European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E126486
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts (einschließlich der Kostenentscheidung) wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.038,69 EUR (darin 137,45 EUR USt und 214 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger, sein Vater und ein Dritter erwarben „Mitte der 90er‑Jahre“ je ein Drittel der Miteigentumsanteile an einem Zinshaus; seit 2012 ist der Kläger Alleineigentümer der Liegenschaft. Der Beklagte ist seit „Ende der 90er-Jahre“ Mieter einer Wohnung, die zuvor schon von seinen Großeltern und danach von seiner Mutter gemietet worden war.
In seiner Aufkündigung vom 28. 2. 2018 warf der Kläger dem Beklagten eine Vielzahl an – bis zu 30 Jahren zurückreichenden – Vorfällen und Verhaltensweisen vor, die überwiegend nicht berechtigt waren: So trifft es nach den maßgeblichen Feststellungen nicht zu, dass er sich dem Vermieter gegenüber einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen das Eigentum, die Sittlichkeit bzw körperliche Sicherheit schuldig gemacht oder sich ihm gegenüber unziemlich und beleidigend verhalten hat, grundlos und „willkürlich“ in der Nacht auf den Gängen und im Stiegenhaus herumschleicht (wodurch die Hausbewohner verängstigt und verunsichert worden sein sollen), sich auffallend unsozial und unleidlich verhält, die Abstellkammer am Gang aufgebrochen hat, „nichts arbeitet“ und offiziell kein Einkommen hat oder bewusst und provokant die vom Vermieter gewünschten Besichtigungen der Wohnung und die Montage des für seine Wohnung bestimmten Endgeräts der Gegensprechanlage verweigert hat. Das Erstgericht konnte auch nicht feststellen, dass es seinetwegen bereits mehrere Polizeieinsätze gegeben hätte, die die Bewohner des Hauses in Furcht und Unruhe versetzt hätten.
Der Beklagte hat niemals – wie vom Kläger behauptet – eine Sat‑Anlage an allgemeinen Teilen der Liegenschaft angebracht, wohl aber Ende der 80er‑Jahre (also noch bevor er Mieter wurde) eine CB‑Funkantenne. Diese hat er bereits vor ein bis zwei Jahren wieder entfernt, wobei das Erstgericht nicht feststellen konnte, dass es dadurch zu einer Beschädigung des Hauses gekommen war oder ein Substanzschaden gedroht hätte.
Der Dachboden des Hauses war ursprünglich von allen Mietern zum Wäschetrocknen verwendet worden; jeder Mieter hatte über einen Dachbodenschlüssel verfügt. Anfang der 90er‑Jahre wurde er ausgebaut und der Stiegenaufgang zum Dachboden durch eine Decke verschlossen. Dadurch entstand ein kleiner, schräger, ungefähr 2 m hoher Raum, der sich unmittelbar neben der Wohnung des Beklagten befindet. Seit Abschluss der Arbeiten am Dachboden (etwa im Jahr 1993) verwendete zunächst die Mutter und danach der Beklagte diesen Bereich als Abstellkammer, da er über kein Kellerabteil verfügt. Anlässlich einer im Rahmen des Eigentümerwechsels durchgeführten Begehung des Hauses kam die Abstellkammer und deren Nutzung durch die Mutter des Beklagten zur Sprache. Die Mutter des Beklagten wurde mehrmals aufgefordert den Raum zu räumen, es wurde jedoch in der Folge die Angelegenheit „nicht mehr intensiv weiterbetrieben“.
