessen Verhalten schon aus diesem Grund nicht abgeleitet werden. Eine Haftung eines genossenschaftlichen Revisors komme auch nur gegenüber der geprüften Genossenschaft bzw ihren Tochterunternehmen in Betracht, nicht gegenüber deren Gläubigern. Dies müsse auch für den Revisionsverband selbst gelten, der für Ersatzansprüche gegenüber einem Revisor auch nur als Ausfallsbürge hafte.

[14] Die Pflicht zur Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bei Vorliegen eines Anfangsverdachts diene nur der Geltendmachung des staatlichen Strafanspruchs und nicht auch dem Schutz des Vermögens potenzieller (künftiger) Opfer eines Straftäters. Ein Amtshaftungsanspruch könne daher nicht auf die Verletzung jener Bestimmungen, welche die Einleitung eines Strafverfahrens regeln, gestützt werden. Im Übrigen habe die Klägerin auch nicht dargelegt, warum der von ihr behauptete Schaden durch die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen Organe der Bank verhindert worden wäre.

[15] Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Schutzzweck der Bankenaufsicht nach Inkrafttreten des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG bestehe; ebensowenig zur Zurechnung der bankenaufsichtsrechtlichen Tätigkeit der OeNB zur FMA, zur Frage, ob die Tätigkeit genossenschaftlicher Revisionsverbände privatrechtlicher oder hoheitlicher Natur sei, sowie zum Schutzzweck der § 2 Abs 1 StPO und § 35c StAG.

[16] Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhobene Revision der klagenden Partei ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

1. Zur Verfahrensrüge:

Rechtliche Beurteilung

[17] Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

2. Grundsätzliches zur Amtshaftung:

[18] 2.1. Gemäß § 1 Abs 1 AHG haften die dort genannten Rechtsträger, darunter die beklagte Partei, für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben, nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts. Wird ein bloßer Vermögensschaden geltend gemacht, wäre dieser nur aufgrund einer (vorwerfbaren) Verletzung eines absolut geschützten Rechtsguts, der Übertretung eines Schutzgesetzes nach § 1311 ABGB oder eines sittenwidrigen Verhaltens des Schädigers ersatzfähig (1 Ob 208/12p mwN; 1 Ob 142/06y). Im vorliegenden Fall kommt nur die Übertretung von Schutzgesetzen in Betracht.

[19] 2.2. Gerade im Bereich des Amtshaftungsrechts gilt, dass die verletzte Vorschrift auch den Zweck haben muss, den Geschädigten vor den schließlich eingetretenen (Vermögens-)Nachteilen zu schützen (RS0050038 [T1]). Der Schutzzweck der Norm ist ein selbständiges Abgrenzungskriterium der Haftung neben der Rechtswidrigkeit und der Kausalität. Sowohl der Geschädigte als auch die Art des Schadens und die Form seiner Entstehung müssen vom Schutzzweck erfasst sein (RS0027553 [T18]). Ohne dessen eingrenzende Wirkung drohte eine Uferlosigkeit der Haftpflicht. Aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens ist daher nur für jene dadurch verursachten Schäden zu haften, die vom Schutzzweck erfasst werden, weil die Norm zumindest auch derartige Schäden verhindern will. Die Normzweckprüfung ist teleologisch ausgerichtet und stellt primär darauf ab, welcher Zweck mit der in ihrem primären Normgehalt festgehaltenen Anordnung (zumindest mit‑)verfolgt wird. Nicht jeder Schutz, den eine Verhaltensnorm tatsächlich bewirkt, ist auch von ihrem Schutzzweck erfasst (RS0031143 [T22]).

[20] 2.3. Die Nichtberücksichtigung der eingrenzenden Wirkung des Rechtswidrigkeitszusammenhangs hätte im Amtshaftungsrecht eine Uferlosigkeit der Haftpflicht der Rechtsträger zur Folge (vgl RS0031143 [T7]; RS0050038 [T29]). Im Amtshaftungsbereich muss daher geprüft werden, ob Pflichten des Rechtsträgers nur im Interesse der Allgemeinheit oder auch im Interesse eines einzelnen Betroffenen normiert sind (vgl RS0050038 [T27]; RS0031143 [T4, T11]). Allein daraus, dass ihm eine Amtshandlung, die dem öffentlichen Interesse dient, zugute kommt und ihm als Reflexwirkung pflichtgemäßen Handelns einen Vorteil verschafft, lässt sich noch nicht auf das Vorliegen einer Amtspflicht gerade dem konkreten Geschädigten gegenüber schließen (vgl RS0031143 [T4]). Erstreckt sich der Schutzzweck nur auf Interessen der Allgemeinheit, können Einflüsse auf individuelle Interessenlagen also nur als bloße – keine Amtshaftung begründende – Reflexwirkungen angesehen werden (RS0031143 [T35]). Angesichts der in der Regel primär öffentliche Interessen wahrenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften genügt es für die Annahme des erforderlichen Rechtswidrigkeitszusammenhangs zwar, dass die Verhinderung eines Schadens eines Dritten bloß mitbezweckt ist (RS0031143 [T5, T13]). Die verletzte Amtspflicht muss aber gerade dem Geschädigten gegenüber bestanden haben (RS0031143 [T6]), was auch maßgeblich davon abhängt, ob bereits eine rechtliche Sonderverbindung zwischen ihm und dem Rechtsträger, dessen Organ eine Amtspflichtverletzung vorgeworfen wird, bestand oder ob die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe eine so große und unbestimmte Zahl von Personen betrifft, dass diese der Allgemeinheit gleichzusetzen sind (RS0049993).

3. Zur Haftung für die FMA:

[21] 3.1. § 3 Abs 1 FMABG idF vor der Novelle durch BGBl I 136/2008 sah vor, dass für von Organen und Bediensteten der FMA in Vollziehung der in § 2 dieses Gesetzes genannten Bundesgesetze zugefügte Schäden der Bund nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes haftet. Mit der genannten Novelle wurde in § 3 Abs 1 FMABG folgender zweiter Satz eingefügt: „Schäden im Sinne dieser Bestimmung sind solche, die Rechtsträgern unmittelbar zugefügt wurden, die der Aufsicht nach diesem Bundesgesetz unterliegen.“ Damit wurde der Kreis der amtshaftungsrechtlich geschützten Personen beschränkt bzw explizit festgelegt (1 Ob 117/14h). Nach den Gesetzesmaterialien (ErlRV 682 BlgNR 23. GP  6) sollten dadurch Schäden, die sich lediglich als Reflexwirkung des Aufsichtsverhaltens im Vermögen Dritter auswirken, von einer Ersatzpflicht ausgeschlossen werden.

