OGH 1Ob251/11k

OGH1Ob251/11k31.1.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** F*****, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei O***** GmbH, *****, vertreten durch Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, sowie die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei M***** AG, *****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 6.000 EUR), über die Revisionen der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 22. September 2011, GZ 53 R 238/11y-57, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 25. Mai 2011, GZ 25 C 1348/08i-48, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1.) Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 373,68 EUR (darin 62,28 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

2.) Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 492,56 EUR (darin 82,09 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erwarb aufgrund einer Beratung durch Mitarbeiter der Beklagten (erstmals) 268 M*****-Zertifikate um insgesamt 4.140 EUR. Bei den Beratungsgesprächen wurde dem Kläger, der eine Veranlagung in Aktien nie wollte, eine Veranlagung in M*****-Papieren vorgeschlagen. Diese wurde als seinen Wünschen entsprechende sichere Anlage dargestellt. Er hatte immer betont, er wolle eine sichere Veranlagung seines Geldes. In ein von einem Mitarbeiter der Beklagten ausgefülltes „Beratungsprotokoll-Anlegerprofil“ wurde als Grund für die beabsichtigte Kapitalanlage das Wort „Vermögensaufbau“ eingesetzt und in der Niederschrift unter anderem festgehalten: „Kunde entscheidet sich für eine konservative Kapitalanlage mit Gewinnaussicht“. Beim zweiten Gesprächstermin am 24. 11. 2005 unterfertigte der Kläger auch einen Konto- und Depoteröffnungsantrag/Kaufauftrag. Ihm wurde auch ein Prospekt zu M***** ausgehändigt; ob ihm auch eine Unterlage mit Risikohinweisen ausgehändigt wurde, ist nicht feststellbar. Wenn der Kläger gewusst hätte, dass es sich bei den Papieren um Aktien bzw gleich riskante Zertifikate handelt, hätte er den Ankauf nicht getätigt. Andere Produkte wurden ihm bei den Beratungsgesprächen nicht vorgestellt. In der Folge übersandte ihm die Depotbank regelmäßig Kontoauszüge, in denen ausgewiesen wurde, dass er bei seinem Erstkauf 268 Stück „M*****-Aktien“ erworben habe. Im Oktober 2006 und im Februar 2007 schlug ihm die Depotbank, jeweils im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung, den Erwerb weiterer „Aktien“ zu einem Vorzugspreis vor, worauf er am 27. 10. 2006 weitere 36 Stück und am 5. 2. 2007 weitere 60 Stück der Papiere erwarb. Vor diesen Zukäufen holte er keine Erkundigungen bei der Beklagten oder deren Mitarbeitern ein oder nahm deren Beratung in Anspruch.

Der Kläger begehrte nun unter Hinweis auf Beratungsfehler der Mitarbeiter der Beklagten die Feststellung, dass die Beklagte ihm für alle Schäden hafte, die ihm „aus der mangelhaften und falschen Beratung im Zusammenhang mit dem Ankauf“ von Anteilen der M***** Ltd vom 24. 11. 2005, 27. 10. 2006 und 5. 2. 2007 entstehen. Bei zutreffender Beratung hätte er vom Erwerb Abstand genommen. Der letztendlich entstehende Schaden könne nicht endgültig beziffert werden, da der Kläger die Anteile noch nicht verkauft habe. Damit habe er ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung der Beklagten.

Die Beklagte bestritt jeden Beratungsfehler. Ein Mitverschulden des Klägers liege in der Missachtung der Risikohinweise. Er hätte die Papiere auch spätestens nach Erhalt des Depotauszugs Ende 2005 als „Aktien“ erkennen und noch gewinnbringend verkaufen können. Ein möglicherweise entstandener Schaden liege auch außerhalb des Rechtswidrigkeitszusammenhangs allenfalls übertretener Normen. Der behauptete Schaden des Klägers sei auf Malversationen im Umfeld der M***** Ltd zurückzuführen, die zu Kurseinbrüchen geführt hätten. Ein derartiges unvorhersehbares Ereignis könne einem Finanzdienstleister nicht vorgeworfen werden. Weiters könne die Beklagte für allfällige mit den späteren Nachkäufen entstehenden Verluste nicht verantwortlich gemacht werden, da diese Zukäufe ohne ihre Beteiligung vom Kläger selbst bei der Depotbank in Auftrag gegeben worden seien.

