Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 749,70 EUR (darin 124,95 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu zahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei unterhält in einem Schigebiet Pisten mit einer Gesamtlänge von etwa 180 Kilometer. In diesem Schigebiet ist es üblich, dass Schifahrer auch das nicht gesondert gesperrte freie Gelände außerhalb der präparierten Pisten befahren, was von der beklagten Partei akzeptiert wird. Der (präparierte) Pistenbereich ist vom freien Gelände durch Ö-Norm-gerechte Pistenrandmarkierungen (Stangen mit Pfeilen) abgegrenzt. Die von der beklagten Partei unterhaltenen Pisten werden auch künstlich beschneit. Dabei wird auf das Vorhandensein von Schneekanonen, nicht aber auf Schläuche, mit denen die Schneekanonen beschickt werden, hingewiesen; teilweise erfolgt die Beschickung der Schneekanonen unterirdisch.
Am 6. 1. 2000 löste der Kläger bei der beklagten Partei eine Tageskarte. Der Schnee war griffig, es herrschte Sonnenschein. Der Kläger, ein guter Schifahrer, befuhr ursprünglich eine präparierte Piste. Er umfuhr schließlich eine von der beklagten Partei aufgestellte Schneekanone in seiner Fahrtrichtung gesehen rechts. Erst im letzten Augenblick, als ihm keine Reaktion mehr möglich war, nahm er einen hellen Schlauch wahr, der der Beschickung der Schneekanone diente. Er überfuhr diesen Schlauch und kam kopfüber zu Sturz. Ob sich Schneekanone und Unfallstelle im präparierten Pistenbereich befanden, war nicht feststellbar. Fest steht dagegen, dass sich das direkt an die präparierte Piste anschließende freie Gelände infolge Befahrens durch zahlreiche Schifahrer als pistenähnlich darstellte, wenngleich Pistenrandmarkierungen den Verlauf der präparierten Piste kennzeichneten. Es war nicht feststellbar, dass der Kläger mit einer den Gelände- und Sichtverhältnissen unangepassten Geschwindigkeit fuhr. Beim Sturz erlitt der Kläger erhebliche Verletzungen.
Der Kläger begehrte die Zahlung von letztlich 10.561,42 EUR und die Feststellung, dass ihm die beklagte Partei für alle künftigen kausalen Schäden aus dem Unfall hafte. Er habe zumindest davon ausgehen können, dass die von ihm befahrene Strecke eine präparierte Piste sei. Mit einer oberirdischen Beschickung der Schneekanone habe er nicht rechnen müssen. Die beklagte Partei wäre jedenfalls verpflichtet gewesen, den Unfallbereich abzusperren, selbst wenn sich die Unfallstelle außerhalb des Pistenbereichs befunden haben sollte. Sie sei daher verpflichtet, die dem Kläger entstandenen Schäden zu ersetzen.
Die beklagte Partei wendete vor allem ein, dass sich der Unfall im freien Gelände, also außerhalb der Piste, ereignet habe. Dort treffe sie keine Pistensicherungspflicht. Dessen ungeachtet seien Warnhinweise auf die Schneekanone aufgestellt gewesen. Der Kläger habe ohne Weiteres erkennen können, dass er sich außerhalb des präparierten Pistenbereichs befunden habe, zumal ausreichende Pistenrandmarkierungen vorhanden gewesen seien. Er sei unaufmerksam und mit absolut und relativ überhöhter Geschwindigkeit gefahren. Am Zustandekommen des Unfalls sei er allein schuldtragend.
Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren zur Gänze und dem Zahlungsbegehren im Teilbetrag von 8.491,71 EUR statt; das Mehrbegehren von 2.069,71 EUR wies es - unangefochten - ab. Die beklagte Partei habe gewusst, dass Schifahrer üblicherweise auch das freie Gelände benützten; sie habe also akzeptiert, dass die gesicherten und präparierten Pisten verlassen werden. Demnach wäre sie verpflichtet gewesen, auf die Gefahr hinzuweisen, die von dem oberirdisch verlegten Schlauch ausgegangen sei, bzw hätte dieser Gefahr mittels Absperrung begegnet werden müssen. Daran könne auch das Vorhandensein von Pistenrandmarkierungen nichts ändern. Ein Mitverschulden des Klägers liege nicht vor.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung in der Hauptsache und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000, nicht aber 20.000 EUR übersteige; die Revision wurde letztlich für zulässig erklärt. Der Kläger habe nicht nachweisen können, dass sich der Unfall im Bereich einer von der beklagten Partei geschaffenen und präparierten Piste ereignet habe; demnach habe die beklagte Partei ihre Pistensicherungspflicht nicht verletzt. Es bestehe auch keine allgemeine Rechtspflicht, Schäden zu verhindern, doch könne eine Unterlassung zu einer Schadenersatzverpflichtung führen, sofern eine Pflicht zum Handeln aus besonderen vertraglichen oder gesetzlichen Pflichten bzw daraus, dass jemand - wenn auch erlaubterweise - eine Gefahrenquelle schafft, abzuleiten sei. Nun habe sich jener Bereich, den der Kläger möglicherweise außerhalb der präparierten Piste befahren habe, als "pistenähnlich" dargestellt. Den maßgeblichen Leuten der beklagten Partei habe bekannt sein müssen, dass auch dieser Bereich regelmäßig und häufig von Schiläufern befahren werde. Durch das Verlegen des Schlauchs, der der Beschickung der Schneekanone diente, sei eine Gefahrenquelle geschaffen worden, aus der letztlich der Sturz des Klägers und dessen Verletzungen resultierten. Nach dem sogenannten Ingerenzprinzip wäre die beklagte Partei verpflichtet gewesen, diese Gefahrenquelle in jedem Fall so abzusichern, dass Schifahrer dadurch keinen Schaden erleiden könnten. Die Unterlassung einer entsprechenden Absicherung begründe die Schadenersatzpflicht der beklagten Partei. Ein Mitverschulden des Klägers habe die beklagte Partei nicht beweisen können, die Höhe der zuerkannten Ansprüche sei im Berufungsverfahren nicht mehr strittig.