European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00072.17W.0524.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.315,70 EUR (darin 385,95 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
B e g r ü n d u n g:
Mit dem in Notariatsaktsform am 23. Oktober 2006 (ca fünfeinhalb Jahre vor Rechtskraft der Ehescheidung) errichteten Übergabe‑ und Pflichtteilsverzichtsvertrag schenkte der Beklagte den Großteil seiner Geschäftsanteile an einer GmbH den gemeinsamen Kindern, die Klägerin verzichtete auf die Geltendmachung des ihr insoweit zustehenden Schenkungspflichtteilsrechts. Dazu war sie aber nur gegen eine Zahlung von 500.000 EUR bereit, weswegen am selben Tag eine notariell beglaubigte Vereinbarung geschlossen wurde, in der sich der Beklagte dazu verpflichtete, ihr 500.000 EUR bis längstens 30. April 2007 zu bezahlen. Für den Fall des Zahlungsverzugs wurden 10 % Verzugszinsen per anno vereinbart.
Das Erstgericht sprach der Klägerin ihre aus dieser Vereinbarung noch offene (Rest‑)Forderung in Höhe von 80.000 EUR samt 10 % Zinsen p.a. (entsprechend ihrem Begehren und den festgestellten Zahlungen) aus 380.000 EUR vom 1. Mai 2007 bis 28. August 2008, aus 280.000 EUR von 29. August 2008 bis 29. April 2010 und aus 80.000 EUR seit 30. April 2010 zu.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil der Frage, ob die Verjährungshemmung des § 1495 ABGB auch auf vertragliche Verzugszinsen Anwendung finde, über den Einzelfall hinausgehend erhebliche Bedeutung zuzumessen sei und zu dieser Frage Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Klägerin beantwortete Revision des Beklagten ist aber entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Die Zurückweisung der Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
Das ABGB regelt im Vierten Hauptstück seines Dritten Teils („Von der Verjährung und Ersitzung“) ua nach den Bestimmungen über die Verjährungszeit (Allgemeine, Ausnahmen und Besondere Verjährungszeit) auch deren Hemmung in den §§ 1493 bis 1496. Es trifft zwar zu, dass grundsätzlich nach § 1480 ABGB für Zinsen, und zwar sowohl für vertraglich bedungene als auch für gesetzliche, die dreijährige Verjährungszeit gilt (RIS‑Justiz RS0031939; RS0034177; 5 Ob 1503/93 = RS0034253; vgl zu Verzugszinsen aus dem in dreißig Jahren verjährenden Ersatzanspruch aus einem Verbrechen 8 Ob 82/67 = SZ 40/47). Jedoch ordnet § 1495 Satz 1 ABGB als spezielle, auf das Vorliegen einer besonderen familienrechtlichen (oder Fürsorgepflichten enthaltenden) Beziehung zwischen Gläubiger und Schuldner abstellende Vorschrift an, dass ua zwischen Ehegatten die Ersitzung oder Verjährung weder anfangen noch fortgesetzt werden kann, solange die Ehe aufrecht ist.
Zu dieser Beginn und Lauf der Verjährung hemmenden Regel (RIS‑Justiz RS0117534: Fortlaufshemmung) hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, dass sie für die Dauer der Ehe (bis zur Rechtskraft der Scheidung: 10 Ob 59/11s) uneingeschränkt (RIS‑Justiz RS0034679) gilt, und zwar – abgesehen von der in § 1495 ABGB selbst ausgenommenen „Abgeltung der Mitwirkung im Erwerb des anderen Teils“ – für alle Forderungen eines Ehegatten gegen den anderen (RIS‑Justiz RS0034679 [T1, T3]). Ebenso ist schon geklärt, dass im Verhältnis zwischen § 1495 Satz 1 ABGB und § 1480 ABGB der der Letzteren zugrunde liegende Gedanke des Schuldnerschutzes in den (eben nicht generell alle Schuldner und Gläubiger betreffenden, sondern nur in jenen etwa durch das familienrechtliche Band geschaffenen) Fällen des § 1495 Satz 1 ABGB hinter die dadurch geschützten Interessen, also hinter den Schutz eines möglichst ungestörten Familienlebens, zu stellen ist (1 Ob 201/11g = iFamZ 2012/46, 73 [zust B. Beclin]; vgl zum Schutzzweck des § 1495 ABGB auch 8 Ob 166/63 = SZ 36/101; 3 Ob 17/94 = SZ 67/62 mwN; 3 Ob 508/94). Den Zuspruch von kapitalisierten Zinsen für den Zeitraum vom 1. Jänner 2002 bis einschließlich 20. November 2008 (somit für mehr als drei Jahre), die damals von der geschiedenen Ehegattin zusätzlich zum Unterhaltsbetrag geltend gemacht worden waren, durch die Vorinstanzen als wegen der Anwendung des § 1495 Satz 1 ABGB nicht verjährt, hat das Höchstgericht in seiner Entscheidung 10 Ob 59/11s – wenn auch ohne nähere Ausführungen – gebilligt.
Aus welchem rechtlichen Grund die Hemmung nach § 1495 ABGB für vertraglich vereinbarte Zinsen anders zu beurteilen sein sollte als für die Hauptforderung, vermag der Revisionswerber nicht darzustellen, wenn er auf dem Standpunkt steht, § 1480 ABGB sei eine Schutzbestimmung, die auch „für einen Schuldner, dessen Verbindlichkeit während der Ehe entstanden“ sei, „zutreffe“. Er will damit in Wahrheit die als lex specialis für besondere Fälle die Hemmung der in § 1480 ABGB festgelegten (generellen) Verjährungsfrist anordnende Bestimmung des § 1495 Satz 1 ABGB außer Kraft setzen und sie trotz des Vorliegens ihrer Voraussetzungen (aufrechte Ehe zwischen Gläubiger und Schuldner) für den Zeitraum bis zur Scheidung nicht angewendet wissen. Dazu behauptet er in seiner Revision ohne Beleg, das Berufungsgericht sei bei seiner rechtlichen Beurteilung nicht den „gesetzlichen Intentionen“ der jeweiligen Bestimmungen gefolgt. Er kann jedoch angesichts deren Wortlauts und Einordnung im ABGB sowie der bereits bestehenden Rechtsprechung, dass § 1495 Satz 1 ABGB für alle Forderungen eines Ehegatten gegen den anderen gilt (RIS‑Justiz RS0034679), also auch für die Forderung von vertraglich vereinbarten Verzugszinsen, nicht darlegen, warum der Beginn des Laufs der Verjährungsfrist für eine solche zwischen Ehegatten während der aufrechten Ehe vereinbarte Verzugsfolge vor dem Hintergrund des damit verfolgten Schutzes des Familienfriedens bis zur Scheidung nicht gehemmt sein sollte (vgl zur Hemmung der Verjährungsfrist ausdrücklich auch für Zinsen Reischauer, Zur Verjährungshemmung nach § 1495 Satz 1 ABGB, JBl 1991, 559 [562] unter Verweis auf Zeiller, Commentar über das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch IV 237).
In seinen Ausführungen, wonach der Schuldner durch § 1480 ABGB davor geschützt werden solle, dass Nebengebühren nicht zu einer unverhältnismäßig hohen Gesamtleistung führen, erkennt er ohnehin selbst, dass dieser Gefahr vordringlich die Bestimmung des § 1335 ABGB vorbeugt, die als eine Art „Wuchergrenze“ angesehen werden kann (1 Ob 142/16p). Diese ist im vorliegenden Fall angesichts der Höhe der ursprünglichen Hauptschuld nicht verletzt (vgl 4 Ob 522/82 = SZ 55/44 = RIS‑Justiz RS0031973).
Lässt sich somit die vom Revisionswerber für erheblich erachtete Rechtsfrage durch die Anwendung der bestehenden Rechtsprechung klären (vgl RIS‑Justiz RS0118640; 8 ObA 27/07i = RS0042742 [T13]), ist die Revision als nicht zulässig zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat auf die mangelnde Zulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Ansatz nach TP 3C RATG beträgt bei einer Bemessungsgrundlage von 80.000 EUR nur 1.285,10 EUR.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)