OGH 1Ob8/90

OGH1Ob8/9012.9.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Erhard H***, Facharzt, Meerbusch 1, Bretonenstraße 8, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr.Rudolf Watschinger, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 1,395.684,10 S und Feststellung (Streitwert 50.000 S), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berfungsgerichtes vom 11.Dezember 1989, GZ 14 R 206/89-25, womit das Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 23.Mai 1989, GZ 52 a Cg 1032/87-20, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben. In Ansehung des Feststellungsbegehrens wird der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß die erstgerichtliche Entscheidung als Teilurteil wiederhergestellt wird. Im übrigen wird dem Rekurs nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist österreichischer Staatsbürger und wurde mit rechtskräftigem Urteil des Appellationsgerichtes Florenz vom 1. Dezember 1971 wegen mehrerer, in den Jahren 1966 und 1967 in Italien begangener, politisch motivierter Verbrechen ("Porzescharten-Attentat" ua) in Abwesenheit - er wurde als flüchtig betrachtet - zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Schon mit Schreiben vom 18.Februar 1969 an das Italienische Generalkonsulat in Innsbruck hatte der damals in Innsbruck wohnhafte Kläger unter Angabe seiner Anschrift beantragt, ihm die vorläufige Anklageschrift zuzustellen, damit er in der Lage sei, seine Verteidigung entsprechend vorbereiten zu können; dieses Recht stünde ihm auf Grund der Europäischen Menschenrechtskonvention zu. Diese Verurteilung wurde von den österreichischen Behörden nach Art 13 des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959, BGBl 1969/41, iVm § 2 Abs 1 Z 2 StrafregG 1968 in das österreichische Strafregister aufgenommen. Der Kläger ist wissenschaftlicher Assistent an einem Institut der Universität Düsseldorf, er ist dort seit 1975 Facharzt und seit 1981 als Oberarzt tätig. Im Zuge eines Habilitierungsverfahrens an der Universität Düsseldorf beantragte der Kläger einen Auszug des österreichischen Strafregisters, das die Verurteilung aufwies. Der Kläger stellte darauf am 23.Februar 1978 beim österreichischen Generalkonsulat in Düsseldorf und am 6.März 1978 beim Bundesministerium für Inneres (im folgenden BMI) den Antrag auf Rückgängigmachung der Eintragung nach § 8 Abs 1 StrafregG, weil das italienische Strafverfahren gegen § 6 MRK aus verschiedenen Gründen, darunter wegen unterlassener Zustellung der Anklageschrift, gegen Art 6 MRK verstoßen habe. Gerade auf letzteren Umstand wies der Kläger in einem Schreiben vom 13.September 1978 an die Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit ausdrücklich hin. Das BMI wies nach Beischaffung des italienischen Strafurteiles diesen Antrag mit Bescheid vom 22.Februar 1979, Zl 54.041/5-II/13/79, unter Hinweis darauf ab, daß bei gleichem Sachverhalt auch in Österreich eine Verurteilung erfolgt wäre, Italien die MRK ratifiziert habe und sich aus dem Strafurteil keine Anhaltspunkte für eine Konventionswidrigkeit ergeben. Die Tatsache, daß eine Verurteilung in Abwesenheit des Angeklagten erfolgt sei, begründe allein noch keinen Verstoß gegen die Grundsätze des Art 6 MRK, wenn der Verurteilte durch einen Verteidiger vertreten gewesen sei. Dies könne zwar dem italienischen Strafurteil nicht entnommen werden, doch sei bekannt, daß nach der italienischen Strafprozeßordnung bei Abwesenheitsverfahren Verteidigerzwang vorgesehen sei. Der Verfassungsgerichtshof wies mit Erkenntnis vom 25. Oktober 1980, B 145/79-14, B 173/79-14 (veröffentlicht unter VfSlg 8.950/1980), die dagegen ua vom Kläger erhobene Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber ab, ob der Kläger durch den bekämpften Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden sei. Das BMI sei weder leichtfertig vorgegangen noch habe es das Gesetz auf eine Willkür indizierende Weise denkunmöglich angewendet, wenn es die Auffassung vertrete, alle Voraussetzungen des StrafregG für die Eintragung der ausländischen Verurteilungen in das österreichische Strafregister lägen vor. Der Verwaltungsgerichtshof hob, der Eventualbeschwerde des Klägers folgend, mit Erkenntnis vom 29.September 1982, Zl 01/3585/80-7, 3586/80-5 = VwSlg 10.837 A/1983, den Bescheid des BMI wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Das BMI habe sich mit den Behauptungen des Klägers nicht oder nur unzureichend auseinandergesetzt und dazu auch kein dem Gesetz entsprechendes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Der Kläger habe insbesondere vorgebracht, es sei ihm in dem zur Verurteilung führenden Strafverfahren keine Anklage zugestellt worden, die österreichischen Behörden hätten einem Ersuchen des italienischen Gerichtes, im Rechtshilfeweg die Anklageschrift an ihn zuzustellen, nicht stattgegeben, sodaß seine Verteidigung dadurch behindert worden sei. Weder durch die italienischen Behörden noch durch einen Pflichtverteidiger seien ihm als Angeklagten die für die Verteidigung notwendigen Unterlagen zugemittelt worden. Ob im italienischen Strafverfahren die Rechte des Klägers aus Art 6 MRK gewahrt worden seien, lasse sich in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung der Europäischen Kommission für Menschenrechte grundsätzlich nur nach einer Prüfung des gesamten Verfahrenskomplexes beurteilen. Nach Ansicht der Europäischen Kommission für Menschenrechte sei die Verantwortlichkeit der Justizbehörden nach Art 6 Abs 3 lit c MRK nicht in dem Augenblick aufgehoben, in dem dem Beschuldigten ein Rechtsanwalt beigeordnet worden sei. Es obliege vielmehr dem Staat als Adressaten der in dieser Bestimmung enthaltenen Verpflichtung, zu gewährleisten, daß die Verteidigung des Angeklagten den Anforderungen dieser Vorschrift entspreche. Der Begriff der "strafrechtlichen Anklage" iS des Art 6 MRK beinhalte, daß die betroffene Person selbst oder in zurechenbarer Weise von der Anklage Kenntnis erlange. Es sei das Ziel dieser Bestimmung, in Strafsachen sicherzustellen, daß Personen, die wegen einer strafbaren Handlung angeklagt würden, nicht zu lange einer derartigen Anklage unterliegen. Das BMI habe sich mit der vom Kläger konkret geltend gemachten Verletzung der Grundsätze des Art 6 MRK, insbesondere betreffend die Rechte seiner Verteidigung, nicht ausreichend auseinandergesetzt und kein Ermittlungsverfahren durchgeführt.