Das Erstgericht stellte die Haftung der Beklagten für alle Schäden, die dem Kläger aus der mangelhaften und falschen Beratung im Zusammenhang mit dem Ankauf von 268 Stück Anteilen der M***** Ltd vom 24. 11. 2005 entstehen, fest und wies das darüber hinausgehende Klagebegehren ab. Eine Feststellungsklage sei zulässig, wenn der Anleger die erworbenen Papiere nach wie vor halte. Eine Haftung für die späteren Zukäufe bestehe allerdings nicht, habe sich der Kläger dazu doch ganz alleine entschieden und die Folgen dieser Entscheidung selbst zu verantworten. Irgendeine diesbezügliche fehlerhafte Beratung scheide schon im Hinblick darauf aus, dass die Beklagte vor den Nachkäufen gar nicht kontaktiert worden sei. Im Übrigen sei das Klagebegehren hingegen berechtigt, habe die empfohlene und durchgeführte Veranlagung in einem einzigen Produkt, und zwar den M*****-Zertifikaten, doch nicht dem ausdrücklich festgehaltenen und festgestellten Wunsch des Klägers nach einer „konservativen“ Veranlagung entsprochen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Der Oberste Gerichtshof habe in mehreren Entscheidungen zur Anlageberaterhaftung das für eine Feststellungsklage nach § 228 ZPO notwendige rechtliche Interesse bejaht. Dabei sei ein Leistungsbegehren mangels Bezifferbarkeit der geltend gemachten Schäden abgewiesen worden. Wenngleich nicht verkannt werde, dass über eine schadenersatzrechtliche Naturalrestitution („einschließlich“ Ersatz des entgangenen Gewinns aus einer Alternativanlage) die eingetretenen Schäden zur Gänze abgegolten werden könnten, so müsse es doch dem Anleger überlassen bleiben, ob er sich vorerst zu einem Behalten der Wertpapiere entschließt, um die weitere Kursentwicklung abzuwarten. Das Erstgericht habe zu Recht einen Beratungsfehler angenommen, der zur ersten Anlageentscheidung geführt habe. Auch der Adäquanz- und Rechtswidrigkeitszusammenhang des Schadens mit der fehlerhaften Beratung seien zu bejahen, habe doch vom Kläger nicht erwartet werden können, er werde die Empfehlung der Mitarbeiter der Beklagten bei Zusendung des ersten Depotauszugs auf eine allfällige Fehlberatung hin überprüfen, zumal er keine Erfahrungen mit Wertpapieren, Aktien oder sonstigen Anlageformen gehabt hatte. Es könne ihm auch kein Mitverschulden angelastet werden, wenn er nach Zusendung des ersten Depotauszugs und dann auch der Schreiben mit dem Angebot zum Erwerb weiterer „Aktien“ die Beklagte nicht kontaktiert und die nicht gewollten „Aktien“ nicht sofort wieder verkauft habe. Eine allfällige Verletzung seiner Schadensminderungspflicht wegen des nicht unverzüglichen Verkaufs der Papiere könnte zu keinem quotenmäßig zu fassenden Mitverschulden im Zusammenhang mit einer Feststellungsklage führen. Hingegen erscheine es nicht gerechtfertigt, die Beklagte auch mit Schäden aufgrund der Aktienzukäufe zu belasten. Bei der Beurteilung der Haftung eines Anlageberaters sei immer auf die konkrete Beratungstätigkeit abzustellen, also hier die (erstmalige) Veranlagung eines Betrags von ungefähr 4.000 EUR im November 2005. Im Zusammenhang mit den Zukäufen habe die Beklagte keine Beratungstätigkeit entfaltet, womit ihr der Kläger letztlich die Möglichkeit genommen habe, zu diesem Zeitpunkt allenfalls auch andere Empfehlungen abzugeben. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil sowohl zur Bejahung des Feststellungsinteresses im vorliegenden Fall und insbesondere auch zur Frage einer Verkaufsverpflichtung - soweit überblickbar - keine gesicherte oberstgerichtliche Rechtsprechung bestehe. Das gelte auch für die Frage, ob und wie bei einem Feststellungsbegehren ein allfälliges Mitverschulden des Klägers durch Verletzung einer Verkaufsverpflichtung bereits zu berücksichtigen ist. Auch mit den Voraussetzungen einer Haftung des Anlageberaters aufgrund einer Fehlberatung für selbstständige Aktiennachkäufe durch den Anleger habe sich das Höchstgericht bisher noch nicht zu befassen gehabt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Klägers erweist sich als unzulässig, jene der Beklagten als zulässig, aber nicht berechtigt.

