Spruch:
Der Parkgaragenunternehmer, der vertraglich seine Haftung für Schäden durch Dritte ausschloß, haftet zwar für das Verschulden seiner Leute, nicht aber dafür, daß er keine organisatorische Maßnahme gegen Diebstähle aus abgestellten Kraftfahrzeugen getroffen hat
Garagenunternehmer haften gemäß § 970 Abs. 2 ABGB nicht nur für die auf den Fahrzeugen befindlichen Sachen, sondern auch für Sachen, die im Fahrzeug zurückgelassen werden, für Kostbarkeiten, Geld und Wertpapiere aber nur im Rahmen der in § 970a ABGB normierten Haftungsbeschränkung
OGH 21. April 1982, 1 Ob 827/81 (LG Salzburg 32 R 260/81; BG Salzburg 15 C 2391/80)
Text
Der Versicherungsnehmer der klagenden Partei Abraham S stellte am 27. 9. 1977 sein Fahrzeug Renault 17 TL Automatic in der von der beklagten Partei betriebenen Parkgarage auf dem Platz 406 des zweiten Parkdecks ein. Als er das Fahrzeug zirka eineinhalb Stunden später abholen wollte, mußte er feststellen, daß das versperrt abgestellte Fahrzeug aufgebrochen war; Abraham S zeigte noch vor dem Verlassen der Parkgarage der beklagten Partei den Diebstahl von Koffern aus seinem Fahrzeug, in denen sich auch Kostbarkeiten befunden haben sollen, an.
Die Garage besteht aus vier Decks mit je zwei nebeneinander gelegenen Kavernen. Die Parkgarage ist Tag und Nacht geöffnet, der Kassenraum ist von 8 Uhr bis 24 Uhr besetzt. Vom Kassenraum aus besteht keine Sicht auf das Deck, in dem Abraham S sein Fahrzeug abgestellt hatte, insbesondere ist auch eine Fernsehüberwachung der einzelnen Parkdecks nicht vorgesehen. Der Kassier kann aber mit einer Fernsehanlage die Einfahrt und Ausfahrt beobachten. Der Zugang zur Parkgarage ist Tag und Nacht jedermann ohne Kontrolle möglich. Die gesamte Anlage ist so konstruiert, daß Bedienungspersonal nicht erforderlich ist; es herrscht eine völlig unpersönliche Abwicklung. Es wird auch nicht kontrolliert, wer mit einem Fahrzeug in die Garage einfährt bzw. die Garage verläßt. Vor der Einfahrt zur Garage ist eine Hinweistafel mit einem großen weißen P auf blauem Grund angebracht. Zirka 100 m nach der Einfahrt sind die Schrankenanlagen vorhanden. Vor den Schranken befindet sich eine Tafel mit folgendem Hinweis (Auszug):
"Mit der Annahme des Einstellscheines oder Einstellung eines Kraftfahrzeuges kommt ein Mietvertrag über einen Kfz-Einstellplatz zustande. Der Einstellplatz gilt als ordnungsgemäß übergeben, falls nicht etwaige Beanstandungen unverzüglich dem Vermieter zur Kenntnis gebracht werden. Die Einstellbedingungen werden als Bestandteil des abgeschlossenen Mietvertrages anerkannt. Der Mieter ist verpflichtet, die Hausordnung zu beachten. Eine Bewachung oder Verwahrung des eingestellten Fahrzeuges oder eine sonstige Tätigkeit, welche über die Raumüberlassung hinausgeht, sind nicht Gegenstand des Vertrages. Der Vermieter übernimmt demgemäß keinerlei Obhutspflichten. Die Benützung der Parkgaragen erfolgt auf eigene Gefahr des Mieters. Der Vermieter haftet insbesondere nicht für Schäden, die durch andere Mieter oder sonstige dritte Personen verursacht sind. Der Vermieter haftet im Rahmen der vertraglich übernommenen Verpflichtungen für alle Schäden, soweit sie nachweislich von ihm oder seinem Personal verschuldet wurden und außerdem der Anspruch vor Verlassen der Parkgaragen (unter Vorzeigen von Parkschein oder Quittung) angezeigt wird. Der Mieter kann unter den freien, nicht reservierten Plätzen einen Abstellplatz wählen. Er hat dabei die durch automatische Verkehrsführung, Verkehrs- und Hinweisschilder gegebenen Richtlinien zu beachten. Der Mietpreis ist aus der aushängenden Preisliste ersichtlich. Er stellt das Entgelt für die Überlassung eines Kfz-Einstellplatzes dar."