Die italienischen Behörden teilten auf eine Anfrage des BMI mit einem vertraulichen "Memorandum" mit, daß sich der Kläger der Strafverfolgung durch Flucht entzogen habe, im italienischen Strafverfahren durch einen Pflichtverteidiger vertreten gewesen und die Zustellung der Ladung zur Hauptverhandlung durch Hinterlegung bei der Gerichtskanzlei erfolgt sei. Infolge Säumnisbeschwerde des Klägers (Art 132 B-VG) stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Verfügung vom 21.Mai 1984, Zl 84/01/0123-2, dem BMI frei, den versäumten Bescheid zu erlassen. Ohne weitere Erhebungen über den Verlauf des italienischen Strafverfahrens stellte das BMI mit Bescheid vom 24.April 1985, Zl 54.041/62-II/13/85, neuerlich fest, daß die Aufnahme der vom Appellationsgericht Florenz am 1.Dezember 1971 ausgesprochenen Verurteilung zulässig gewesen sei und daher zu Recht bestehe, weil der Kläger aus Presseberichten von dem gegen ihn anhängigen Strafverfahren informiert gewesen sei. Der Verwaltungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 11.Dezember 1985, Zl 85/01/0166-7, 85/01/0185-5 (teilweise veröffentlicht in ZfVB 1986, 4/1721), diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf, weil das BMI über die vom Kläger geltend gemachte Verletzung des Art 6 Abs 3 lit a MRK kein Ermittlungsverfahren durchgeführt habe. Die Annahme, der Kläger habe zufolge Information durch Presseberichte über das gegen ihn geführte Strafverfahren die Möglichkeit gehabt, die in Art 6 MRK gewährleisteten Rechte wahrzunehmen, sei nicht ausreichend, um festzustellen, das Urteil des italienischen Gerichtes sei in einem diesen Grundsätzen entsprechenden Verfahren ergangen. Das BMI habe nur festgestellt, das italienische Gericht sei davon ausgegangen, der Kläger sei flüchtig, habe aber keineswegs die Feststellung getroffen, daß dies den Tatsachen entsprochen habe. Auf die Kenntnis eines gerichtlichen Verfahrens aus Pressemitteilungen könne es aber nach dem klaren Wortlaut der MRK nicht ankommen. Mit Bescheid vom 23.April 1986, Zl 54.041/35-II/13/86, stellte dann das BMI fest, daß die Aufnahme der vom Appellationsgericht Florenz am 1.Dezember 1971 ausgesprochenen Verurteilung in das Strafregister unzulässig gewesen und daher rückgängig zu machen sei.