[22] 3.2. Der Verfassungsgerichtshof führte in seinem Erkenntnis vom 16. 12. 2021 zu G 224/2021, in dem er die behauptete Verfassungswidrigkeit des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG prüfte und verneinte, unter anderem Folgendes aus:

„[64] Der angefochtene § 3 Abs 1 zweiter Satz FMABG enthält eine (Legal‑)Definition des Schadens, der iSd Art 23 B‑VG (und des ersten Satzes des § 3 Abs 1 FMABG) ersetzt werden soll. Konkret handelt es sich um Schäden, die Rechtsträgern unmittelbar zugefügt wurden, die der Aufsicht nach diesem Bundesgesetz unterliegen. Durch diese Bestimmung kommt es zu einer Haftungseinschränkung durch die Definition des ersatzfähigen Schadens der aktivlegitimierten Rechtsträger (vgl OGH 22. 6. 2012, 1 Ob 186/11a). Nicht aktivlegitimiert sind demgegenüber insbesondere die Vertragspartner der beaufsichtigten Rechtsträger, etwa die einzelnen An- und Einleger oder sonstige Gläubiger. […]

[78] Ungeachtet der gesetzestechnischen Ausgestaltung der angefochtenen Bestimmung gibt es keinen Zweifel, dass der Gesetzgeber mit § 3 Abs 1 zweiter Satz FMABG der Sache nach eine Regelung des Rechtswidrigkeitszusammenhangs bzw des Schutzzweckes der Bestimmungen hinsichtlich der (Banken-)Aufsicht durch die FMA vorgenommen hat. Demnach soll der Schadenersatz nur den unmittelbar geschädigten Rechtsträgern, die der Aufsicht der FMA unterliegen, zustehen. Ausgeschlossen sind demgegenüber Ersatzansprüche von Dritten (insbesondere von Einlegern und sonstigen Gläubigern), die durch einen Aufsichtsfehler bei der Vollziehung der in § 2 FMABG genannten Gesetze durch die FMA geschädigt werden. […]

[82] Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes ist dem Gesetzgeber – auch vor dem Hintergrund der seit jeher umstrittenen Frage nach dem Rechtswidrigkeitszusammenhang bzw dem Schutzzweck des finanzmarktrechtlichen Aufsichtsrechtes – nicht entgegenzutreten, wenn er nun in § 3 Abs 1 zweiter Satz FMABG klarstellt, dass nur die aufsichtsunterworfenen Rechtsträger (nach Maßgabe der in dieser Bestimmung und in den allgemeinen Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes normierten Voraussetzungen) einen Amtshaftungsanspruch gegen den Bund im Fall einer fehlerhaften Aufsicht durch die FMA haben sollen. Der Gesetzgeber hat somit mit der angefochtenen Bestimmung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die nationalen und unionsrechtlichen bank- und auch sonstigen finanzmarktaufsichtsrechtlichen Regelungen das Ziel eines reibungslosen Funktionierens des Banken- und sonstigen Finanzsektors als eines für die Volkswirtschaft wesentlichen Wirtschaftsbereiches verfolgen. Das Bank- und sonstige Finanzmarktaufsichtsrecht dient damit im Ergebnis auch dem Gläubigerschutz. Dabei handelt es sich aber um den Schutz der Gläubiger (An- und Einleger) in ihrer Gesamtheit; es geht sohin um den abstrakten oder institutionellen Gläubigerschutz. Dieser (Gläubiger-)Schutz ist ein Teilelement des Funktionsschutzes, den das Bank- und sonstige Finanzmarktaufsichtsrecht als wesentliches Ziel verfolgt. Die An- und Einleger sollen in ihrer Gesamtheit Vertrauen in das ordnungsgemäße Funktionieren des Finanzmarktes haben. Dem bank- und sonstigen finanzmarktaufsichtsrechtlichen Regelungsregime liegt also nicht das Konzept zugrunde, einzelne An- und Einleger im Wege der Amtshaftung schadenersatzrechtlich vor Aufsichtsfehlern zu schützen. [...]

[83] Die angefochtene Bestimmung des § 3 Abs 1 zweiter Satz FMABG schließt nicht die Amtshaftung des Bundes für rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten der Organe der FMA in Vollziehung der in § 2 Abs 2 bis Abs 4 FMABG genannten Gesetze schlechthin aus, sondern begrenzt sie – im Hinblick auf den vom bankaufsichtsrechtlichen Regelungsregime verfolgten Funktionsschutz und das Ziel eines (bloß) abstrakten Gläubigerschutzes – auf unmittelbare Schäden der beaufsichtigten Rechtsträger. Ein verfassungsrechtliches Gebot der Amtshaftung auch für mittelbare Vermögensschäden von An- und Einlegern von Kredit- und Finanzinstituten lässt sich […] aus der Wortfolge „wem immer“ in Art 23 Abs 1 B‑VG nicht folgern. Ausweislich der Materialien sollte durch die Formulierung „wem immer“ in Art 23 Abs 1 B-VG lediglich klargestellt werden, dass Amtshaftung nicht nur dann stattfindet, wenn subjektiv-öffentliche Rechte des Betroffenen verletzt wurden (AB 514 BlgNR 5. GP , 2). Die Wortfolge findet sich auch in der – zeitgleich mit Art 23 B-VG (idF BGBl 19/1949) erlassenen – Bestimmung des § 1 Abs 1 AHG, wonach die dort genannten Rechtsträger für den Schaden haften, den die als ihre Organe handelnden Personen „wem immer“ schuldhaft zugefügt haben. Auf Grund des § 3 Abs 1 zweiter Satz FMABG bleiben nun als einzige Anspruchsberechtigte die durch die FMA beaufsichtigten Institute.

[…]“

 

[23] 3.3. Ausgehend von diesen – hier auszugsweise wiedergegebenen – Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs zur Beschränkung der Amtshaftung in § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG auf Schäden von der Aufsicht nach diesem Gesetz unterliegenden Rechtsträgern, denen sich der erkennende Senat anschließt, gingen die Vorinstanzen zu Recht davon aus, dass die Klägerin als geschädigte Gläubigerin (Einlegerin) der Bank ihren Amtshaftungsanspruch nicht auf ein behauptetes Fehlverhalten der FMA bei der bankaufsichtsrechtlichen Kontrolle des Geschäftsbetriebs dieser Bank stützen kann. Die gegenteilige Argumentation der Revisionswerberin, wonach § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG nur vorsehe, dass Schäden der beaufsichtigten Rechtsträger jedenfalls zu ersetzen seien, Ansprüche geschädigter Bankkunden aber nicht ausgeschlossen werden sollten, überzeugt nicht und steht ebenso im Widerspruch zu den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs wie die Behauptung, die genannte Bestimmung enthalte nur eine „Schadensdefinition“ und keine Beschränkung des Schutzzwecks der Normen über die Bankenaufsicht. Auf eine vorsätzliche Schädigung durch Organe der FMA hat sich die Klägerin in erster Instanz nicht berufen, ihr diesbezügliches Revisionsvorbringen verstößt daher gegen das Neuerungsverbot.