1.) Zur Revision des Klägers:

Wenn der Kläger die Auffassung vertritt, die Beklagte habe für Schäden anlässlich seiner Zukäufe deshalb zu haften, weil er sich dazu gerade deshalb entschlossen habe, weil ihm diese von deren Beratern empfohlen worden war, geht er von einem Sachverhalt aus (einmalige Fehlberatung/mehrere dadurch ausgelöste Anlageentscheidungen), der vom Wortlaut seines Begehrens nicht gedeckt ist. Soweit die Vorinstanzen sein Feststellungsbegehren abgewiesen haben, machte er die Haftung der Beklagten wegen mangelhafter und falscher Beratung „im Zusammenhang mit dem Ankauf“ von Anteilen der M***** Ltd am 27. 10 2006 und 5. 2. 2007 geltend. Hat es nun aber nach den Feststellungen der Vorinstanzen im Zusammenhang mit den genannten Kaufaufträgen gar keine (weitere) Beratung durch Mitarbeiter der Beklagten gegeben, kann diese auch nicht mangelhaft und/oder falsch gewesen sein und zu einem Schaden geführt haben.

Zutreffend haben die Vorinstanzen aber auch berücksichtigt, dass dem Kläger nach dem Erwerb der ersten Wertpapiere von der Depotbank regelmäßig Kontoauszüge übermittelt wurden, die die Papiere als „Aktien“ bezeichneten, und den späteren Zukäufen jeweils Angebote der Depotbank zugrundelagen, sich an Kapitalerhöhungen zu beteiligen und weitere „Aktien“ zu erwerben. Damit war die von der Beklagten beim ersten Erwerb vorwerfbar herbeigeführte Fehleinschätzung des Wesens der Papiere (und des damit notwendigerweise verbundenen Risikos eines Wertverlusts) vor seinen weiteren Investitionsentscheidungen mehrfach aufgeklärt worden. Unter diesen Umständen fehlt es an ausreichenden Zurechnungsgründen zur vorangegangenen Fehlberatung, zumal auch die Beklagte davon ausgehen konnte, dass der Kläger nach dem typischerweise zu erwartenden Lauf der Dinge von der Depotbank Informationen über die Art der erworbenen Papiere erhalten werde, was ja auch geschehen ist.

Haben die Vorinstanzen nun das die beiden späteren Zukäufe betreffende Begehren mit dem Argument abgewiesen, dass im Zusammenhang damit keine Beratung durch Mitarbeiter der Beklagten stattgefunden hat - was der Kläger in seiner Revision auch gar nicht in Abrede stellt - und die späteren Zukäufe der Beklagten nicht mehr zurechenbar seien, hatten sie weder eine im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage zu lösen, noch kann dem Berufungsgericht eine unvertretbare Fehlbeurteilung vorgeworfen werden, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste.

2.) Zur Revision der Beklagten:

Die Beklagte zieht in ihrer Revision ihre Haftung dem Grund nach nicht mehr in Zweifel. Sie wirft dem Berufungsgericht lediglich vor, zu Unrecht vom Vorliegen eines Feststellungsinteresses ausgegangen zu sein und ein Mitverschulden des Klägers bzw eine Verletzung der Schadensminderungspflicht nicht berücksichtigt zu haben.