Die Einstellbedingungen sind auch in den Vorräumen der Garage angeschlagen. Bei der Einfahrt erhielt Abraham S ein Ticket, auf dem sich auf der einen Seite ein viersprachiger Hinweis befindet, wonach vor Abholung des Fahrzeugs an der Kassa zu zahlen ist. Auf der anderen Seite des Tickets findet sich folgender Aufdruck: "Achtung, die Betriebsgesellschaft haftet nicht für Schäden durch Dritte. Bei Ziehung des Parkscheines wird ein Vertrag auf unbestimmte Zeit über die Vermietung eines Einstellplatzes zu den ausgehängten Bedingungen geschlossen. Die Verwahrung und Bewachung des Kfz ist nicht Gegenstand". In auffälliger Schrift heißt es noch: "Bitte beachten Sie die Einstellbedingungen". Bei der Ticketsäule kann mittels einer Ruftaste Sprechkontakt mit der Kassa hergestellt werden. Es besteht auch die Möglichkeit, die Anlage noch zu verlassen, wenn man nicht in die Parkdecks einfahren will; die Schrankenanlagen sind so konstruiert, daß bei Ausfahrt binnen 15 Minuten nach Einfahrt Zahlung nicht zu leisten ist.
Die klagende Partei hat Abraham S auf Grund des mit ihm abgeschlossenen Versicherungsvertrages den Betrag von 645 000 S zur Abgeltung des mit 621 750 S festgestellten Sachschadens und zur Abdeckung der Rechtsanwaltskosten geleistet. Abraham S erklärte, daß er mit dieser Zahlung in allen seinen Ansprüchen aus dem Schadensfall befriedigt sei und Regreßansprüche bis zum Betrag von 621 750 S auf die klagende Partei übergehen.
Die klagende Partei begehrt als Legalzessionar ihres Versicherungsnehmers den Betrag von 645 000 S samt Anhang. Die beklagte Partei sei Abraham S gemäß § 970 Abs. 2 ABGB zum Schadenersatz verpflichtet, dieser Anspruch sei auf die klagende Partei übergegangen.
Die beklagte Partei beantragt Abweisung des Klagebegehrens. Es sei ein Mietvertrag, kein Verwahrungs- oder Garagierungsvertrag abgeschlossen worden. Die beklagte Partei treffe keine Bewachungs- oder sonstige Verwahrungspflicht. Es werde auch bestritten, daß Abraham S einen Schaden in der von ihm behaupteten Höhe von 829 000 S erlitten habe. Die beklagte Partei habe auch nicht damit rechnen müssen, daß sich im eingestellten Fahrzeug Pretiosen, Antiquitäten, Teppiche und sonstige Güter im Wert von 829 000 S befinden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Abraham S habe im Hinblick auf die vor der Einfahrt aufgestellte Tafel annehmen können, daß er einen öffentlichen Parkplatz benütze. Die Haftung der beklagten Partei wäre nur gegeben, wenn ein Verwahrungsvertrag iS des § 970 ABGB abgeschlossen worden wäre. Abraham S sei aber, für ihn erkennbar, nur ein Parkplatz gegen Entrichtung eines Entgelts zur Verfügung gestellt worden. Demnach sei aber die beklagte Partei nicht schadenersatzpflichtig, so daß auch der Anspruch der klagenden Partei nicht gerechtfertigt sei.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Das Erstgericht habe den mit Abraham S abgeschlossenen Vertrag richtig als Mietvertrag qualifiziert. Im vorliegenden Fall sei nach den Gegebenheiten der Anlage und dem Inhalt der Hinweistafeln keine Obhut der beklagten Partei zu erwarten gewesen. Der beklagten Partei falle auch keine positive Vertragsverletzung, die nur in der fehlenden Versicherung der geparkten Fahrzeuge erblickt werden könnte, zur Last. Selbst wenn man von einem Garagierungsvertrag ausgehen wollte, hafte die beklagte Partei nicht für den durch Diebstahl eingetretenen Schaden. Die Garagierung beziehe sich nämlich lediglich auf das Fahrzeug, nicht aber auf den Inhalt, zumal dessen Wert den des Fahrzeuges nicht unbeträchtlich übersteige und der Garagierungsunternehmer nicht damit rechnen müsse, daß wertvolle Sachen im Auto verwahrt bleiben.