[24] 3.4. Dass § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG Amtshaftungsansprüche geschädigter Bankkunden ausschließt, weil von diesen aufgrund einer fehlerhaften Bankaufsicht erlittene (bloße) Vermögensschäden nicht vom Schutzzweck des Bankenaufsichtsrechts umfasst sind, entspricht auch der überwiegenden Ansicht in der Literatur. So geht etwa Mader (in Gruber/N. Raschauer, WAG Kommentar [2010], § 3 FMABG Rz 14) davon aus, dass der Schutzbereich der Bankaufsichtsregeln aufgrund des durch BGBl I 2008/136 neu eingefügten Abs 1 Satz 2 in § 3 FMABG nur mehr die von der Bankenaufsicht erfassten (beaufsichtigen) Rechtsträger selbst erfasse (vgl auch derselbe in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4, zu § 1 AHG Rz 62). Rabl/Herndl (Amtshaftung wegen fehlerhafter Bankenaufsicht im Lichte des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG, ÖBA 2022, 99) sehen den Wortlaut des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG zwar als mehrdeutig an, in Kombination mit den Gesetzesmaterialien ergebe sich aber, dass der Ersatz von Schäden anderer Personen als den beaufsichtigten Rechtsträgern ausgeschlossen sei (vgl auch A. Rabl, Beschränkung der Haftung der FMA verfassungsrechtlich zulässig? ZFR 2009, 186). Schmid (Die Beschränkung der Amtshaftung gemäß § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG, wbl 2021, 549 [551]) geht davon aus, dass die genannte Bestimmung Amtshaftungsansprüche „sonstiger betroffener Akteure“ – insbesondere von Bankgläubigern – ausschließe. Schöller (Ausgewählte Fragen der Amtshaftung für mangelhafte Bankenaufsicht, ÖBA 2019, 886 [insb 893 f]) vertritt zwar, dass das FMABG zu Schäden im Vermögen Dritter schweige, nimmt aber im Ergebnis ebenfalls an, dass der Schutzzweck der Bankenaufsichtsgesetze regelmäßig nicht den Schaden des einzelnen Geschädigten erfasse. Gegen eine Einbeziehung des einzelnen Gläubigers in den Schutzbereich der Bankenaufsicht spricht sich auch Rebhahn (Zur Haftung des Staates für Aufsicht und Intervention bei Banken – Ein Überblick aus Anlass von HBI und HETA, ÖZW 2017, 2 [insb 6] aus; aA N. Raschauer, Gedanken zur Haftung für unzureichende Bankenaufsicht anhand von § 3 Abs 1 des österreichischen Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz [FMABG], WM 2021, 613 [617 ff]).

[25] 3.5. Unionsrechtliche Bedenken gegen § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG bestehen nicht.

[26] Schon die ältere Literatur nahm überwiegend an, dass es aus unionsrechtlicher Sicht nicht geboten sei, Bankgläubigern bei Verletzung von Aufsichtspflichten Amtshaftungsansprüche zuzubilligen (vgl etwa Karner, Grenzen der Amtshaftung bei mangelhafter Bankaufsicht, ÖBA 2007, 794; Rebhahn, Amtshaftung für „Bankprüfer“ – Wohltat oder Irrweg? ÖBA 2004, 267 [272]). Stern (Unionsrechtliche Ziele und Instrumente der Bankenaufsicht, ZFR 2021/205 [insb 456]) betonte jüngst, dass die unionsrechtlichen Zielsetzungen des europäischen Bankenaufsichtsrechts zwar vielseitig und weit gefasst seien und jedenfalls den Funktionsschutz der Finanzmärkte, den kollektiven Gläubigerschutz sowie den Schutz der Steuerzahler umfassten. Bei Würdigung des Instrumentariums, das sich aus ordentlicher Bankenaufsicht, Abwicklungsregime und Einlagensicherung ergebe, werde jedoch klar, dass die Mittel der europäischen Bankenaufsicht auf spezifische Mechanismen fokussierten und damit (sachgerecht) beschränkt seien und keine Verbraucherschutzinstrumente „oder andere Serviceleistungen“ zugunsten einzelner Gläubiger inkludierten. Die Instrumente der Bankenaufsicht seien nicht derart „kalibriert“, die Gläubiger als „Individuen“ zu schützen.

[27] In seiner zu C‑222/02 (Paul) ergangenen Entscheidung vom 12. 10. 2004 hatte der EuGH die Unionsrechtskonformität des § 6 Abs 4 des deutschen Gesetzes über das Kreditwesen („KWG“) in der Fassung BGBl I S 2776 zu beurteilen. Diese Bestimmung lautete wie folgt: „Das Bundesaufsichtsamt nimmt die ihm nach diesem Gesetz und nach anderen Gesetzen zugewiesenen Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahr“ (vgl nunmehr § 4 Abs 4 des Gesetzes über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht). Der deutsche Bundesgerichtshof sah es als vorlegendes Gericht als fraglich an, ob eine Vorschrift wie § 6 Abs 4 KWG aus europarechtlicher Sicht die Amtshaftung des Bundesaufsichtsamts beschränken könne.

[28] Der EuGH hielt fest, dass im deutschen Recht sowie in einer Reihe anderer Mitgliedstaaten ausgeschlossen sei, dass die nationalen Behörden zur Aufsicht über die Kreditinstitute im Fall einer unzureichenden Aufsicht gegenüber dem Einzelnen hafteten (EuGH aaO Rn 44). Die ihm vorgelegten Fragen zur unionsrechtlichen Zulässigkeit der Einschränkung der Haftung des deutschen Bundesaufsichtsamts beantwortete er dahin, dass, wenn die in der Richtlinie 94/19/EG vorgesehene Entschädigung der Einleger gewährleistet sei, Art 3 Abs 2 bis 5 dieser Richtlinie [Anmerkung: wonach die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten dafür zu sorgen haben, dass die Kreditinstitute ihren Verpflichtungen als Mitglieder des Einlagensicherungssystems nachkommen] einer nationalen Vorschrift nicht entgegenstünden, nach der die nationale Behörde zur Aufsicht über die Kreditinstitute ihre Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahrnehme, was nach dem nationalen Recht ausschließe, dass der Einzelne Ersatz des Schadens verlangen könne, der durch eine unzureichende Aufsicht dieser Behörde entstanden sei (EuGH aaO Rn 32). Auch die Richtlinie 77/780/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, die Richtlinie 89/299/EWG über die Eigenmittel von Kreditinstituten sowie die Zweite Richtlinie 89/646/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der Richtlinie 77/780/EWG stünden einer nationalen Vorschrift nicht entgegen, nach der die nationale Behörde zur Aufsicht über die Kreditinstitute ihre Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt (EuGH aaO Rn 47). Eine Koordinierung der nationalen Vorschriften über die Haftung der nationalen Behörden gegenüber Einlegern im Fall einer unzureichenden Aufsicht sei nicht erforderlich (vgl Rn 43).

[29] Diese Rechtsansicht wurde vom EuGH in seiner zu C-501/18 ergangenen Entscheidung vom 25. 3. 2021 (Balgarska Narodna Banka) bestätigt (vgl dort die Ausführungen zur Vorlagefrage 3b, insbesondere in Rn 57 ff).