Wie bereits das Berufungsgericht aufgezeigt hat, werden in der Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Möglichkeit, in den Anlageberatungsfällen ein Feststellungsbegehren zu erheben, verschiedene Ansätze vertreten. Teilweise wurde die Feststellungsklage im Hinblick auf den vor Verkauf der Papiere noch nicht bezifferbaren Geldersatzanspruch des Anlegers als mögliches - bzw sogar gebotenes - verfahrensrechtliches Instrument angesehen (9 Ob 53/03i). Später wurde formuliert, der Kläger sei auf einen Feststellungsanspruch zu verweisen, sofern er nicht entweder versucht, Naturalrestitution zu erlangen oder die Papiere verkauft (8 Ob 123/05d = SZ 2006/28; vgl auch 9 Ob 32/08h), womit offenbar ein Wahlrecht zwischen einer Leistungsklage auf Naturalrestitution und einer Feststellungsklage im Hinblick auf den - erst später feststellbaren - rechnerischen Schaden angenommen wurde. In jüngerer Zeit wurde immer wieder ein Feststellungsinteresse des Anlegers mit dem Argument verneint, dass ihm mit seinem Anspruch auf Naturalrestitution ein Weg offen stehe, den Schadensausgleich mit Leistungsklage geltend zu machen, womit das Feststellungsinteresse fehle (6 Ob 103/08b, 6 Ob 9/11h; s dazu auch M. Bydlinski, Zum Schadenersatz bei volatilen Vermögenswerten, JBl 2011, 681, 683 f; Kodek, Ausgewählte Fragen der Schadenshöhe bei Anlegerschäden, ÖBA 2012, 11, 12, der die anderen Ansätze als „wohl überholt“ bezeichnet). Die Begründung dieser Entscheidungen - die auf die materiellrechtliche Frage des Verhältnisses von Naturalrestitution zu Geldersatz nicht eingehen - ist regelmäßig kurz. Formuliert wird etwa, die Möglichkeit der Leistungsklage verdränge bei gleichem Rechtsschutzeffekt die Feststellungsklage (6 Ob 9/11h) bzw aufgrund der Subsidiarität des Feststellungsbegehrens bleibe für eine Feststellungsklage kein Raum, soweit bereits ein [schadenersatzrechtlicher] Anspruch auf Rückabwicklung des abgeschlossenen Geschäfts bestehe (6 Ob 103/08b). Der Bundesgerichtshof hat - wenn auch zu einem Schadenersatzanspruch gegen den Partner des Anlagevertrags (und dessen Organe) - ausgesprochen, ein Anspruch auf Naturalrestitution sei entgegen der Ansicht des dortigen Berufungsgerichts nicht ausgeschlossen, vielmehr habe der Anleger, der ohne die Fehlinformation die Aktien nicht erworben hätte, gemäß § 249 Abs 1 BGB Anspruch auf Geldersatz in Höhe des für den Aktienerwerb aufgewendeten Kaufpreises gegen Übertragung der erworbenen Rechtspositionen auf die Schädiger (NJW 2005, 2450, 2451); es sei für den geschädigten Anleger aber auch zulässig, sich auf die alternativ bestehende Möglichkeit der Geltendmachung des Differenzschadens zu beschränken (aaO 2452 f).

Dass die Leistungsklage auf Naturalersatz und die auf späteren Geldersatz gerichtete Feststellungsklage den gleichen Rechtsschutzeffekt haben, bestreitet der Revisionsgegner, wenn er ausführt, es wäre ihm nicht möglich gewesen, auf „Naturalrestitution durch Zug-um-Zug-Rückabwicklung und auf Ersatz des entgangenen Gewinns“ zu klagen. Dem ist insoweit zu folgen, als auch mit einem Begehren auf schadenersatzrechtliche Naturalrestitution, mit dem das aufgrund der Fehlberatung ungewollt zustandegekommene Geschäft im Verhältnis zum Berater „rückgängig gemacht“ werden soll, der Geschädigte lediglich von den ungewünschten Papieren befreit und durch Zahlung eines dem seinerzeitigen Erwerbspreis entsprechenden Geldbetrags so gestellt würde, wie er stünde, wenn das Anlagegeschäft nicht zustandegekommen wäre. Nicht ausgeglichen wäre damit hingegen jener (typischerweise noch nicht bezifferbare) Vermögensvorteil, der ihm gegebenenfalls zugekommen wäre, wenn er den zu veranlagenden Betrag in eine seinem Wunsch nach Sicherheit entsprechende Alternativanlage investiert hätte. Es ist auch weitgehend anerkannt, dass der fehlberatene Anleger mit seinem Ersatzanspruch nicht auf die Differenz zwischen dem seinerzeit getätigten Kapitaleinsatz und dem späteren Wert der erworbenen Papiere beschränkt ist, sondern dass im Rahmen einer Gesamtbetrachtung regelmäßig auch ein darüber hinausgehender Vermögensschaden zu ersetzen ist, sofern die von ihm ohne die unterlaufene Fehlberatung gewählte Alternativanlage einen Ertrag abgeworfen hätte (vgl dazu nur Kodek aaO ÖBA 2012, 22 f mN der einschlägigen Judikatur).

Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Kläger eine „konservative Kapitalanlage mit Gewinnaussicht“ wollte. Schon deshalb kann sein Begehren auf Feststellung der Haftung für alle Schäden aus der mangelhaften und falschen Beratung im Zusammenhang mit dem Ankauf vom 24. 11. 2005 vernünftigerweise nur so verstanden werden, dass davon auch allfällige Nachteile aus einer (gewinnträchtigen) Alternativanlage erfasst werden sollen. Selbst wenn man sich jener Auffassung anschließen wollte, die einen Vorrang der Leistungsklage auf Naturalrestitution gegenüber einer Feststellungsklage „mit gleichem Rechtsschutzeffekt“ annimmt, könnte das rechtliche Interesse des Klägers im Sinne des § 228 ZPO an einer Feststellung der Ersatzpflicht für die versäumten Gewinne aus einer Alternativanlage jedenfalls nicht geleugnet werden.

Aber auch im Übrigen scheint dem erkennenden Senat die rechtsdogmatische Diskussion noch nicht abgeschlossen zu sein, zumal in der jüngeren Literatur - überwiegend auf materiellrechtlicher Ebene - mehrfach Bedenken gegen einen Anspruch auf Naturalersatz (durch „Rückabwicklung“) bzw Vorrang gegenüber dem Geldersatzanspruch in den Fällen der Beraterhaftung geäußert wurden (s etwa Krejci, GesRZ 2011, 193, 205; Linder, Entscheidungsanmerkung, ZFR 2006, 104; M. Bydlinski aaO JBl 2011, 684 ff; Trenker, wbl 2010, 618 FN 22 ua). Soweit dem geschädigten Anleger nach materiellrechtlichen Grundsätzen das Recht zustehen sollte, zwischen Geldersatz und Naturalersatz zu wählen oder nach erfolgloser Geltendmachung von Naturalersatz auf einen Differenzanspruch in Geld „umzusteigen“, müsste ihm im prozessualen Kontext auch die Möglichkeit gewährt werden, zur Vorbereitung der späteren Geltendmachung eines noch nicht bezifferbaren Geldersatzanspruchs die maßgeblichen Fragen der Haftung dem Grunde nach in einem Feststellungsprozess klären zu lassen. Einem Geschädigten, der materiell berechtigt ist, Geldersatz zu verlangen, könnte das rechtliche Interesse an einer Feststellung der Ersatzpflicht des Schädigers nicht mit dem Argument abgesprochen werden, wenn er auf Geldersatz verzichtet und sich auf den Naturalersatz verweisen lässt, falle sein Feststellungsinteresse weg (vgl dazu M. Bydlinski aaO 685).

In den meisten Fällen einer wegen einer Fehlberatung dem (ausreichend artikulierten) Anlegerwillen widersprechenden Vermögensinvestition wird der Anleger - nach einer gewissen Überlegungsfrist und unter Umständen nach Einholung rechtlichen Rats - bald nach Erkennen der Nichtübereinstimmung mit seinen Anlagezielen - das wird in den Fällen einer gewünschten sicheren Anlage häufig die (erstmalige) Information über eingetretene Verluste sein - das Anlagegut (in der Regel Wertpapiere) veräußern und dann versuchen, den gegenüber dem eingesetzten Kapital eingetretenen Vermögensverlust im Wege eines Geldersatzanspruchs gegen den Berater durchzusetzen; zumeist werden dem außergerichtliche Aufforderungen zur Wiedergutmachung vorangehen, die gegebenenfalls auch darauf gerichtet sind, die Wertpapiere gegen Zahlung des Erwerbspreises zu übernehmen. Dass in diesen Fällen nur ein Geldersatz - und damit eine Leistungsklage auf Zahlung - in Betracht kommt, wurde in der bisherigen Judikatur nicht in Zweifel gezogen. Fragen des Naturalersatzes stellen sich dann ebenso wenig wie solche nach einer Feststellungsklage im Zusammenhang mit dem „Hauptschaden“ aus der Fehlberatung.

