European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00173.21D.0518.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin schloss im November 2004 mit der Beklagten einen (endfälligen) Fremdwährungskredit ab, dessen Nichtigkeit sie mit ihrem (Feststellungs‑)Hauptbegehren anstrebt; weiters begehrt sie den Ersatz der im Zusammenhang mit dem Abschluss dieses Vertrags angefallenen Spesen und Gebühren. Mit ihrem Eventualbegehren strebt sie die Unwirksamkeit einzelner Vertragsklauseln an und will als Folge davon die Abrechnung des Kreditvertrags in EUR anstelle in CHF festgestellt wissen. Im Revisionsverfahren leitet sie die Undurchführbarkeit (Nichtigkeit) des Vertrags primär aus der Intransparenz und Missbräuchlichkeit der von ihr als
Auszahlungsklausel (Klausel e)
„Wir nehmen Bezug auf die mit Ihnen geführten Gespräche und erklären uns gerne bereit, Ihnen einen in Euro und Fremdwährung einmalig ausnützbaren Kredit bis zum Gegenwert von EUR 90.000,00 (in Worten: Euro neunzigtausend) in folgender Währung: Schweizer Franken auf ihrem Konto Nr. * samt allfälligen Konten in den jeweils erforderlichen Währungen zu nachfolgenden Bedingungen zur Verfügung zu stellen.“
bzw als Rückführungsklausel (Klausel a)
„Die Rückführung des Kredits erfolgt in der jeweils ausgenützten Währung“
bezeichneten Vertragsbestimmungen ab. Die Unwirksamkeit dieser Bestimmungen bewirke die Gesamtnichtigkeit des Kreditvertrags und damit auch die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz der ihr im Zuge von dessen Abwicklung verrechneten Gebühren und Spesen.
[2] Das Berufungsgericht bestätigte das die Klage abweisende Urteil des Erstgerichts. Die „Rückführungsklausel“ befasse sich ausschließlich mit der Frage, in welcher Währung der Kreditbetrag zurückzuzahlen sei, und gebe darauf eine klare Antwort. Sie sei daher nicht intransparent. Wie in dem zu 8 Ob 37/20d entschiedenen Fall sei auch hier davon auszugehen, dass die Klägerin zusätzlich einen Geldwechselvertrag geschlossen habe. Dazu habe der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass selbst eine allfällige Unwirksamkeit des Geldwechselvertrags nicht zur Nichtigkeit des Kreditvertrags führe. Zu welchen Konditionen – insbesondere zu welchem Kurs – der Geldwechsel erfolgen sollte, sei der Klägerin im ersten Kontoauszug offengelegt und von ihr nie beanstandet worden. Eine allfällige Unwirksamkeit der übrigen Vertragsbestimmungen könne keine Gesamtnichtigkeit des Vertrags bewirken.
[3] Die außerordentliche Revision der Klägerin ist mangels Erörterung einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen:
Rechtliche Beurteilung
[4] 1.1 Der Klägerin ist zuzugestehen, dass ein Feststellungsbegehren nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (auch) dann möglich ist, wenn ein möglicher Leistungsanspruch den „Feststellungsanspruch“ nicht voll ausschöpft (RS0039202 [T8]). Eine Feststellungsklage kann daher auch erhoben werden, wenn ein Leistungsanspruch in Betracht kommt, aber der Kläger ein umfassenderes Rechtsschutzziel verfolgt (6 Ob 91/21g Rz 20) oder das Rechtsschutzziel mit dem Feststellungsanspruch einfacher, sicherer und prozessökonomischer erreicht werden kann, was insbesondere bei Dauerrechtsverhältnissen der Fall sein kann (RS0039110). Das Berufungsgericht hat sich zum Leistungsbegehren mit den von der Klägerin als missbräuchlich bzw intransparent angesehenen Vertragsbestimmungen bei Erledigung der Rechtsrüge aber ohnedies ausführlich auseinandergesetzt und dabei die von der Klägerin mit ihren Hauptbegehren angestrebte Annahme einer Gesamtnichtigkeit des Kreditvertrags inhaltlich verneint.