[30] Dass sich die europarechtlichen Rahmenbedingungen seitdem maßgeblich geändert hätten, zeigt die Revisionswerberin nicht auf. Ihre Hinweise auf die Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (dort die Erwägungsgründe 47, 91 sowie Art 45), auf die Verordnung (EU) Nr 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2014/49/EU (dort die Erwägungsgründe 7, 37 und 76) sowie auf die Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Einlagensicherungssysteme (dort Erwägungsgrund 3) lassen nicht erkennen, dass der europäische Gesetzgeber mit der jeweiligen Neuregelung eine zwingende Haftung der nationalen Aufsichtsbehörden oder des Staats gegenüber geschädigten An- und Einlegern im Fall einer unzureichenden Aufsicht vorsehen wollte. Auch Art 169 AEUV kann dies nicht entnommen werden. In erster Instanz ging die Klägerin im Übrigen selbst davon aus, dass das Europarecht eine Amtshaftung für eine mangelhafte Bankaufsicht nicht zwingend erfordere, die Zulässigkeit des „Ausschlusses“ der Amtshaftungsansprüche in § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG keine Frage des Unionsrechts, sondern ausschließlich einer Frage des nationalen Verfassungsrechts sei und das europäische Bankenaufsichtsregime keine Bestimmungen über Amtshaftungsansprüche infolge mangelhafter Bankenaufsicht enthalte.

[31] Die von der Revisionswerberin behauptete „Staatshaftung“ wegen einer Verletzung von Bestimmungen des Unionsrechts würde im Übrigen voraussetzen, dass (unionsrechtliche) Rechtsnormen, gegen die verstoßen wurde, bezweckten, dem einzelnen Rechte zu verleihen, dass der Verstoß außerdem hinreichend qualifiziert wäre und dass zwischen dem entstandenen Schaden und dem vom Mitgliedstaat zu vertretenden Verstoß ein Kausalzusammenhang bestünde (vgl RS0113922; 1 Ob 215/16y mwN zur Rechtsprechung des EuGH). Hier fehlt es schon an einer konkreten europarechtlichen Norm, aus welcher sich die von der Klägerin behaupteten (Ersatz‑)Ansprüche ergäben.

[32] Zusammengefasst ist eine Unionsrechtswidrigkeit des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG nicht erkennbar. Die Anregung der Beklagten, ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art 267 AEUV einzuleiten, ist angesichts der ohnehin vorliegenden Rechtsprechung zu dieser Frage nicht aufzugreifen.

4. Zur Haftung für die OeNB:

[33] 4.1. Die Klägerin leitet die Amtshaftung der Beklagten auch aus einem rechtlich unvertretbaren Verhalten von Mitarbeitern der OeNB im Rahmen der Bankenaufsicht ab. Voraussetzung für einen solchen Amtshaftungsanspruch wäre wieder, dass die Bestimmungen über die Bankenaufsicht als Schutzgesetze anzusehen wären, die (auch) das Vermögen jener Personen schützen sollen, die mit dem der Bankenaufsicht unterliegenden Kreditinstitut bloß in einer schuldrechtlichen Beziehung stehen. Dies kann nach den überzeugenden Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs zu G 224/2021 aber nicht angenommen werden, bezweckt das Bankenaufsichtsrecht demnach (seit der Novellierung des § 3 Abs 1 FMABG durch BGBl I 136/2008) doch gerade keinen schadenersatzrechtlichen Schutz einzelner Gläubiger. Dies muss aber unabhängig davon gelten, welche konkreten Organe im Rahmen der Bankenaufsicht tätig wurden. Da es nicht nachvollziehbar wäre, wenn die Haftung nur bei einer mangelhaften Aufsicht durch die FMA, nicht hingegen auch im Fall eines fehlerhaften Aufsichtsverhaltens der (von ihr beigezogenen) OeNB eingeschränkt wäre, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG idF BGBl I 136/2008 die Haftung für die Bankenaufsicht insgesamt beschränken wollte (idS auch Fister, Grundfragen des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG und seine Wirkungen für die OeNB, ÖBA 2021, 849 [855]).

[34] 4.2. Der Verfassungsgerichtshofs legte in seinem genannten Erkenntnis auch dar, dass die OeNB, soweit ihr im Rahmen der Bankenaufsicht überhaupt Befugnisse zukommen, nur als Hilfsorgan der FMA tätig wird und ihr insoweit keine behördliche Funktion zukommt. Sämtliche Handlungen der OeNB im Bereich der Bankenaufsicht sind demnach der FMA zuzurechnen, was nach Auffassung des VfGH auch dann gilt, wenn die OeNB ohne Auftrag der FMA tätig wurde [Rz 110]. Eine Haftung der FMA für Schäden von Kunden (Gläubigern) jener Rechtsträger, die der Aufsicht nach dem FMABG unterliegen, ist in § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG aber gerade ausgeschlossen.

[35] 4.3. Dass die OeNB organisatorisch dem Bund zuzurechnen ist, vermag dessen Haftung entgegen der Ansicht der Revisionswerberin nicht zu begründen, weil § 1 Abs 3 AHG nur eine Mithaftung des in organisatorischer Hinsicht zuständigen Rechtsträgers für eine materiell fremde Schuld – nämlich des funktionell zuständigen Rechtsträgers – vorsieht (vgl 1 Ob 8/02m). Eine solche besteht hier aber gerade nicht (oben Punkt 3).

[36] Die Revisionsausführungen zum Schutzzweck des BWG gehen schon im Hinblick auf § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG, womit eine Einschränkung des Schutzzwecks der Bestimmungen über die Bankenaufsicht erfolgte, ins Leere. Dem Argument der Klägerin, die OeNB habe im Rahmen der Einzelbankenanalyse gemäß § 79 Abs 4a BWG sowie ihren Vor-Ort-Prüfungen gemäß § 70 Abs 1 Z 3 und § 70a Abs 2 BWG ohne Prüfauftrag der FMA gehandelt bzw hätte im Rahmen dieser Aufgaben ohne einen solchen Auftrag tätig werden müssen, ist entgegenzuhalten, dass die OeNB nach der genannten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs im Bereich der Bankenaufsicht ausschließlich als Hilfsorgan der FMA handelt; dies auch dann, wenn sie ohne Auftrag der FMA tätig wird. Warum dies auf die von der Revisionswerberin genannten Aufgaben nicht zutreffen sollte, ist schon deshalb nicht ersichtlich, weil sich aus der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs 1 FMABG ergibt, dass die Zuständigkeit für die (behördliche) Bankenaufsicht allein bei der FMA liegt, was nach Fister (ÖBA 2021, 849 [854 f]) insbesondere auch für die „Einzelbankenanalyse“ nach § 79 Abs 4a BWG gilt. Zu 1 Ob 39/15i wies der Oberste Gerichtshof im Übrigen darauf hin, dass die OeNB zwar sämtliche Vor-Ort-Prüfungen, Gutachten und Analysen durchzuführen habe, das behördliche Verfahren und die Entscheidungskompetenz aber bei der FMA verbleibe.