Über Revision der klagenden Partei hob der Oberste Gerichtshof die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nach dem mit der III. Teilnovelle zum ABGB eingeführten § 970 Abs. 2 ABGB haften ua. Unternehmer, die Aufbewahrungsräume halten, ebenso als Verwahrer wie die im § 970 Abs. 1 ABGB genannten Gastwirte für die bei ihnen eingestellten Fahrzeuge und die auf diesen befindlichen - und daher um so mehr für die in diesen verwahrten - Sachen. Nach dem hiezu erstatteten Herrenhausbericht, 78 der Beilagen zu den Protokollen, XXI. Session (1912), sind darunter auch Unternehmer zu verstehen, die Automobilgaragen halten (S. 180). Auch sie sollten die für sie spezifischen Gefahren des von ihnen betriebenen offenen Hauses, die darin bestehen, daß sich nicht nur die Einsteller von Kraftfahrzeugen oder ihre Begleiter, sondern auch Unberufene, denen der Eintritt in die Garage praktisch nicht verwehrt werden kann, in den Aufbewahrungsräumen aufhalten und bewegen können, tragen (vgl. S. 178).
Unter einem Aufbewahrungsraum ist zwar nicht schlechthin jeder entgeltlich benützbare Parkplatz zu verstehen, sondern es ist auf Grund seiner Lage oder der getroffenen baulichen Maßnahmen im Einzelfall zu beurteilen, ob ein Aufbewahrungsraum anzunehmen ist. Der Begriff Aufbewahrungsraum setzt so weit abgeschlossene räumliche Verhältnisse voraus, daß sie einen Schutz außer Betrieb befindlicher Fahrzeuge gegen Außeneinwirkungen bieten (SZ 43/84). Bei umbauten Räumen, worunter auch Räume zu verstehen sind, die durch kavernenartige Aushöhlungen eines Berges geschaffen wurden, ist die Qualifikation als Aufbewahrungsraum zumindest dann anzunehmen, wenn Ein- und Ausfahrten durch Schranken abgeschlossen sind, mögen auch diese vor allem der Sicherung der Entgeltzahlung dienen.
Die Anwendung der Bestimmungen der §§ 970 ff. ABGB wäre für Unternehmer, die solche Anlagen betreiben, nur dann ausgeschlossen, wenn zwischen den Parteien eindeutig ein im Gesetz typisierter Vertrag wie etwa ein Mietvertrag, der eine Obsorgepflicht als Unternehmer nicht vorsieht, abgeschlossen worden wäre. Bei Garagen kann die alleinige Anwendbarkeit der Regeln über den Mietvertrag nur angenommen werden, wenn der oder die Benützer des Aufbewahrungsraumes den Raum ausschließlich zu benützen befugt sind und durch Absperrung des Raumes die Möglichkeit haben, dritte Personen von der Benützung der Räumlichkeiten auszuschließen und dem Aufbewahrungsraum damit die Gefahr des offenen Hauses nehmen (vgl. Koritschan, Der Garagenvertrag, JBl. 1934, 248; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 639; Klang[2] V 17; Schimetschek, Rechtliche Besonderheiten der Garagenmiete, ImmZ 1971, 196). In diesem Fall ist es ausschließlich Sache der Kraftfahrzeugbesitzer, dafür zu sorgen, daß der Zutritt fremder Personen ausgeschlossen wird. Eine über die Zurverfügungstellung des Raumes hinaus gehende Obsorgepflicht für die eingestellten Kraftfahrzeuge trifft den Vermieter nicht. Die beklagte Partei, die die Voraussetzungen im vorgenannten Sinn nicht anbietet, ist aber iS des § 970 Abs. 2 ABGB als Unternehmer, der einen Aufbewahrungsraum hält, anzusehen (vgl. SZ 21/94).
