OGH 1Ob29/77

OGH1Ob29/7712.4.1978

SZ 51/45

Normen

AHG §1
AHG §1

 

Spruch:

Der Abschluß von Beförderungsverträgen durch ein Organ eines Rechtsträgers im Sinne des § 1 AHG mit einem Unternehmer ist auch dann keine Tätigkeit der Hoheitsverwaltung, wenn der mit den Beförderungsverträgen verfolgte Zweck der Erfüllung von Aufgaben dient, die in das Gebiet der Hoheitsverwaltung fallen

OGH 12. April 1978, 1 Ob 29/77 (LG Klagenfurt 2 R 441/77; BG Villach 7 C 342/77)

Text

Der Kläger, ein Autounternehmer, hat im Schuljahr 1975/76 den täglichen Hin- und Rücktransport von Sonderschülern im Gemeindegebiet F durchgeführt. Diese Schulbusfahrten wurden von der Gemeinde befürwortet und von der Finanzlandesdirektion für Kärnten genehmigt. Der Kläger behauptet, über Auftrag des beklagten Schuldirektors, an jedem Dienstag und Samstag in der Zeit vom 8. September 1975 bis 13. Feber 1976 eine zusätzliche Heimfahrt durchgeführt zu haben, die jedoch weder von der Kärntner Landesregierung noch der Gemeinde F bezahlt worden sei, weil der Beklagte diese zusätzlichen Fahrten eigenmächtig und wider besseres Wissen angeschafft habe. Er verlangt nun mit der vorliegenden, beim örtlich zuständigen Bezirksgericht eingebrachten Klage vom Beklagten das Entgelt für diese Fahrten in Höhe von 11 200 S samt Anhang.

Der Beklagte wendete bei der ersten Tagsatzung Unzulässigkeit des Rechtsweges ein, weil ein Amtshaftungsfall vorliege.

Das Erstgericht wies die Klage unter Nichtigerklärung des bisherigen Verfahrens zurück; der Beklagte habe bei der Erstellung des Stundenplanes in Vollziehung der Gesetze gehandelt; demnach liege ein Amtshaftungsfall vor.

