OGH 1Ob657/85

OGH1Ob657/8513.11.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma A Maschinenbau-Gesellschaft m.b.H., Neu Anspach 1, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr.Herbert Weber, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B Handelsgesellschaft m.b.H., Wien 5., Kettenbrückengasse 11, vertreten durch Dr.Alfons Adam, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 140.000 s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 25. April 1985, GZ 2 R 87/85-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 28.Dezember 1984, GZ 24 Cg 368/84-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 140.000 samt 6 % Zinsen seit 20.12.1983, die Protestkosten von S 2.341 und 1/3 % Provision im Betrage von S 466,67 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit S 24.663,85 bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (hievon S 1.980,35 Umsatzsteuer und S 2.880,-Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der von der Firma C D ausgestellte, an die klagende Partei indossierte und von der beklagten Partei akzeptierte Wechsel weist folgenden Wortlaut auf:

"1010 Wien, den 19.September 1983 Zahlungsort

1050 Wien

Gegen diesen Wechsel - erste Ausfertigung - zahlen

sie am 19.Dezember 1983

an Order eigene S 140.000,--

Bezogener: B Handelsgesellschaft m.b.H.,

Kettenbrückengasse 11, 1050 Wien

Zahlbar bei H***-B***-Wien

Filiale Gudrunstraße 121

in 1100 Wien, Konto ....

E D

210 Grand Rue B.P.157

67500 D"

Die klagende Partei begehrt als durch Indossament ausgewiesene

Wechselinhaberin den Betrag von S 140.000 s.A.

Die beklagte Partei beantragt Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, der Wechsel sei ungültig, weil er zwei Zahlungsorte, 1050 Wien und 1100 Wien, aufweise.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Der Wechsel weise zwei verschiedene Zahlungsorte auf und sei somit ungültig. Grundsätzlich bezeichne zwar der Zahlungsort die gesamte politische Gemeinde; bei Angabe eines Ortsteils sei die ganze Gemeinde Zahlungsort im Sinne des Wechselgesetzes. Diese Grundsätze könnten jedoch dann keine Anwendung finden, wenn die Vorschreibung zweier voneinander klar abgegrenzter und unterschiedener Ortsteile ein und derselben Gemeinde eine für den Verpflichteten unklare Situation schaffe. Zahlungsort sei "1050 Wien", andererseits sei die Zahlstelle in "1100 Wien" gelegen, so daß für den Zahlungspflichtigen zweifelhaft sei, an welchem Ort er die Valuta im Zeitpunkt des Verfalls des Wechsels bereitzuhalten habe. Dies habe die Ungültigkeit des Wechsels zur Folge.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Es erklärte die Revision für zulässig. Es entspreche herrschender Lehre und Rechtsprechung, daß ein Wechsel mit mehreren Zahlungsorten ungültig sei. Das Gesetz verlange nirgends, daß der Zahlungsort immer eine politische Gemeinde sein müsse. Es genüge die Angabe eines Ortsteils, zumal wenn er sich postalisch unter diesem Namen eingebürgert habe. So könnten auch Stadtbezirke oder Vororte als Zahlungsorte angegeben werden. Der Wechsel enthielte jedenfalls dann zwei Zahlungsorte, wenn als solche Wien-Margarethen und Wien-Favoriten angeführt worden wären. Dies müsse auch dann gelten, wenn anstelle einer solchen namentlichen Bezeichnung eine nach der Postleitzahl trete. Dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, daß der Zahlungsort nur mit einem Namen, nicht aber auf andere Weise, etwa durch Postleitzahlen, bezeichnet werden dürfe. Da der Domiziliat nur am Zahlungsort genannt werden dürfe, habe die Bestimmung der Zahlstelle an einem anderen Ort als dem Zahlungsort (1050 Wien) in 1100 Wien die Ungültigkeit des Wechsels zur Folge.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision der klagenden Partei kommt Berechtigung zu.