Kaum (s dazu etwa Kodek aaO ÖBA 2012, 14 unter Hinweis auf M. Bydlinski aaO 682 und Leupold/Ramharter, ÖBA 2010, 733 f) erörtert wurde aber bisher die Frage, aus welchen Gründen Anleger, die der Auffassung sind, der Berater habe für Nachteile aus der getroffenen Anlageentscheidung zu haften, die erworbenen Vermögenswerte behalten, obwohl sie erkannt haben, dass sie den besprochenen Anlagezielen nicht entsprechen. Häufig wird es vorkommen, dass der Anleger die ungewünschten Papiere deshalb nicht verkauft und - vor allem auch im eigenen Interesse - auf eine Kurserholung hofft, weil er befürchtet, allfällige Ersatzforderungen beim Schädiger nicht einbringlich machen zu können. Die Gefahr der Uneinbringlichkeit ist - abstrakt gesprochen - umso größer, je mehr derartige Ansprüche gegen denselben Berater erhoben werden und je höher die dabei geltend gemachten Forderungen sind. Wird im Rahmen des Naturalersatzes der gesamte eingesetzte Kaufpreis - wenn auch Zug um Zug gegen Herausgabe der Anlagepapiere - gefordert, so kann diese Forderung schon wegen ihrer Höhe oft weniger leicht einbringlich sein als die bloße Differenz zwischen dem Erwerbspreis und dem Erlös aus einem (auch zu einem späteren Zeitpunkt stattfindenden) Verkauf. Muss der Anleger gar mit der gänzlichen Uneinbringlichkeit rechnen, hat er naheliegenderweise ein besonderes Interesse daran, die (zumindest abstrakte) Chance auf eine zukünftige Wertsteigerung zu erhalten, die gegebenenfalls sogar zur vollständigen Beseitigung eines zwischenzeitig eingetretenen rechnerischen Schadens führen kann. Das Risiko der Insolvenz des Schädigers bezieht Koziol (VR 2011 H 3, 21, 23), der sich mit Banken als Schädiger befasst, in seine Erwägungen nicht ein.

Behält nun ein Anleger die als unerwünscht erkannten Papiere, weil er eine Uneinbringlichkeit seines Differenzanspruchs bei sofortigem Verkauf befürchtet, wäre es jedenfalls nicht sachgerecht, ihn ausschließlich auf eine Art des Schadenersatzes zu verweisen, die für ihn gegenüber der anderen problematischer - und damit untunlich - wäre. Bestimmte Erschwernisse und Nachteile, die mit einem (unbedingten) Vorrang des Naturalersatzanspruchs verbunden wären, wurden in der jüngeren Literatur dargestellt (s nur M. Bydlinski aaO 691 f; vgl auch Kodek aaO 14), insbesondere bei der Betreibung des Anspruchs und dem damit einhergehenden Verlust wirtschaftlicher Beweglichkeit sowie den insgesamt höheren Transaktionskosten. In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass der Vorrang der Naturalrestitution in § 1323 Satz 1 ABGB in erster Linie auf die Beseitigung von Sachschäden abzielt, nicht aber auf den Ersatz von Vermögensschäden bzw das Rückgängigmachen von dem eigentlichen Willen des Geschädigten nicht entsprechenden Rechtsgeschäften (vgl nur Krejci aaO 205; M. Bydlinski aaO 691 ua). Selbst bei grundsätzlichem Bejahen eines solchen Vorrangs wird sich in vielen Fällen die prozessuale und exekutive Verfolgung eines Anspruchs auf Naturalersatz in Form der „Zug-um-Zug-Rückabwicklung“ - anders ist es in der Regel bei Bereitschaft des Schädigers zu einer solchen Form des Schadenersatzes - wegen der damit häufig verbundenen Erschwernisse als für den Geschädigten untunlich erweisen. Dann kann dieser, zu dessen Gunsten der Vorrang des Naturalersatzes an sich geschaffen wurde (vgl nur Reischauer in Rummel ABGB3 § 1323 Rz 1, 7; auch M. Bydlinski aaO 691; RIS-Justiz RS0088999; vgl auch RIS-Justiz RS0112887), stattdessen von vornherein Geldersatz fordern. Ist der Schadenersatzanspruch noch nicht bezifferbar, steht dem Geschädigten dann, wie auch sonst, die Klage auf Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach zu Gebote. Dem gelegentlich erhobenen Einwand, die Zulassung einer Feststellungsklage ermögliche es dem Anleger, das Spekulations- bzw Kursrisiko auf den Anlageberater abzuwälzen (in diesem Sinne etwa Linder, Anm zu 8 Ob 123/05d, ZFR 2006, 104), ist zu entgegnen, dass der Schädiger dies in der Regel dadurch vermeiden kann, dass er dem Geschädigten die Abnahme der Papiere gegen Rückerstattung der Erwerbskosten - und damit die vollständige (außergerichtliche) Schadensbe-seitigung - anbietet, die der Geschädigte regelmäßig nicht ablehnen würde und auch nicht könnte, ohne sich einem späteren Einwand der Verletzung der Schadensminderungspflicht auszusetzen (vgl auch Koziol, VR 2011, H 3, 23 f, 25).