[37] Auf die Ausführungen zum behaupteten rechtswidrigen Verhalten von Mitarbeitern der OeNB sowie zu dessen Kausalität für den Schaden der Klägerin muss daher mangels Rechtswidrigkeitszusammenhangs nicht eingegangen werden. Die behaupteten Feststellungsmängel liegen nicht vor, weil der Klage schon ausgehend von den Klagebehauptungen keine Berechtigung zukommt.

5. Zur Haftung für den „Revisionsverband“:

[38] 5.1. Die Klägerin stützt ihren Amtshaftungsanspruch auch auf ein behauptetes Fehlverhalten des „Revisionsverbands des Amtes der Burgenländischen Landesregierung“, welches dem Bund zuzurechnen sei, weil Angelegenheiten des Genossenschaftswesens in dessen Vollzugsbereich fielen. Sie begründete die Amtshaftung einerseits damit, dass der „Revisionsverband“ nach den Bestimmungen des GenRevG 1997 – aufgrund der genossenschaftlichen Organisation ihrer Hauptgesellschafterin auch für die Bank – eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zur Revisorin (und Bankprüferin) bestellt habe, die dafür ungeeignet gewesen sei und nicht bestellt werden hätte dürfen; einem geeigneten Revisor wären die „Malversationen“ innerhalb der Bank aufgefallen. Andererseits hafte der „Revisionsverband“ (und für diesen der Bund) als Ausfallsbürge auch für Ersatzansprüche gegen den Revisor wegen Pflichtverletzungen bei der genossenschaftlichen Revision sowie der Bankprüfung.

[39] 5.2. Das Tätigwerden einer Landesregierung als „Revisionsverband“ kann nur historisch erklärt werden.

[40] § 14 des Gesetzes betreffend die Revision der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften und anderer Vereine (RGBl Nr 133/1903) hatte es Genossenschaften ermöglicht, sich der Revision durch den „Landesausschuss“ zu unterwerfen, „falls und insolange der Ausschuss dieses Recht für sich beansprucht“. Beim Landesausschuss handelte es sich um ein Organ der autonomen Landesverwaltung, dem – als Vorgänger der Landesregierungen nach dem B‑VG – im Wesentlichen die Verwaltung des Landesvermögens, die Wohlfahrtspflege und die Gemeindeaufsicht oblag (vgl Arbeitsgemeinschaft Österreichische Rechtsgeschichte [Hrsg], Rechts- und Verfassungsgeschichte5 [2018] Rz 1688). In weiterer Folge war die Übernahme der Revision durch eine Landesregierung auch in § 1 Abs 1 der Genossenschaftsnovelle 1934 (BGBl II Nr 195/1934) als Alternative zur Revision durch einen Verband angeführt.

[41] Demgegenüber sieht das nunmehr geltende GenRevG 1997 an sich nur mehr die Revision durch Revisionsverbände vor. Die Übergangsbestimmung des Art V § 3 GenRevG 1997 („Revision durch die Landesregierung und andere Einrichtungen“) ordnet jedoch an, dass den nach diesen (früheren) Gesetzen für die Revision einer Genossenschaft zuständigen „Einrichtungen“ (also gegebenenfalls auch den Landesregierungen) die Rechte und Pflichten eines Revisionsverbands gemäß den Bestimmungen des GenRevG 1997 zukommen, wenn sie im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes ihre Revisionsbefugnis zumindest ein Jahr lang tatsächlich in Anspruch genommen haben. Dies trifft auf die Burgenländische Landesregierung – hinsichtlich der Revision der Bank und ihrer genossenschaftlich organisierten Hauptgesellschafterin – unstrittig zu (vgl auch Rohregger/Kretz, Wirecard, Commerzialbank & Co: Eine [wirtschaftsstraf-]rechtliche Prüfung der Prüfer, in Lewisch [Hrsg], Wirtschaftsstrafrecht und Organverantwortlichkeit [2020] 95 [104]).

[42] 5.3. Die Prüfung einer Genossenschaft hat grundsätzlich durch einen vom Revisionsverband bestellten Revisor zu erfolgen. Prüfgegenstand sind Rechtmäßigkeit, Ordnungsmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Einrichtungen der Genossenschaft, ihrer Rechnungslegung und ihrer Geschäftsführung, insbesondere die Erfüllung des Förderungsauftrags und die Wirtschaftlichkeit, sowie die Zweckmäßigkeit, Stand und Entwicklung ihrer Vermögens-, Finanz- und Ertragslage. Gemäß § 1 Abs 2 GenRevG 1997 hat sich die Revision auch auf Unternehmen zu erstrecken, die unter der einheitlichen Leitung einer Genossenschaft (Mutterunternehmen) mit Sitz im Inland stehen oder bei denen der Genossenschaft die Rechte nach § 244 Abs 2 UGB zustehen. Bei Kreditinstituten in der Rechtsform einer Genossenschaft sowie bei Aktiengesellschaften, in die der Bankbetrieb oder der bankgeschäftliche Teilbetrieb einer Genossenschaft gemäß § 92 Abs 7 BWG eingebracht wurde – wovon die Klägerin ausgeht – hat das nach den genossenschaftsrechtlichen Regeln bestellte Prüfungsorgan gemäß § 60 Abs 2 BWG auch die Aufgaben des Bankprüfers wahrzunehmen (vgl Plattner, Cooperative Governance – Kreditgenossenschaften und Revision [2010] 120; Steinböck in Dellinger, Bankwesengesetz [2020] § 60 BWG Rz 3; Chini in Oppitz/Chini, Bankwesengesetz² [2021] § 60 BWG Rz 4).

[43] Verletzt ein Revisor seine Pflicht zur gewissenhaften und unparteiischen Revision, ist er gemäß § 10 Abs 2 GenRevG 1997 der Genossenschaft und, wenn ein Unternehmen im Sinne des § 1 Abs 2 GenRevG 1997 geschädigt worden ist, auch diesem zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. Für Ersatzansprüche gegen einen Revisor aus der Revision, der Abschlussprüfung (§ 275 Abs 2 UGB) und der Bankprüfung haftet der Revisionsverband gemäß § 10 Abs 3 GenRevG 1997 als Ausfallsbürge. Darüber hinaus haftet er auch direkt aus der Verletzung ihn selbst treffender Pflichten (Abs 3 leg cit letzter Satz).

[44] 5.4. Die Klägerin leitet ihren Amtshaftungsanspruch einerseits daraus ab, dass die Beklagte als (funktionelle) Rechtsträgerin des Revisionsverbands als Ausfallsbürgin für eine mangelhafte Prüfung des Geschäftsbetriebs der Bank durch die zum Revisor bestellte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hafte. Sie behauptet aber nicht, dass sie diese Gesellschaft erfolglos in Anspruch genommen hätte oder deren Hauptschuld jedenfalls uneinbringlich wäre (vgl RS0120351). Ein auf die Ausfallsbürgschaft des Revisionsverbands gestützter Anspruch scheitert daher – auf Basis des Vorbringens der Klägerin – schon aus diesem Grund.