Gemäß Art 1 Z 5 WG hat jeder gezogene Wechsel die Angabe des Zahlungsortes zu enthalten, in Ermangelung dieser Angabe gilt der beim Namen des Bezogenen angegebene Ort als Zahlungsort (Art 2 Abs. 3 WG). Nach einheitlicher Rechtsprechung und Lehre ist ein Wechsel mit mehreren Zahlungsorten ungültig (8 Ob 505/83; 2 Ob 590/79; 6 Ob 39/74; SZ 35/117; SZ 31/132; Stanzl, Wechsel-, Scheck- und sonstiges Wertpapierrecht 30; Baumbach-Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz 14 Art 1 Rz 10; Stranz, Wechselgesetz 14 Art 1 Anm 13; Staub-Stranz, Kommentar 13 Art 1 Anm 39; Jacobi, Wechsel- und Scheckrecht 436; Quassowski-Albrecht, Wechselgesetz Art 1 Rz 26). Sind zwei oder mehrere Zahlungsorte genannt, weiß der Inhaber nicht, wo er den Wechsel vorlegen, der Bezogene nicht, wo er die Zahlung bereithalten soll; eine solche Unklarheit ist für das Wechselrecht unerträglich (SZ 31/132). Auch eine Zahlstelle darf nur am Zahlungsort benannt werden, andernfalls hat der Wechsel zwei Zahlungsorte und ist ungültig (8 Ob 505/83; SZ 35/117; SZ 31/132; Quassowski-Albrecht a.a.O. Art 5 Rz 6; vgl. auch Hueck-Canaris, Recht der Wertpapiere 11 58; Staub-Stranz a. a.O. Art 1 Anm. 40). Unter dem Zahlungsort wird in Lehre und Rechtsprechung ganz überwiegend eine Ortschaft oder politische Gemeinde verstanden (Baumbach-Hefermehl a.a.O. Art 1 Rz 10: Stranz a. a.O. Art 1 Anm. 14; Quassowski-Albrecht a.a.O. Art 1 Rz 23; Jacobi a. a.O. 438; Staub-Stranz a.a.O. Art 1 Anm. 35). Bei Angabe eines Ortsteils einer politischen Gemeinde erachten Staub-Stranz a.a.O. Art 1 Anm. 36 und Stranz a.a.O. die ganze Gemeinde als Zahlungsort. In diesem Sinne sind wohl auch die Ausführungen von Stanzl a.a.O. 30 zu verstehen, wenn er bei einem in Wien ausgestellten, auf "Herrn Franz F, XIX, Franz Klein-Gasse 1" gezogenen Wechsel Wien (und nicht Wien 19) als Zahlungsort annimmt. Jacobi führt a.a.O. 439 aus, das Gesetz verlange nicht, daß der Zahlungsort immer eine politische Gemeinde sein müsse. Wenn eine in sich abgegrenzte Ortschaft verkehrsüblich als selbständiger Ort betrachtet und mit eigenem Namen bezeichnet werde, müsse die Angabe genügen, namentlich wenn sie sich postalisch eingebürgert habe. Danach könnten auch Teile einer politischen Gemeinde, die einen geschlossenen Charakter haben wie Stadtbezirke oder Vororte, als Zahlungsort angegeben werden; sie seien dann in den Grenzen, die sich aus der verkehrsmäßigen Bezeichnung ergeben, Zahlungsorte.

Das Berufungsgericht wertete die Beifügung der Postleitzahl 1050 zum Zahlungsort Wien als Einschränkung des Zahlungsortes auf den