Wie bereits erwähnt, soll der Vorrang der Naturalrestitution in § 1323 ABGB dem Geschädigten auf möglichst einfache Weise vollständigen Ersatz des in seiner Vermögenssphäre eingetretenen Nachteils bringen. Da der Schädiger in aller Regel nicht benachteiligt ist, wenn er stattdessen Wertersatz zu leisten hat, wird dem Geschädigten überwiegend sogar das Wahlrecht zwischen Naturalersatz und Geldersatz (Wertersatz) zugestanden (vgl nur Reischauer in Rummel 3 § 1323 Rz 7 mwN).

Aber sogar in Konstellationen, in denen das Gesetz wegen besonderer Berücksichtigung der Interessen des Schuldners den Vorrang des Naturalersatzes vorsieht, besteht die Möglichkeit für den Gläubiger, stattdessen Geldersatz zu fordern, wenn der Schädiger die Herstellung in natura verweigert. Dies gilt etwa für den Mangelschadenersatz nach § 933a Abs 2 Satz 3 ABGB. Danach kann der Übernehmer wegen des Mangels auch als Schadenersatz zunächst nur die Verbesserung verlangen. Er kann jedoch Geldersatz verlangen, wenn der Übergeber die Verbesserung verweigert oder nicht in angemessener Frist vornimmt. Wenn der Schadenersatzberechtigte nun sogar in jenen Fällen, in denen der Vorrang des Naturalersatzes mit Rücksicht auf die Position des Schädigers vorgesehen ist (s nur P. Bydlinski in KBB3, § 932 ABGB Rz 2 und § 933a ABGB Rz 4), bei Verweigerung einer solchen Ersatzleistung auf den Geldersatz „umsteigen“ kann, muss dies umso mehr im Rahmen des § 1323 Satz 1 ABGB gelten, dem eine besondere Bedachtnahme auf Interessen des Schädigers nicht zu entnehmen ist. Verweigert der Schädiger nun jegliche Ersatzleistung, weil er etwa die ihm vorgeworfene Fehlberatung bestreitet, führt dies jedenfalls zur Möglichkeit des Geschädigten, den Geldersatz zu wählen, auch wenn er den Naturalersatz im Sinne einer „Zug-um-Zug-Rückabwicklung“ vorher nicht ausdrücklich gefordert hat. Steht die Verweigerung jeglicher Ersatzleistung aufgrund einer entsprechenden ernstlichen Erklärung des Schädigers bereits fest, wäre es sinnloser Formalismus, den Kläger zur ausdrücklichen Geltendmachung von Naturalersatz anzuhalten und ihm erst dann Ersatzansprüche in Geld zu gewähren.