[5] 1.2 Wirft die vom Gericht zweiter Instanz primär herangezogene Begründung keine erhebliche Rechtsfrage auf, so kann auch die Richtigkeit einer vom Gericht zweiter Instanz nur hilfsweise herangezogenen Begründung nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden, weil die Entscheidung des Falls nicht iSd § 502 Abs 1 ZPO von der Lösung der nur hilfsweise zur Begründung herangezogenen Überlegungen abhängt (6 Ob 264/09f mwN). Gleiches gilt, wenn die primäre Begründung des Gerichts zweiter Instanz eine erhebliche Rechtsfrage aufwirft, nicht aber die selbständig tragfähige Hilfsbegründung. Auch in einem solchen Fall fehlt es an der Präjudizialität der erheblichen Rechtsfrage, sodass die Revision nicht zulässig ist (6 Ob 205/20w; Lovrek in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze³ § 502 ZPO Rz 119). Mit ihren Ausführungen zur vermeintlichen (Gesamt‑)Nichtigkeit des Vertrags kann die Klägerin keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität aufzeigen, sodass die Richtigkeit der (in einem weiteren Begründungsstrang verfolgten) Argumentation des Berufungsgerichts, es fehle (auch) am rechtlichen Interesse für das (Haupt‑)Feststellungsbegehren, dahin stehen kann.
[6] 2.1 Die übereinstimmende Auffassung der Vorinstanzen, nach der Vertragslage sei von einer echten Fremdwährungsschuld auszugehen, ist nicht zu beanstanden.
[7] 2.2 Nach den Feststellungen erhielt die Klägerin vor Abschluss des Kreditvertrags eine Produktbeschreibung, die unter anderem folgenden Inhalt aufwies: „Sie erhalten einen Kredit in einer Fremdwährung. Da Sie jedoch die Rechnungen für Ihre Investitionen in Euro begleichen müssen, wird der Kreditbetrag sofort in Euro umgerechnet. Sie zahlen den Kredit in der Währung zurück, in der Sie ihn aufgenommen haben. Dabei können sich Zins- und Kursschwankungen ergeben.“ Sie entschied sich für den Schweizer-Franken-Kredit, weil der Euro-Kredit hinsichtlich der Zinsbelastung etwa doppelt so teuer gewesen wäre.
[8] 2.3 Ein Fremdwährungskredit ist ein Kredit, der dem Kreditnehmer in einer anderen Währung als in Euro (hier CHF) gewährt wird (vgl § 2 Abs 12 VKrG). Dass der Kredit in einer Fremdwährung gewährt wird, bedeutet grundsätzlich, dass dem Kreditnehmer der kreditierte Betrag in dieser auszuzahlen ist und dieser seine Zahlungsverpflichtungen aus dem Vertrag grundsätzlich auch in der fremden Währung tätigen muss (vgl 1 Ob 163/21h Rz 4). Beim echten Fremdwährungskredit ist die Fremdwährung demnach auch Schuldwährung. Wird eine effektive Fremdwährungsschuld als Sonderform der echten Fremdwährungsschuld vereinbart, sind Zahlungen in anderer Währung eine Leistung an Zahlungs statt, die der Gläubiger grundsätzlich nicht als Erfüllung annehmen muss (6 Ob 51/21z Rz 11; vgl RS0061067).
[9] 3.1 Dass der Kredit in Fremdwährung gewährt wird, bedeutet zunächst, dass dem Kreditnehmer der kreditierte Betrag in fremder Währunggeschuldet ist. Zu 8 Ob 37/20d wurde bereits ausgesprochen, dass der Kreditnehmer hinsichtlich der Auszahlung der Kreditvaluta (in fremder Währung) Gläubiger ist. Ein Recht des Kreditnehmers, den kreditierten Fremdwährungsbetrag in der Inlandswährung zugezählt zu erhalten, besteht demgegenüber nur bei einer entsprechenden zusätzlichen vertraglichen Vereinbarung. In dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof auch ausgeführt, dass der Kreditnehmer, lässt er sich den kreditierten Fremdwährungsbetrag in EUR auszahlen, zusätzlich einen „Geldwechselvertrag“ abschließt. Insoweit liegt mittlerweile eine gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor (8 Ob 37/20d; 1 Ob 93/21i; 6 Ob 154/21x; 1 Ob 163/21k; 9 Ob 62/21i).