Die Haftung "als Verwahrer" bedeutet, daß unabhängig davon, ob ein Verwahrungsvertrag geschlossen wurde, der Unternehmer nach den für den Verwahrungsvertrag aufgestellten Regeln haftet. Ob die beklagte Partei daher ausdrücklich oder stillschweigend eine vertragliche Obsorgepflicht übernommen hat, ist rechtlich irrelevant (EvBl. 1979/212; EvBl. 1976/21; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 660; Ehrenzweig[2] II/1, 385). Die Bezeichnung der Vertragstype durch die Parteien wie die Verwendung des Wortes "Mietvertrag" auf dem Parkticket ist ebenfalls ohne rechtliche Bedeutung, wenn auf Grund der rechtlichen Natur des Vertrages eindeutig feststeht, daß der Vertrag dem bezeichneten Vertragstypus nicht unterstellt werden kann (vgl. MietSlg. 32 164, 32 163, 30 174 ua.).
Es soll allerdings nicht übersehen werden, daß der Gesetzgeber der III. Teilnovelle zum ABGB die Vollmotorisierung und die damit verbundenen Parkplatzprobleme nicht vorhersehen konnte. Die Benutzung von Parkhäusern und ähnlichen Anlagen erfolgt heute vielfach nur wegen des knappen Parkraums im Zentrum der Großstädte, ihrer günstigen Lage und ihres vergleichsweise niedrigen Preises; im Unterschied zum Parken auf bewachten Parkplätzen wird der Kunde nicht die Bewachung seines Fahrzeuges, sondern die Überlassung eines günstigen und preiswerten Abstellplatzes erwarten; aber auch der Unternehmer wird nur gewillt sein, allein diese Bedürfnisse zu befriedigen (vgl. Güllemann, NJW 1972, 889).
Der Abschluß von Verträgen über Bereitstellung bloßer Abstellplätze ohne besondere Verwahrungspflichten ist auch möglich, da die Bestimmungen der §§ 970 ff. ABGB nachgiebiges Recht sind. Es gilt auch nicht die Bestimmung des § 3 des Bundesgesetzes vom 16. 11. 1921 über die Haftung der Gastwirte und anderer Unternehmer, BGBl. 638, wonach Vereinbarungen, durch die die Haftung unter das in den §§ 1 und 2 genannte Maß herabgesetzt werden soll, unwirksam sind. In der Entscheidung SZ 52/54 wurde zwar die Rechtsansicht vertreten, daß die Vorschrift des § 3 dieses Gesetzes auch auf die Unternehmer, die Aufbewahrungsräume halten, anzuwenden sei. Dieser Ansicht kann sich aber der erkennende Senat, wie er schon in der dieselbe beklagte Partei betreffenden Entscheidung 1 Ob 738/81, SZ 54/181, zum Ausdruck brachte und eingehend begrundete, nicht anschließen. In der Rechtslehre vertritt nur Ehrenzweig[2] II/1, 391, ohne nähere Begründung diese Ansicht. Historische und teleologische Auslegung sowie Wortinterpretation ergeben aber, daß die Vorschrift des § 3 auf Unternehmer, die Stallungen oder Aufbewahrungsräume halten, nicht anzuwenden ist (vgl. Bericht des Justizausschusses, 597 BlgNR, I. GP). § 1 Abs. 2 schließt daher die Anwendung der Beschränkung auf Unternehmer, die Stallungen und Aufbewahrungsräume halten, aus. Für die im § 970 Abs. 2 ABGB genannten Unternehmer wollte das Gesetz weder eine Verschärfung noch eine Milderung ihrer Haftung herbeiführen. Die Vorschriften des ABGB, insbesondere die des § 970a, sollten durch das als bloßes Zeitgesetz gedachte Gesetz vom 16. 