[45] 5.5. Damit verbleibt als möglicherweise anspruchsbegründender Sachverhalt die Bestellung des Revisors. Ein Revisionsverband haftet insofern für Sorgfalt bei der Auswahl (Perkounigg/Kessler in Dellinger [Hrsg], Kommentar zum Genossenschaftsgesetz samt Nebengesetzen² [2014] § 2 GenRevG Rz 1: „culpa in eligendo“). Amtshaftung könnte ein diesbezügliches Verschulden aber nur begründen, wenn die Bestellung des Revisors – allgemein oder auch nur im hier vorliegenden Fall der Bestellung durch eine Landesregierung – in Vollziehung der Gesetze erfolgte und daher hoheitliches Handeln wäre.

[46] (a) Für ein hoheitliches Handeln ist kennzeichnend, dass die öffentliche Gewalt dem Staatsbürger mit Befehls- und Zwangsgewalt („Imperium“) ausgestattet gegenübertritt (vgl RS0049876 [T1]). Daneben kann der Staat auch als Träger von Privatrechten in Erscheinung treten, wobei sich seine nichthoheitlichen Tätigkeiten dabei nicht auf die Verfolgung privatwirtschaftlicher (Unternehmens-)Ziele beschränken, sondern auch der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen können (vgl 1 Ob 201/16i; 1 Ob 132/19x). Ein hoheitliches Vorgehen ist nur dann zulässig, wenn dazu vom Gesetz die Befugnis in deutlich erkennbarer Weise eingeräumt wurde (RS0050117 [T1]). Hat der Gesetzgeber einen Verwaltungsträger mit keinen Zwangsbefugnissen ausgestattet, liegt keine Hoheits-, sondern Privatwirtschaftsverwaltung vor (RS0049882 [T9]). Die Ausübung staatlicher Kontrolle und Aufsicht im privatwirtschaftlichen Bereich ist nicht per se Hoheitsverwaltung, vielmehr ist auch dabei auf die jeweiligen Regelungen und die dem Kontrollorgan „rechtstechnisch“ eingeräumten Mittel abzustellen (1 Ob 170/17g mwN). Verbleiben Zweifel, ob ein bestimmter Verwaltungsakt im Bereich der Hoheitsverwaltung oder der Privatwirtschaftsverwaltung zu ergehen hat, ist letzteres anzunehmen (RS0050117).

[47] (b) Die Genossenschaftsrevision verfolgt in erster Linie einen gesellschaftsrechtlichen Prüfungsansatz. Sie dient primär der Sicherung der Interessen der Genossenschafter (VwGH Ro 2016/04/0048). Schon das Gesetz betreffend die Revision der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften und anderer Vereine (RGBl Nr 133/1903) kannte keine direkte behördliche Kontrolle der Genossenschaften (vgl Gutknecht, Bemerkungen zum genossenschaftlichen Revisionssystem, in FS Wenger [1983] 383 [391]). Während in der Literatur zur Rechtslage vor dem GenRevG 1997 strittig war, ob der Revisionsverband – als beliehener Rechtsträger – auch staatliche Hoheitsaufgaben wahrzunehmen habe (vgl die Nachweise bei Gutknecht aaO 397), ergibt sich aus dem GenRevG 1997, dass diesem keine hoheitlichen Befugnisse zukommen. Weder der Umstand, dass die Anerkennung eines Revisionsverbands durch eine staatliche Stelle erfolgt (vgl § 23 Abs 1 GenRevG 1997), noch die hoheitliche „Überwachung“ der Revisionsverbände (vgl § 20 Abs 3 GenRevG 1997) lassen auf eine hoheitliche Tätigkeit des Verbands selbst schließen (vgl bereits Gutknecht aaO 398 zur alten Rechtslage). Ebensowenig spricht es für einen hoheitlichen Charakter der vom Revisionsverband wahrzunehmenden Aufgaben, dass die Genossenschafts‑revision unter anderem auch im öffentlichen Interesse einer umfassenden Prüfung von Genossenschaften liegt (Gutknecht aaO 399). Für die Bestellung eines Revisors durch den Genossenschaftsverband sieht § 2 GenRevG 1997 ebensowenig eine öffentlich-rechtliche Handlungsform – insbesondere keine Bestellung durch Bescheid – vor, wie für die Prüfung des Berichts des Revisors durch den Revisionsverband (§ 5 Abs 4 GenRevG 1997). Auch § 11 GenRevG 1997, wonach bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Revisor oder dem Revisionsverband und der Genossenschaft (oder einem Unternehmen im Sinn des § 1 Abs 2 GenRevG 1997) das Gericht zu entscheiden hat, und § 12 GenRevG 1997, wonach dem Gericht die Befugnis zur Verhängung von Zwangsstrafen vorbehalten ist, deuten darauf hin, dass dem Revisionsverband insgesamt keine hoheitlichen Befugnisse zukommen.

[48] (c) Insgesamt ergibt sich aus der Gesamtheit der Reglungen über die Genossenschaftsrevision somit, dass den Revisionsverbänden, die gemäß § 19 Abs 1 GenRevG 1997 (wenn es sich um von der zuständigen staatlichen Stelle anerkannte Revisionsverbände handelt) als Vereine oder Genossenschaften (sohin als juristische Personen des Privatrechts) organisiert sein müssen, bei Erfüllung ihrer Aufgaben keine Hoheitsgewalt zukommt, was (e contrario) auch daraus geschlossen werden kann, dass gemäß § 23 Abs 2 GenRevG nur der Vereinigung österreichischer Revisionsverbände behördliche Aufgaben zukommen (nach Stehlik in Dellinger [Hrsg], Genossenschaftsgesetz samt Nebengesetzen: Kommentar2 [2014] zu § 14 GenRevG Rz 1, hat diese auch zuvor den Revisionsverbänden obliegende hoheitliche Aufgaben übernommen). Aus deren Verhalten leitet die Klägerin ihren Amtshaftungsanspruch aber nicht ab.

[49] (d) Der Umstand, dass im konkreten Fall die Aufgaben des Revisionsverbands von einer Landesregierung wahrgenommen werden, kann ebenfalls keine Amtshaftung begründen.