Das Rekursgericht verwarf in Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges. § 30 f. Familienlastenausgleichsgesetz i. d. F. des Bundesgesetzes vom 9. Juli 1975, BGBl. 284/1972, der die Finanzierung von Schülertransporten regle, sehe vor, daß der Bundesminister für Finanzen mit Unternehmen des öffentlichen Verkehrs oder mit solchen Verkehrsunternehmen, die Schüler im Gelegenheitsverkehr zur und von der Schule befördern, Verträge abschließen könne, in denen der Bund die Kosten der Schülerbeförderung übernehme. Gemäß § 30 f. Abs. 5 FamLAG könne der Abschluß eines derartigen Vertrages davon abhängig gemacht werden, daß der Schulerhalter die Notwendigkeit der Schülerbeförderung bestätige. Schulerhalter sei bei Volks- und Sonderschulen die Gemeinde, in deren Sprengel die Schule liege (§ 2 Abs. 1 Z. 1 des Kärntner Schulgesetzes 1967). Aus dieser gesetzlichen Regelung ergebe sich, daß der Bund in diesem Bereich nicht in Ausübung der Hoheits-, sondern im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung tätig sei. Nach dem Klagsvorbringen habe der Beklagte in seiner Eigenschaft als Schuldirektor und somit als Organ des Bundes den Auftrag zur Durchführung zusätzlicher Schülertransporte gegeben. Da die entfaltete Tätigkeit zum Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung gehöre, unterliege der Entgeltanspruch nicht den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes, sondern es liege eine bürgerliche Rechtssache vor, für die der ordentliche Rechtsweg ohne Einschränkung zulässig sei. Daran vermöge auch die vom Erstgericht ohne aktenmäßige Deckung angenommene verfehlte Stundenplanerstellung als Ursache der zusätzlichen Schülertransporte nichts zu ändern. Ob der Beklagte persönlich für die Kosten der zusätzlichen Schülerbeförderungen hafte, sei eine im Rechtsstreit zu lösende Frage des materiellen Rechtes.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Amtshaftungsgesetz räumt gegen die im § 1 genannten Rechtsträger einen unmittelbaren Anspruch auf Ersatz des Schadens ein, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt habe. Gleichzeitig schließt es eine Haftung des Organes dem Geschädigten gegenüber aus. Als verfahrensrechtliche Folge dieses Haftungsausschlusses normiert § 9 Abs. 5 AHG, daß der Geschädigte den Ersatz des Schadens, den ihm ein Organ eines im § 1 AHG genannten Rechtsträgers in Vollziehung des Gesetzes zugefügt hat, gegen das Organ im ordentlichen Rechtsweg nicht geltend machen kann. Eine dennoch gegen das Organ selbst gerichtete Klage wegen eines Amtshaftungsanspruches ist wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges in jeder Lage des Verfahrens von Amtswegen oder auf Antrag zurückzuweisen (Fasching I, 111; Loebenstein - Kaniak, Komm. zum AHG, 109; SZ 36/115, EvBl. 1971/295 u. a.), In Vollziehung der Gesetze handelt ein Organ, wenn es im Rahmen der Gerichtsbarkeit oder der Hoheitsverwaltung tätig wird (Loebenstein - Kaniak a. a. O., 40 ff.). Im Gegensatz dazu steht die Wirtschaftsverwaltung, deren maßgebendes Merkmal die grundsätzliche rechtliche Gleichordnung der Körperschaften des öffentlichen Rechtes mit den anderen Rechtssubjekten ist; in diesem Bereich besitzen die öffentlichen Körperschaften keine Befehls- und Zwangsgewalt (Adamovich, Handbuch des Österr. Verw. R.[5] I, 8 ff.; SZ 45/134; SZ 41/2; SZ 27/256; JBl. 1970, 152; JBl. 1973, 155 u. a.). Bei Ansprüchen aus der privatwirtschaftlichen Tätigkeit der Gebiets- und sonstigen Körperschaften öffentlichen Rechtes ist der Rechtsweg ohne die Einschränkungen des Amtshaftungsgesetzes sowohl gegen die Rechtsträger wie auch gegen die handelnden Organe selbst zulässig (Fasching I, 110; Loebenstein - Kaniak a. a. O., 110; SZ 37/72; 42/188; SZ 23/39; JBl. 1965, 157; Arb. 8173 u. a.).

Für die Entscheidung der Frage, ob der Kläger einen Anspruch geltend macht, dessen Durchsetzung im ordentlichen Rechtsweg zulässig ist, sind die Tatsachen maßgebend, auf welche der Kläger seinen Anspruch stützt; dies ist auf Grund des gesamten Klagevorbringens zu beurteilen (Fasching I, 260; SZ 44/122; MietSlg. 23 613; EvBl. 1971/295 u. a.). Im vorliegenden Fall nimmt der Kläger den Beklagten aus einer Tätigkeit im Zusammenhang mit den täglichen Hin- und Rücktransport von Schülern mit der Behauptung in Anspruch, der Beklagte habe "eigenmächtig", d. h. hier offenbar nicht im Rahmen der ihm als Schuldirektor zustehenden Befugnisse gehandelt. Der Abschluß von Beförderungsverträgen durch eine Gebietskörperschaft mit einem privaten Unternehmer gegen Entgelt ist keine Tätigkeit der Hoheitsverwaltung. Hier tritt die Gebietskörperschaft ihrem Vertragspartner wie jedes andere Privatrechtssubjekt gleichberechtigt und nicht als Träger staatlicher Gewalt gegenüber. Daß der mit den Beförderungsverträgen hier verfolgte Zweck, nämlich die Schülerbeförderung, der Erfüllung von Aufgaben dient, die in das Gebiet der Hoheitsverwaltung fallen mag, ändert nichts daran, daß die vertraglichen Beziehungen zwischen Beförderungsunternehmen und Gebietskörperschaft privatrechtlicher Natur sind. Mit der vorliegenden Klage wird daher kein dem Amtshaftungsgesetz unterliegender Anspruch gegen den Beklagten als Organ einer Gebietskörperschaft geltend gemacht, weshalb der Rechtsweg zulässig ist.

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