Der Kläger begehrt von der beklagten Partei aus dem Rechtsgrund der Amtshaftung den Zuspruch des Betrages von 1,395.684,10 S samt 10 % Zinsen seit 14.Jänner 1987 (Verdienstentgang von 1981 bis 1986, weil er sich wegen der Strafregistereintragung nicht habe habilitieren können und seine Bewerbung um eine gut dotierte Stellung an einer Klinik in Nürnberg gescheitert sei; Anwaltskosten, Reisekosten und weitere im Verwaltungsverfahren nicht abgegoltene Barauslagen) sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle zukünftigen Schäden infolge des ablehnenden Bescheides des BMI vom 22.Februar 1979. Das Verschulden des BMI liege darin, daß es erst 1986 über den 1978 gestellten Antrag im stattgebenden Sinn entschieden habe.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens, bestreitet es dem Grunde und der Höhe nach und wendet im wesentlichen ein, Italien habe die MRK ratifiziert, das BMI habe daher von der Vermutung ausgehen können, daß die Grundsätze des Art 6 MRK im italienischen Strafverfahren eingehalten worden seien. Jedenfalls sei die Vorgangsweise des BMI vertretbar gewesen, zumal auch der Verfassungsgerichtshof der Beschwerde des Klägers nicht Folge gegeben habe. Auch das BMI habe in der Folge Ermittlungen gepflogen, es habe auch im Hinblick auf das italienische "Memorandum" keine Hinweise auf ein konventionswidriges Strafverfahren gegeben. Der Kläger habe sich dem italienischen Strafverfahren durch Flucht entzogen, er habe jedenfalls durch Presseberichte von diesem Strafverfahren Kenntnis gehabt, sei durch einen Pflichtverteidiger vertreten gewesen und hätte sich diesem Strafverfahren stellen können. Für die unterbliebene Habilitation und Anstellung an einer Klinik sei die Strafregistereintragung nicht kausal gewesen.