Nachdem es zwei Mal zu Einbrüchen in seiner Wohnung gekommen war, installierte der Beklagte Mitte der 90er‑Jahre [also ebenfalls bevor er selbst Mieter wurde] eine nicht bewegliche Kamera, die seine Wohnungstüre sowie den Gangbereich davor bis zum Stiegenaufgang fokussierte. Vor drei bis vier Jahren bemerkte er, dass sich jemand regelmäßig am Gang vor seiner Wohnung aufhielt und an seiner Eingangstüre und am Fenster hantierte. Um herauszufinden, um wen es sich handelte, schloss er die Kamera am Gang an seinen Fernsehapparat an, filmte – als er eine Person wahrnahm – diese mit dem Handy und druckte das Foto danach mehrmals aus. Dabei handelte es sich um den minderjährigen Sohn einer Mieterin. Er warf einigen Nachbarn Abzüge des Fotos in den Postkasten und hängte eines davon am schwarzen Brett auf. Als die Mieterin dies bemerkte, entfernte sie es unverzüglich und setzte den Kläger, nachdem sie die Kamera vor der Wohnungstüre des Beklagten wahrgenommen hatte, von dem Vorfall in Kenntnis. Derartiges kam nie wieder vor. Nach schriftlichem Hinweis durch die Hausverwaltung im Juni 2015, dass die Installation der Kamera verboten sei, antwortete er, diese werde bereits seit 1995 problemlos betrieben, er sehe keinen Verstoß gegen das DSG 2000, da eine Dauerüberwachung technisch gar nicht möglich sei, weil es sich um eine 20 Jahre alte, analoge Kamera handle, die schon bei schlechtem Licht/Dämmerung versage. Überdies rechtfertigte er sich damit, dass [einer der drei ehemaligen Vermieter] – nachdem er als Mieter angeboten hatte, eine Sicherheitstüre auf seine Kosten anfertigen und einbauen zu lassen und dies dem Vermieter nicht recht gewesen wäre – ihn darauf verwiesen habe, dass er ohnehin die Kamera habe. Dass die Kamera im Zeitpunkt der Zustellung der gerichtlichen Aufkündigung noch montiert gewesen wäre, konnte das Erstgericht nicht feststellen.
Nach einem Wassereintritt am Dach im Sommer 2015 wollte der Kläger die Wohnung des Beklagten besichtigen, um die Reichweite des eingetretenen Schadens zu erkunden. Der Kläger trat diesem Ersuchen in einem Schreiben mit der Begründung, er habe „den Brief“ mit dem darin genannten Besichtigungstermin erst am selben Tag behoben, der Termin sei zu kurzfristig gewesen, entgegen. Er verwies – „angesichts der Urlaubszeit“ und weil es im Sommer „wegen seiner Arbeit“ bei ihm „terminlich eng“ werde – auf den Herbst und ersuchte um Terminvorschläge sowie die Nennung der teilnehmenden Personen. Als im darauffolgenden Frühjahr (im April 2016) eine Gegensprechanlage installiert wurde, wurden alle Wohnungen bis auf die des Beklagten daran angeschlossen. Der Kläger hatte nämlich angeordnet, das Sprechgerät in der Wohnung des Beklagten nicht zu montieren, bis dieser eine Besichtigung der Wohnung zulasse. Der Beklagte, der somit als einziger im Haus nicht mit einer Sprechstelle in seiner Wohnung ausgestattet worden war, schraubte deshalb im Juni 2016 die Abdeckung der Sprechanlage herunter, um eine sogenannte „Arztschaltung“ herzustellen. Beim Öffnen des Tableaus beschädigte er versehentlich die Platine. Dadurch funktionierte die Steuerung nicht mehr. Die Anlage war im ganzen Haus defekt und wurde schließlich im Auftrag des Klägers von einer Fachfirma für 3.254 EUR repariert.
Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das damit verbundene Räumungsbegehren ab. Es verneinte das Vorliegen einer mit Strafe bedrohten Handlung gegenüber dem Eigentum des Vermieters mangels Vorsatz. Für die Erwirkung eines Besichtigungstermins stehe dem Kläger die Antragsmöglichkeit nach § 8 Abs 2 MRG zur Verfügung. Die Handlungen des Beklagten im Zusammenhang mit der Aufnahme des Sohnes einer Mieterin seien zwar mehr als befremdlich gewesen, jedoch habe es sich um einen Einzelfall gehandelt. Eine derartige Handlungsweise habe dieser im relevanten Zeitpunkt der Zustellung der gerichtlichen Aufkündigung nicht mehr an den Tag gelegt. Sämtliche Vorfälle lägen mittlerweile Jahre zurück und hätten im Zeitpunkt der Zustellung der gerichtlichen Aufkündigung nicht mehr vorgelegen.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil ab, gab dem Klagebegehren statt und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Zwar teilte es die Auffassung des Erstgerichts, dass das Verhalten des Beklagten im Zusammenhang mit der Verwendung des Abstellraums den Tatbestand des § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG nicht erfülle, weil der Mieter dazu einen vertretbaren Rechtsstandpunkt eingenommen habe und beurteilte auch das Anbringen der Kamera – für sich allein genommen – nicht als unleidliches Verhalten. Allerdings erachtete es das eigenmächtige Manipulieren an der Gegensprechanlage als ein solches. Dieses Verhalten sei ungehörig und rücksichtslos gewesen, habe wichtige Interessen des Klägers verletzt und sei auch geeignet gewesen, durch das Außerkraftsetzen der Sprechanlage das Zusammenleben im Haus für alle zu verleiden. In einer Gesamtschau mit seinem früheren Verhalten – nämlich unter Berücksichtigung des Aushängens des Fotos des Nachbarkindes, dessen Verteilung in die Postkästen, des Eingriffs in die Privatsphäre der übrigen Mieter sowie der vormaligen Montage der Funkantenne – sei dem Kläger die Vertragsfortsetzung mit dem Beklagten nicht zumutbar. Einen nachträglichen schlüssigen Verzicht auf die Geltendmachtung von Kündigungsgründen habe der Beklagte nicht behauptet.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung erhobene (und vom Kläger beantwortete) Revision des Beklagten ist – entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts – aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig und auch berechtigt.
1. Auf den vom Erstgericht verneinten Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 dritter Fall MRG stützte sich der Kläger (nach den insoweit zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts) schon in seiner Berufung nicht mehr.
2. Zu prüfen bleibt damit, ob – auf Basis des tatsächlich festgestellten Sachverhalts – der Kläger den Vertrag wegen erheblich nachteiligen Gebrauchs des Mietgegenstands oder unleidlichen Verhaltens des Mieters vorzeitig auflösen kann.
3. Zu diesen Kündigungsgründen entfernt sich der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung in unzulässiger Weise vom festgestellten Sachverhalt; etwa mit seinen bloßen Unterstellungen, dass ein Kind und dessen Familie unnötig „in Furcht und Schrecken versetzt“ worden seien, das „rücksichtslose Verhalten des Beklagten“ „furchteinflößend“ erscheine, „ein drastisches Bild der Eingeschüchtertheit übrig“ bleibe und der Beklagte „jedenfalls im Sinn eines dolus eventualis die Beschädigung der Sprechanlage in Kauf genommen“ habe. Es trifft auch nicht zu, dass das Berufungsgericht die Frage einer Zukunftsprognose in für den Beklagten „negativem Sinn“ beantwortet hätte. Es befasste sich an der vom Kläger dazu genannten Stelle im Berufungsurteil vielmehr mit der Behauptungs- und Beweislast bei Verzicht auf die Geltendmachung von bestimmten Verhaltensweisen als Kündigungsgründe. Unrichtig ist zudem, dass es bei seiner Beurteilung „die laufend vom Beklagten unternommenen Versuche, seine Benützungsrechte auf nicht in Bestand genommene Räume (Abstellraum) auszudehnen“ „zu Grunde gelegt“ hätte. Im Gegenteil hielt es dazu ausdrücklich fest, dass das Verhalten des Mieters im Zusammenhang mit der Verwendung des Abstellraums den Tatbestand des § 30 Abs 2 Z 3 MRG nicht erfüllte.