11. 1921 für diese Unternehmer nicht geändert werden. Auf Grund der III. Teilnovelle war es aber unbestritten, daß die Haftung zwar nicht durch Anschlag, wohl aber durch vertragliche Regelung herabgemindert oder ausgeschlossen werden konnte (78 BlgHH, XXI. Session, 180). Diesen Standpunkt teilte auch die Rechtsprechung; so vertrat die Entscheidung SZ 15/27 die Auffassung, daß bei Garagierungsverträgen ein Ausschluß der Haftung gesetzlich nicht verboten sei und nur im Einzelfall gegen die guten Sitten verstoßen könnte (so auch Koritschan aaO 273 und Winter, Die Haftpflicht der Fremdenbeherberger, JBl. 1922, 71).
Ein Haftungsausschluß dahin, daß die beklagte Partei nicht für Schäden, die durch Dritte verursacht wurden, haftet, wurde durch den Aufdruck auf dem Parkschein und dessen Annahme durch Abraham S wirksam vereinbart. Die beklagte Partei richtet an einen namentlich nicht abgegrenzten Personenkreis Offerte, durch die sie in ihrer Parkgarage Abstellplätze zu den auf dem Parkschein aufgedruckten Bedingungen zur Verfügung stellt. Der Vertrag kommt durch Entnahme des durch Aufstellung des Parkscheinautomaten erstellten Offertes zustande. Obwohl es sich beim Garagierungsvertrag in einer Parkgarage um einen Massenvertrag handelt, ist für ihn mit Ausnahme der verschärften Haftungsbestimmungen der §§ 970 ff. ABGB im Gesetz keine nähere Regelung enthalten. Es ist daher naheliegend, daß die beklagte Partei allgemeine Geschäftsbedingungen, unter denen sie Garagierungsverträge abzuschließen bereit ist, dem Parkkunden durch Aufdruck auf dem Parkschein zur Kenntnis bringt. Der Kunde muß auch damit rechnen, daß wesentliche Vertragsbedingungen auf der einzigen Urkunde, die Grundlage des gesamten weiteren Geschäftsverkehrs ist, enthalten sein werden (vgl. Staudinger - Schlosser[12] § 2 ABGB Rdz. 13). Überall dort, wo die dem Vertragspartner ausgehändigte Urkunde nicht nur nach oder neben dem persönlichen Abschluß des Vertrages der bloßen Abwicklung von Massenverträgen dient, sondern die Aushändigung der Urkunde für den Vertragsabschluß geradezu konstitutive Bedeutung hat, muß davon ausgegangen werden, daß demjenigen, der einen solchen Massenvertrag abzuschließen gedenkt, die Pflicht auferlegt wird, die ausgehändigte Urkunde zu lesen (vgl. Schmidt - Salzer, Allgemeine Geschäftsbedingungen[2] 105), so daß der Vertragsabschluß durch Annahme nach den Regeln des redlichen Verkehrs unter diesen Vertragsbedingungen