Das Erstgericht wies einen Teil des Zinsenbegehrens als unzulässig zurück, gab mit Teil- und Zwischenurteil dem Feststellungsbegehren statt und erachtete das Leistungsbegehren dem Grunde nach als zu Recht bestehend. Es stellte fest, ausschließlich auf Grund der in der Strafregisterauskunft vom 2.Februar 1978 enthaltenen Verurteilung des Appellationsgerichtes Florenz habe der Kläger das Habilitationsverfahren nicht positiv beenden können. Der Antrag des Klägers nach § 8 StrafregG hätte nur nach amtswegiger Erforschung des gesamten Verfahrensverlaufes abgelehnt werden dürfen, die Erhebungen des BMI seien nicht ausreichend gewesen. Da die Verpflichtung der Behörde nach dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz den wahren Sachverhalt amtswegig zu erforschen, zu den Grundprinzipien des Verwaltungsverfahrens gehöre, die Behörde dieser Verpflichtung aber nicht nachgekommen sei, liege Unvertretbarkeit des Verwaltungshandelns bereits im Zeitpunkt der Erlassung des ersten Bescheides vom 22.Februar 1979 vor. Der durch die Strafregisterauskunft bedingte Verdienstentgang sei für die unterbliebene Habilitation und die unterbliebene Anstellung an einer Klinik kausal gewesen.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Erst durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.September 1982 habe das BMI für die von ihm gewählte weitere Vorgangsweise keinen Auslegungsspielraum mehr gehabt und das gesamte italienische Strafverfahren prüfen müssen. Da die Verfahrensdauer vom Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11.Dezember 1985 bis zum Bescheid des BMI vom 23.April 1986 keine erkennbare Verfahrensverzögerung aufweise, könne der Zeitraum von rund fünf Monaten als für die vom Verwaltungsgerichtshof am 29.September 1982 aufgetragenen Ermittlungen ausreichend angesehen werden. Daher sei dem BMI die Verzögerung der Bescheiderlassung iS des letztlich antragsstattgebenden Bescheides ab 1.März 1983 in schuldhafter Verletzung bestehender Gesetze zur Last zu legen. Ein rechtmäßiges Alternativverhalten sei durch den Schutzzweck der übertretenen Verhaltensnorm begrenzt. Das vom Verwaltungsgerichtshof aufgezeigte amtswegige Ermittlungsverfahren nach dem AVG habe den Zweck, daß das BMI die aufgezeigten Ermittlungen zügig durchführe und bei Ergebnislosigkeit dieser Bemühungen in angemessener Zeit im Zweifel für den Kläger entscheide. Da auch im Amtshaftungsverfahren die Schadensermittlung durch Differenzrechnung zu ermitteln sei, müsse untersucht werden, wie der Kläger bei vertretbarer Vorgangsweise der Behörde gestellt gewesen wäre bzw wie er aufgrund der unvertretbaren Vorgangsweise gestellt ist.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers ist teilweise gerechtfertigt. Gemäß § 1 Abs 1 StrafregG, BGBl 1968/277 idgF, wird zum Zwecke der Evidenthaltung strafgerichtlicher Verurteilungen für das gesamte Bundesgebiet ein Strafregister geführt, in das nach § 2 Abs 1 Z 2 leg cit ua auch alle rechtskräftigen Verurteilungen österreichischer Staatsbürger durch ausländische Strafgerichte aufzunehmen sind. Nach § 2 Abs 3 StrafregG ist als Verurteilung jedes Erkenntnis anzusehen, mit dem wegen einer nach österreichischem Recht von den Gerichten nach der Strafprozeßordnung 1975 abzuurteilenden Handlung in einem den Grundsätzen des Art 6 MRK entsprechenden Verfahren über eine Person ua eine Strafe verhängt wird. Daß das Urteil des italienischen Strafgerichtes zu Recht in das österreichische Strafregister aufgenommen wurde, ist im Rekursverfahren nicht mehr strittig. Nach § 8 Abs 1 StrafregG kann jede Person, hinsichtlich der eine Verurteilung in das Strafregister aufgenommen wurde, die Feststellung beantragen, daß die Aufnahme in das Strafregister unzulässig war und daher rückgängig zu machen ist. Unzulässig und demnach rückgängig zu machen ist eine Verurteilung, die in einem der MRK widersprechenden ausländischen Verfahren erfolgte. Gemäß § 6 Abs 3 lit a MRK hat jeder Angeklagte ua das Recht, in möglichst kurzer Zeit in einer für ihn verständlichen Sprache in allein Einzelheiten über die Art und den Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung in Kenntnis gesetzt zu werden. Der Mitteilung der Beschuldigung ("accusation") an den Angeklagten muß besonderes Augenmerk geschenkt werden. Eine Anklageschrift spielt im Strafverfahren eine entscheidende Rolle, weil vom Augenblick der Mitteilung an der Angeklagte formell und schriftlich von der tatsächlichen und rechtlichen Grundlage der wider ihn erhobenen Anschuldigungen Kenntnis erlangt (ÖJZ 1990, 412) und so in die Lage versetzt ist, seine Verteidigung vorzubereiten (Frowein-Peukert, EMRK-Kommentar, Art 6 Rz 122). Der Kläger wurde im italienischen Strafverfahren von der wider ihn erhobenen Anklage nicht verständigt, obwohl er mit seinem eingeschriebenen Schreiben an das italienische Generalkonsulat in Innsbruck vom 18.Februar 1969 um Zustellung der vorläufigen Anklage und Erlaubnis zur Akteneinsicht bzw Aktenabschrift, der von ihm für seine Verteidigung als notwendig bezeichneten Aktenstücke ersuchte. Den italienischen Gerichten war demnach die Anschrift des Klägers bekannt.

Der Kläger stellte am 23.Februar 1978 bzw 6.März 1978 einen Antrag nach § 8 StrafregG an das nach § 8 Abs 2 StrafregG zuständige BMI; über diesen Antrag entschied das BMI am 22.Februar 1979 und am 24. April 1985 im antragsabweisenden Sinn und erst am 23.April 1986 im antragsstattgebenden Sinn. Die beiden erstgenannten Bescheide wurden durch die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. September 1982 und 11.Dezember 1985 wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben. Da damit die Rechtswidrigkeit des Organhandelns für das Amtshaftungsgericht bindend feststeht (JBl 1989, 655 ua;

Schragel AHG2, Rz 270), bleibt zu prüfen, ob die Organe des Rechtsträgers schuldhaft handelten, wozu allein das Amtshaftungsgericht berufen ist (NRspr 1988/277; 1 Ob 5/89 ua;