[10] 3.2 Zu der von ihr als missbräuchlich und intransparent bezeichneten Klausel e („Auszahlungsklausel“) macht die Klägerin – zusammengefasst – geltend, dass nicht von Anfang an klar gestellt worden sei, wie der Gegenwert der in EUR ausgedrückten Kreditsumme gebildet werden soll und diese daher unbestimmt (unbestimmbar) geblieben sei, und vermisst damit eine (ausdrückliche) Vereinbarung zur Wechselkursberechnung. Richtig ist, dass diese Bestimmung keine Klausel enthält, die die Ein- und Verkaufskurse der Fremdwährung – oder zumindest Kriterien für deren Bestimmbarkeit zum jeweils maßgeblichen Zeitpunkt – festlegt. Fragen nach der Missbräuchlichkeit und/oder Intransparenz einer solchen Vertragsklausel (vgl dazu EuGH C‑212/20 „A“ S.A.; C‑932/19 OTB Jelzálogbank)stellen sich damit nicht.
[11] 3.3 Für die Beurteilung, ob eine Verletzung des Bestimmtheitsgebots vorliegt und deshalb ein Kreditvertrag nicht zustande kam, ist gemäß § 869 ABGB darauf abzustellen, ob die Höhe der in EUR ausgedrückten Kreditsumme („bis zum Gegenwert von 90.000 EUR“) im Hinblick darauf, dass nach dem insoweit unzweifelhaften Parteiwillen die Beklagte einen Kredit in CHF gewähren sollte (um diesen sofort in EUR „umzuwechseln“), ausreichend bestimmt (im Sinn von deutlich bestimmbar) ist. Ob das (anfänglich) der Fall war, kann hier aber dahin stehen, weil auch ein späteres Verhalten iSv § 863 ABGB eindeutige Schlüsse auf den nunmehr (bestimmten) Bindungswillen – hier: in Richtung eines Kreditbetrags mit dem nunmehr bekannten Kreditbetrag in CHF – zulässt (RS0014711; Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 869 ABGB Rz 8 mwN). Bereits das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass der Klägerin die Konditionen, die Kreditsumme in CHF und der Kurs zu dem der Geldwechsel (von CHF in EUR) erfolgte, schon im ersten Kontoauszug offengelegt und von ihr nie beanstandet worden sind (vgl 6 Ob 51/21z Rz 26). Die ihr von der Beklagten am Euro-Konto unter Bekanntgabe der Umrechnungskonditionen und der korrespondierenden Summe in CHF gutgeschriebene Kreditsumme diente nach dem Vertragszweck der Finanzierung von Wohnungseigentum, wobei die Klägerin auch gar nicht behauptet, dass sie die Kreditsumme nicht dem vereinbarten Zweck entsprechend verwendet hätte. Aus ihrem Verhalten ist auf ihr Einverständnis mit dem ihr auf diese Weise bekanntgegebenen CHF‑Betrag zu schließen. Damit kann auch nicht zweifelhaft sein, dass der Kreditbetrag in CHF – und damit die Fremdwährungsschuld – bestimmt war und der Vertrag mit der Kreditsumme in Höhe des ihr bekanntgegebenen CHF‑Betrags zu dem für die Ausnützung des Kredits in Fremdwährung vereinbarten Zinssatz zustande gekommen ist.
[12] 3.4 Steht – wie hier im Individualprozess – fest, dass die Klägerin den Kredit in CHF aufgenommen hat, folgt schon aus der Definition des Fremdwährungskredits, dass sie die Rückzahlung in dieser Währung zu leisten hat, und es sich daher um die „ausgenützte Währung“ handelt. Die in einem Verbandsverfahren ergangene Entscheidung zu 1 Ob 93/21i, in der die hier als „Rückführungsklausel“ (Klausel a) bezeichnete Vertragsbestimmung für sich als intransparent erkannt wurde, weil allein nach dieser Bestimmung unklar bleibe, dass eine zumindest als Verrechnungswährung dienende Fremdwährung die „ausgenützte Währung“ im Sinn des Vertragstexts sein solle, wenn die Bank die Kreditsumme nicht in der Fremdwährung, sondern in Euro auszahle, ist damit nicht einschlägig.