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagten Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Der beklagten Partei ist darin nicht zu folgen, dass das Berufungsgericht durch eine "Überraschungsentscheidung" gegen § 182 ZPO verstoßen habe. Gewiss hat sich der Kläger vor allem, insbesondere in seiner Klageschrift, auf eine Verletzung der Pistensicherungspflicht gestützt, soweit er vorbrachte, die beklagte Partei habe die ihr obliegenden Schutz- und Sorgfaltspflichten verletzt, weil der Zuleitungsschlauch zur Schneekanone ungesichert und nicht gekennzeichnet über die Piste verlaufen sei. Sie übersieht aber, dass der Kläger in der Verhandlungstagsatzung vom 7. 5. 2002 die von ihm behauptete Haftung der beklagten Partei ausdrücklich auch damit begründete, dass diese verpflichtet gewesen wäre, die Wasserzuleitung auch im freien Schigelände zu kennzeichnen (S 10 des Protokolls vom 7. 5. 2002). Damit hat sie klar und deutlich auch eine Haftung nach dem "Ingerenzprinzip" geltend gemacht, weshalb die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht, die beklagte Partei hafte für die von ihr ohne die notwendigen Vorkehrungen geschaffene Gefahrenquelle, keinesfalls überraschend war (vgl 1 Ob 283/00z; SZ 72/28; 6 Ob 620/83 uva). Der Vorwurf der beklagten Partei, das Berufungsverfahren sei mangelhaft geblieben, weil ihr entsprechendes Vorbringen nicht ermöglicht und ihr Recht auf Gehör daher nicht gewahrt worden sei, geht demnach ins Leere.
Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin haftet diese nach § 1313a ABGB und nicht lediglich gemäß § 1315 ABGB. Sie übersieht, dass sie dem Kläger, der eine Tageskarte erworben hatte, vertraglich verpflichtet war. Mit diesem Vertrag übernahm sie die Pflicht, die körperliche Integrität des Klägers - jedenfalls im Bereich der von ihr mit den Aufstiegshilfen zur Verfügung gestellten präparierten Schipisten - zu gewährleisten. Dies ist auch nicht weiter strittig; der Kläger war also als befugter Benützer der von der beklagten Partei zur Verfügung gestellten Anlagen in seiner körperlichen Integrität so weit wie möglich zu schützen. Nun steht fest, dass die Revisionswerberin wusste (und akzeptierte), dass (von ihr beförderte) Schifahrer das freie und pistenähnliche Gelände außerhalb der präparierten Pisten befahren und dass (dennoch) ein das Vorhandensein eines oberirdisch verlegten Schlauchs, der zur Schneekanone führte, verdeutlichender Hinweis bzw die Absperrung dieses Gefahrenbereichs unterblieb. Aus dem zwischen den Streitteilen geschlossenen Beförderungsvertrag ist die vertragliche Nebenpflicht abzuleiten, für die körperliche Integrität des Schiliftbenutzers auch in dem Bereich zu sorgen, von dem die beklagte Partei wusste, dass er von ihren Vertragspartnern befahren wird, und das auch "akzeptierte". Die beklagte Partei hatte mit der oberirdischen Verlegung des Schlauchs eine Gefahrenquelle geschaffen, vor der sie weder gewarnt noch die sie entsprechend abgesichert hat. Damit haftet sie wegen der Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht nach dem sogenannten Ingerenzprinzip für die dem Kläger entstandenen Schäden (vgl RdW 2003, 134; ZVR 2003/76; MietSlg 48.119; SZ 60/256). Die Revisionswerberin hat nämlich durch die Überlassung der Aufstieghilfen zur Benützung unter anderem auch dem Kläger den Zutritt zum gesamten Schigebiet eröffnet und davon gewusst, das auch sonst nicht geschützte Schiräume (vgl 1 Ob 246/02m; JBl 2001, 104; 9 Ob 113/00h; 1 Ob 401/97w; SZ 54/183 uva) von ihren Vertragspartnern befahren werden. Damit traf sie die inhaltlich Verkehrspflichten entsprechende vertragliche Nebenpflicht, auch diesen Schiraum für die befugten Benutzer in verkehrssicherem und gefahrlosem Zustand zu erhalten und sie vor erkennbaren Gefahren zu schützen (1 Ob 269/00s; 3 Ob 697/82; ZVR 1978, 18). Dass sie den Schadenseintritt bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte vorhersehen können (vgl 1 Ob 269/00s), ist nicht zu bezweifeln.
Wenn die beklagte Partei auch - wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat und worauf verwiesen wird - ihrer Verpflichtung zur Pistensicherung im engeren Sinn nachgekommen ist, so ist ihr doch die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht zur Abwehr von Gefahren, die auf dem sogenannten Ingerenzprinzip beruht, anzulasten.
Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.
Der Anspruch auf Ersatz der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Kostenbemessungsgrundlage des Revisionsverfahrens ist aber - ebenso wie im Berufungsverfahren - nur der Gesamtstreitwert von 12.125,35 EUR.
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