4. Ein erheblich nachteiliger Gebrauch iSd § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG liegt dann vor, wenn eine wiederholte, länger währende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts wichtige Interessen des Vermieters verletzt oder eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands erfolgt oder droht (vgl RIS‑Justiz RS0068076; RS0067939 ua). Unleidliches Verhalten nach § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG setzt eine Störung des friedlichen Zusammenlebens voraus, die durch längere Zeit fortgesetzt wird oder sich in häufigen Wiederholungen äußert und überdies nach ihrer Art das bei den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falls erfahrungsgemäß geduldete Ausmaß übersteigt (5 Ob 76/15h; vgl auch RS0067678; RS0070437). Einmalige Vorfälle bilden den Kündigungsgrund nur, wenn sie schwerwiegend sind, jedoch können mehrere, an sich geringfügige Vorfälle zur Aufkündigung berechtigen, wenn durch die Häufung das dem Vermieter zumutbare Ausmaß überschreiten (vgl RS0070303; RS0070394 ua).
Sowohl für das Vorliegen des nachteiligen Gebrauchs, wie auch eines unleidlichen Verhaltens sind die Umstände in ihrer Gesamtheit zu betrachten (zum nachteiligen Gebrauch s RS0020981 [T10]; zum unleidlichen Verhalten etwa RS0070394; RS0070303 [T12; T14]). Ganz grundsätzlich geht es darum, ob ein Verhalten vorliegt, das für den Vermieter die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses wegen des Verlusts des Vertrauens in den Mieter unzumutbar macht (vgl RS0020981 [T14]; RS0014436).
5. Der Beklagte kann in seiner Revision berechtigt aufzeigen, dass das Berufungsgericht bei der gebotenen Gesamtbetrachtung den Umstand, dass ausschließlich auf länger zurückliegende Ereignisse zurückgegriffen wurde, nicht ausreichend berücksichtigt und zur Beschädigung der Gegensprechanlage die Provokation des Verhaltens des Mieters durch den Kläger nicht entsprechend gewichtet hat. Ein (ansonsten einem Kündigungsgrund zu unterstellendes) Verhalten kann nämlich den Charakter eines Kündigungsgrundes verlieren, wenn es vom Vermieter provoziert wurde (RS0070421; RS0068031; Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ § 30 MRGRz 24; Illedits in Illedits/Reich-Rohrwig Wohnrecht³ § 30 MRG Rz 55 mwN; s auch 8 Ob 35/19h mwN). Beim Beklagten unterblieb die ansonsten bei allen anderen Mietern erfolgte Anbindung an die Gegensprechanlage aufgrund der ausdrücklichen Anordnung des Klägers. Ist eine Wohnung nicht an diese angeschlossen, kommt es nach der Erfahrung des täglichen Lebens dazu, dass Lieferanten und Zusteller bei anderen Mietern läuten und es wird das gewichtige Interesse des Mieters, für Besucher erreichbar zu sein, dadurch gestört. Diese Beeinträchtigung war im vorliegenden Fall beabsichtigt und hatte den Zweck, eine Besichtigung der Wohnung mit unerlaubten Mitteln zu erzwingen. Dass der Kläger angesichts dessen versucht hat, eine „Arztschaltung“ (die Kopplung des für seine Topnummer vorgesehenen Knopfes auf der Gegensprechanlage unten mit dem Türöffner) herzustellen, ist zwar – insoweit vom Berufungsgericht zutreffend erkannt – verbotene Selbsthilfe und damit rechtswidrig, allerdings kann bei der Beurteilung der Schwere des Vertrauensverlusts im Verhältnis zum Vermieter nicht unbeachtet bleiben, dass diese Selbsthilfe durch das – nach den Feststellungen ungerechtfertigte – Verhalten des Vermieters provoziert worden ist. Mit dem Versuch, sich den Zutritt (indirekt) zu erzwingen, griff der Vermieter seinerseits zu „verbotener Selbsthilfe“ und beeinträchtigte wichtige Interessen des Mieters. Das Berufungsgericht lastete dem Beklagten in diesem Zusammenhang zusätzlich an, dass er sich unleidlich gegenüber den Mitbewohnern verhalten habe. Von einer wiederholt gesetzten (oder so gravierenden einmaligen) Störung des friedlichen Zusammenlebens kann im vorliegenden Fall aber nicht gesprochen werden, wenn die – nach den Feststellungen unabsichtliche – Beschädigung der Gegensprechanlage auch (nicht angestrebte) Konsequenzen für die Nutzung der anderen Mitbewohner hatte (wie dies etwa auch bei einem durch ein einmaliges Fehlverhalten entstandenen Wasserschaden der Fall sein kann).