Fasching, Lehrbuch2 Rz 2321). Rechtsträger haften nicht nur für grobes, sondern auch für leichtes, am Maßstab des § 1299 ABGB zu messendes Verschulden ihrer Organe (SZ 55/36, SZ 53/83, SZ 52/86 ua;

Schragel aaO, Rz 145, 147). Die Abweisung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde besagt noch nichts über mangelndes Verschulden des Organs, weil der Verfassungsgerichtshof nur die Frage der Verfassungswidrigkeit eines Verwaltungsaktes, nicht aber dessen allenfalls gegen einfache Gesetze verstoßende Gesetzwidrigkeit zu beurteilen hat (Schragel aaO, Rz 270 mwN). Ein Verschulden eines Organs liegt dann nicht vor, wenn seine Entscheidung auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Rechtsauslegung oder Rechtsanwendung beruht (ZVR 1988/15; SZ 59/83; JBl 1985, 171 mwN ua). Die Unvertretbarkeit einer Rechtsansicht und damit das Verschulden des Organes wird nach herrschender Auffassung angenommen, wenn die Entscheidung von einer klaren Gesetzeslage oder einer ständigen Rechtsprechung ohne sorgfältige Überlegung und Darlegung der Gründe abweicht (SZ 60/217; EvBl 1987/179; JBl 1986, 182 uva).

Das Verschulden der Organe des BMI wegen Mißachtung des Ermittlungsauftrages durch den Verwaltungsgerichtshof nach Zustellung von dessen Erkenntnis vom 29.September 1982 ab dem 1.März 1983 und die dadurch verursachte Verfahrensverzögerung bis zur Erlassung des vom Kläger beantragten Bescheides wurde bereits von der zweiten Instanz zutreffend bejaht. Dem Standpunkt des Klägers im Rekurs, schon ab seiner Antragstellung am 23.Februar 1978 sei das Verhalten des BMI schuldhaft gewesen, kann nicht beigetreten werden. Daß die Zeit von der Antragstellung bis zur ersten Entscheidung des BMI am 22.Februar 1979 unangemessen lang gewesen wäre, behauptet der Kläger in seinem Rechtsmittel nicht. Der Umfang der amtswegigen Prüfungspflicht der Behörde (Offizialmaxime) im Verfahren nach § 8 StrafregG ergibt sich aus § 39 Abs 2 AVG. Daß die Behörde den entscheidungsrelevanten Sachverhalt von Amts wegen festzustellen hat, bedeutet, daß sie von sich aus für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen hat (VwSlg 1.462 A/1950, 16.498 A/1931 ua), aber auch, daß sie - von gegenteiligen, hier nicht vorliegenden Sonderregelungen abgesehen und unter Berücksichtigung der "Mitwirkungspflicht" der Partei - die Beweislast zu tragen hat. Wenn das BMI bloß in Kenntnis des ausführlich und schlüssig begründeten, ausländischen Strafurteiles implicite davon ausgeht, daß dem Kläger entgegen seinen Behauptungen die Anklageschrift zugestellt worden sei, beruht dies auf keiner, bei pflichtgemäßer Überlegung noch vertretbaren Rechtsauslegung und Rechtsanwendung, weil das Strafurteil dazu nichts enthielt. Gewiß hat das BMI versucht, seinen Bescheid vom 22.Februar 1979 zu begründen. Die Begründung befaßt sich aber in keiner Weise mit dem Antragsvorbringen, soweit die unterlassene Zustellung der Anklageschrift und die dadurch erfolgte Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten gerügt wird, sodaß sie sich im Ergebnis als bloße Scheinbegründung erweist und der Entscheidung den Vorwurf der Unvertretbarkeit nicht nehmen kann. Grundsätzlich setzt die Prüfung der Frage, ob eine Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art 6 MRK entsprechenden Verfahren ergangen ist, die Kenntnis des Prozeßverlaufes und der Information des Angeklagten voraus (Kunst-Petrik aaO, § 8 StrafregG Anm 3 und in der ersten Auflage Korn-Kunst, Strafregistergesetz 1968, § 8 Anm 3) und schon deshalb hätte das BMI entweder weitere zweckentsprechende Erhebungen, etwa durch Vernehmung des Klägers, dessen Anschrift bekannt war und der auch am 27.November 1978 zur Akteneinsicht bei der zuständigen Abteilungsleiterin im BMI vorsprach, über die im einzelnen bezeichneten Vorwürfe durchführen müssen (Ringhofer, Verwaltungsverfahren I, § 39 AVG Anm 2 f). Die vorwerfbare Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften des BMI liegt darin, daß sie den Grundsatz des § 2 Abs 1 StrafregG, wonach Verurteilungen durch ausländische Strafgerichte, die von ausländischen Staaten, die die Europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnet haben, mitgeteilt werden, die Vermutung für sich haben, daß sie in einem den Grundsätzen des Art 6 MRK entsprechenden Verfahren ergangen sind und daher grundsätzlich ohne weitere Prüfung ins Strafregister aufzunehmen sind (Kunst-Petrik aaO, § 2 StrafregG Anm 6), ohne weiteres auf das von der Pflicht zur amtswegigen Sachverhaltsermittlung geprägte Verfahren nach § 8 StrafregG übertrug.