erfolgt (vgl. EvBl. 1981/53; SZ 42/112). Daß eine Ablehnung des Vertragsschlusses und ein Verlassen der Garage nach Kenntnisnahme der Vertragsbedingungen möglich gewesen wäre, räumt die klagende Partei ein. Sie behauptet auch nicht, Abraham S habe sein Fahrzeug nur deshalb eingestellt, weil ihm mangels entsprechenden Hinweises nicht bekannt gewesen sei, daß für ihn die Möglichkeit bestehe, die Garage ohne Entrichtung eines Entgelts wieder zu verlassen. Der Haftungsausschluß für Schäden durch Dritte kann bei erkennbar anonymem Vertragsabschluß ohne Feststellung des einfahrenden Fahrzeuges und der Person seines Lenkers auch nicht ungewöhnliche, für den Kunden überraschende und daher nicht zu vermutende Geschäftsbedingung angesehen werden. Der Parkkunde einer Großgarage, wie sie von der beklagten Partei betrieben wird, kann nämlich schon auf Grund der gesamten Geschäftsabwicklung erkennen, daß er ähnlich wie beim Parken auf öffentlichen Verkehrsflächen für die Sicherheit seines Fahrzeuges selbst verantwortlich bleibt und schon wegen der großen Anzahl der eingestellten Fahrzeuge und der Schnelligkeit und Art der Geschäftsabwicklung eine wesentliche Einflußnahme der beklagten Partei auf das Verhalten Dritter praktisch nicht möglich ist; gerade wegen der fehlenden Identitätskontrolle muß er damit rechnen, daß die beklagte Partei nur einen von der strengen gesetzlichen Haftung abweichenden Vertragsinhalt anbiete und von dieser Möglichkeit bei Lösung des Parkscheines Gebrauch machen wird. Keine Rolle kann es dann spielen, ob derartige Geschäftsbedingungen auf der Vorder- oder Rückseite des Parkscheines enthalten sind, besonders wenn beide Seiten etwa gleichartig beschriftet sind und der Text auch nur bei oberflächlichem Lesen leicht zu erfassen ist. Die Inanspruchnahme der Garagierungsmöglichkeit auf Grund der auf dem Parkschein angebotenen Geschäftsbedingungen hatte daher zur Folge, daß Abraham S sich dem Haftungsausschluß für Schäden durch Dritte unterworfen hatte (vgl. Koziol - Welser[5] I 95).
Soweit die gesetzliche Haftung das Einstehenmüssen des Unternehmers für seine Leute und den Freibeweis des Unternehmers vorsieht, erfolgte allerdings keine wirksame abweichende Vereinbarung. Eine solche kann insbesondere nicht darin erblickt werden, daß nach dem Parkschein die Anschläge, in denen eine Umkehr der Beweislast vorgesehen ist, Vertragsinhalt werden sollten. Einer Unterwerfung steht nämlich die Vorschrift des § 970a ABGB entgegen. Nach dieser Vorschrift können Anschläge nicht zum Vertragsinhalt gemacht werden. Der bloße Hinweis auf weitere nur ausgehängte allgemeine Geschäftsbedingungen auf dem Parkschein reichte daher nicht aus, daß sie Inhalt der vertraglichen Regelung wurden (Swoboda in Klang[1] II 2, 692).