Das Berufungsgericht bezog in seine Gesamtbeurteilung überdies die vor fast 30 Jahren – zu einem Zeitpunkt als der Beklagte noch gar nicht Mieter war – erfolgte Montage der CB-Funkantenne mit ein. Mit dieser war aber weder eine (auch nur drohende) Beschädigung der Substanz des Hauses verbunden gewesen, noch war sie im maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung (vgl nur RS0063244) überhaupt noch vorhanden, weil sie der Beklagte bereits ein bis zwei Jahre vor Kündigungsverfahren wieder entfernt hatte. Der Kündigungsgrund des nachteiligen Gebrauchs war insoweit nicht anzunehmen; ein unleidliches Verhalten im Übrigen gar nicht ersichtlich. Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass die Kamera, deren vor 25 Jahren erfolgten Anbringung durch 20 Jahre hindurch unbeanstandet geblieben war, im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung noch montiert gewesen wäre.
Das Anfertigen des Fotos eines „Nachbarkindes“ und dessen Verteilung und Aushang liegt bereits drei bis vier Jahre zurück. Selbst wenn ein Verzicht auf die Geltendmachung von bestimmten Kündigungsgründen nicht behauptet worden war, ist die Beurteilung des Gesamtverhaltens nicht so vorzunehmen, als ob sich die vom Berufungsgericht dem Beklagten vorgehaltenen Ereignisse innerhalb kurzer Zeit ereignet hätten. Liegen – so wie hier – die zur Begründung der Kündigung herangezogenen Verhaltensweisen zum Teil Jahrzehnte zurück und blieben sie über viele Jahre hinweg überhaupt unbeanstandet, dann wurde – jedenfalls einzeln betrachtet – das Vertrauensverhältnis zum Vermieter nicht zerstört. Folgte dem Vorfall zum Foto durch mehrere Jahre hindurch kein weiterer ähnlicher, ist der Mieter auch objektiv nicht als grundsätzlich vertrauensunwürdig einzuschätzen. Anders als in dem zu 1 Ob 39/19w beurteilten Fall, in dem der beklagte Mieter versuchte, sein zeitgleich und/oder innerhalb kurzer Zeit hintereinander gesetztes (mehrmaliges) Fehlverhalten vor Einbringung der Kündigung durch eine zuvor verbrachte „beanstandungsfreie Mietdauer“ aufzuwiegen, geht es hier darum, dass vereinzelt gebliebene Vorfälle (nach denen der Mieter kein derartiges weiteres Fehlverhalten gezeigt hat) bei Beurteilung der Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung nicht „zusammengezogen“ werden dürfen. Sie dürfen nicht so behandelt werden, als ob diese Verhaltensweisen zeitgleich oder knapp hintereinander gesetzt worden wäre. Der Beklagte hat sich seit Anfertigung und Aushang des Fotos und der Beschädigung der Gegensprechanlage (zwischen welchen beiden Vorfällen viele Monate lagen) bis zur Aufkündigung und auch noch danach durch lange Zeit störungsfrei verhalten. Dadurch hat er bereits gezeigt, dass es sich um punktuelle, vereinzelt bleibende Störungen gehandelt hat. Dass der Beklagte also ein durch längere Zeit fortgesetztes oder sich in Wiederholungen äußerndes Fehlverhalten gezeigt hätte, das in einer Gesamtbetrachtung so schwerwiegend einzuschätzen wäre, dass es das Maß des Zumutbaren überschritten hätte (RS0070394) und die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses wegen des Verlusts des Vertrauens für den Vermieter unzumutbar machte, kann demnach nicht gesagt werden.
6. Damit ist – weil die Aufkündigung nicht berechtigt ist – die Entscheidung des Erstgerichts samt der Kostenentscheidung wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung für das Rechtsmittelverfahren beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Der dreifache Einheitssatz steht nur im Berufungsverfahren, nicht aber im Revisionsverfahren zu (§ 23 Abs 9 RATG).
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