[50] Den gemäß § 14 des Gesetzes betreffend die Revision der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften und anderer Vereine (RGBl Nr 133/1903) sowie den gemäß § 1 Abs 3 und 4 der Genossenschaftsnovelle 1934 (BGBl 1934 II 195 idF BGBl Nr 386/1936) für die Revision bestimmter Genossenschaften zuständigen „Einrichtungen“ kommen aufgrund von Art V § 3 Satz 1 GenRevG 1997 jeweils die Rechte und Pflichten eines Revisionsverbands gemäß den Bestimmungen des GenRevG 1997 zu, wenn sie – wie hier die Burgenländische Landesregierung – im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes ihre Revisionsbefugnis zumindest ein Jahr lang tatsächlich in Anspruch genommen haben. Die Frage, ob der Burgenländischen Landesregierung bei der Erfüllung ihrer Aufgaben als genossenschaftlicher Revisionsverband, insbesondere bei der Bestellung einer Wirtschaftsprüfungs‑gesellschaft zum genossenschaftlichen Revisor, hoheitliche Befugnisse zukamen, kann daher nach Inkrafttreten des GenRevG 1997 nicht anderes beurteilt werden, als hinsichtlich der von der „zuständigen Behörde“ (gemäß § 23 Abs 3 GenRevG 1997 der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) anerkannten und gemäß § 19 Abs 1 GenRevG 1997 in der Rechtsform einer Genossenschaft oder eines Vereins (sohin als juristische Person des Privatrechts) zu organisierenden Revisionsverbände.

[51] (e) Die Revisorenbestellung durch die Burgenländische Landesregierung beruhte somit auf keinem Hoheitsakt. Dies gesteht die Klägerin in ihrer Revision letztlich auch selbst zu, wenn sie behauptet, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sei vertraglich zum genossenschaftlichen Revisor und Bankprüfer bestellt worden. Soweit sie – dem widersprechend – argumentiert, das GenRevG enthalte keine Bestimmungen zur genossenschaftlichen Revision durch die Landesregierung, weshalb die Bestellung des Revisors durch diese nach § 14 des Gesetzes betreffend die Revision der Erwerbs‑ und Wirtschaftsgenossenschaften und anderer Vereine (RGBl Nr 133/1903) durch „Beschluss“ (gemeint: hoheitlich) erfolgt sei, geht dies schon deshalb ins Leere, weil dieses Gesetz gemäß Art V § 12 Z 1 GenRevG 1997 mit Inkrafttreten des GenRevG 1997 aufgehoben wurde.

[52] (f) Amtshaftung der beklagten Partei kommt somit nicht in Betracht. Ob dem – von der Klägerin behaupteten – Vertrag, mit dem die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zur genossenschaftlichen Revisorin bestellt wurde, Schutzwirkungen zugunsten der Klägerin als Gläubigerin der geprüften Bank zukamen, muss nicht beurteilt werden, weil dies keine Amtshaftung des beklagten Rechtsträgers begründen könnte.

6. Zur Haftung für die Staatsanwaltschaft:

[53] 6.1. Die Klägerin stützt ihren Amtshaftungsanspruch auch darauf, dass Organe staatsanwaltschaftlicher Behörden (StA und WKStA) trotz ihnen bereits 2015 vorliegender Hinweise auf Straftaten von verantwortlichen Personen der Bank keinen Anfangsverdacht iSd § 1 Abs 3 StPO angenommen und es deshalb pflichtwidrig unterlassen hätten, gemäß § 2 Abs 1 StPO ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren einzuleiten.

[54] 6.2. § 2 Abs 1 StPO verpflichtet die Organe der Staatsanwaltschaft, jeden ihnen zur Kenntnis gelangten Anfangsverdacht einer Straftat (die nicht bloß auf Verlangen einer dazu berechtigten Person zu verfolgen ist) in einem Ermittlungsverfahren von Amts wegen aufzuklären. Liegen keine Anhaltspunkte vor, die annehmen lassen, dass eine Straftat begangen wurde, sieht das Gesetz keine Ermittlungshandlungen vor. In diesem Fall hat die Staatsanwaltschaft – sofern sie noch keine Ermittlungshandlungen gesetzt hat – gemäß § 35c StAG von der Einleitung eines Strafverfahrens abzusehen (vgl Kirchbacher in Fabrizy/Kirchbacher, StPO14 [2020] § 1 Rz 8/2; Fellner/Nogratnig, RStDG, GOG und StAG II5.01 § 35c StAG Rz 2).

[55] 6.3. Die Strafverfahrensvorschriften dienen den Interessen der Gemeinschaft, der Öffentlichkeit und des Staats (Markel in Fuchs/Ratz, WK-StPO § 1 [Stand 1. 9. 2015] Rz 8). Ihr primärer Zweck liegt in der Verwirklichung des materiellen Strafrechts im Einzelfall mit der richtigen Bewertung von Tat und Täter zum Zweck der gerechten Bestimmung einer Sanktion oder einer anderen gesetzlich vorgesehenen Konsequenz (1 Ob 81/19x; vgl auch Markel aaO Rz 3). Nicht alle Bestimmungen der Strafprozessordnung dienen daher bei der maßgebenden teleologischen Betrachtungsweise auch dem Schutz des durch eine Straftat Geschädigten (RS0050078). Wie weit der Schutzzweck einer konkreten Bestimmung der StPO geht, ist jeweils nach dem Zweck der darin angeordneten Amtspflicht wertend zu beurteilen. Allein deshalb, weil eine dem öffentlichen Interesse dienende Amtshandlung mittelbar auch die Interessen eines Dritten berührt, ihm zugute kommt und damit als Reflexwirkung pflichtgemäßen Verhaltens einen Vorteil verschaffen kann, lässt sich noch nicht auf eine Rechtspflicht gerade einem solchen Dritten gegenüber schließen (vgl 1 Ob 143/07x mwN).

[56] 6.4. Zu 1 Ob 73/16s hatte der Fachsenat einen auf die Verletzung der Anzeigepflicht des § 84 StPO aF (nunmehr § 78 StPO) gestützten Amtshaftungsanspruch zu beurteilen.

[57] Dort leiteten die Kläger die Haftung des Bundes daraus ab, dass sie als Gläubiger einer einer behördlichen Aufsicht unterliegenden Kapitalgesellschaft dadurch einen Schaden erlitten hätten, dass betrügerische Handlungen der Organe dieser Gesellschaft von der Aufsichtsbehörde pflichtwidrig nicht angezeigt worden seien; in diesem Fall wären diese bekannt geworden, und eine Investition der Kläger in die Gesellschaft wäre unterblieben.