Unberührt blieben noch Ansprüche aus dem zwischen der beklagten Partei und Abraham S abgeschlossenen Garagierungsvertrag für Organisationsverschulden. In der Bundesrepublik Deutschland, in der Sonderhaftungsbestimmungen für Garagenunternehmer fehlen, ist allgemein anerkannt, daß bei Einstellung von Kraftfahrzeugen der Unternehmer selbst bei Diebstahl durch Dritte dann nicht von der Haftung befreit ist, wenn die Organisation des Unternehmens mangelhaft ist und dieses auch die bei anonymem und automatischem Betrieb einer Parkgarage möglichen und nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auch erwarteten und demnach zu verlangenden Sicherheitsvorkehrungen nicht getroffen hat (Soergel - Kummer[11], Rdz. 72 vor § 535 BGB; Gelhaar in BGB-RGRK[12], Rdz. 226 vor § 535; Güllemann aaO 890). Nichts anderes kann für den österreichischen Rechtsbereich gelten (1 Ob 738/81, SZ 54/181). Die Benützer einer Parkgarage können aber nach der Verkehrsauffassung keinen lückenlosen Schutz gegen Diebstähle und Sachbeschädigungen erwarten. Es mag noch vertretbar sein zu fordern, daß vom Garagenunternehmer Vorkehrungen gegen den Diebstahl des Fahrzeuges zu treffen sind (so 1 Ob 738/81 SZ 54/181); die Benützer müssen sich aber darüber im klaren sein, daß eine sorgfältige Überwachung auch der geparkten Fahrzeuge und damit der Schutz vor Diebstahl von in Fahrzeugen belassenen Gegenständen durch Dritte nicht möglich und daher nach der Verkehrssitte auch nicht zu erwarten ist. Es würde eine Überspannung der Sorgfaltspflicht des Garagenunternehmers bedeuten zu fordern, daß er jedes Fahrzeug etwa durch Anbringen von Fernsehkameras bei jedem einzelnen Abstellplatz überwacht und so die Möglichkeit erschwert, daß nach Öffnen der Fahrzeugtüre mit einem Nachschlüssel im Fahrzeug verwahrte Sachen zB in ein daneben parkendes Fahrzeug verbracht werden. Es scheidet im vorliegenden Fall demnach eine Haftung der beklagten Partei wegen eines Organisationsverschuldens aus. Gehaftet wird nur für die eigenen Leute unter Behauptungs- und Beweislast der beklagten Partei, daß nicht diese den Diebstahl durchführten (§ 970 Abs. 1 ABGB).
Ausgehend von dieser Rechtsansicht erweist sich die Rechtssache noch nicht als spruchreif. Auch der OGH darf die Parteien nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die sie nicht beachtet haben und auf die sie vom Gericht nicht aufmerksam gemacht wurden (SZ 50/35; SZ 42/28 ua.). Es wird daher mit der beklagten Partei zu erörtern sein, ob sie den Beweis antritt, daß der Diebstahl nicht durch ihre Leute verübt wurde. Gelingt der beklagten Partei der Entlastungsbeweis nicht, werden Feststellungen über die in Verlust geratenen Gegenstände und deren Wert zu treffen sein. Hiebei wird auf die beschränkte Haftung der beklagten Partei für Kostbarkeiten (vgl. hiezu SZ 2/147 und Gschnitzer aaO 668) Bedacht zu nehmen sein. Gemäß § 970a ABGB wird nämlich für Kostbarkeiten, Geld und Wertpapiere nur bis zum Betrag von 1500 S gehaftet. § 970a ABGB sieht diese Haftungsbeschränkung ausdrücklich zwar nur für Gastwirte vor, doch ist diese Bestimmung wegen der grundsätzlichen Gleichbehandlung der Wirte und der Unternehmer, die Aufbewahrungsräume halten (§ 970 Abs. 2 ABGB), wie die Regelung des § 970b ABGB auch auf Garagenunternehmer zu beziehen (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II 292; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 667 FN 94; Swoboda in Klang[1] II/2, 693). Im übrigen ist die Haftung der Garagenunternehmer für eingestellte Fahrzeuge und die darauf (darin) befindlichen Sachen betragsmäßig nicht beschränkt. Es wird zwar in der Rechtsprechung der Standpunkt vertreten, daß der Verwahrungsvertrag über eine Sache sich nach der Verkehrssitte nicht auch auf wertvolle Gegenstände erstreckt, die an der Sache angebracht sind, zB eine wertvolle Brosche an einem Kleidungsstück, oder die in der Sache verwahrt werden, zB Geldbeträge, mit deren Vorhandensein der Verwahrer nicht rechnen muß (EvBl. 1980/110; EvBl. 1977/264; SZ 37/151; SZ 19/233); die Haftung des Garagenunternehmers nach den §§ 970 ff. ABGB beruht aber unmittelbar auf dem Gesetz, dem eine Haftungsbeschränkung mit der erwähnten Ausnahme fremd ist.
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