Der Kläger kann daher für vermögensrechtliche Nachteile ab der ersten rechtswidrig und schuldhaft erfolgten Bescheiderlassung durch das BMI (22.Februar 1979) nach § 1 Abs 1 AHG Schadenersatz begehren. Damit ist das Klagebegehren auf Feststellung der Haftung der beklagten Partei für zukünftige Schäden iS einer Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung spruchreif. Anders verhält es sich beim Leistungsbegehren. Denn ein Zwischenurteil, daß der Anspruch dem Grunde nach zu Recht besteht, setzt voraus, daß dem Kläger auf jeden Fall ein, wenn auch noch so kleiner Teil des Klagsanspruches gebührt (ZVR 1989/132; SZ 47/34, SZ 43/69 ua). In das Verfahren über den Grund des Anspruches sind sämtliche das Bestehen des Anspruches betreffenden Behauptungen der Parteien einschließlich der Einwendungen der beklagten Partei zu verweisen. Dazu gehört auch die Frage des Kausalzusammenhanges zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Schaden (ZVR 1959/154; Fasching, Das Zwischenurteil über den Grund des Anspruches ÖJZ 1958, 264 ff; derselbe, Lehrbuch2, Rz 1429). An dieser Rechtslage hat sich durch die, mit der WGN 1989 erfolgten Neufassung des § 393 Abs 1 letzter Satz ZPO ("...auch wenn noch strittig ist, ob der Anspruch überhaupt mit irgendeinem Betrag zu Recht besteht.") nichts geändert. Nach den Materialien (RV, 888 BlgNR 17. GP, 20) legt die herrschende Rechtsprechung die Bestimmung über das Zwischenurteil so aus, daß in einem solchen der Grund des Anspruchs nur bejaht werden dürfe, wenn feststehe, daß der Anspruch zumindest mit einem Schilling der Höhe nach zu Recht bestehe. Das sei nun in der Regel ohnedies unstrittig, sodaß diese Auslegung kaum zu Schwierigkeiten führe. In manchen Fällen sei es aber strittig, ob nicht beispielsweise der Schaden, der unbestrittenermaßen entstande sei, durch eine Teilzahlung oder durch eine Aufrechnung mit einer Gegenforderung getilgt sei. Für diese Fälle solle durch die Ergänzung des § 393 Abs 1 ZPO klargestellt werden, daß die Entscheidung über den Grund des Anspruches nicht die Klärung des Tilgungseinwandes voraussetze. Angesichts dieser Erwägungen des Gesetzgebers hat es aber bei der bisherigen Rechtsprechung zu verbleiben, daß die Frage der Kausalität als den Anspruchsgrund betreffend vor der Fällung eines Zwischenurteiles gelöst werden muß. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes war die - zu Recht erfolgte - Aufnahme der Verurteilung des Klägers durch das Appellationsgericht Florenz in das österreichische Strafregister kausal für die Ablehnung seiner Habilitierung. Ob eine solche Kausalität auch für die Ablehnung der Rückgängigmachung der Eintragung mit Bescheid des BMI vom 22.Februar 1979 anzunehmen ist, stellte das Erstgericht ebensowenig fest wie den Umstand, ob auf diesen rechtswidrig und schuldhaft erlassenen Bescheid die Nichterlangung einer gut dotierten Stellung in Nürnberg zurückzuführen wäre. Aus diesen Erwägungen hat es in Ansehung des Leistungsbegehrens im Ergebnis bei der aufhebenden Entscheidung der zweiten Instanz, die im Tatsachenbereich ergänzende Erhebungen bezüglich des Ursachenzusammenhanges verlangt, zu verbleiben. Demgemäß ist spruchgemäß zu entscheiden. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO bzw §§ 392 Abs 2, 52 Abs 2 ZPO.

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