[58] Der Senat ging in dieser Entscheidung davon aus, dass Einflüsse des Ausgangs eines strafrechtlichen Verfahrens auf individuelle Interessenlagen nur als – die Amtspflicht des belangten Rechtsträgers nicht begründende – Reflexwirkungen pflichtgemäßen Verhaltens zu beurteilen seien und keinen Schluss auf eine Rechtspflicht gerade einem solchen Dritten gegenüber zuließen, wenn sich der konkrete Zweck einer Bestimmung der StPO nur auf Interessen der Allgemeinheit erstrecke. Das Recht des Staats auf Strafverfolgung (in einem bestimmten Fall) gemäß den prozessualen Bestimmungen sei nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Amtsdelikten des StGB ein konkretes Recht zur Verwirklichung des staatlichen Strafanspruchs (vgl RS0096766; gegenteilig [nur] T4 = 13 Os 87/89). § 84 Abs 1 StPO aF sei Teil jener Normen des Verfahrensrechts, die der Verwirklichung dieses Strafanspruchs dienten. Die in dieser Bestimmung normierte Anzeigepflicht bezwecke primär die Durchsetzung des Strafverfolgungsinteresses des Staats und des Offizialprinzips. Hingegen verfolge § 84 StPO aF bei richtigem Verständnis nicht den Zweck, den Eintritt von nach dem Zeitpunkt der unterlassenen Strafanzeige eintretenden Vermögensschäden zu verhindern. Potentiell künftig am Vermögen Geschädigte seien vom Schutzzweck dieser Bestimmung nicht erfasst, weshalb kein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem Unterlassen der Strafanzeige durch die Aufsichtsbehörde und den von den (dortigen) Klägern aus nachfolgenden Investitionen abgeleiteten Vermögensschäden bestehe. Als bloße Reflexwirkung pflichtgemäßen Verhaltens begründe der Umstand, dass die Kläger im Fall der Erstattung einer Strafanzeige keinen Schaden erlitten hätten, keine Amtshaftung.

[59] Diese Rechtsausführungen wurden vom Fachsenat in einer weiteren Entscheidung bestätigt (1 Ob 163/16a).

[60] 6.5. Gründe für ein Abgehen von der Rechtsprechung zeigt die Revision nicht auf. Davon ausgehend begegnet es aber keinen Bedenken, dass die Vorinstanzen den Zweck der Bestimmungen über die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens (§ 2 Abs 1 StPO und § 35c StAG) nicht (auch) darin erblickten, künftige Gläubiger jener Bank, hinsichtlich deren verantwortlichen Personen die Organe der Staatsanwaltschaft die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens – nach den Klagebehauptungen pflichtwidrig – unterließen, davor zu schützen, durch weitere Straftaten einen Vermögensschaden zu erleiden. Weder war zum Zeitpunkt der behaupteten Pflichtverletzung vorhersehbar, dass gerade die Klägerin als künftige Gläubigerin der Bank durch unentdeckt gebliebene Straftaten ihrer gesellschaftsrechtlichen Organe in Zukunft einen Schaden erleiden könnte, noch war der Kreis allfälliger künftiger Geschädigter zu diesem Zeitpunkt überhaupt absehbar.

[61] Dass der (nach den Klagebehauptungen) eingetretene Schaden der Klägerin durch die frühere Einleitung eines Ermittlungsverfahrens unter Umständen verhindert werden hätte können, vermag daher als bloße Reflexwirkung pflichtgemäßen Verhaltens keinen Amtshaftungsanspruch zu begründen.

[62] 6.6. Aus der von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Entscheidung 1 Ob 81/19x lässt sich für ihren Standpunkt nichts ableiten, war doch dort die (vom Fachsenat verneinte) Frage zu beurteilen, ob die Pflicht der Polizei zur Durchführung von Erhebungen zu einem (Arbeits‑)Unfall auch der Anspruchsdurchsetzung der durch den Unfall geschädigten Person diene. Auch die – in der Revision nicht näher genannten – „Opferschutzbestimmungen der StPO“ lassen keinen Rückschluss auf den Normzweck der § 2 Abs 1 StPO und § 35c StAG zu. Zwar gilt gemäß § 65 Z 1 lit c StPO als Opfer iSd StPO eine Person, die durch eine Straftat einen Schaden erlitten hat oder sonst in ihren strafrechtlich geschützten Rechtsgütern beeinträchtigt worden sein könnte. Dies setzt aber – wie sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt – einen bereits eingetretenen Schaden bzw eine solche Beeinträchtigung voraus. Der Schluss, dass die Pflicht zur Einleitung eines Strafverfahrens auch den Schutz von Personen bezwecke, denen – wie hier der Klägerin – allenfalls erst künftig ein Schaden aus einer strafbaren Handlung entstehen könnte, kann daraus nicht gezogen werden.

[63] Warum der Klägerin dadurch ein Schaden verursacht worden sein soll, dass das Unterbleiben der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gemäß § 35c StAG „formal“ unzulässig gewesen wäre, weil die Organe der Staatsanwaltschaft bereits Ermittlungsschritte gesetzt hätten (in diesem Fall käme eine Einstellung des Verfahrens nach § 190 StPO in Betracht), ist nicht ersichtlich. Auch die Relevanz der Revisionsausführungen zum unterbliebenen Bericht der Staatsanwaltschaft an den Rechtsschutzbeauftragten nach § 194 Abs 3 StPO erschließt sich nicht.

[64] 7. Aus diesen Gründen ist die angefochtene Entscheidung zu bestätigen. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:

[65] 7.1. Die Republik Österreich haftet nicht für Vermögensschäden geschädigter Bankkunden aufgrund einer fehlerhaften Bankaufsicht durch die FMA, weil solche Schäden gemäß § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG nicht vom Schutzzweck des Bankenaufsichtsrechts umfasst sind. Unionsrechtliche Bedenken gegen diese Bestimmung bestehen nicht.

[66] 7.2. Der gesetzliche Ausschluss der Haftung für Vermögensschäden geschädigter Bankkunden aufgrund einer fehlerhaften Bankaufsicht nach § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG gilt auch für Schäden, die aus einer Tätigkeit der OeNB im Rahmen der Bankenaufsicht abgeleitet werden. Ihre Handlungen im Bereich der Bankenaufsicht sind der FMA zuzurechnen.

[67] 7.3. Dem Revisionsverband kommen bei der Erfüllung seiner Aufgaben nach dem GenRevG 1997 keine hoheitlichen Befugnisse zu. Das Tätigwerden einer Landesregierung als Revisionsverband ist nur historisch zu erklären und ändert nichts daran, dass die Bestellung eines genossenschaftlichen Revisors durch diese nicht durch Hoheitsakt erfolgt. Eine Amtshaftung kann daher aus einem behaupteten Fehler bei der Auswahl des Revisors nicht abgeleitet werden.

[68] 7.4. Die Bestimmungen über die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sollen Gläubiger einer Bank nicht davor schützen, dass ihnen aufgrund der unterbliebenen Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens durch künftige Straftaten der Organe dieser Bank ein Vermögensschaden entsteht. Dass ein solcher Schaden durch die frühere Einleitung eines Ermittlungsverfahrens unter Umständen verhindert werden hätte können, kann als bloße Reflexwirkung pflichtgemäßen Verhaltens keinen Amtshaftungsanspruch begründen.

8. Zu den Kosten:

[69] Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die von der Revisionsgegnerin angesprochene Verbindungsgebühr lässt keine Rechtsgrundlage erkennen. Sollte diese für die Stellungnahme zur Anregung der klagenden Partei auf Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs verzeichnet worden sein, steht für eine solche Anregung – und daher auch für eine Stellungnahme des Rechtsmittelgegners dazu – keine Verbindungsgebühr zu (vgl 9 Ob 83/21b).

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