5. Wiener Gemeindezirk Margarethen. Ob nicht ohnehin bei Angabe eines Teils einer politischen Gemeinde im Sinne der Rechtsmeinung von Stranz und Staub-Stranz die politische Gemeinde als Zahlungsort zu gelten habe, kann dahingestellt bleiben, weil jedenfalls durch die bloße Beifügung der Postleitzahl (1050) zum Zahlungsort eine Einschränkung des im Wechsel angegebenen Zahlungsortes Wien auf dessen Bezirk Margarethen nicht bewirkt wurde. Gemäß § 95 Postordnung, BGBl. 1957/110 (vgl. Post- und Telegraphenverordnungsblatt 1984/5), hat die auf einer Postsendung angegebene Anschrift den Empfänger, die Abgabestelle, den Bestimmungsort und diesem vorangesetzt die Postleitzahl des zuständigen Abgabepostamts zu enthalten. Die Postleitzahl stellt demnach einen Teil der auf einer Postsendung anzubringenden Anschrift dar. Sie soll der leichteren Ermittlung des zuständigen Abgabepostamts und damit der effizienteren Zustellung von Postsendungen dienen. Aus ihr kann auch der Ort bzw. Ortsteil, in dem das Abgabepostamt gelegen ist, ermittelt werden. Innerhalb eines Orts bzw. Ortsteils (zB Wien 23; Linz, Graz) können aber auch mehrere Postämter mit unterschiedlichen Postleitzahlen eingerichtet sein; zwischen den einzelnen Postamtssprengeln müssen keineswegs historisch gewachsen oder örtlich sichtbare Grenzen bestehen; nur in Wien hat es sich, wahrscheinlich wegen der Übereinstimmung der Grenzen der Zustellpostämter mit den Grenzen der Bezirke 1 bis 22 eingebürgert, daß an die Stelle der Bezirksbezeichnung die Postleitzahl des Bezirks gesetzt wird, ohne daß dies aber als allgemein bekannt vorausgesetzt werden könnte. Mit Recht macht der Revisionswerber daher geltend, daß der Beifügung einer Postleitzahl zu dem im Wechsel angegebenen Zahlungsort wechselrechtliche Bedeutung nicht zukommt. Enthält der Wechsel keine Angabe des Zahlungsorts, so gilt gemäß Art 2 Abs. 3 WG, der nur eine Ergänzung des Art 1 darstellt (Jacobi a.a.O. 438 FN 6), der beim Bezogenen angegebene Ort als Zahlungsort. Die Bezeichnung des Bezogenen, die sogenannte Wechseladresse, erfolgt im kaufmännischen Verkehr vielfach - obgleich dies vom Gesetz nicht gefordert wird - unter Beifügung der näheren Anschrift (Kapfer, Handkommentar 34; Stranz a. a.O. Art 1 Anm. 7); Unrichtigkeiten in der Angabe der Anschrift schaden jedoch nicht, wenn dadurch nicht der Zahlungsort unklar wird (RGZ 60, 426; Kapfer a.a.O. 34; Jacobi a.a.O. 439). Wird der Anschrift des Bezogenen die Postleitzahl beigefügt, ist sie als Teil der Anschrift anzusehen. Die Angabe eier falschen Postleitzahl bewirkt daher ebensowenig wie die Angabe einer falschen Anschrift, daß ein solcher Wechsel wegen Angabe zweier Zahlungsorte ungültig wäre; die Postleitzahl schränkt vielmehr ebensowenig wie die Angabe der näheren Anschrift den beim Bezogenen angegebenen Zahlungsort ein. Gleiches muß gelten, wenn der Wechsel einen Zahlungsort enthält und diesem die Postleitzahl beigesetzt wurde. Nur diese Auffassung wird dem Verkehrsbedürfnis gerecht. Wollte man der Beifügung der Postleitzahl die von den Vorinstanzen angenommene Bedeutung zuerkennen, müßte ein Wechsel, der neben dem Zahlungsort eine unrichtige Postleitzahl aufweist (zB Zahlungsort Wien, Postleitzahl für Wiener Neustadt), als ungültig erachtet werden, weil dann angenommen werden müßte, daß der Wechsel zwei Zahlungsorte enthält. Dem Erwerber des Wechsels wäre damit - insbesondere wenn der Wechsel, wie im vorliegenden Fall, auch im Ausland zirkuliert - eine unzumutbare Prüfungspflicht aufgebürdet, die die Zirkulationsfähigkeit des Papiers dessen Wesen widersprechend beeinträchtigen würde; die durch die Postleitzahl bestimmten Postamtssprengel werden dem Erwerber eines Wechsels in aller Regel nicht bekannt sein. Als Zahlungsort des vorliegenden Wechsels gilt daher nur Wien. Durch die Beifügung einer Zahlstelle in 1100 Wien wurde dann aber kein zweiter Zahlungsort benannt, so daß der Wechsel als gültig zu erachten ist.

Demzufolge ist der Revision Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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