European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00071.19A.0527.000
Spruch:
Die
Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 694,90 EUR bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Der Kläger wurde als Beamter der Österreichischen Post AG zur Dienstleistung zugewiesen, wo er als Briefzusteller tätig war. Seit Mitte 2012, als der Kläger den (freiwilligen) Übertritt in ein neues Gleitzeitsystem verweigerte, fühlte er sich von seinen Vorgesetzten – auch durch Dienstzuteilungen als „Springer“ bzw zur reinen Innentätigkeit (samt Nachtschichten) in einem Verteilerzentrum – gemobbt. Er begehrt im Wege der Amtshaftung Schadenersatz (Schmerzengeld und Ersatz von Behandlungskosten) für dadurch verursachte Gesundheitsschäden sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für Mobbinghandlungen von Organen des Personalamts der Österreichischen Post AG.
Das Berufungsgericht bestätigte die klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts, weil ein Mobbing (hier: „Bossing“) des Klägers nicht festgestellt werden habe können und der Eintritt der behaupteten Gesundheitsschäden in keinem Rechtswidrigkeitszusammenhang mit den inkriminierten dienstrechtlichen Maßnahmen stehe. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu Ra 2017/12/0022 abgeleitet werden könnte, dass der Eintritt von Gesundheitsschäden unabhängig von einem allfälligen Mobbing im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dienstlichen Maßnahmen stehen könne.
Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist
entgegen dem nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt wird.
Rechtliche Beurteilung
Der Fachsenat sprach bereits zu 1 Ob 214/15z aus, dass Gesundheitsschäden – auf die der Kläger seine Ansprüche stützt – im Allgemeinen nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dienstrechtlichen Maßnahmen oder Unterlassungen stehen, selbst wenn sich diese als unberechtigt erweisen sollten, es sei denn, es handle sich dabei um Mobbing. Diese – soweit ersichtlich in der Literatur nicht kritisierte – Rechtsansicht wurde mit der Entscheidung 1 Ob 173/17y bestätigt, sodass von einer ausreichend gesicherten Rechtsprechung ausgegangen werden kann (vgl RIS‑Justiz RS0103384).
Der Revisionswerber behauptet in dritter Instanz nicht mehr, Opfer eines „individuellen“ Mobbings geworden zu sein. Er argumentiert aber, dass er (ebenso wie andere Beamte) nur deshalb anderen Dienststellen zugeteilt worden sei, weil er sich geweigert habe, auf das neue Gleitzeitmodell umzusteigen. Aufgrund der diskriminierenden, schikanösen, willkürlichen und (daher) gesetzwidrigen Dienstzuteilungen, bei denen es sich – wie der Verwaltungsgerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht zu vergleichbaren Fällen erkannt hätten – um reine „Retorsionsmaßnahmen“ gehandelt habe, woraus sich ein Mobbing des Klägers ergebe, stehe diesem ein Ersatz der dadurch verursachten Gesundheitsschäden zu.
Diesem Argument könnte nur dann ein Erfolg beschieden sein, wenn die unzweifelhaft als dienstrechtliche Maßnahmen anzusehenden (vom Kläger als herabwürdigend empfundenen) Dienstzuteilungen wirklich als Mobbing (hier „Bossing“) zu qualifizieren wären. Dafür ist nach der Rechtsprechung ein systematisches, ausgrenzendes und prozesshaftes Geschehen über einen längeren Zeitraum, etwa durch systematische Verweigerung jeder Anerkennung, Isolation, Zurückhaltung von Informationen oder Rufschädigung, typisch (RS0124076 [T2]). In der jüngeren Rechtsprechung wurde auch betont, dass es darauf ankommt, ob vom Vorgesetzten gesetzte Maßnahmen objektiv geeignet waren, beim Untergebenen einen Effekt des Verdrängens aus dem Arbeitsverhältnis zu bewirken, auch wenn darauf nicht abgezielt wurde (RS0124076 [T7]). Ob Mobbing bzw „Bossing“ vorliegt, hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl RS0124076 [T6]).
Abgesehen davon, dass die im September 2013 erfolgte Dienstzuteilung an eine andere Zustellbasis aufgrund eines vom Erstgericht näher festgestellten Konflikts des Klägers mit seinen Vorgesetzten erfolgte, an dem er erheblichen Anteil hatte, ergibt sich aus den erstinstanzlichen Feststellungen, dass die (weiteren) Dienstzuteilungen, aus denen er Mobbing‑(Bossing‑)Vorwürfe ableitet, aufgrund einer generellen Organisationsänderung der Österreichischen Post AG erfolgten, in deren Rahmen sämtliche Zusteller (jedenfalls jene mit fixen Zustellrayons) im neuen Gleitzeitmodell tätig werden sollten. Jene Zusteller, die – wie der Kläger – nicht in das neue Arbeitszeitsystem wechseln wollten, sollten „aus der Zustellung abgezogen“ werden. Dass sie zunächst noch als „Springer“ (also nicht mehr als Zusteller mit fixem Rayon) eingesetzt wurden, hatte nach den getroffenen Feststellungen „abrechnungstechnische Gründe“, was darauf hindeutet, dass es der Beklagten nicht auf eine systematische Herabsetzung und Ausgrenzung ankam. Der Revisionswerber lässt auch unberücksichtigt, dass er letztlich ohnehin von der (als besonders belastend empfundenen) „Springertätigkeit“ abgezogen wurde und zudem beabsichtigt war, für ihn – nach Zuteilung zum Verteilerzentrum – einen Arbeitsplatz ohne Nachtdienst und ohne Lärmbelästigung zu suchen. Dass das Berufungsgericht auf dieser Sachverhaltsgrundlage ein Mobbing („Bossing“) des Klägers durch die erfolgten Dienstzuteilungen verneinte, überschreitet den ihm bei der Beurteilung dieses Vorwurfs eingeräumten Beurteilungsspielraum nicht.