Im vorliegenden Fall steht zwar nicht fest, ob die Beklagte vorprozessual zur Ersatzleistung aufgefordert wurde und diese verweigert hat, eine solche (ablehnende) Haltung ist aber spätestens ihren Einwendungen im Verfahren erster Instanz zu entnehmen, in denen sie jegliche Ersatzpflicht leugnete. Damit war der Kläger - selbst unter Annahme des grundsätzlichen Vorrangs des Anspruchs auf Naturalersatz - im Sinne der obigen Ausführungen berechtigt, stattdessen Geldersatz zu fordern bzw im Fall mangelnder Bezifferbarkeit ein entsprechendes Feststellungsbegehren zu erheben. War er damit zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in erster Instanz nicht mehr auf den Naturalersatzanspruch beschränkt, haben die Vorinstanzen zutreffend das Bestehen eines Feststellungsinteresses gemäß § 228 ZPO bejaht. Damit gelangt der Senat zu folgendem Ergebnis:

Hat ein Anlageberater für die nachteiligen Folgen einer Fehlberatung, die zum Erwerb von dem Anlegerwillen nicht entsprechenden Vermögenswerten geführt hat, schadenersatzrechtlich einzustehen, kann der Anleger jedenfalls dann Geldersatz verlangen, wenn der Berater den Naturalersatz (Ersatz des Erwerbspreises gegen Rückstellung der erworbenen Werte) ablehnt oder Schadenersatz überhaupt verweigert. Ist der rechnerische Schaden nicht bezifferbar - etwa weil der Anleger das Erworbene noch hat -, kann er ein auf Feststellung der Geldersatzpflicht gerichtetes Feststellungsbegehren erheben.

Ein Mitverschulden des Klägers wurde von den Vorinstanzen zutreffend verneint. Ob das Nichtlesen von Risikohinweisen ein Mitverschulden des Anlegers begründet, ist schon deshalb ohne Bedeutung, weil nicht festgestellt werden konnte, dass dem Kläger eine Unterlage mit Risikohinweisen ausgehändigt wurde. Ebenso geht der Hinweis darauf ins Leere, dem Kläger sei bewusst gewesen, dass er bei einer Veranlagung in einem gemischten Fonds etwas verlieren könne. Er wurde ja gerade nicht darauf hingewiesen, dass das Risiko der gewählten Anlageform mit der eines Fonds vergleichbar wäre. Vielmehr waren ihm die Papiere als sichere, seinen Wünschen nach konservativer Kapitalanlage entsprechende Anlageform dargestellt worden. Dies durfte er dahin verstehen, dass diese Papiere jedenfalls nicht mit einer Veranlagung in einen solchen gemischten Fonds, bei dem auch Verluste auftreten können, vergleichbar wäre. Jeglichen konkreten Ansatzpunkt für die Beurteilung eines Mitverschuldens lassen die Revisionsausführungen schließlich vermissen, wenn behauptet wird, bereits ein kurzes, Schlagwörter erfassendes Überfliegen der ihm übergebenen Unterlagen hätte dazu geführt, dass der Kläger gemerkt hätte, dass er etwas ganz anderes erworben hat, als er eigentlich wollte. Auf welche Unterlagen und auf welche Schlagwörter die Beklagte hier Bezug nehmen will, wird nicht nachvollziehbar erklärt.

Was letztlich den Einwand der Verletzung der Schadensminderungspflicht durch den Kläger betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass ein solcher in einem Feststellungsprozess fehl am Platz ist, betrifft er doch nicht die Ersatzpflicht des Schädigers dem Grunde nach, sondern nur die Höhe der Ersatzpflicht (vgl RIS-Justiz RS0040783). Im Übrigen mangelt es an jeglichen Ausführungen, inwieweit Nachteile hintangehalten worden wären, wenn der Kläger die Beklagte (gemeint offenbar: vor der Klageerhebung) über das Erkennen der fehlerhaften Beratung informiert hätte. Wenn weiters ausgeführt wird, die Beklagte wäre zumindest „in der Lage gewesen“, dem Kläger zu einem Verkauf zu raten, bleibt ganz offen, welchen Rat die Beklagte dem Kläger zu welchem Zeitpunkt erteilt hätte und ob bzw inwieweit dieser zu einer Schadensverminderung geführt hätte.

3.) Die Kostenentscheidungen beruhen auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO, wobei die Kosten auf Basis des jeweiligen Revisionsinteresses zu berechnen sind, das sich aus der Aufteilung des Gesamtstreitwerts auf die einzelnen Investitionen entsprechend deren jeweiligem Volumen ergibt. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers hingewiesen, sodass ihre Revisionsbeantwortung als zweckentsprechende Rechtsverteidigungsmaßnahme anzusehen ist.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte