European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00196.16D.1123.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 335,64 EUR (darin 55,94 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Der Kläger, ein Rechtsanwalt, erhielt am 14. 10. 2011 auf seinem Mobiltelefon per SMS eine Werbenachricht der Beklagten, in dem ihm diese die Durchführung einer Begutachtung nach § 57a KFG für ein auf seinen Namen zugelassenes Kraftfahrzeug anbot. Mit Schreiben vom 10. 2. 2012 warf er der Beklagten unter anderem vor, die Werbemaßnahme, die insbesondere gegen § 107 TKG verstoße, sei rechtswidrig und verboten, weil weder eine Geschäftsbeziehung zu ihm bestanden habe noch er seine Zustimmung erteilt habe. Er forderte die Beklagte – bei sonstigem Einleiten der „gebotenen rechtlichen Schritte“ – auf, eine von ihm vorformulierte Unterlassungserklärung abzugeben und einen Betrag von 402,36 EUR für sein Einschreiten zu zahlen. Die Beklagte antwortete darauf durch ihre Rechtsvertreter am 23. 2. 2012, der Kläger habe sie im Jahr 2007 unter anderem mit einer Überprüfung gemäß § 57a KFG beauftragt und dabei ihre Geschäftsbedingungen akzeptiert, nach denen er seine Zustimmung zur Verwendung seiner persönlichen Daten unter anderem zu Werbezwecken erteilt habe; seine Mobiltelefonnummer sei im Auftragsschreiben angegeben worden. Ein Widerruf dieser Einwilligung sei erst mit dem nunmehrigen Schreiben erfolgt, weshalb die Beklagte künftig von einer Kontaktaufnahme zwecks Erinnerung an die wiederkehrende Überprüfung gemäß § 57a KFG absehen werde. Darauf antwortete der Kläger mit Schreiben vom 24. 2. 2012, dass er der Beklagten niemals einen Begutachtungsauftrag erteilt habe; die Geschäftsbedingungen der Beklagten seien ihm nicht bekannt, er habe auch in diese nicht eingewilligt. Es liege eine klare Rechtsverletzung vor, weshalb er die Klage einbringen werde, falls die Beklagte keine zufriedenstellende Lösung finde. Er erwarte die Bezahlung der aufgelaufenen Kosten und den Abschluss des Unterlassungsvergleichs. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 5. 3. 2012 Kopien der an den Beklagten gerichteten Rechnung vom 30. 11. 2007 und eines Überweisungsbelegs vom 10. 12. 2007 übermittelt hatte, bestritt der Kläger, einen Arbeitsauftrag unterschrieben zu haben. Das Fahrzeug sei ersichtlich von einer anderen Person, die es im Rahmen ihrer Tätigkeit bei einem Musikverlag benutzt habe, zur Beklagten gebracht worden. Die Rechtsvertreter der Beklagten antworteten darauf am 13. 3. 2012, dass der Reparaturauftrag jedenfalls im Namen des Klägers als Zulassungsbesitzer des Fahrzeugs und Bekanntgabe seiner Mobiltelefonnummer erteilt worden sei. Das Verhalten der handelnden Person sei dem Kläger zuzurechnen, der deren Vertretungshandlung überdies später durch Zahlung der Rechnung genehmigt habe. Darüber hinaus habe der Kläger auch auf Erinnerungsschreiben zur Sicherheitsüberprüfung in den Jahren 2009 und 2010 niemals Einspruch erhoben und damit konkludent das Einverständnis zum Erhalt derartiger Informationen erklärt. Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 13. 3. 2012 letztmalig die Unterlassungserklärung verlangt und eine Zahlung von 1.293,24 EUR bis zum 20. 3. 2012 gefordert hatte, erklärten die Rechtsvertreter der Beklagten in einer abschließenden Stellungnahme vom 20. 3. 2012, dass es keine Rechtsgrundlage für die geforderte Unterlassungserklärung gebe, zumal nach dem Widerruf der Zustimmung durch das Schreiben vom 10. 2. 2012 die Beklagte sofort erklärt habe, von weiteren Kontaktaufnahmen Abstand zu nehmen.
Mit seiner am 5. 2. 2015 eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Zahlung von 872,76 EUR samt Zinsen und brachte im Wesentlichen vor, er habe die Beklagte wegen der rechtswidrigen SMS‑Werbung abgemahnt und einen weiteren Schriftwechsel geführt. Er sei nie Kunde der Beklagten gewesen. Diese habe zwar die entstandenen Kosten seines Einschreitens nicht beglichen, die Abmahnung bzw die Unterlassungsaufforderung aber faktisch befolgt, womit die „Akzessorietät der Kosten“ weggefallen sei. Er sei daher berechtigt, die „Kosten“ als Hauptforderung selbstständig geltend zu machen. Verjährung sei nicht eingetreten, weil die geltend gemachten Kosten erst durch sein Aufforderungsschreiben vom 10. 2. 2012 und die anschließende Kommunikation mit der Beklagten entstanden seien und die Klage vor Ablauf von drei Jahren eingebracht worden sei.
Die Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, ihre Werbemaßnahme sei nicht rechtswidrig gewesen, weil der Kläger oder ein bevollmächtigter Dritter im Rahmen der seinerzeitigen Auftragserteilung die Allgemeinen Geschäftsbedingungen akzeptiert und damit die Einwilligung erteilt habe, die persönlichen Daten auch zu Werbezwecken zu verwenden. Die gegenständlichen Kosten seien auch weit überhöht. Schließlich wäre ein allfälliger Schadenersatzanspruch bereits verjährt, da der Kläger bereits am 14. 10. 2011 mit dem Zugang der Werbemitteilung vom Eintritt des den Primärschaden verursachenden Ereignisses Kenntnis erlangt habe. Folgeschäden bildeten mit dem Primärschaden verjährungsrechtlich eine Einheit. Dies gelte auch für die Verjährung von Unterlassungsansprüchen und daraus resultierenden Schäden, da ein Verjährungsbeginn mit dem ersten Zuwiderhandeln anzusetzen sei. Die dreijährige Verjährungsfrist sei damit am 14. 10. 2014, vor Klageeinbringung, abgelaufen gewesen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung ab. Der Kläger habe bereits mit Zugang der SMS am 14. 10. 2011 Kenntnis vom Schädiger und vom voraussehbaren etwaigen Schaden in Form von Aufwandersatz für sein beabsichtigtes anwaltliches Einschreiten erlangt. Die Klage sei erst nach Ablauf der Verjährungsfrist des § 1489 ABGB eingebracht worden.
Das Berufungsgericht hob aus Anlass der Berufung das erstgerichtliche Urteil und das ihm vorangehende Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Vorprozessuale Kosten für Mahnschreiben oder die Prozessvorbereitung könnten nur dann selbstständig eingeklagt werden, wenn kein Hauptanspruch mehr besteht. Dies sei nur dann der Fall, wenn kein Prozess in der Hauptsache eingeleitet werden könne, weil der Hauptanspruch bereits durch Erfüllung, Verzicht oder Anerkenntnis erledigt wurde. Im vorliegenden Fall sei von einer Erledigung des behaupteten Unterlassungsanspruchs nicht auszugehen. Sei einem Unterlassungsgebot bereits einmal zuwidergehandelt worden, sei die Wiederholungsgefahr – und damit der Unterlassungsanspruch –, zu bejahen, solange nicht die Beklagte Umstände behauptet oder beweist, aus denen sich gewichtige Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Verletzer ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen. Es könne also nicht der Kläger über die Wiederholungsgefahr einfach disponieren. Hier habe er nur vorgebracht, die Beklagte habe die Abmahnung bzw die Unterlassungsaufforderung faktisch befolgt. Bestreite der Beklagte aber seine Unterlassungspflicht, sei dies als Indiz für das Bestehen der Wiederholungsgefahr zu werten, sofern er dem Kläger nicht einen den gesamten Unterlassungsanspruch umfassenden Vergleich anbietet und nach den Umständen keine Bedenken gegen die Ernstlichkeit seines Willens bestehen, von gleichartigen Handlungen künftig Abstand zu nehmen. Gerade dazu sei aber die Beklagte nicht bereit gewesen, sondern habe den vom Kläger behaupteten Unterlassungsanspruch bestritten. Da eine verbindliche Unterlassungszusage hier gerade nicht vorliege, könne nicht davon ausgegangen werden, dass der behauptete Unterlassungsanspruch untergegangen ist. Damit sei der behauptete klägerische Anspruch auf Zahlung der vorprozessualen Kosten wegen bestehender Akzessorietät zum Hauptanspruch auf Unterlassung nicht selbstständig klagbar, was anlässlich der Berufung amtswegig wahrzunehmen sei.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Rekurs des Klägers ist zulässig (vgl nur RIS‑Justiz RS0043882; RS0043861), aber nicht berechtigt.
Es entspricht der ständigen Judikatur, dass vorprozessuale Kosten erst dann selbstständig eingeklagt werden können, wenn kein Hauptanspruch mehr besteht (RIS‑Justiz RS0111906; vgl auch RS0035826; RS0036014). Zutreffend hat das Berufungsgericht daher geprüft, ob der vom Kläger behauptete Unterlassungsanspruch (nachträglich) erloschen ist.
Sofern ein zur Unterlassung Verpflichteter bereits einmal zuwidergehandelt hat, wird für den Regelfall vermutet, dass er wieder zuwiderhandeln werde, es sei denn, es lägen gewichtige Anhaltspunkte dafür vor, dass der Verletzte ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen (RIS‑Justiz RS0037661). Als Indiz für das Vorhandensein einer Wiederholungsgefahr ist es insbesondere zu werten, wenn der Beklagte im Prozess seine Unterlassungspflicht bestreitet und keine Gewähr dafür besteht, dass er weitere vergleichbare Eingriffe in absehbarer Zeit unterlässt (RIS‑Justiz RS0012055). Die bloße Beseitigung des Eingriffs unter Aufrechterhaltung eines Rechtsstandpunkts, der den Eingriff rechtfertigen soll, kann in der Regel den Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht dartun (7 Ob 650/79 = SZ 52/99). Ein solches Bestreiten schadet nur dann nicht, wenn der Beklagte dem Kläger einem den ganzen Unterlassungsanspruch umfassenden, an keinerlei Bedingungen geknüpften Vergleich anbietet und nach den Umständen keine Bedenken gegen die Ernstlichkeit seines Willens bestehen, von gleichartigen Handlungen künftig Abstand zu nehmen (RIS‑Justiz RS0012055 [T9]). Stets ist maßgebend, ob dem Verhalten des Beklagten in seiner Gesamtheit gewichtige Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, dass er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen (RIS‑Justiz RS0012087).
Im vorliegenden Fall hat sich die Beklagte stets darauf berufen, dass die rechtsgeschäftliche Zustimmung des Klägers zum Übersenden der beanstandeten Werbeinformation vorgelegen sei. Sie hat daher das Vorliegen eines Unterlassungsanspruchs bestritten und lediglich dargelegt, dass sie in Anbetracht des nunmehrigen Widerrufs der Zustimmung von künftigen Werbemitteilungen Abstand nehmen werde. Wenn der Kläger unter diesen Umständen dennoch vom Wegfall eines vorher bestehenden Unterlassungsanspruchs ausgeht, steht dies mit den dargelegten Grundsätzen der Rechtsprechung nicht im Einklang. Die Erklärungen der Beklagten lassen im Übrigen durchaus die Möglichkeit offen, dass sie in Zukunft – unter ähnlichen Umständen wie den seinerzeit vorliegenden – dennoch wieder vergleichbare Werbeinformationen übermitteln könnte, sofern sie (wieder) das Vorliegen einer Zustimmung des Klägers annimmt. Sollte also der vom Kläger behauptete Unterlassungsanspruch tatsächlich bestanden haben, wäre der Kläger gehalten diesen klageweise zu verfolgen, sofern er (auch) den Ersatz der ihm entstandenen Aufwendungen durchsetzen will. Insoweit liegt es entgegen den Rekursausführungen keineswegs „im Ermessen des Klägers“, ob er von einer Wiederholungsgefahr ausgeht oder nicht.
Welche Rechtsfolgen er aus seiner Behauptung, der Unterlassungsanspruch sei zudem verjährt, ziehen will, ist nicht ersichtlich. Er übersieht dabei vor allem auch, dass die allgemeine Verjährungsfrist nach § 1478 ABGB dreißig Jahre beträgt und eine Sondernorm für Unterlassungsansprüche nicht besteht.
Somit ist das Berufungsgericht zu Recht nach § 42 Abs 1 JN vorgegangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 50 Abs 1 iVm § 41 Abs 1 ZPO.
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