[13] 3.5 Die von der Klägerin als missbräuchlich und intransparent bezeichnete Klausel, wonach die Rückzahlung des Kredits in der jeweiligen ausgenützten Währung erfolgt (Klausel a), ist vor dem Hintergrund der individuellen Vereinbarung weder unklar noch unvollständig. Eine Vereinbarung, den Fremdwährungskredit in derselben Fremdwährung zurückzuzahlen, ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch nicht gröblich benachteiligend oder missbräuchlich (6 Ob 228/16x [Pkt 2.17.]). Selbst wenn die von ihr beanstandete „Rückführungsklausel“ entfiele und auch – wie sie meint – eine Anwendung des dispositiven Rechts (§ 907b Abs 1 ABGB) nicht in Betracht käme, bliebe es nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (1 Ob 47/21z; 1 Ob 163/21h; 9 Ob 62/21i) dabei, dass die Kreditrückzahlung (ohne Konvertierung) in der Fremdwährung zu erfolgen hat. Der Kreditvertrag wäre auf dieser Basis zu erfüllen und könnte auch ohne die beanstandete Klausel fortbestehen. Der Kreditnehmer müsste sich die von ihm in fremder Währung zu leistenden Beträge dann – nicht notwendigerweise beim Kreditgeber – selbst besorgen.
[14] 3.6 Damit ist es aber insgesamt nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht keine Grundlage für die von der Klägerin angenommene Undurchführbarkeit bzw (Gesamt‑)Nichtigkeit des Fremdwährungskreditvertrags oder für die mit dem Eventualbegehren angestrebte Folge, dass die Klägerin einen EUR-Betrag schulde, zu erkennen vermochte. Ob der Kreditvertrag am 16. 11. 2004 zustande kam, weil sie an diesem Tag die schriftliche Urkunde unterfertigte, oder schon am 10. 11. 2004, wie sie ihren Begehren zugrunde legt, ist dabei ohne Bedeutung. Damit begründet es auch keine Aktenwidrigkeit (zum Erfordernis der Relevanz: RS0043265; RS0043367 [T1]), dass das Berufungsgericht irrig unterstellte, sie habe in erster Instanz zur Beilage ./7, die das Datum ihrer Unterschrift aufweist, kein Vorbringen erstattet und insoweit von einer unzulässigen Neuerung ausging.
[15] 4. Inwieweit die weiteren von der Klägerin als rechtswidrig bezeichneten Klauseln eine Unwirksamkeit/ Nichtigkeit (oder Undurchführbarkeit) des gesamten Kreditvertrags nach sich ziehen sollten (Hauptbegehren) oder zur begehrten Abrechnung des Kredits und dessen Tilgung in EUR führen könnten (Eventualbegehren), ist nicht zu erkennen. Auch die Klägerin selbst leitet in ihren Revisionsausführungen keine solche Folgen ab. Auf ihr Leistungsbegehren kommt die Klägerin auch in diesem Zusammenhang nicht mehr zurück. Mangels Einflusses eines (ersatzlosen) Entfalls der von der Klägerin insgesamt beanstandeten Klauseln auf die Rückzahlungsverpflichtung stellt sich auch die in der Revision aufgeworfene Frage nicht, ob diese durch Dispositivrecht ersetzt werden können oder eine geltungserhaltende Reduktion möglich wäre. Die Anregung, ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art 267 AEUV einzuleiten, ist damit nicht aufzugreifen.
[16] 5. Da auch die von der Klägerin im Zusammenhang mit der „Rückführungsklausel“ weiters behauptete mangelhafte Aufklärung durch die Beklagte (insbesondere über das Währungsrisiko) nicht zur Nichtigkeit bzw Undurchführbarkeit des Kreditvertrags oder zu einer Abrechnung in EUR führt, liegen auch die in der Revision geltend gemachten Stoffsammlungsmängel nicht vor.
[17] 6. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)