Eine Qualifikation der Dienstzuteilungen des Klägers als Mobbing („Bossing“) ergibt sich auch nicht aus den in der Revision angeführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs bzw des Bundesverwaltungsgerichts, zumal es dort insbesondere nicht um die Frage des Schutzzwecks in Bezug auf behauptete Gesundheitsschäden ging. Soweit dort (sowie in der in der Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts genannten Entscheidung Ra 2017/12/0022 des Verwaltungsgerichtshofs) ebenfalls dienstrechtliche Maßnahmen zu prüfen waren, die aufgrund der auch den hier inkriminierten Dienstzuteilungen zugrunde liegenden Organisationsänderung (Umstellung des Arbeitszeitmodells) der Österreichischen Post AG ergriffen wurden, ergingen die Entscheidungen jeweils im Dienstrechtsverfahren, sodass aus der dort erfolgten rechtlichen Beurteilung derartiger dienstrechtlicher Maßnahmen als rechtswidrig – aufgrund des unterschiedlichen Beurteilungsmaßstabs – nicht auf ein nach den dargestellten Kriterien zu beurteilendes Mobbing („Bossing“) geschlossen werden kann. Auf die umfangreichen Revisionsausführungen zur dienstrechtlichen Beurteilung der Dienstzuteilungen des Klägers durch den Verwaltungsgerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht (wobei die Revision dienst- und amtshaftungsrechtliche Erwägungen generell vermengt) muss daher nicht näher eingegangen werden.
Mangels Mobbings („Bossing“) des Klägers besteht somit kein Grund, von der Rechtsprechung, wonach Gesundheitsschäden grundsätzlich nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit nicht rechtskonformen dienstrechtlichen Maßnahmen oder Unterlassungen stehen, abzuweichen. Dies gilt auch für den Vorwurf, dass vor den Dienstzuteilungen des Klägers dessen physische und psychische Eignung für die neuen Tätigkeiten (Einsatz als „Springer“ und Tätigkeit im Verteilerzentrum) geprüft werden hätte müssen, soweit damit auf eine rechtswidrige dienstrechtliche Maßnahme abgezielt wird.
Soweit der Kläger seinen Amtshaftungsanspruch – neben Mobbing – auch darauf stützt, dass insoweit gegen arbeitsschutzrechtliche Vorschriften verstoßen worden sei, als er mit Aufgaben betraut wurde, die seine (psychische) Gesundheit geschädigt hätten (Überlastung durch zu große Rayons; mit Nachtarbeit und Lärmbeeinträchtigungen verbundene Tätigkeit im Verteilerzentrum), bedarf es keiner Korrektur, dass das Berufungsgericht dem eine Verletzung der Rettungspflicht (§ 2 Abs 2 AHG) entgegen hielt, erhob der Kläger doch gegen die Dienstzuteilungen als „Springer“ gar keine und gegen seine Zuteilung zum Verteilerzentrum nur eine nicht auf gesundheitliche Gründe (aus denen er aber seinen Amtshaftungsanspruch ableitet) gestützte Remonstration gemäß § 44 Abs 3 BDG. Dass der behauptete Gesundheitsschaden, soweit dieser (auch) auf die vom Kläger – nach den inkriminierten Dienstzuteilungen – ausgeübten Tätigkeiten zurückgeführt wird (also nicht nur darauf, dass er die als herabwürdigend empfundenen Zuteilungen als Mobbing ansah), durch Remonstrationen, denen grundsätzlich eine „Aussetzungswirkung“ hinsichtlich der damit bekämpften Weisung zukommt (vgl etwa VwGH 2001/12/0072), nicht vermeidbar gewesen wäre, legt der Revisionswerber nicht substantiiert dar (vgl RS0108078). Soweit er in den als gesundheitlich belastend empfundenen Dienstzuteilungen (denen er – soweit er sie als belastend empfand – aufgrund von Krankenständen nur für jeweils relativ kurze Zeit nachkam) eine Verletzung der Fürsorgepflicht der Beklagten erblickt, wurde bereits darauf hingewiesen, dass er letztlich von der „Springertätigkeit“ abgezogen und – nach Zuteilung zum Verteilerzentrum – versucht wurde, einen Arbeitsplatz ohne Nachtdienst und ohne Lärmbelästigung für ihn zu finden.
Die Bezugnahme der Revision (im Zusammenhang mit der Rettungspflicht) auf einen nicht näher hergeleiteten Verdienstentgang und einen „Zinsschaden“ ist nicht nachvollziehbar, begehrt der Kläger doch bloß Schmerzengeld sowie den Ersatz von Behandlungskosten. Warum es für die im Amtshaftungsverfahren vorzunehmende Prüfung des – neben der Verletzung von Arbeitnehmerschutzvorschriften – primär erhobenen Mobbingvorwurfs darauf ankommen soll, ob die dem neuen Arbeitszeitmodell der Österreichischen Post AG zugrunde liegende Betriebsvereinbarung zivilrechtlich wirksam ist, wird nicht näher ausgeführt, sodass auch in diesem Zusammenhang keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt wird. Auch die Berufung darauf, dass Ansprüche von Beamten „aufgrund von Betriebsvereinbarungen“ vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen seien, lässt nicht erkennen, worauf der Revisionswerber, der keinen solchen Anspruch geltend macht, hinaus will. Seine Ausführungen zu § 52 BDG sind nicht verständlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0035979 [T16]).
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